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im Entstehen begriffene Polizeistaat des 16. Jahrhunderts umfaßte mit seiner Sorge alle Verhältnisse des täglichen Lebens. Demgemäß enthalten die Polizeiordnungen nicht bloß Bestimmungen rechtlicher Art, wie das Pfandrecht, Höhe des Zinsfußes, Hypothekenwesen, sondern auch Bestimmungen über die Marktpreise, das Braurecht, welches nur die Städte, nicht die Dörfer besaßen, Wollein- und Ausfuhr, über den Preis des Brotes und des Fleisches. Für uns auffallend, aber aus dem Geiste jener Zeit wohl zu erklären, sind ferner die Vorschriften in betreff der Zahl der zu einem Tauffeste, einer Hochzeitsfeier Geladenen und der Zahl der Gänge, sowie der Größe der Geschenke. Hinzu kommen Verbote allzuhäufiger Gildenversammlungen und Zunftfeiern. Verständlich erscheinen uns die Vorschriften der Feuer- und Bauordnung, da bei der schlechten Bauart ausgedehnte Feuersbrünste nicht selten waren. Von der ganzen Polizeiordnung aber heißt es, daß sie zum Besten des gemeinen Nußens erlassen sei. Die Sorge für den gemeinen Nußen“ ist der Rechtstitel, unter dem der Polizeistaat jene Verordnungen erließ.88)

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Was in ihnen noch fehlte, ersetzten besondere Verordnungen, so z. B. gegen das Fehdewesen, wider die Landstreicher und Kriegsfröhner, wider die Jagd der Bauern, wider den überhandnehmenden Wucher. Es wird Herzog Heinrich nachgesagt, daß er ein so strenger Herr gewesen sei, daß die Bauern geklagt haben, niemals einen so strengen Herzog gehabt zu haben.89)

Bei diesen materiellen Interessen versäumte der Herzog die Pflege der geistigen keineswegs. Erwähnt ist schon seine Sorge für die Landesuniversität Rostock, der er im Kampf gegen die Übergriffe des Rostocker Rats zur Seite stand. Hervorzuheben sind seine Bemühungen für die Hebung des niedern und höhern Schulwesens, wenngleich in denselben nur von den Anfängen die Rede sein kann. Besonders am Herzen lagen ihm die Lateinschulen zu Schwerin und zu Güstrow, aus denen Anstalten erblüht sind, die noch heute bestehen.

Herzog Heinrich war ein guter Hausvater, sparsam und sorgfältig im kleinen wie im großen; er war arm, wußte aber sehr gut mit dem Seinigen hauszuhalten. Zur Besserung seines Einkommens legte er Weinberge an, besonders in Plau, wo er

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sich gern aufhielt; er baute ein Salzwerk bei Conow und legte Eisenhütten bei Neustadt an. 90)

Sein Wesen war Friedfertigkeit. Nur zweimal gürtete er das Schwert um, 1504 gegen die Pfalz und 1506 gegen Lübeck. Verlockend genug machte der Lübecker Bürgermeister ihm seine Anerbietungen auf die Krone Schwedens oder Dänemarks. Nur einen Augenblick konnte er wankend werden, dann trat er zurück und begnügte sich mit der Vermittelung unter den streitenden Parteien, obwohl sein Bruder ihm melden ließ, er „solle ein solch zustehend Glück diesmal nicht abschlagen, zu bedenken, wie so gar leichtlich beide Königreiche in unsere Hände zu bringen sein werden“.91)

Aber bei seiner friedfertigen Gesinnung versäumte er nicht für den Krieg zu rüsten. Die Festung Plau wurde von ihm sehr stark ausgebaut. 92)

Darum rühmt ihn der Profeffor Chyträus in der Leichenrede als einen „Pater Marte togaque patriae", d. h. als einen Landesvater in Krieg und Frieden.

In seinem Hause verfolgte den Herzog eitel Unglück. Seine erste Gemahlin, Ursula von Brandenburg, welche er 1507 heimgeführt hatte, starb schon 1510. Sie wurde im Kloster zu Doberan beigesetzt. Niemand mag aussprechen, wie betrübt ist gewesen der hochgeboren Fürste“, sagt der Chronist. 93)

Nach drei Jahren vermählte der fürstliche Witwer sich mit Helena, der Tochter des Kurfürsten Philipp von der Pfalz. Aber auch diese Gemahlin starb sehr bald, nämlich 1525 nach elfjähriger Ehe. Sie wurde im Dom zu Schwerin begraben. 94)

Den beiden Ehebündnissen entsprossen sechs Kinder. Das älteste Kind, die Prinzessin Sophie, wurde die Gemahlin Ernst's von Lüneburg, starb aber bereits 1541. Die beiden andern. Prinzessinen vermählten sich, die ältere, Margarete, mit dem Herzog Heinrich II. von Münsterberg-Öle, die jüngere, Katharine, mit dem Herzog Friedrich III. von Liegniß-Brieg. Viel Freude erlebte der Herzog an beiden Schwiegersöhnen nicht; der erste starb schon 1548, seine Gemahlin und seine Kinder in großer Not zurücklassend. „Dieweil denn s. 2. hinter derselben tödlichen Abgang mich als eine arme betrübte Wittib und dazu fünf kleine unerzogene Kinder verlassen hat, weiß ich samt denselben meinen

kleinen Kindern nach Gott dem Allmächtigen keine andere Zuflucht noch Trost, denn allein zu E. G. gnädigsten väterlichen geneigten guten Willen, der ungezweifelten Zuversicht, E. G. werden mich arme betrübte Wittib und meine kleinen unerzogenen Kinder aus väterlicher Liebe und Treue mit Hülfe, Beistand und getreuen Rat nicht verlassen."95) Eine andere Tochter, Ursula mit Namen, wurde schon im fünften Lebensjahre dem Kloster Ribniz übergeben und mit siebenzehn Jahren eingekleidet; 1528 wurde sie zur Vikaria und 1537 zur Äbtissin gewählt.

Der älteste Sohn war Herzog Magnus. 1543 hatte er sich mit Elisabeth von Dänemark vermählt. Der Ehe entsproffen keine Kinder, zur großen Freude der Papisten, welche darin eine Strafe des Himmels für den Abfall vom alten Glauben erblickten. Als Magnus 1550 starb, hatte der Vater nur noch einen Sohn, den Herzog Philipp, und dieser war infolge eines auf einem Turnier erhaltenen unglücklichen Lanzenstoßes schwachsinnig; er starb 1557, ohne zur Regierung fähig geworden zu sein.

In der Einsamkeit des Alters ging der Herzog 1551 eine dritte Ehe ein, nämlich mit der Herzogin Ursula von SachsenLauenburg. Diese Ehe wurde sehr bald durch des Herzogs Tod am 6. Februar 1552 gelöst.

Nicht in der altehrwürdigen Fürstengruft zu Doberan, sondern in der neugebauten Fürstengruft unter der heiligen Blutskapelle, zu deren Heiligtum man längst nicht mehr_wallfahrtete, wurde Herzog Heinrich beigeseßt, im schmucklosen Sarge, in einfacher Gewandung, in rührender Weise prägt sich darin die Verachtung alles Irdischen noch im Tode seitens der Refor= mation aus.

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Der schon genannte Professor Chyträus, der eben erst den Boden Mecklenburgs betreten hatte, durfte die Leichenrede halten und rühmte das Andenken des friedfertigen Herzogs, „des Wächters der wahren Religion, der heiligen Gerechtigkeit und andauernden Friedens".96) Eine zweite Rede gab Arnold Buren in Druck, er, der während fast dreißig Jahren unter der Regierung des Herzogs am Hofe und an der Universität gewirkt und gelehrt hatte, aber wegen Heiserkeit die Rede nicht selbst halten konnte. Er preist den Verblichenen wegen drei Tugenden, die ihn zierten,

Frömmigkeit, Liebe zur Wissenschaft, Friedfertigkeit, und leitet daraus seine Verdienste um Kirche, Schule und Staat ab. Er bezeugt, daß Herzog Heinrich schon bei seinen Zeitgenossen den Ehrenbeinamen „des Friedfertigen" hatte. 97) In der That, daß er die friedliche Entwickelung der Reformation in seinem Lande gefördert hat, ist sein Verdienst. In Frieden wurde die Reformation eingeführt, in Frieden die Landeskirche am 20. Juni 1549 begründet. Die Mecklenburger haben recht daran gethan, daß sie am 20. Juni 1899 das 350 jährige Jubiläum ihrer Landeskirche gefeiert und sich dabei ihres Herzogs Heinrich V., des Friedfertigen, mit Dank erinnert haben. 98)

Und auch über die persönliche Frömmigkeit des Herzogs noch ein Wort! Täglich soll er den 71. Psalm gebetet haben: „Herr ich traue auf dich, laß mich nimmermehr zu Schanden werden." Um Gottes Hülfe für seine Regententhätigkeit zu erbitten, hatte er ein eigenes kleines Gebet sich zurecht gelegt, das häufig über seine Lippen kam. Ein Gebetbüchlein mit des Herzogs Handschrift ist uns noch erhalten. 99)

Anmerkungen.

Erstes Kapitel.

1. (S. 3.) Benußt sind die Akten des Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs zu Schwerin: Acta Servitia principum". Der zeitgenössische Geschichtsschreiber Nik. Marschalk Thurius erzählt in seinen Annales, abgedruckt bei Westphalen „Monumenta inedita" Tomus I S. 317, daß Heinrich bei Friedrich von Nürnberg sich aufhielt. Von der Plassenburg ist ein Brief vom 8. Dezember 1494 datiert, der neuerdings abgedruckt ist bei Steinhausen „Deutsche Privatbriefe". Berlin 1899. S. 309. Der Prinz bittet darin feinen Vater um Geld. Die Verschreibung der Grafschaft Leuchtenberg, siehe auch bei Lüning, Reichsarchiv. Part. spec. coet. II. S. 519: Kaufbeuren, Pfingsttag nach Cantate 1502. Im übrigen verweise ich auf mein Buch „Mecklenburg im Zeitalter der Reformation". Berlin. 1900. Kapitel 1 im Tert und die Anmerkungen am Schluß. S. 1. 295.

Zweites Kapitel.

2. (S. 4.) Die Verträge sind alle bereits gedruckt in den Streitschriften des 18. Jahrhunderts, wie z. B. „Das lezte Wort zu Behauptung des Rechts der Herzogl. Mecklenburg. Auseinanderseßungskonvention vom 3. August 1748." Gedruckt im Jahre 1751. Beilagen; auch in Gerdes „Nügliche Sammlung". Wismar 1736; oder in David Franck „Altes und Neues Mecklenburg" Buch IX. Güstrow und Leipzig 1755. Verträge: Schwerin, 27. Dezember 1503. Wismar, 21. Mai 1504. Schwerin (Franziskanerkloster), 14. September 1507. Schwerin, 6. Februar 1513. Die kaiserliche Bestätigung ist „Augsburg, den 14. April 1518′′ datiert; nach dem Original im Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin.

3. (S. 4.) Die Landshuter Frrungen bei Ranke I, S. 120 ff. Über die Teilnahme Heinrichs siche Jahrbücher für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Jahrgang 39, S. 24. In den „Aufgebotsakten" des Geheimen und Hauptarchivs findet sich weiter nichts, als ein Urlaubsgesuch eines mecklenburgischen Vasallen, der dem Zuge fernbleiben wollte.

4. (S. 4.) Siehe meine Schrift im 3. Kapitel; auch Hoffmann, Geschichte der freien und Hansestadt Lübeck. 1889. Teil 2, S. 3. Am ergiebigsten ist die Quelle des Chronisten Reimar Kock, der aus Wismar stammend in Lübeck thätig war. Eine Abschrift der Chronik, welche außerordentlich wertvoll für die Geschichte Mecklenburgs und Lübecks ist, befindet sich im Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin.

H. Schnell, Heinrich V.

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