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Drittes Kapitel.

Die Vorboten der Reformation.

Im Jahre 1477 schrieb der Karthäusermönch Vicke Dessin einen Brief an Herzog Magnus II., welcher ihn um Rat gefragt hatte, ob er die Herzogin Sophie von Pommern heiraten dürfe, welche nach dem Tode ihres Bräutigams das voreilige Gelübde einer immerwährenden Jungfrauschaft abgelegt hatte. Troß aller entgegenstehenden Bedenken führte der Herzog die Braut dennoch heim, nachdem sie Dispensation von ihrem Gelübde erhalten hatte.

Vicke Dessin redet dem Herzog freimütig ins Gewissen und schärft ihm den rechten christlichen Lebenswandel ein. Nur der sei Gott wohlgefällig, der seine Gebote halte, „allene, dede gut don unde sine bade holden." Allein davon gebe es wenige Leute. Wat helpet to Rome geweset, to Iherusalem unde gelofft (und Gelübde) gedahn unde dar bi nicht gebetert (gebessert) unde vullenbracht mit den werken? Von der heiligen Schrift darf sich niemand wenden: „Uther schrift unde warheit, de god zulven (selbst) is, moed (muß) zick numment (niemand) geven, we zalich (selig) werden wil; zunder (sonder) arbeyt, rechtverdicheit, odmodicheit (Demut) unde de bade (Gebote) mach numment zalich werden unde kan numment daghet vorwerven sunder arbeyt." Wer hier das Kreuz mit guten Werken nicht trägt, dem wird es nach diesem Leben allzuschwer. „Juwe gnade mag my dat nicht to arge stellen, de warheit wil gesecht wesen." Schließlich forderte Vicke Dessin den Herzog auf, die geistliche Freiheit zu beschirmen und die Klöster zu reformieren. Denn diese ließen sich dünken, sie lebten in der Wahrheit und seien doch in großer Fährlichkeit. Hierdurch könne er mehr verdienen als durch die kirchlichen guten Werke, durch Beten, Fasten, Opfern.

Die Geringschäzung der kirchlichen Frömmigkeit, der Hinweis auf den rechten christlichen Lebenswandel, die Betonung der Wahrheit in heiliger Schrift, die Aufforderung zur Klosterreformation zeugen von dem strengen reformatorischen Sinn des Karthäusermönches. Ueberhaupt hat gerade das Karthäusermönchskloster zu Marienehe bei Rostock die alte Strenge bis zulezt ge=

wahrt. Aber während sein leßter Prior, der willensstarke Marquard Behr, fest an den alten Sagungen hielt, spricht aus den Worten des Mönches, eines mecklenburgischen Edelmannes, die Sehnsucht und der Drang nach der Reformation. 13)

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Ein Vorläufer der Reformation in Mecklenburg ist immer der Rostocker Magister Nikolaus Ruze genannt worden, wenn auch neuerdings erwiesen ist, daß er mit den Hussiten in Prag in Verbindung stand und nur niederdeutsche Übersetzungen hussitischer Schriften, allerdings unter seinem Namen, herausgegeben hat. Die bekannteste ist die Schrift Van dem repe" (rep Strick). Der erste kleinere Teil derselben schildert den dreifachen Strang, Glaube, Liebe, Hoffnung, an denen der Mensch aus Sünde und Tod sich retten kann. Dann folgt in 95 Kapiteln eine Auslegung der ersten drei Hauptstücke unseres Katechismus. Der Verfasser wendet sich gegen die katholischen Lehren von der sündenvergebenden Macht des Papstes, von der Heiligenanbetung, von der Tradition, von der hohen Aufgabe und Stellung des Klerus. Dennoch ist Ruge, der Überseßer, noch weit vom evangelischen Standpunkte entfernt, da er noch nicht zu der Erkenntnis durchdringt, daß das Verdienst Christi, welches der Christ im Glauben ergreift, allein seligmachend ist.

Die Nachrichten über die Person des Ruße sind noch immer etwas dunkel. Soviel scheint festzustehen, daß er an der Rostocker Universität lehrte und auch in Rostock 1508 gestorben ist; es ist wahrscheinlich, daß er nach Riga vor der Inquisition fliehen mußte, die seine Bücher vernichtete. Erst 1846 wurde die Hauptschrift in der Rostocker Universitätsbibliothek aufgefunden. Von Anhängern Rußes berichtete uns schon 1524 Martin Reinhart von Eivelstat, Prediger zu Ihen (Jena), in seiner Zuschrift an seine nürnbergischen Freunde Tucher, Ebner und Willibald Pirckheimer. So hat es sich gefüget, daß ich im 1521 jare gen Rostock (als ich wider in Denmarcken reyset) kame, alda bey eynem liebhaber Evangelischer warheyt herberge hatte, wilchs Name der jung Hans Kaffmeister. Mit disem als wir von dem heyligen Evangelio zereden anfiengen, sagt er mir von eynem priester, der ettwa daselbst gepredigt, und viel köstlicher alter büchlein hinder sich gelassen haben sollte, wilche nu in gemeltes kaufmanns hauß ver

borgen lagen. Als aber ich mit vielfeltiger bitt und flehe yhn vermochte, füret er mich mit sich und weyset mir seer eynen grossen schat solcher heylsamer büchlein“. Reinhart erzählt weiter, daß Hans Kaffmeister ihm etliche Schriften mitgegeben habe unter der Bedingung, daß sie nicht bei seinen Lebzeiten in Druck gegeben würden, dann ein prediger Münich, Joachim Ratstein genannt, yme feur und marter, als stock - wolt sagen, kezermeister des Bapsts, wo obgedachtes predigers leer oder büchlin an tag kemen, trauet (dräuet)." 14)

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Ein dritter Vorbote dürfte auch Konrad Pegel zu nennen sein. Herzog Heinrich hatte ihn an seinen Hof als Erzieher und Lehrer seines Sohnes Magnus berufen. Als 1516 der Ablaßkrämer Arcimbold im Lande sein Wesen hatte, schrieb Pegel eine lateinische Schrift de poenitentia. Sie verrät den Humanisten, indem Pegel in der Form eines Dialogs mehr aus den Klassikern als aus der Bibel die Idee des Ablasses indirekt bekämpfte. Er fordert zwar den aufrichtigen Schmerz über die Sünde und fleißiges Gebet zu dem gnädigen Gott; aber daneben läßt er die verdienstlichen Werke, Fasten und Almosen, bestehen. 15)

Wenn auch nicht zu den Vorkämpfern der Reformation, so doch zu denjenigen Männern, welche dieselbe in ihrer Art erstrebten und bei ihrem Anbruch förderten, gehörten die Augustinermönche in Sternberg. Ihr Kloster war bereits 1500 von Herzog Magnus geplant, um den Gottesdienst in dem durch sein heiliges Blut berühmten Sternberg zu fördern und die Pilger, welche scharenweise zu dem neuen Mirakel strömten, - 1492 hatte sich das Ereignis abgespielt, Juden hatten eine Hostie durchbohrt, Blut war aus derselben geflossen durch die Predigten der Brüder zu erbauen. Troßdem die Stiftung neuer Bettelmönchsklöster von dem Papste Bonifaz VIII. untersagt war, hatte doch des Herzogs Geschäftsträger in Rom am 19. September 1500 die Bestätigungsbulle für die Gründung der neuen Niederlassung erwirkt, der einzigen in Mecklenburg. Für das Kloster interessierte sich besonders Johann von Staupiß, der Generalvikar des Augustiner - EremitenOrdens in Deutschland, Luthers bekannter Freund. Denn so schrieb die Gemahlin Johanns von Sachsen, die Tochter des Herzogs Magnus, am 22. Mai 1503 an ihren Vater: „Er

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(Herr) Johannes von Staupit doctor Augustiner ordens Einfideler genent," habe sie gebeten, daß das „Neue closter seines ordens zum Sternberg, von neues zu pauen angefangen werden moge;" es wolle auch der genant doctor, so erst er ander gescheft halben kan, dahin in das closter komen und auch sein Rat dar zu geben, wie solchs closter zu pauen und zu erhalten sein möge." Als Herzog Magnus gestorben war, hatte Staupit zwei Väter seines Ordens zu den mecklenburgischen Herzögen geschickt, um sie um die Fortführung des Baues zu bitten. 1507 erhielt das Kloster in der That seinen Stiftungsbrief, und auch der Bau wurde bald fertig.

Das Kloster blühte rasch auf; aber die Augustiner erregten den Neid der übrigen Geistlichkeit; der Schweriner Bischof that sie sogar in den Bann, als die empörten Augustiner sich an einem verleumderischen Lehrer thätlich vergriffen hatten. Erst durch das Einschreiten des Herzogs Heinrich wurde der Bann wieder aufgehoben. Denn die Augustiner führten in der That ein tugendhaftes Leben und bestanden sehr gut in der Visitation, die der Vikar Wenzeslav Link 1520 anstellte. Es ist dies der vicarius, von dem Martin Luther in einem Briefe an Johann Lang (1520, 28. Nov. Luthers Briefe, Enders II, 367. N.) schrieb: Vicarius ad Sternberg ivit, sequitur eum frater Johannes

conversus.

Ohne Zweifel mußte die Stiftung eines Klosters des Augustinerordens, dem auch Luther angehörte, bedeutsame Folgen für die Vorbereitung und dann die Verbreitung der Reformation in Mecklenburg haben. Strenge Zucht, vor allem aber fleißiges Schriftstudium erhoben ihn weit über andere Orden. In der That finden sich in den zwanziger Jahren viele entlaufene „Monnicke“, Augustiner-Eremiten, hin und her im Lande, meistens als Hauslehrer in den Häusern der Landedelleute thätig; sie predigten auch fleißig zum Volk. So konnte es kommen, daß schon 1527 das Kloster aufgehoben wurde, da es freiwillig von den Mönchen verlassen war.16)

Viertes Kapitel.

Herzog Heinrich als Schutz- und Schirmherr der Kirche.

Als das Bistum Schwerin, welches den größten Teil von Mecklenburg umfaßte, seinen Bischof 1516 verlor, wählte das Kapitel den siebenjährigen Sohn des Herzogs Heinrich, den Prinzen Magnus, zum Bischof. Die Wahl wurde vom Papste bestätigt, welcher bestimmte, daß der Prinz im 21. Lebensjahre die Administration in spiritualibus et temporalibus, im 27. die volle Stiftsregierung und die Bischofsweihe erhalten sollte. Inzwischen sollte ein Vertreter die geistliche und weltliche Verwaltung des Bistums übernehmen und ein Weihbischof bestellt werden.

Herzog Heinrich beschwor im Namen seines Sohnes dem Domkapitel die Wahlkapitulation, durch die das Kapitel die Unabhängigkeit des Stifts zu wahren trachtete. Von den Einnahmen des Stiftes sollte er die Kosten der Erziehung seines Sohnes bestreiten. Das Domkapitel aber glaubte durch den herzoglichen Schuß gegen alle Gefahren gesichert zu sein. Hatte doch das Haus Mecklenburg seit lange gegen ein gewisses Schuß- und Schirm-' geld das Bistum unter seine Obhut genommen!17)

Schuß- und schirmherrliche Pflichten hatte der Herzog schon zu Anfang des Jahrhunderts erfüllt und geleistet, als er die Adligen (1503, 1511) anhielt, die fälligen Zinsen der Kirche zu entrichten, und die Parteien dahin verglich, daß der Zinsfuß fortan 5% betrüge, die Kapitalien aber in zehn Jahren abbezahlt würden. Der troßige Adel nämlich hatte recht säumig gezahlt, ja sich überhaupt zu zahlen geweigert. Der Herzog versuchte der Kirche zu ihrem Eigentum zu verhelfen. 18)

Das Schußverhältnis wurde durch die Wahl des Magnus auf den bischöflichen Stuhl ein noch engeres. Der vom Papste bestellte Vertreter gebrauchte sogar den Ausdruck, Heinrich sei als der Vater unsers gnädigen Herrn und als sein natürlicher Vormund „ock des Stiffts Clerisyen hanthaver", und klagte bei dem Herzog über Verlegung der Religion seitens der Lutherischen. Die geängstigten Offiziale berichten sofort an ihn, wenn die Lutherischen

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