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LITERATUR - ZEITUNG

VOM JAHRE

1849.

UNIV OF TEXAS

ERSTER BAND.

JANUAR bis JUNIUS.

HALLE,

Expedition dieser Zeitung

C. A. Schwetschke und Sohn.

LEIPZIG,

Königl. Sächs. privil. Zeitungs-Expedition.

1849.

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Januar.

1849.

Exegese des Alten Testaments. De Prophet Ezechiel. Erklärt von Dr. Ferdinand Hitzig, Professor d. Theologie in

rich.

(Zugleich die achte Lieferung des kurzgefassten exegetischen Handbuchs zum Alten Testament.) 8. VI u. 380 S. Leipzig, Weidmann. 1847.

„Aggrediar Ezechielem Prophetam, cujus difficultatem Hebraeorum probat traditio. Nam nisi quis apud eos aetatem Sacerdotalis ministerii, id est, tricesimum annum impleverit, nec principia Geneseos, nec Canticum Canticorum, nec hujus voluminis exordium et finem legere permittitur, ut ad perfectam scientiam et mysticos intellectus plenum humanae naturae tempus accedat." Diese Worte aus der Vorrede des Hieronymus zu seinem Commentare über den Ezechiel fielen dem Ref., der das in jenen Worten bestimmte kanonische Jahr kaum überschritten hat, schwer auf die Seele, da er zur vorliegenden Arbeit sich anschickte. Es handelt sich zwar hier nur um einen Commentar über den Ezechiel, aber doch um den Commentar eines Vf.'s, der, wie man weiss, seinen Lesern die Sache nicht leicht macht.

Einem Buche, bei welchem, wie bei dem vorliegenden, auf Früheres so wenig hingewiesen werden kann, wodurch ein gewisser fester Kern von allgemein Angenommenem über den in Frage stehenden Gegenstand sich gebildet hätte, in welchem das Alte in allen Fugen wankend gemacht und überall der Neubau versucht wird, einem solchen Buche müsste eine Recension, die auf Vollständigkeit Anspruch machen wollte, eigentlich Schritt vor Schritt folgen, so dass sie zu einem neuen Buche erwüchse. Der uns hier zugemessene Raum empfiehlt aber vielmehr, Stoff unter deng einige allgemeine Gesichtspunkte übersichtlich zusammenzufassen und in jeder dieser Beziehungen sowohl was wir über die Leistungen des Vf.'s zu sagen haben, wie unsere Gegenbemerkungen mit charakteristischen Beispielen zu belegen. Es be

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ziehen sich aber diese Leistungen auf biblische Einleitung und Kritik, auf Lexikographie und Grammatik, auf das Verständniss einzelner Stellen, auf Archäologie und biblische Theologie.

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Die Einleitung bewährt wieder des Vf.'s ausgezeichnetes Talent für gedrängte Darstellung. Auf dem kleinen Raume von zehn Seiten (S. VII-XVI) und in zehn Abschnitten wird hier durch geistvolle und sorgfältige Benutzung scheinbar sehr schwacher Anhaltspunkte manches Neue geboten, manche unbegründete und nur durch das Recht der Gewohnheit gehaltene Hypothese heseitigt, namentlich aber viel des Schwankenden festgestellt und bisher nur allgemein Angedeutetes näher bestimmt. Mit Recht insbesondere hat Hitzig die vielfach herrschende und auch durch Ewald's Bemerkung, dass Ezechiel allen Spuren nach zu schliessen ,, ziemlich jung" in die Verbannung gekommen sey, noch begünstigte Ansicht, der Prophet müsse sehr jung seine Heimath verlassen haben, entschieden zurückgewiesen. Die verhältnissmässig kurze Dauer seiner prophetischen Wirksamkeit, der gereifte, ernste Geist seiner Aussprüche sprechen bestimmt dafür, dass er ,, erst in reiferem Alter sich zur Prophetie gewandt", ", als die Anlagen seines Geistes bereits entwickelt waren, und derselbe eine bestimmte Richtung des Anschauens und Denkens eingeschlagen hatte." Auch scheint der Vf., hier mit Hävernick übereinstimmend, anzunehmen, dass Ezechiel in seinem Vaterlande bereits priesterliche Geschäfte verrichtet habe, und wir wüssten in der That nicht, wie ohne diese Annahme seine innige Bekanntschaft mit den kleinsten Besonderheiten des israelitischen Cultus und das eigenthümlich innige Interesse für denselben erklärt werden könnte. Dagegen können wir, um dies gleich hier zu besprechen, u uns mit der Art durchaus nicht einverstanden erklären, wie der Vf. die c. 1, 1 gegebene Zeitbestimmung über den Beginn von Ezechiels prophetischer Wirksamkeit erklärt. Die Epoche, wonach der Prophet die Zeit des Eintritts der ihm zu Theil gewordenen Offenbarungen bestimmt, ist das Exil

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unter Jojachin, wovon er selbst betroffen wurde. So giebt er auch a. a. O. den 5. Tag des 4. Monats im 5. Jahre nach jener Wegführung als den Anfangspunkt seiner prophetischen Wirksamkeit an. Nur einmal, c. 40, 1, geht die Zeitangabe auch noch auf die Zerstörung Jerusalems zurück, als ein für den Israeliten besonders bedeutsames und erschütterndes Ereigniss. Sonst genügt die Zurückführung irgend eines Zeitpunktes auf jene Epoche vollständig, um für Israeliten diesen Zeitpunkt auf's genaueste zu fixiren. Findet sich daneben noch eine andere Zeitangabe ohne Beziehung auf ein bestimmtes geschichtliches Ereigniss, so ist die Voraussetzung dafür, dass der Prophet dabei Nichtisraeliten im Auge habe und einer bei diesen geläufigen, nicht näher zu bestimmenden Zeitrechnung sich bediene. Dies gilt von der das Buch unsres Propheten eröffnenden und die obige Zeitbestimmung begleitenden Angabe, dass ,,im 30. Jahre, im 2. Monate, am 5. Tage eine Offenbarung ihm zu Theil geworden sey. Das Volk, auf welches der Prophet mit dieser weitere Bestimmung Rücksicht nimmt, kann kein anderes seyn, els dos haldaische, in dessen Mitte er sich befand; und gehen wir nun in der chaldäischen Geschichte vom 5. Jahre des Exils des Jojachin, also vom Jahre 595 v. Chr., 30 Jahre zurück, so treffen wir in der That auf ein Ereigniss, welches vor allen geeignet war, den Chaldäern damaliger Zeit als Anfangsepoche einer allgemein geläufigen Zeitrechnung zu dienen, es ist dies die 625 v. Chr. erfolgte Gründung einer von Assyrien unabhängigen, mächtigen, chaldäischen Dynastie durch Nabopolassar. Nach diesem scheint uns so gewiss, als es bei derartigen Untersuchungen möglich ist, die auch bereits von Scaliger, Prado, Vitringa, J. H. und J. D. Michaelis, Eichhorn, Rosenmüller, Winer, Knobel u. A. fest gehaltene Annahme zu seyn, dass Ezechiel bei der fraglichen Zeitbestimmung von der Gründung der chaldäischen Dynastie durch Nabopolassar den Ausgangspunkt genommen hat. Auch Hitzig erkennt das Gewicht der Gründe an, welche für diese Ansicht sprechen und will sich nur darum zu ihr nicht verstehen, weil,,,dass man nach Jahren seit Nabopol.'s Thronbesteigung rechne, nicht überliefert " sey. Aus einem Mangel dieser Art aber ist bei einer Geschichte, die uns überhaupt so fragmentarisch wie die chaldäische überliefert ist, gar nichts zu schliessen, um so weniger, da die Rechnung nach Regierungsjahren der babylonischen Könige durch Bero

sus und den ptolemäischen Kanon im Allgemeinen bestätigt, und es natürlich ist, dass man zur Zeit, da Ezechiel auftrat, im frischen Andenken an die Erhebung der chaldäischen Macht lieber noch von dieser als von dem Regierungsantritte Nebukadnezar's, des damals regierenden Königs an rechnete. Dagegen hat Hitzig's Ansicht, dass das 30. Jahr der Jobelperiode gemeint sey, Analogie und Wahrscheinlichkeit gegen sich. In der vorexilischen Zeit finden wir von einer Beobachtung der Gesetze über das Jobeljahr nur unsichere Spuren. Nach Hitzig's Annahme würde mit der Reform unter Josia ein Jobeljahr ungefähr zusammentreffen; wäre auch dieses damals in der That endlich eingeführt worden, so erwartete man über ein so unerhörtes Ereigniss nicht blos eine historische Notiz, sondern namentlich in dem mit Josia's Reformen in so inniger Beziehung stehenden Deuteronomium eine Einschärfung der darauf bezüglichen Gesetze, statt dessen aber wird in dieser neuen Redaction der alten Gesetze das Jobeljahr mit keiner Sylbe erwähnt, offenbar weil man an der Möglichkeit seiner Einführung verzweifelte. Auch nach dem Exil wurde dem Gesetz über das Sabbathjahr nur sehr nothdürftig, so weit es eben die damalige Unselbstständigkeit des jüdischen Volkes erlaubte, genügt. Da sonach das Jobeljahr in Wirklichkeit kaum je existirte, so ist klar, dass nicht nach ihm gerechnet werden konnte, und am wenigsten ist von einer derartigen Rechnung etwas überliefert." In der That beruht Hitzig's Ansicht lediglich auf einer Combination von c. 1, 1 mit c. 40, 1 und auf einer künstlichen Erklärung der letztern Stelle, wie beides bereits von Joseph Kimchi versucht und von späteren jüdischen Auslegern nachgeahmt worden ist, deren Bestreben, bei ihrer Unkenntniss der ausserbiblischen Geschichte, dahin ging, alle Schwierigkeiten alttestamentlicher Stellen mit Hülfe alttestamentlicher Andeutungen zu lösen, welche sich ihrer enormen Belesenheit auf diesem beschränkten Felde in reicher Masse darboten. Es heisst nämlich zu Anfange des 40. c., dass dem Propheten eine Offenbarung zu Theil geworden sey im 25. J., am Anfange des Jahres ( ), am 10. Tage des Monats. Nach der sonstigen Weise der Ezechiel'schen Zeitbestimmungen, Jahre, Monat und Tag zu bezeichnen, kann dies der Sache nach nur auf den ersten Monat des Jahres sich beziehen; Hitzig mit den jüdischen Erklärern urgirt dagegen die nach dem talmudischen Sprachgebrau

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che übliche Bedeutung jenes Ausdruckes,,Neujahr" und sucht nun, ob nicht einmal das Neujahr auf den 10. Tag des Monats treffe. Da nach 3 Mos. 25, 9 das Jobeljahr in der That mit dem 10. Tisri beginnt, so bezeichnet die Stelle c. 40, 1 eben ein Jobeljahr, und wenn nach ihr das 14. Jahr nach der Zerstörung Jerusalems, also 575-574 v. Chr., ein Jobeljahr war, so muss auch 625- 624 ein solches, und 595 das Jahr des ersten Auftretens des Propheten, das 30. Jahr einer Jobelperiode gewesen seyn.

Jederman sieht ein, wie das Jobeljahr, wenn es hier, gegen alle sonstige Gewohnheit, als Grundlage einer Berechnung hätte dienen sollen, ausdrücklich hätte genannt werden müssen, allgemeine Andeutungen aber, die nur durch exegetische Kunst- und Wagstücke auf es zu deuten sind, nicht genügen konnten; und es ist nicht zu läugnen, der gelehrte Vf. ist hier bei seinem Bestreben, Schwankendes durch positive Angaben des alten Testamentes selbst festzustellen, in die Fehler der jüdischen Ausleger verfallen, an welche anzustreifen seine seltene Bekanntschaft mit Inhalt und Sprachgebrauch des alten Testamentes, die er mit jenen Auslegern theilt, ihn zuweilen verleitet.

Bewundernswerth ist besonders der Scharfsinn, womit Hitzig die innere Gliederung des Ezechielschen Buches als eines Ganzen erkannt und mit wenigen scharfen Zügen dargelegt hat. Dass die Zahl von 48 Capp., welche das Ganze umfasst, eben so wenig zufällig ist, wie der Umstand, dass die vorexilischen Orakel gerade die erste Hälfte bilden, dass die letzte Hälfte in drei Abschnitte von 8,7,9 Capp. zerfällt, und danach auch die erste Hälfte in drei durch vorgesetzte chronologische Angaben markirte Haupttheile von 7, 12, 5 Capp. geflissentlich getheilt, dass der mittlere dieser Theile durch Einsetzung eines Datums vor das 14. Cap. ebenso absichtlich in zwei Unterabtheilungen zerlegt ist, das scheint uns durch den Vf. zur Evidenz erwiesen. Dagegen müssen wir uns gegen einige zu rasche Schlüsse erklären, welche er aus jenen Spuren einer mit bestimmter Ansicht das Ganze ordnenden Redaction gezogen hat. UnleugUnleugbar ist allerdings, dass auch die erste Hälfte des Buchs seine jetzt uns vorliegende Gestalt erst nach dem Eintritt des Exils erhalten haben kann, und dass sie sogenannte vaticinia post eventum enthält. Wie diese ein Prophet vollkommen unbefangen und fast unbewusst in eine Schrift einführen konnte, welche ältere Weissagungen über irgend ein Ereigniss erst

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nach Eintritt dieses Ereignisses darzulegen bestimmt war, das hat Hitzig (S. X) sehr anschaulich gemacht: Sah er nun von seinem späteren Standpunkte zurück auf einen längeren geistigen Umgang mit Gott, so muss sein Gedächtniss nicht nothwendig ihm überall treu und ein unfehlbares gewesen seyn. Dass da eine dunkle Ahnung sich bestimmter fassen, wie leicht, nachdem das Ereigniss wirklich geworden, demselben seine Weissagung, gleichsam der Typus dem Antitypus, sich verähnlichen konnte, bedarf keines Beweises"; wenn dagegen Hitzig unmittelbar nach diesen Worten diese Verähnlichung als das Werk einer auf dem Grunde der Ansicht von dem Verhältnisse des Propheten zu Gott mit vollem Bewusstseyn sich ergehenden, bestimmten und klaren Reflexion darstellt, so können wir damit nicht einverstanden seyn. Und zu rasch ist jedenfalls folgender Schluss (S. X):,,Jene Data im Anfange des 8. und des 20. Cap. haben sich als Vehikel des Schriftstellers ergeben; und es lastet auf ihnen gegründeter Verdacht, unächt (?) und willkürlich ersonnen zu seyn. Also (?) sind die ersten 24 (?) Capp. vielleicht nicht nur verfasst nach der Zerstörung Jerusalem's, sondern auch erst empfangen. Ist nun der erste Theil des Buches nach der Katastrophe Jerusalem's in der Gestalt, welche er hat, geschrieben, und kann Manches in demselben erst dazumal, nicht früher also gesprochen seyn: so füllt für unsere Betrachtung mündliche und schriftliche Rede zusammen, jene in die Zeit dieser; und es ist der Nachweis angebahnt, dass alle Orakel dieser Sammluny von Anfang an nur schriftlich existirt haben." Eine solche vollständige Trennung anzunehmen zwischen Ezechiel's Schrift und seiner prophetischen Rede und lebendigen prophetischen Wirksamkeit, das ist gewiss zu viel behauptet. Es widerspricht dem nicht allein das, was wir von der Eigenthümlichkeit jener Zeit und des prophetischen Berufes, sowie insbesondere von der Persönlichkeit Ezechiel's wissen, sondern es widerspricht dem sogar das, was H. selbst sonst von der prophetischen Thätigkeit Ezechiel's denkt. Denn wenn, wie S. XIII zugegeben wird, Ezechiel doch wirklich öffentlich gesprochen hat, wenn er sich 24, 18 im Einzelfalle zum Volk nur nach der Analogie sprechen lässt,,, dass dies öfter vorkam", warum H. nicht ähnlich auch über die 8, 1. 14, 1. 20, 1 erwähnten Besuche der Aeltesten denkt, begreifen wir nicht er 33, 30 ff. vom Verhalten der Leute gegen seine

wenn

,,was

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