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Aussatz. Dieses in den h. Schriften zumal des alten Testamentes so bedeutend erscheinende Uebel wird vom Vf. nach allen Seiten hin sehr ausführlich erörtert, und namentlich in der von den Priestern vollzogenen Reinigungsfeierlichkeit der Geheilten ein ceremonieller und ein sanitätischer (therapeutischer) Theil hervorgehoben. Dass die Leviten, wie Hr. F. annimmt, auch eine eigene, traditionelle Heilmethode des Aussatzes durch Arzneimittel besessen haben, von welcher jedoch keine Spur in der Bibel sich auffinden lässt, wagt Ref. zu bezweifeln. Von einzelnen in diese Rubrik gehörenden Krankheitsfällen erwähnt der Vf. die freilich sehr problematische, in der Bibel nur kurz angedeutete Krankheit Hiob's, den Aussatz der Mirjam, des Naeman und Gehases, des Usia und die Reinerklärung eines Aussätzigen durch Jesus, was nicht mit einer Heilung desselben zu identificiren ist, in welche der Heiland, als dem Priester zuständig, nicht eingriff. In einem Excursus wird auch des Aussatzes der Kleider und Häuser gedacht (3 Mos. 13, 47. 14, 34), und jener von Sterbewolle d. h. von der Wolle der an einer Krankheit verstorbenen Thiere abgeleitet, dieser für Maueroder Salpeterfrass erklärt. c. die Krankheit des Königs Antiochus, 2. Makkab. 9, 7. Einige hielten sie für Helminthiasis, andere für Phthiriasis (unrichtig schreibt Hr. F. Phtyriasis), am richtigsten dürfte die Annahme eines ulcus verminosum nach Rust's Benennung seyn. d. Ausflüsse aus dem männlichen Gliede. Interessant für das hohe Alter der Syphilis, denn unstreitig hat Moses die Gonorrhöe angedeutet. Ein gleiches Interesse erregt e. die Plage wegen des Baal Peor, unter welcher man jedenfalls eine ansteckende Krankheit der Genitalien zu verstehen hat. f. Die Krankheit der Philister, sehr wahrscheinlich Feigwarzen. g. Gefährliche Schlangenbisse. Wie die von Moses errichtete eherne Schlange zur Heilung jener Bisse gewirkt habe ist auf die verschiedenste Weise erklärt worden. Gewiss hat die Schlange hier (an den Agathodämon erinnernd) eine religiöse symbolische Bedeutung und dadurch psychisch einwirkend eine den Glauben erhöhende Kraft, dèr damals ein Hauptagens aller Heilungen war. h. Die Augenkrankheit des Tobias. i. Saul's (Paulus) momentane Blindheit. k. Schwachsichtige und Blinde, 1. Fehler des Gehörs und der Sprache durch Jesum geheilt, - alles wird, nach vorangegangener Prüfung der darüber aufgestellten Meinungen, meistens befriedigend erklärt. m. Die

n. Hei

Krankheit des Königs Jehoram, die man für Mastdarmfistel, Lebervereiterung u. s. w. gehalten, war wohl nichts anderes als chronische Ruhr. lung eines Fiebers auf psychischem Wege kommt Matth. 8, 14. und Luc. 4, 38 vor. Als auf demselben Wege erfolgt betrachtet der Vf. o. die momentane Heilung periodischer Gicht Matth. 8, 5 und Luc. 7, 2, p. eines Falles von Wassersucht, und q. eines Blutflusses. Der bei letzterem von Jesu empfundene Kraftverlust wird nicht auf Rechnung des Heilaktes gesetzt. Heilaktes gesetzt. r. Der blutige Schweiss Christi, von den meisten nur bildlich genommen, wird in seiner Realität anerkannt und durch viele ähnliche Beispiele ausser Zweifel gesetzt. Zu den Heilun gen durch psychische Einwirkung zählt der Vf. noch die s. eines lokalen Starrkrampfes (der Hand des Königs Jerobeam), einer starren Hand, einer Epilepsie und mehrerer Fälle von Lähmungen durch Jesum. t. Angeborener Missbildungen werden in der Bibel zwei erwähnt: die Hypertrichosis Esau's und die überzähligen Finger und Zehen eines Philisters. Während die letztere Missbildung nie bezweifelt wurde, da ähnliche Fälle nicht selten und sogar erblich vorkommen, hat man die erstere nur im mythischen und bildlichen Sinne nehmen wollen, wozu aber gar kein Grund vorhanden ist, da auch diese Missbildung wirklich vorkommen kann und, nach den vom Vf. gesammelten Beispielen, öfters beobachtet worden ist. Zuletzt kommen Seelenstörungen an die Reihe. Unter diesen a. die periodische Melancholie des Königs Saul, welche der Vf. benutzt um in vielen Beispielen die wohlthätige Wirkung der Musik auf Seelenkranke zu zeigen. b. Die Insania Zoanthropica (Boanthropie) des Königs Nebucadne

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zar.

Sehr genaue und mit vielen ähnlichen Beispielen belegte Erörterung dieser merkwürdigen Psychose. c. Die Dämonischen des neuen Testaments. In diesen vielbesprochenen Kranken (denn zu den Kranken werden sie auch in der Bibel gerechnet) sieht auch Hr. F. nur Wahnsinnige, die mit einer fixen Idee behaftet sind. Kurz nur erwähnt er den Dämonischen in der Synagoge zu Capernaum, die dämonische Tochter des kananäischen Weibes, den mondsüchtigen Knaben, welchen er wohl richtig für einen epileptischen hält, aber sehr ausführlich geht er auf die Krankheit des dämonisch Stummen und des dämonischen Gadareners ein. Der Erklärung von der Versetzung der bösen Geister in die Schweine wird man wenigstens den Scharfsinn nicht absprechen können.

Der zweite viel kleinere Theil enthält nur sieben Fragmente, und zwar zuerst 15. Das Bild des Greisenalters. Die sehr bilderreiche Schilderung desselben in Pred. Salom. 12, 1 wird hier in ihren einzelnen Theilen durchaus physiologisch und zwar befriedigender als bisher erklärt. Hieran schliesst sich eine Betrachtung der bei dem greisen Könige David angewendeten Erwärmungsmethode nebst andern Beispielen von den Erfolgen der Gerokomie. 16. Vom Selbstmorde. Derselbe kommt in der Bibel nur selten vor, auch hat die mosaische Gesetzgebung seiner nicht gedacht. Die im alten Testamente erzählten Selbstmorde des Sauls und seines Waffenträgers wie den des Ahitophel übergeht der Vf., und hebt nur als interessanter den Selbstmord Nikanor's (Makkab. 14, 41) hervor, und im neuen Testamente den des Judas Ischarioth. Bei diesem namentlich sucht der Vf. die Kette der einzelnen psychischen Vorgänge im Innern des Judas, die ihn zu seinem misslungenen Plane und von da zum Selbstmorde geführt haben, darzulegen; die Todesart, nicht übereinstimmend von dem Evangelisten und der Apostelgeschichte angegeben, lässt sich wohl dahin erklären, dass J. sich auf irgend einer Höhe an einem Baume aufhing, aber durch das Reissen des Strickes oder des Baumastes von der Höhe in das Thal herabstürzte. In den Worten „er borst mitten entzwei und seine Eingeweide wurden ausgeschüttet" will Hr. F. nur bildlich die Grösse der Verletzung, die er durch den Sturz erhielt, bezeichnet sehn. 17. Die Beschneidung und der Epispasmus. Dieses Kapitel ist bei weitem das grösste, indem es 126 Seiten füllt und in der That alles enthält, was nur zur Geschichte des Gegenstandes dienen kann.

Zuerst erhalten wir darin eine Beschreibung der Beschneidung nebst einem supplirenden Excursus aus späteren Schriftstellern, mit Kritik und Vorschlag zur Reform des jetzt noch üblichen Beschneidungsverfahrens. Dann folgt eine historische Untersuchung über den Ursprung, welcher von Aegypten hergeleitet wird, und hierauf eine Darstellung und Kritik der verschiedenen Bedeutungen, welche man der altjüdischen Beschneidung beigelegt hat. Hr. F. hebt neun verschiedene Bedeutungen hervor, die er sehr ausführlich jede einzeln bespricht, nämlich die Deutungen als Bundeszeichen, als Symbol, als Ersatzmittel für das althebräische Menschenopfer (Daumer, Ghillany, Nork), als eines die Dämonen versöhnenden Aktes (Meiners), als

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factische Negation oder blutige Protestation gegen den Phallusdienst (Dreifuss), als nationale oder staatsbürgerliche, als sociale auf Vermehrung der Population sich beziehende, und endlich als diätetisch - prophylaktische Deutung. Nachdem er das meistens Unhaltbare in diesen Ansichten gezeigt, stellt er seine eigene auf, die in der von Abraham eingeführten Beschneidung nicht einen religiösen Akt, sondern nur ein sichtbares, unterscheidendes Merkmal des Stammes, ein Nationalabsonderungszeichen erkennen will. Durch die Anbringung desselben am Zeugungsgliede sey nur symbolisch ausgedrückt und bildlich angedeutet worden, dass sich dieses Zeichen auf alle Nachkommen fortpflanzen und von jedem Einzelnen auch auf die, welche er zeugt, übertragen werden soll. Zuletzt handelt noch ein kleiner Excursus über die Bedeutung der jetzt noch unter den Israeliten gebräuchlichen Beschneidung. Der Vf. theilt hier die Meinung der Sprecher unter den neuen Reform - Juden, dass die Beschneidung eine nicht mehr zeitgemässe und mithin entbehrliche Ceremonie sey. Unter Epispasmus versteht man eine im Alterthum nicht selten angewendete Manipulation die Spuren der Beschneidung dadurch zu verwischen, dass man den Rest der Vorhaut so lange dehnte und auszog, bis er die Eichel wieder bedeckte. Dies Verfahren kam unter den Makkabäern auf als eine Folge der einreissenden Gräcomanie und des Bestrebens namentlich der jüngeren Israeliten sich eine Beschämung zu ersparen, wenn das alte Bundeszeichen z. B. bei Kampfspielen entblösst und der Verspottung preisgegeben war. Später suchte man auch durch den Epispasmus die israelitische Abkunft zu verbergen um den Verfolgungen und Gelderpressungen durch hohe Steuern u. s. w. zu entgehen. Die Anwendung dieser eigenthümlichen Posthioplastik dauerte bis zu den Zeiten des Kaisers Hadrian, als besonders durch die Bemühungen der Talmudisten eine komplicirtere Beschneidungsweise eingeführt wurde, nämlich ausser der bisher angewendeten transversellen Circumcision noch die bis auf den heutigen Tag stattfindende Aufschlitzung des Vorhautrestes der Länge nach, wodurch der Epispasmus unmöglich wird. 18. Die Castration. Ursprünglich in Aethiopien, dann in Aegypten und Assyrien ausgeübt war dieselbe auch den Israeliten bekannt, nach Mos. 5, 23, 1 etc. Eine Stelle im Evangel. Matth. (19, 12) deutet die Spadones und Cryptorchides an.

19. Wiederbelebung Scheintodter. Mehrere sich leicht erklärende Fälle übergehend bespricht der Vf. hier ausführlicher die Wiederbelebung des Sohnes der Wittwe von Zarpath, des Knaben zu Sunem, der Tochter des Jairus, des Jünglings zu Nain und des Lazarus. Der Vf. sucht nachzuweisen, dass alle diese Wiederbelebten nicht wirklich sondern nur scheintodt waren, selbst Lazarus, ungeachtet der Worte Martha's ,,er stinket schon"; wir dürfen dem Zusammenhange nach diese Aeusserung ganzen mehr einer Vermuthung als einer Sinneswahrnehmung zuschreiben. 20. Bemerkenswerthe Todesfälle. Der erste betrifft die Verwandelung der Frau Loth's in eine Salzsäule. Der Vf. entscheidet sich für die Meinung, dass die Frau, noch einmal nach Sodom zurückkehrend und von dem Naturereignisse übereilt, in dem ausgetretenen Wasser des todten Meeres ertrunken und nach Ablauf des Wassers ihre Leiche mit einer Salzrinde überzogen gefunden worden sey. Den plötzlichen Tod der Söhne Aaron's, Nadab und Abihu zu erklären, stellt Hr. F. die etwas kühne Hypothese auf, dass Moses zur Erzeugung des Jehovahfeuers im Allerheiligsten einen elektrischen Apparat besessen habe, welchem mit Kohlen oder Feuer zu nahen verboten war. Nur einmal im Jahre durfte der Hohepriester mit der metallnen Rauchpfanne und dem aus ihr aufsteigenden Rauchdampf (starken Elektricitätsleitern) das Heiligthum betreten; in diesem wahrscheinlich specifischen Rauche findet der Vf. das Sicherungsmittel gegen die drohende Gefahr und die Erklärung der Worte damit er nicht stürbe". Die Uebertretung jenes Verbotes kostete den Söhnen Aaron's, welche fremdes Feuer vor Jehovah brachten", das Leben. Der plötzliche Tod des Usas beim Erfassen der dem Sturze nahen Bundeslade lässt mancherlei Deutungen zu, die ihn jedoch nicht befriedigend erklären. Der plötzliche Tod des Ananias und seines Weibes Sapphira, den der wolfenbüttelsche Fragmentist für einen gewaltsamen durch die Apostel veranlassten anzusehn geneigt ist, war bloss die Folge der äusserst heftigen psychischen Einwirkung und hat mehrere ähnliche Beispiele für sich. 21. Vom Einbalsamiren der Leichen. Auf die Erörterung der beiden Bibelstellen, die sich auf die Einbalsamirung der Leichen Jakob's und Joseph's beziehen, lässt der Vf. noch einen längeren Excursus über die ägyptische Methode des Einbalsamirens folgen, welcher das bekannte in grosser Vollständigkeit mittheilt.

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Ref. hat sich hier nur auf das Skelett eines Buches beschränkt, in welchem ein reiches Material von der Bibel angehörigen Thatsachen sich im Lichte der geläuterten Naturwissenschaft spiegelt und dadurch seiner wahren Bedeutung mehr oder minder entgegentritt. Hr. F., seinen medicinischen Kollegen als gelehrter Schriftsteller vorzüglich auf

dem Felde der Seelenstörungen längst rühmlich bekannt, tritt mit diesem Buche vor ein noch grösseres Publicum, und wir zweifeln nicht, dass dieses seinem Unternehmen, zu welchem er alle Mittel der geistigen Befähigung und der ausgebreitetsten Belesenheit redlich verwendet hat, volle Gerechtigkeit widerfahren lassen wird. Job H. F.

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Zur Deutschen Literatur-Geschichte. Friedrich Heinrich Jacobi im Verhältniss zu seinen Zeitgenossen, besonders zu Goethe. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der neuern deutschen Literatur von Dr. Ferdinand Deycks, ordentl. Prof. der Philologie und Aesthetik an der Akademie zu Münster. 8. X u. 177 S. Frankfurt am Main, Herrmann. 1848. (1 Thlr.) Das ist ein kleines feines Buch, wie wir deren gar viele in unsrer vaterländischen Literatur besitzen möchten von einem gelehrten Philologen in Münster, der aber über seinem Latein und Griechisch keineswegs der deutschen Literatur untreu geworden ist, wie er bereits vor funfzehn Jahren durch eine tief eingehende Schrift über den Goethe'schen Faust bewiesen hatte. In dem vorliegenden Buche treten uns zwei ächt deutsche Gestalten aus den glanzvollsten Tagen unsrer Literatur, Fr. Heinr. Jacobi und Goethe, in lebendiger Färbung und in einer kritisch genauen Prüfung ihres Lebens und ihrer' gegenseitigen Bezüge entgegen und werfen helle Lichter auf eine Zeit, welche Manche als eine arme, weichliche Zeit, ohne Patriotismus und grossartige Ideen für Völkerglück darzustellen lieben. hat Hr. Deycks den Vortheil, aus persönlichen Erinnerungen berichten zu können, er hat als Knabe in Jacobi's Hause zu Pempelfort mit dessen Kindern gespielt, er ist in den hohen Zimmern des Hauses und in den anmuthigen Gängen des Gartens heimisch gewesen, er hat in München Erinnerungen an Jacobi gesammelt und in Weimar Goethe'n gesehen und gesprochen, er hat aber auch die reizende Gegend Eutin's, wo Jacobi fünf Jahre gelebt, uns aus guten Schilderungen so deutlich gemalt, dass wir mit ihr ganz bekannt werden. Der Ton seines Buchs ist überall frisch und lebendig, begeistert für Kunst und Wissenschaft, voll tiefen Gefühls für Gott und Natur und voll Achtung für die erhabenen Gegenstände der menschlichen Speculation. Die Gegensätze zwischen Goethe und Jacobi sind scharf abgegränzt, aber stets in aufrichtiger Liebe und Werthschätzung beider Männer, Hr. Deycks will nicht vermitteln, aber durch die Stellung nebeneinander Alles anschaulich machen. (Die Fortsetzung folgt.)

Dazu

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Junius.

1849.

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(Fortsetzung von Nr. 125.)

Diese iese Vorzüge verleihen unserm Büchlein in einer Zeit, wo die geistigen Interessen von den politischen und industriellen ungebührlich unterdrückt werden, einen besondern Werth. Die Jahreszahl ist zwar nicht die des laufenden Jahres, aber wir erfahren, dass buchhändlerische Hindernisse die Herausgabe verzögert haben. Und zu spät kömmt es auch jetzt wahrlich nicht. Denn es ist ein Ganzes, ein vollendetes Bild mit Rahmen und Hintergrund, den die Zustände Deutschlands und besonders des Rheins und Düsseldorfs bilden und dadurch unterschieden von der Darstellung desselben Verhältnisses zwischen Goethe und Jacobi, welche uns der fleissige Düntzer fast gleichzeitig in den Blättern für liter. Unterhaltung vom J. 1848. Nr. 291-298 geliefert hat. Aber beide Gelehrte haben, wic

schon vor Jahren bei einem ähnlichen Zusammentreffen ihrer Schriften über den Faust, ganz unabhängig von einander gearbeitet und das kann für die Sache der Literatur nur ein Vortheil genannt werden, wenn zwei tüchtige Forscher sich so in Einem begegnen.

Die Vorrede hebt mit einer reizenden Beschreibung der Grabstätten Jacobi's und Goethe's an, welche Hr. Deycks im Jahre 1847 besucht hatte. In München ruht unter einem schlichten Denkmal von Eisen schon fast ein Menschenalter das edelste Herz, der hellste Geist in guter Nachbarschaft Heiur. Schenk's, Wilhelm Abcken's und der Griechen Leonidas und Mauromichalis, in Weimar hat Goethe seinen Ruheplatz neben Schiller und seinem hochsinnigen Fürsten. Welche ehrwürdige, bedeutungsvolle Erinnerungen für die Spätergebornen! Was Goethe und Schiller einander gewesen, bezeugt ihr Briefwechsel, nicht minder wichtig, sagt Hr. Deycks, ist das über vierzig Jahre hinaus bestandene Ver

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

hältniss zwischen Goethe und Jacobi. Aber nicht immer haben die Geschichtschreiber unsrer Literatur dasselbe richtig dargestellt. Daran ist Schuld Goethe's Eigenthümlichkeit, die in den Schilderungen aus seinem Leben, in Dichtung und Wahrheit, sich niemals verleugnet. Dann aber ist zu beklagen, dass Jacobi bis jetzt noch keine tiefer eingehende Biographie gefunden hat, und dass ein wichtiger Theil der für diesen Zweck von seinem Enkel, dem in Petershagen verstorbenen Superintendeuten Bernhard Jacobi gesammelten Papiere, testamentlicher Bestimmung zufolge, nach dessen frühem Tode vernichtet worden ist. Daher darf denn wohl ein Andrer, den die Verhältnisse früh mit Jacobi's Angehörigen in nähere Verbindung brachten, sich der Arbeit unterziehen, sein Leben und Wirken zu schildern. Dies hat also unser Vf. aus den gedruckten Briefsammlungen und andern Schriften mit einer Treue und Wahrheit gethan, welche die philologische Schule nicht verkennen lässt, auch hier und da handschriftliche Nachrichten und Familienerinnerungen zu benutzen vermocht, Wenn er Einzelnheiten überging, die allen bekannt sind (oder wenigstens seyn sollten), so wollen wir das nicht rügen, weil Hrn. Deycks die Berührung der Geister als Hauptsache galt und sein Bestreben in löblicher Weise vorzüglich darauf gerichtet war, die Liebe zum Guten und Schönen grade in dieser Zeit zu beleben und anzufrischen. Denn mit Recht schliesst er seine Vorrede: ,, im Sturme der Zeit wendet mit Erhebung der Blick sich zu den festen Felsen."

Eine schön geschriebene Schilderung der wohl gelegnen und geräumigen Wohnung Jacobi's in Pempelfort geht dem ersten Abschnitte voran, in welchem uus Hr. Deycks mit der Stadt Düsseldorf und ihren Schicksalen bis siebzig Jahre zurück, ehe Jacobi sich in ihr niederliess, bekannt macht. Hier erfahren wir also, dass ein 1766 aus dem Hannöverschen eingewanderter Kaufmann Joh. Conr. Jacobi der Gründer des Besitzthums in Pempelfort geworden ist, ein nicht ungebildeter, glücklicher

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und reicher Mann, dem nach Aufgebung seiner Handelsgeschäfte die Villa in Pempelfort mit auskömmlichem Vermögen blieb. Seine Söhne waren Johann Georg, Friedrich Heinrich und Peter Jacobi, die Töchter Charlotte und Helena; der zweite Sohn, der Held unsres Buches, geboren am 25. Januar 1745, war für den Handelsstand bestimmt. Aber am Comptoir war nicht sein Platz, er empfand schon früh den Drang nach höherer Wahrheit und Gewissheit und wie genau auch seit 1770 die Verbindung mit Gleim, Wieland und Sophie La Roche war, so liess er sich doch nicht in die Kreise der empfindsamen Zärtlichkeit fortziehen, welche schon mehrere Jahre vor der Erscheinung des Werther die besten Männer der damaligen Zeit befangen hielt. Jedoch fallen in diese Jahre die ersten schriftstellerischen Arbeiten, wir erfahren auch aus Jacobi's gedruckten Briefen, dass die Begründung des Deutschen Mercurs eigentlich von Jacobi ausgegangen ist, der seit 1772 nach Auflösung seines kaufmännischen Geschäftes in die Hofkammer zu Düsseldorf eingetreten war und hier das Zollwesen des Herzogthums bearbeitete. Es war dies, sagt Es war dies, sagt unser Vf., eine glückliche schöne Zeit seines Familienlebens, seiner Verbindung mit den besten Männern des Vaterlandes, wenn auch die mit Wieland sich schon im Jahre 1773 zu lösen anfing. Denn dieser verlangte von Jacobi's Genius mehr Nachgiebigkeit in den gewöhnlichen Gang der Literatur-Verhältnisse, während dieser auf einem ganz verschiedenen Standpunkte der Bildung einer lebensvollen Zukunft mehr zugethan war als dem Veralteten. Alles diess ist bündig und klar auseinandergesetzt.

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Einer der wichtigsten Abschnitte ist der jetzt folgende dritte. Goethe's erste Bekanntschaft mit Jacobi wird durch des letztern Gattin Betty, bei einem Besuche in Frankfurt im Sommer 1773 hervorgerufen: er sendete ihr darauf Briefe, Gedichte, die derbe Schnurre", den Jahrmarkt zu Plundersweilern, das Fastnachtsspiel vom Peter Brey und das reine heitre Frauengemüth trat, wie Hr. Deycks sehr gut bemerkt hat, ruhig und unbefangen dem Uebermuthe des Dichters entgegen, es ging auf seine kühnen Scherze ein, ohne alle Furcht, sich dabei das Mindeste zu vergeben (S. 35). Zwei Jahre darauf am 21. Juli 1774 erschien Goethe,,nicht eingeführt, marschalliert, excusirt" bei Fritz Jacobi in Pempelfort grade herab vom Himmel gefallen", und von dem Augenblicke an wussten bei

de, dass sie eng verbunden zusammengehörten. Jacobi's Briefe aus jener Zeit und Goethe's weit spätere Erzählung in Dichtung und Wahrheit sind hier in schönster Uebereinstimmung. Unser Vf. hat. diess auf mehrern Seiten sehr gut nachgewiesen, zuerst das Persönliche in beiden Männern und wie sie sich Goethe, als schaffender Dichter und Spinozist, Jacobi als ein Mann des Empfindens und der sittlichen Ergründung aller Zustände, beide gegenseitig abstiessen und doch wieder geistig auf einander so bedeutend einwirkten. Denn es ist ein Irrthum, Jacobi in diesem Verhältnisse bloss als den Empfangenden zu betrachten. Nicht als ob er in Goethe's Seele neue dichterische Plane geweckt hatte. Allein wer darf verkennen, dass im Werther, der eben zu jener Zeit entstand, ausser der mächtigsten Leidenschaft der verzehrenden Naturschnsucht, schon die Keime zu Goethe's Gesammtansicht von Welt und Menschen, vom Verhältniss des Dichters zu beiden, wie es sich im Faust und Tasso später kund gibt, enthalten sind? Diese Grundansichten sind als Früchte des tiefern Nachdenkens und der Gemüthsklarheit anzusehen, zu welcher der mit sich selbst eifrigst beschäftigte Denker Jacobi den jungen Dichter veranlasste. Auch der zunächst folgende Uebermuth der ersten zehn Jahre in Weimar (1775-1785) vermochte nicht alle Spuren einer Einwirkung zu verlöschen, die erst nach der Rückkunft aus Italien den dort gewonnenen Eindrücken wich. Mittlerweile schrieb Jacobi den Allwill und den Woldemar, durch welche er, namentlich durch den letztern, in den Kreis der besten Schriftsteller Deutschlands als ein völlig Ebenbürtiger trat. Es ist ein Verdienst unsres Vf.'s die Aufmerksamkeit heutiger Leser durch seine einladende Schilderung wieder auf diese Romane und Goethe's Urtheil über dieselben gelenkt zu haben. Der letztere Theil des Abschnitts führt uns in die geselligen Räume von Pempelfort, wo Georg Forster, Heinse nebst andern walteten und theilt uns mehrere Gedichte des jetzt fast vergessenen Joh. Georg Jacobi mit. Mit Recht meint Hr. Deycks (S. 62), dass die anakreontische Zärtlichkeit dieser Lieder vor Goethe's und Schillers Grösse längst ererblichen sey, aber doch zeige ihr Wohllaut hinlänglich, welche Musik auch schon lange vor Heinr. Heine's Buch der Lieder in unsrer Sprache gewesen ist.

Die philosophischen Arbeiten Jacobi's in dieser Zeit, denen er sich bei der Ungnade seines Hofes, wodurch ihm 1780 ein Theil seiner Arbeiten und

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