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dieser S. 181 frevelhafte Entweiher des erhabensten Amtes betitelt, nach der Ansicht V.'s noch keine Seele bekehrt haben, versteht sich von selbst, indem sie ihre abgenutzten nnd verfaulten Netze nur im Namen des Teufels, wie es S. 182 heisst, auswerfen. Uebrigens, wenn auch die protestantischen Missionäre ihre Netze im Namen Gottes auswürfen, es hülfe ihnen doch nichts, da sie als Ketzer (S. 193) in roher Unwissenheit leben, und abgeschmackte und grobe Vorstellungen von Gott und dem Menschen haben. Die Ketzer haben ferner S. 195 die wichtigsten Wahrheiten preisgegeben, und suchen nun, da ihnen das Brod des Lebens fehlt, in den Eicheln der Philosophie vergebgeblich eine Nahrung für ihren Hunger. Dieser Vergleich der Philosophen mit den Schweinen ist bei P. V. zwar ganz in der Ordnung, weil er sich ein für allemal für den Feind des Fortschrittes in Religionssachen erklärt hat, dass er aber nur die Protestanten, oder was bei ihm Eins ist, die Philosophen hasst, ist um so mehr parteiisch, weil er mit eben demselben Rechte jeden erwachsenen Menschen hassen könnte, aus der einfachen Ursache; weil er kein Kind geblieben. Uebrigens bewei st P. V. nur den Römern, was er S. 250 sagt, dass nämlich Gott nach dem heiligen Thomas den Menschen gewiss so hätte erschaffen können, dass er sich auch ohne Weib hätte fortpflanzen können. Warum es Gott nicht gethan, erklärt P. V. auf folgende Weise:,,da Gott gleich im Anfange der Schöpfung erklärt hatte, es sey nicht gut, dass der Mensch allein sey: Non est bonum esse hominem solum (Genes. II) und ihm das Weib zur Dienerin und Gefährtin der fleischlichen Fortpflanzung gegeben hatte, so offenbarte er damit vorbildlich den grossen Plan, die grosse Absicht seiner Vorsehung, die er dann im Anfange der Erlösung vollführte, und welcher gemäss der vollkommene Mensch, der Mensch vorzugsweise, Jesus Christus, nicht allein bleiben sollte; und desshalb gab er ihm die Kirche zur Dienerin und Gefährtin seiner geistlichen Fortpflanzung. Das heisst: Gott hat gleich im Anfange der Welt auf eine sichtbare Weise die Nothwendigkeit des kirchlichen Amtes (das, wie P. V. oben selbst sagt, nicht nothwendig gewesen wäre, weil Christus seine Religion auch durch unmittelbare Offenbarungen seiner Geheimnisse und durch die unmittelbare Thatigkeit seiner Gnade hätte fortpflanzen können) für die Geburt und das Wachsthum der Kinder Jesu Christi, für die Fortpflanzung und Erhaltung des

Christenthums angekündigt." Auf solche Weise kommt P. V. ohne viel Anstrengung zu einem Ober- und Mittelsatz, und das Auditorium zu einem handfesten Schluss. Was sich doch bei zwei gesunden Augen im römischen Lichte nicht Alles finden lässt! Man sieht hieraus deutlich, wie P. V. bei den Römern, neben dem Begriffe der päbstliche Infallibilität, auch den seiner eigenen ohne viele Aengstlichkeit voraussetzt. — Die mystische Manier der Schriftauslegung, als Ideenassoziation in's Unendliche, kommt dem Prediger im Vatican sowohl bei seinen Beweisen als bei den Wundern Jesu trefflich zu Statten. So erfährt er in der zweiundzwanzigsten Homilie, welche die Vermehrung der Brode oder das Amt der Kirche bespricht, dass die Anzahl der versammelten Menge, welche viertausend betrug, die Heiden bedeute, welche von den vier Hauptpunkten der Welt, (wo diese nach P. V.'s Ansicht wohl zu suchen sind?) zum Christenthum kommen, um mit der geistlichen Speise Jesu Christi geweidet und erquickt zu werden. Die sieben Brode vorbilden die siebenfache Gnade des h. Geistes und die sieben Sakramente u. s. w. Alles, das Brod und die dabei genossenen Fische, inund auswendig haben eine Bedeutung.

Endlich macht P. V. den protestantischen Predigern auch einmal ein Kompliment, nachdem sie ihm bisher immer nichts gegolten, indem er S. 273 sagt:,, desshalb, weil die Häretiker jene Körbe nicht haben, worin die Apostel ihre kostbaren Ueberbleibsel sammelten, welche sie allein der Kirche vermachten, ist auch die Predigt der Häresie nicht blos sehr kümmerlich, sondern auch kalt, ungewiss, nicht schliessend." nicht schliessend." Grösseres Lob kann P. V. den protestantischen Predigern nicht ertheilen, als wenn er sie, im Gegensatz zu seinen sichern und gründlichen Schlüssen, mit denen wir so ziemlich bekannt geworden sind, nicht schliessend nennt. Ueberhaupt ist P. V. ein Dialektiker, wie ihn nur eine katholische Scholastik hervorbringen konnte. ,, Fragt mich nicht", sagt er S. 287,,, was die Gnade sey, ich vermag es euch nicht zu sagen, da es ein Geheimniss und zwar ein grosses Geheimniss ist."

Nachdem er vom Schifflein Petri aus, und bei Gelegenheit des wunderbaren Fischfanges so sehr gegen die Ketzer und ihre Missionäre geeifert, und feierlichst erklärte, wie sie nur darauf ausgehen; die Leidenschaften zu predigen und das Reich des Teufels zu erweitern, wendet er sich S. 340 an die Katholiken, und sagt ihnen ganz im Ernste, dass

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sie grösstentheils sammt ihrem einen Glauben um kein Haar besser wären, als die Ketzer, und überlässt uns auf diese Weise, weil die Wölfe nur jene Heerde zerstreuen, deren Hirten fahrlässig und selbst nicht viel werth sind, von der katholischen Heerde auf die katholischen Hirten zu schliessen. Man höre doch was P. V., nachdem er von der Einheit, Unfehlbarkeit, Heiligkeit, Katholizität u. s. w. der katholischen Kirche so rühmlich gesprochen, und die Ketzer als lasterhafte Menschen verdächtigt, über seine herrliche Kirche und deren heilige Priester nachträglich noch folgen lässt. Er vergleicht die Schaaren Menschen, welche bei Gelegenheit der Heilung des blutflüssigen Weibes Christum umdrängen, mit den schlechten Katholiken, welche noch schlimmer als die Ketzer selbst sind. Er sagt S. 340: die Schaaren, welche den Herrn, ohne ihn zu berühren, noch weit mehr als selbst die Ketzer bedrängen und betrüben: Turbae te apprimunt et affligunt, sind die vielen schlechten Katholiken, welche sagen, sie haben den wahren Glauben Jesu Christi, und doch weder mit Worten. noch durch ihr Verhalten irgend zu erkennen geben, dass sie Christen sind. In die Angelegenheiten der Welt verwickelt, von den Interessen der Zeit verschlungen, in sinnliche Genüsse versenkt, leichtfertig am Geiste, verderbt am Herzen, unzüchtig am Fleische, frech in Reden, ausgelassen im Benehmen, führen sie nur ein sinnliches und irdisches Leben, reden nur von Religion, um damit zu erkennen zu geben, wie sehr sie ihnen missfällt, von der Frömmigkeit, um sie verächtlich zu machen, von der Züchtigkeit, um sie zu verspotten und ihre ganze Religion ist eine Lästerung. Uebrigens bringen sie Tage, Monate, Jahre zu, ohne je ein Zeichen des Kreuzes zu machen, ohne je zu Gott mit einem Gebete Zuflucht zu nehmen, ohne ihm je einen Gedanken zuzuwenden, ohne je seinen Namen auszusprechen u. s. w. Und sind ihrer vielleicht wenige? Ach, ganze Völker sinds, Schaaren, welche Jesum bedrängen u. s. w. Endlich bedrängen und betrüben ihn jene Heerden von gemeinen Menschen, welche der Ehrgeiz oder Eigennutz (also nicht die Sehnsucht nach dem Cölibate) auf die heilige Laufbahn lockt und Diener Jesu Christi werden lässt, nicht um sein Amt auszuüben, sondern vielmehr zu verunehren; jene Schwärme von Priestern, welche jeden Tag aus. niedrigem Interesse die Altäre einnehmen und nicht

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Werfen wir nun noch einen Ueberblick auf die 15 Homilien, welche in dem Schule der Wunder" betitelten siebenundzwanzig Bogen starken Bande enthalten sind, um über P. V.'s Kanzelberedtsamkeit und zugleich über ihn selbst ein vollständiges Urtheil zu gewinnen. Urtheil zu gewinnen. Der Titel,, Schule der Wunder" ist nach dem Sprachgebrauche dem Inhalte vollkommen entsprechend, weil die Wunder Jesu Christi Gegenstand der Besprechung sind, weil P. V. in Verbindung mit Gr. Nyssenus, Eus. Emisenus und Haimon bei jedem Schrifttexte durch die aller unerwartetste Auslegung zum alten Wunder neue zu Dutzenden hinzufügt und weil es ein Wunder ist, dass der als politisch freisinnig bekannte P. V. auf solche Weise im Vatikan eine Schule der Wunder gehalten hat. Er zeigt sich beinahe überall nur als Ref. mystisch allegorisirender Schriftausleger, ausgenommen da, wo es auf Ketzer zu schimpfen gibt. Welche Art der Exegese im neunzehnten Jahrhunderte! In jedem Buchstaben der h. Schrift findet er ein Geheimniss, und nicht nur eines, sondern so viele, als Schriftausleger daran herumzerrten. Wem das Wort in der h. Schrift da, wo es nicht nothwendig ist, zu einem bildlichen Zuflucht zu nehmen, nicht genügt, der nehme sich an P. V.'s Homilien ein Beispiel, in welches Labyrinth von Lächerlichkeiten und Absurditäten eine mystisch typologisirende Auslegung führt! Das Alles kümmert aber unsern Redner wenig; er denkt, so lange das Volk zu jedem seiner zahllosen Ausrufe O! mit einem Ah! acclamirt, kann ihm seine Feindin, die Vernunft, wenig auhaben. Das Resultat unserer Kritik wäre demnach: Redner ist P. V. nicht; die Wahrheit macht er sich nach Umständen selbst; die Ketzer hasst er nicht so, wie er vorgiebt; ob er selbst glaubt, was er predigt, ist zweifelhaft; aber das, was die Welt klug nennt, ist er ohne Zweifel.

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Menschen gegeben, und welche sich nothwendig mit der weitern Ausbildung dieser Anlagen bestimmter gestalten müssen. Die Schuld an dieser Ungleichheit der Menschen trägt nicht der Mensch sondern Gott selbst, und wer sich derselben schlechthin widersetzt, kämpft mit einem allgemeinen Gesetze des

Mit diesen verschiedenen Fähigkeiten tritt der Wirklichen, nach welchem das Allgemeine immer

Mensch in die Welt; zunächst nackt, ohne auch nur das zu besitzen, was er zu seinem Leben nothwendig bedarf. Will der Mensch sich dies verschaffen, so muss er seine Fähigkeiten anwenden, er muss mit der Natur kämpfen, um sich diese nach allen Seiten hin zu unterwerfen, er muss arbeiten. Die Arbeit ist es, durch welche der Mensch im Unterschiede von dem ursprünglichen Besitz des Leibes und der Seele zu einem zweiten Besitz gelangt. Was er durch die Anwendung seiner eigenen Fähigkeiten, durch seine eigne Arbeit erreicht, gehört nothwendig ihm und keinem Anderen. Wollten wir dies nicht zugestehen, so würde die Welt, dieser grosse Schauplatz der Arbeit zu einem Schauplatz des Raubes. Damit würde aber auch, wie sich dies überall zeigt, wo das Eigenthum nicht geschützt ist, der Mensch aufhören zu arbeiten. Mit dem Aufhören der Arbeit aber verschwindet auch nothwendig alle Civilisation; der Mensch wird besiegt von der Natur, und sinkt in den traurigsten Zustand zurück, in welchem er nur mit Noth sein Leben fristet. Dieses zweite Besitzthum also, welches der Mensch durch seine Thätigkeit erreicht, und welchem man im Allgemeinen den Namen der irdischen Glücksgüter gegeben hat, ist ein nicht weniger heiliges als das ursprüngliche. Ohne Bürgschaft desselben giebt es keine Arbeit, ohne Arbeit keine Civilisation. Mit dem ursprünglichen Unterschiede der Fähigkeiten ist nun aber auch ein Unterschied in den Resultaten dieser Fähigkeiten, also in dem durch sie erworbenen Eigenthum gesetzt. Die Gleichheit vor dem Gesetze aufzuheben ist Tyrannei, aber ebenso tyrannisch wäre die Gesellschaft, welche alle die Unterschiede vernichten wollte, welche sogleich mit den verschiedenen Anlagen der

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nur in der Mannichfaltigkeit von Unterschieden zur Existenz kommt. Freilich machen hervorstechende Anlagen ebenso den Neid rege, wie grosse Reichthümer; allein die Gesellschaft kann unmöglich den Wünschen dieses Neides folgen, denn sie zieht aus diesen Ungleichheiten nur Nutzen. Gerade dadurch, dass der von Natur begabte Mensch durch seine Arbeit mehr vor sich bringt, als er für sich bedarf, wird es den Andern möglich, für einen geringeren Preis sich die Produkte seiner Arbeit einzutauschen. — Dem fleissigen, geschickten Arbeiter die Früchte seiner Arbeit nicht zuzugestehen zu dieser extremen Ansicht geht man nicht leicht fort; viel cher wagt man es aber, dem Eigenthümer das Recht abzusprechen, seinen Besitz beliebig zu verschenken oder zu vererben, weil hierdurch nun auch solche zu einem grossen Reichthum gelangen können, welche es weder durch ihre Fähigkeiten noch durch die Anwendung derselben verdienen. So bald mir aber das Recht genommen wird, mein Eigenthum nach Belieben zu verwenden, so kann ich überhaupt nicht mehr sagen, dass ich dasselbe besitze; es gehört vielmehr dann eben demjenigen, welcher darüber zu verfügen das Recht hat. Ferner aber ist das Verschenken ein humaner, moralischer Gebrauch des Eigenthums will ich dem Menschen die physischen Genüsse seines Eigenthums gönnen, die edleren, moralischen, ächt menschlichen aber nehmen? Natürlich aber ist es, dass man vor Allem den Kindern sein Eigenthum schenken wird, da die Kinder, für welche der Vater ohnehin zu sorgen die Pflicht hat, auch der natürlichste Gegenstand der Neigung sind. Ob nun aber der Vater an irgend einem Zeitpunkte seines Lebens oder im Moment seines Todes sein Vermögen den Kin

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dern schenkt, oder ob'er nur bei Lebzeiten die Verfügung trifft, dass es ihnen nach seinem Tode zufallen soll, macht durchaus gar keinen Unterschied. Das Erste zu gestatten, das Zweite aber nicht, ist daher auch durchaus widersinnig. Auch von dem Gesichtspunkte der socialen Nützlichkeit aus muss man dem Eigenthümer das Recht zugestehen, über sein Eigenthum testamentarisch verfügen zu können. Der Mensch würde sicherlich nicht bis an das Ende seines Lebens mit demselben Eifer arbeiten, wenn seine Arbeit nicht seinen Kindern zu Gute käme; erst dies ist es, was ihn fortwährend zur Arbeit reizt und ermuthigt. Ferner aber ist doch offenbar der Sohn darum, weil er das Vermögen des Vaters erbt, noch durchaus nicht nothwendig ein Müssiggänger; er hat durch die Erbschaft des Vaters nur einen Vorsprung auf der Bahn des Erwerbes, er fährt da fort, wo der Vater aufgehört hat, und eben dadurch, dass die Resultate der Arbeit sich durch Generationen hindurch fortsetzen, ist ein sicheres und unbeschränktes Fortschreiten der Kultur möglich. Allerdings ist es vorzugsweise die Schenkung und Vererbung, wodurch grosse Reichthümer bei einem Individuum sich anhäufen, und gegen welche eben darum diejenigen vor Allem ankämpfen, welche eine ungleiche Vertheilung des Besitzes verhindern wollen. Diese übersehen aber gewöhnlich durchaus, welche mannichfache, unersetzbare Vortheile alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft aus dem Reichthum ziehen. Es ist nicht bloss zu bedenken, dass das menschliche Leben doch auch die Ausbildung der Kunst und Wissenschaft verlangt, welche ohne Musse, welche der Reichthum vorzugsweise giebt, sicherlich nicht gedeihen; gerade das, was man vor Allem fordert, dass nämlich alle Klassen der Gesellschaft, auch die unbemittelten, an den Erzeugnissen der fortschreitenden Kultur und an den Gemächlichkeiten des Lebens Theil nehmen sollen, dies wird nur durch den an verschiedenen Punkten der Gesellschaft angehäuften Reichthum möglich. Denn dieser ist es gerade, welcher grosse Unternehmungen wagt, von welchen zuletzt Alle Nutzen ziehen, und welcher dadurch, dass er immer das Seltene, die mühsam erlangten Produkte des Fleisses sucht und mit vielem Gelde bezahlt, auch die Fertigkeit, dieselben schneller und leichter zu erzeugen, unterstützt; wodurch sogleich ein Sinken des Preises bewirkt wird, welches nun auch den Aermern die Möglichkeit eröffnet, das zu besitzen, was zunächst

nur der Reiche besass. Aus diesen Betrachtungen ergiebt sich, dass die Arbeit die eigentliche Basis alles Eigenthums ist. Um die Arbeit, diesen allgemeinen Grund aller menschlichen Kultur, allseitig zu schützen und zu heben, muss die Gesellschaft das Eigenthum ausdrücklich als ein Recht anerkennen. Freilich ist nicht zu leugnen, dass oft nicht die Arbeit, sondern Betrug und Raub die Quelle des Eigenthums ist. Allein eben so wie man den Mord nicht erlauben wird, weil man ihn nicht schlechthin verhindern kann, ebenso widersinnig wäre es, das Eigenthumsrecht wegen der möglichen Angriffe auf das Eigenthum überhaubt aufzuheben. Auch spielt in der Erwerbung des Eigenthums vielfach der Zufall, das unverdiente Glück, die Pfiffigkeit, welche das Gesetz, wenn nicht ausdrücklich verletzt, doch zu umgehen versteht; wir kommen aber zu gar keiner socialen Ordnung, wenn die möglichen Zufälligkeiten uns abhalten sollten, das Vernünftige ausdrücklich als Gesetz zu sanctioniren. Ferner weist man auch darauf hin, dass besonders die Vertheilung des Bodens zuerst viel mehr auf gewaltsame, als auf rechtmässige Weise vor sich geht, dass sonach eigentlich auch die gegenwärtige Vertheilung des Besitzes, als auf Gewalthätigkeiten beruhend, durchaus nicht als eine dem Rechte entsprechende angesehen werden kann. Allerdings gehen der nach Recht und Gesetz geregelten bürgerlichen Gesellschaft schwankende Zustände voraus, in welchen das Recht erst in der Bildung begriffen, das Gesetz noch unbestimmt, auch noch zu ohnmächtig ist, um Gewaltthätigkeiten zu verhindern; entschieden wäre es aber ebenso gewaltsam und ungerecht, wenn man darum den gegenwärtigen geordneten Zustand der Gesellschaft auflösen wollte. Der gesunde Verstand der Nationen hat hier in dem Gesetze der Verjährung das richtige Mittel gefunden, um diese Collision des Rechts mit dem Unrecht zu lösen. Der vernünftige Sinn dieses Gesetzes besteht eben in der Annahme, dass nach dem Verlauf einer bestimmten Anzahl von Jahren der Besitzer sein Eigenthum auch durch Arbeit zu dem seinigen gemacht und eben dadurch der rechtmässige Eigenthümer geworden ist. Wenn nun aber in dieser Weise alle beweglichen und unbeweglichen Güter der Erde in Besitz genommen sind, was soll der jetzt Hinzukommende anfangen? Ist es seine Schuld, dass er so spät kommt, und geschieht ihm also nicht entschiedenes Unrecht, wenn ihm das Leben so schwer gemacht wird? Auch dieser

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würde aufhören zu arbeiten, oder vielmehr, er würde nicht so viel arbeiten, als es der allseitige Fortschritt der Kultur verlangt, wenn nicht das Eigenthum als Recht sanctionirt wäre; also Hebung der Arbeit und der Kultur ist der Zweck des Eigenthumsrechts. Fragen wir dagegen nach der innern Nothwendigkeit des Eigenthumsrechts, so ist entschieden, wie auch Thiers hierzu ansetzt, auf den Begriff der Person und ihr Verhältniss zur Sache zurückzugehen. Indem der Mensch Person, unendliche Allgemein heit in sich ist, ist es nicht bloss

Einwurf gegen das Eigenthum ist ohne Bedeutung Zunächst ist es eine blosse Täuschung, wenn man meint, dass dem Menschen das Leben leichter werde, welcher die Erde noch herrenlos vorfindet, somit nur zuzugreifen braucht, um nach belieben Eigenthümer zu werden. Man muss nur von alle den Mitteln abstrahiren, welche der Mensch mit der Zeit erlangt, um sich die Erde und ihre Erzeugnisse nach seinem Bedürfnisse zuzurichten, und man wird ohne Weiteres zugestehen müssen, dass ohne diese Mittel das Leben, wenn man es nicht in der rohSten Weise hinbringen will, noch. viel mühseliger seinem Wesen widersprechend, dass er im Besitze

ist, als es dem Besitzlosen in dem cultivirten Zustande der menschlichen Gesellschaft gemacht wird, auch wenn er nicht nach Belieben sich ein Eigenthum auswählen kann. Ferner wird aber auch Jeder, welcher das noch herrenlose Land in Besitz nimmt, doch immer wieder Eigenthümer desselben seyn wollen, d. h. er wird den Zustand herbeizuführen trachten, den er als einen unrechtmässigen angreift. Ohne alle Garantie, dass er die Früchte seines Fleisses geniessen werde, wird er sicherlich die Mühe nicht anwenden, welche zur Erlangung eines sichern, behaglichen Lebens nöthig ist.

Dies sind die wesentlichen Gedanken Thiers's über das Eigenthumsrecht. Eine streng philosophische Deduction konnten wir von Thiers nicht erwarten. Wenn es sich aber um den allgemeinen Begriff und um die Nothwendigkeit des Eigenthumsrechts handelt, so können natürlich philosophische Reflexionen nicht ausbleiben. Das Unzureichende in Thiers's Reflexionen besteht offenbar vor Allem darin, dass in ihnen die beiden unterschiedenen Momente einer principiellen, im Begriffe selbst liegenden Nothwendigheit, und dann der äussern Nützlichkeit nicht gehörig auseinander gehalten werden. Wenn die Arbeit als das eigentliche Fundament des Eigenthums betrachtet werden soll, so hat dies den doppelten Sinn, einmal: die Arbeit giebt mir principiell das Recht, eine Sache als Eigenthum zu besitzen, und dann die Arbeit, die Basis aller Civilisation, wird nur dadurch gesichert, dass das Erarbeitete als mein Eigenthum anerkannt wird. Das erste Moment ist

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eines Andern sey, sondern sein Begriff fordert es auch, dass er sich der selbstlosen Sache gegenüber als selbständig setze d. h. dass er die Sache in Besitz nehme. Die Arbeit ist nun eben die Thätigkeit, in welcher der Mensch ausdrücklich auf die Sache eingeht, sich diese unterwirft, sie in seiner Selbstbestimmung umschliesst, die Macht seiner Persönlichkeit gegen dieselbe ausübt. Ein Recht ist das Eigenthum eben darum, weil es ein wesentlicher Moment in dem Begriffe der Person, in dem Processe der Freiheit, der realen Selbstbestimmung ausmacht; ohne Eigenthum kommt die Person nicht zu der ihrem Begriffe entsprechenden Wirklichkeit. Wenn Thiers nur durch Beobachtung die allgemeinen Gesetze der menschlichen Natur und eben so auch die nothwendigen Rechte des Menschen finden will, so ist im Grunde schon durch diese Methode der Beweis von der innern Nothwendigkeit des Eigenthums ausgeschlossen. Offenbar können wir daraus, dass wir das Eigenthum bis auf die Gegenwart herauf, entweder als Thatsache oder ausdrücklich als Recht und Gesetz überall finden, unmöglich den Schluss ziehen, dass es, als zur menschlichen Natur schlechthin nothwendig, auch für die zukünftige Entwikkelung ein bleibendes Gesetz seyn müsse. Noch viel weniger ist damit geholfen, dass wir bis jetzt überall bei der Unsicherheit des Eigenthums auch den Eifer zur Arbeit nachlassen sehen. Hiernach wäre das Eigenthum immer nur eine zweckmässige Einrichtung für die Kultur; auch wäre durchaus nicht erwiesen, dass nicht ausser dem Eigenthum noch andre Mittel gefunden werden könnten, den Eifer zur Arbeit hinreichend zu erwecken. Dass man nun aber überall, durch die ganze Geschichte hindurch, bei allen Nationen, in allen Staaten, die Anerkennung des Eigenthums finde, kann man offenbar nur behaupten, wenn man den Begriff des Eigenthums in sehr weitem Sinne fasst. Thiers

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