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legen. S. 36 bemerkt er, dass der Evangelist sagt: Jesus Christus habe dem Gastmahle, wo er den Wassersüchtigen heilte, beigewohnt, um das Brod da zu essen, lateinisch: Cum intrasset Iesus in domum principis Pharisaeorum comedere panem; und fragt nun, was der Evangelist mit diesem Ausdrucke sagen wollte. Die Antwort ist folgende:,,Dem Emissenus gemäss heisst das, dass der Erlöser bei solchen Gastmahlen durchaus nicht die ausgesuchteren Speisen kostete, sondern blos Weniges und Einfaches, was hinreichte, die Wirklichkeit seiner Menschheit zu beweisen." Ein Beispiel, mit welchem Scharfsinne unser Redner den Schrifttexten die Maske abzieht und sie in ihrem wahren Lichte zeigt! Wie zart auch unser Redner gewisse Gegenstände zu behandeln weiss, zeigt u. a. (S. 50) folgendes Beispiel, wo er von der Vermählung Maria's redet. Er sagt: „,er (Joseph) darf die Jungfräulichkeit der Verlobten nicht berühren, sondern soll ihr Zeuge und Wächter seyn. Er darf nicht als irdischer Verlobter Gebrauch davon machen, sondern soll sie unberührt der unaussprechlichen Thätigkeit des himmlischen Verlobten, des heiligen Geistes überlassen. Er durfte nicht eine natürliche Befruchtung suchen, sondern musste sie der Gnade anheimstellen. Der wahre Gedeon musste das geheimnissvolle Fliess rein und fleckenlos ausspannen und es von dem himmlischen Thau erfüllen lassen und es sorgfältigst bewahren." Auch Historiker ist P. V., und wo er mit der Tradition nicht ausreicht, hilft er sich mit den bewunderungswürdigsten Vernunftschlüssen. So weiss er (S. 62) ganz genau, dass Maria von den zartesten Jahren an im Schat ten des Heiligthums unter den Jungfrauen im Tempel erzogen worden, unter welchen nie etwas Menschliches vorgefallen war, gar nicht vorfallen konnte, weil man sie so streng bewachte; und zwar weiss er dieses Alles aus der einzigen und sichern Quelle der Dezenz. Auch eine neue Ursache entdeckt er (S. 65), wegen welcher sich Joseph von Maria trennen wollte, nämlich nicht weil er glaubte, sie habe sich vergangen, sondern aus purer Achtung, in Folge tiefer Demuth Angesichts eines grossen und unaussprechlichen Geheimnisses, das er eben so ziemlich verdeutlichte, ohngeachtet der Engel, der dem Joseph im Traume erschien, einer andern Meinung war. Ausser diesen Neuigkeiten weiss er noch (S. 70), dass Joseph der schönste unter den Jünglingen war, und Maria die schönste unter den Jungfrauen, so wie dass Joseph desswegen als

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Greis abgebildet wird, um den Ketzern jeden Vorwand zu benehmen, dem Joseph Gedanken an eine fleischliche Gemeinschaft beizumessen.

Ganz besonders staunenswerth aber ist der Scharfsinn, welchen der Redner S. 75 u. 76 entwikkelt, den wir, damit ja Nichts davon verloren geht, in seinen eigenen Worten kund geben. Nachdem er versichert, dass der Zuruf Tibulls (L. II. Eleg. I): Vos quoque abesse procul jubeo: discedite ab aris, queis tulit hesterna gaudia nocte Venus, der Ausdruck des allgemeinen Glaubens der Menschheit sey, fährt er fort und sagt:,, Die Ketzerei hat sich also dadurch, dass sie die Ehelosigkeit des Priesters anfocht und abschaffte, in Widerspruch nicht blos mit dem Geiste des Evangeliums, sondern auch mit dem Glauben der Welt gesetzt. Die katholische Kirche dagegen, welche diese erhabene Einrichtung mit einer so unbeugsamen Standhaftigkeit allen mit der ganzen Kraft der weltlichen Macht bewaffneten Leidenschaften gegenüber festhielt, hat sich auch hierin als die alleinige getreue Bewahrerin, als die alleinige untrügliche Auslegerin nicht blos der christlichen Wahrheiten, sondern aller traditionellen Dogmen, aller reinen Naturtriebe, aller richtigen Empfindungen, alles wahren Glaubens, aller rechtmässigen Neigungen der Menschheit gezeigt." Also der Cölibat ist traditionelles Dogma, der Gipfel aller reinen Naturtriebe, aller richtigen Empfindungen und aller rechtmässigen Neigungen der Menschheit. Hier fehlt nichts mehr, als ein O der Bewunderung über die Originalität von P. V.'s Naturphilosophie. Doch die eigentliche Dialektik folgt erst: folgt erst:,,Es mache uns also jene hässliche Vergünstigung nicht irre, welche die Ketzerei der heftigsten aller Leidenschaften eingeräumt hat. Mit welchem Rechte, mit welcher Autorität könnte sie. den Leidenschaften ein so strenges Gesetz auflegen, sie, die nur aus der Unordnung aller Leidenschaften erzeugt worden ist, die nur durch sie geleitet, durch sie aufrecht erhalten wird? Und dann musste die Zerstörung des Glaubens an die Eucharistie nothwendig auch die Zerstörung der Ehelosigkeit nach sich ziehen. Wozu da noch ein wahres Priesterthum, wo das wahre Opfer abgeschafft worden ist? Seitdem die Eucharistie nur mehr ein blosses Gedächtniss des Leibes Jesu Christi ist, musste der Priester nur mehr ein leeres Bild seines Priesterthums werden: und ein Priester aus Spass ist für einen Kultus aus Spass mehr als hinreichend." Ja! einen Spass scheint uns P. V. hier zu machen;

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denn dass er selber im Ernste glaubt, der Cölibat sey mehr als ein Name, der kaum bei einem einzigen Cölibatär unter Hunderten einen Sinn habe, dürfen wir ihm doch nicht zumuthen. Wenn der Cölibat nach P. V. ein traditionelles Dogma ist, mit welchem Rechte erlaubte dann die katholische Kirche vor Gregor dem 7ten den Priestern die Ehe? Mit welchem Rechte, wenn ein Spasskultus mit einer Heirath in so naher Verbindung steht, gestattet sie die Priesterehe den unirten Griechen? Diesem Beispiele von P. V.'s Natur- und Menschenkenntniss können wir S. 107 noch ein zweites bei fügen, das besonders Belletristen bei Charakterzeichnungen von grossem Nutzen wäre, indem er den Akt auf das naturgetreueste schildert, der zwischen Maria und dem Engel stattfindet.,,Nach der Nach der Verkündigung dieser erhabenen Botschaft (Ecce concipies in utero, cet. Luc. 31) schweigt der Engel, und erwartet zwischen Sehnsucht und Ehrerbietung, dass Maria das Wort ausspreche, welches den Himmel trösten und die Erde erlösen soll. Maria, welche während der Rede des himmlischen Abgesandten in tiefe Sammlung, in staunendes Entzücken versenkt war, indem sie die göttliche Herrlichkeit, die unendliche Herablassung und ihre eigene Niedrigkeit betrachtete, brach endlich ihr züchtiges Schweigen: Gut, sprach sie, ich bin die Magd des Herrn, so geschehe mir denn nach deinem Wort." Wie Maria aus der Betrachtung der Herrlichkeit und Herablassung Gottes und ihrer Niedrigkeit zu dem Ausspruche kommt: Gut, so geschehe mir denn u. s. w., das mag begreifen, wer will. Dieses Gut u. s. w. ist wol die Entschlussäusserung einer trotzigen und stolzen Gebieterin, aber nicht einer demüthigen Maria. Doch nach ein paar O über das Ecce Ancilla auch hierüber nähere Aufklärung.,, Diess: "Es geschehe", aus dem Munde eines demüthigen Geschöpfes, war gewisser Massen mächtiger als das erste: Es werde, aus dem Munde des Schöpfers. Das von Gott ausgesprochene: Es werde, erschuf die Welt aus dem Nichts; das von Maria gesprochene: Es werde, liess Gott selbst in das Nichts herabkommen. Jetzt wissen wir, dass Maria allerdings Ursache hatte auf obige Weise mit dem Engel, der ihr Gottes Auftrag ausrichtete, zu sprechen, indem sie gewisser Massen mächtiger als Gott selber war.

Die Vernunft ist unserm Redner ein durchaus verdächtiges Wesen, das bei ihm in keinem Falle Geltung findet, wie er S. 133 bekennt, wo er von

der Unmöglichkeit spricht, durch die Vernunft zur Erkenntniss der wahren Kirche zu gelangen.,, Sie sehen sie nicht, sie verstehen sie nicht, die Ketzer, diese Thaten, diese Vorrechte und diese Kennzeichen, so lange die Binde nicht von ihren Augen fällt, was nicht geschieht, so lange sie nicht in die Kirche zurückkehren." Dieses vorausgesetzt ist die Vernunft entweder zu schwach, um die Merkmale der wahren Kirche zu erkennen, oder die wahre Kirche selbst im Conflicte mit der Vernunft. Ist die Vernunft zu schwach, dann sind die Merkmale der wahren Kirche, die man bei jeder Gelegenheit auskramt, umsonst, weil sie durch die Vernunft nicht erkannt werden können. Steht die wahre Kirche mit der Vernunft im Conflicte, d. h., ist die Kirche unvernünftig, dann helfen ihr auch ihre Merkmale nichts, weil sie dann nur die Wolle eines verlornen Schafes sind. Bei denen aber, die zu einer Kirche unvernünftiger Weise übertreten, werden hoffentlich auch keine Merkmale, welche eine wahre Kirche beschreiben, mehr vonnöthen seyn. P. V. sagt also den Andersgläubigen, dass sie einen unvernünftigen, tollen Streich begingen, wenn sie zur katholischen Kirche überträten. — S. 142 u. 143 giebt uns P. V. eine Erklärung des Wortes Ketzerei, welches nach seinem allegorischen Denkvermögen Chaos, Babel oder Verwirrung bedeutet, und belächelt als Consequenz die Meinungsverschiedenheit der Protestanten, als der Millionen Würmer in einem Leichname, und bewundert hingegen das einzige, majestätische, Ehrfurcht gebietende Schauspiel von mehr als hundert Millionen Katholiken, welche bei aller Verschiedenheit der Sprachen u. s. w. einen einzigen Glauben bekennen. Diesen einzigen Glauben Aller kann man ihm getrost zugestehen, wenn man darauf aufmerksam gemacht, dass man unter ein und demselben Worte gar Verschiedenes, und oftmals gar Nichts denkt; dann haben wir aber vorläufig nur eine Einheit in den Worten, welche zwar auch ein in ihrer Art einziges, aber nicht majestätisches und Ehrfurcht gebietendes Schauspiel darstellt.

Ebenso wie mit der Einigkeit der katholischen Kirche ergeht es ihm mit ihrer Unfehlbarkeit. Einig ist seine Kirche, weil alle Glieder derselben dasselbe Symbolum hersagen, und unfehlbar ist sie, weil sie unfehlbar ist. S. 155 zeigt unser Redner seine Verwunderung darüber, dass, obgleich das Verhalten einiger Päbste nicht das heiligste war, ihre dogmatischen Entscheidungen gleichwohl un

trüglich waren, dass während sie sich in ihrem Leben als Menschen, in ihren Lehren dennoch als Engel Gottes zeigten, dass, während es schien die sähen nur auf die Erde, sie doch die reine und ächte Sprache des Himmels redeten, und dass die Leidenschaften, welche manchmal den ewigen Stuhl umschwärmten, nie die Wahrheit zu verdunkeln vermochten. Eine derartige Unfehlbarkeit lässt sich aber trotz der Verwunderung P. Ventura's ganz leicht erklären. Wenn man einmal annimmt, dass Alles wahr sey, was der Pabst und die Concilien reden, dann mögen sie immerhin sagen, was sie wollen, es wird für Wahrheit gehalten, oder vielmehr gedankenlos und geduldig nachgesprochen, wenn es auch noch so unvernünftig und voller Widersprüche und leerer Worte wäre. Gegen die Moral lässt sich auf solche Weise auch nicht verstossen, weil der Pabst und die Concilien eben die Moral machen, weil das, was sie als Sünde oder Tugend erklären, ein für allemal für Sünde und Tugend gehalten wird, welcher die Erziehung und Gewohnheit nur mehr die letzte Sanktion zu geben hat. Mit Anwendung eines solchen Cirkels kann man jeden Menschen in den Kreis der Unfehlbarkeit stellen; man braucht nur anzunehmen, er könne nicht irren, dann muss dasjenige, was er sagt, konsequenter Weise im Gehalte der Voraussetzung auch wahr seyn. Dem unfehlbaren Schifflein Petri gegenüber sind die Schaluppen der Reformatoren natürlich nur Transportschiffe der Irrlehren, welche von den schändlichen Leidenschaften gepeitscht werden. Auch die Steuerleute und Matrosen dieser Schiffe werden nicht vergessen, bei deren Schilderung er alle seine stärksten rednerischen Farben aufträgt.

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ein, unter Anderem die Theilnahme an der Prüfung ihrer Diener, das Recht, verderbliche Kulte zu verbieten, andere zu begünstigen (87). Den unvermeidlichen demokratischen Einfluss der Entscheidung durch Stimmenmehrheit auf den Synoden (88), will er durch das aristokratische, konservative Element einer zweiten Kammer, welche den Konsistorien nachzubilden (90) und vom Staate zu ernennen sey (97), paralysirt wissen. Ein Kirchengesetz soll nur dann Geltung haben, wenn diese ,,staatlich-kirchliche Behörde" und die überwiegend von Laien influirte Synode in Einklang sind (99). Da jedem von beiden Körpern dem andern gegenüber nur ein 2 bis 3maliges Veto eingeräumt wird, so kann jeder von beiden, je nachdem er die Initiative ergreift, den andern beherrschen. Die deutsche und die preussische Reichsverfassung hat bekanntlich dem Staate das kirchliche Gesetzgebungsrecht ganz abgesprochen, und so können wir diesen Punkt fallen lassen. In den weiteren Bestimmungen schliesst er sich fast durchgängig an Möbius an. Die Grundsätze, welche R. über den Kultus ausspricht, können bei allen Unbefangenen auf freudige Zustimmung rechnen. Nur ein kleiner Kern soll stereotyp, das Meiste der freien Thätigkeit des Liturgen überlassen (109), der schädliche Pericopenzwang (112) abgethan, und die liturgische Theilnahme der Gemeinde mehr in Anspruch genommen werden. Dies führt ihn auf die Anwendung des apostolischen Symbolums. Wo es noch nicht gesetzlich abgeschafft ist, soll dem Geistlichen zwar nicht die gänzliche Unterlassung seiner Recitation, wohl aber eine im Plural (wir) gehaltene Eingangsformel gestattet seyn (107. 108). Dennoch heisst es S. 107, dass neue Formen,, vermöge einer unausgesprochenen Uebereinkunft an die Stelle des Gesetzes" treten.

Schliesslich dürfen wir bei unserer Kritik, welche hier und da den Mangel präciser Begriffsbestimmung gerügt hat, nicht vergessen zu sagen,

dass die Schrift zumeist für Laien bestimmt ist, denen wir sie wegen der im Ganzen verständigen Auffassung des Christenthums, wegen des versöhnlichen Geistes und wegen der Begeisterung für die edle Sache des Protestantismus mit gutem Gewissen hierdurch empfohlen haben wollen.

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H.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Junius.

Das Eigenthum.

1849.

1) Thiers. Ueber das Eigenthum. Ins Deutsche übersetzt von P. E. Obermayer. gr. 8. 240 S. Mannheim, Schwan u. Götz. 1848. (1 Thlr.) 2) Das Eigenthum. Von A. Tebeldi. 8. 148 S. Stuttgart, Hallbergersche Verlagsbuchh. 1848. (18 Sgr.)

Dass

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ass ein Werk von Thiers über das Eigenthum in der gegenwärtigen Zeit keinen rein wissenschaftlichen Zweck haben kann, versteht sich von selbst. Thiers will so viel wie es durch eine Schrift möglich ist die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft befestigen, welche durch die gegenwärtige Revolution so tief wie noch nie erschüttert, über den Haufen zu stürzen droht. Das Eigenthum ist eben diese Grundlage. Die gewaltsamen Angriffe gegen das Eigenthum gehen jetzt Hand in Hand mit den theoretischen, principiellen Angriffen. Die allgemeine Ueberzeugung, dass das Eigenthum zu respectiren, dass ein Angriff auf dasselbe ein Verbrechen sey, ist jetzt schwankend geworden; es ist den communistischen Irrlehren,,, den Töchtern der Unwissenheit, des Stolzes und des verbrecherischen Ehrgeizes," gelungen, den gesunden Verstand, welcher ohne Bewusstseyn über die weitern Gründe das Eigenthum als heilig anerkennt, zu verwirren, und so ist man denn genöthigt, das zu beweisen,,,was man aus Achtung vor dem menschlichen Gewissen bisher nie zu beweisen unternommen hat." Wer jetzt nach dem Ruhme strebt, eine radicale, sociale Reform zu vollenden, kommt nach Thiers um 60 Jahre zu spät. Im Jahre 1789 gab es noch ungerechte Vorrechte der mannigfachsten Art. ,,Darum konnten in jener unsterblichen Nacht vom 4. August alle Klassen der Nation, die so herrlich in der Constituante neben einander sassen, hervortreten, und eine nach der andern Etwas auf dem Altar des Vaterlandes opfern: die bevorzugten Stände ihre Steuerfreiheit, die Geistlichkeit ihre Güter, der Adel seine Lehnsrechte und Titel, die Provinzen ihre abgesonderten Verwaltungen. Man opferte

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

alles dies mit Freude, mit Enthusiasmus. Man hat seit einiger Zeit nichts versäumt, um die Volksmasse aufzuregen; die Begeistrung vom Jahre 1789 hat man nicht hervorgebracht. Und warum nicht? Weil das, was gethan ist, nicht mehr zu thun bleibt, und wir in einer heutigen Nacht vom 4. August nicht mehr wüssten, was zu opfern. Missbräuche giebt es freilich jetzt wie zu jeder Zeit; aber einige elende Missbräuche auf den Altar des Vaterlandes gelegt, das ist zu wenig. Man muss würdigere Spenden darbringen. Suchet danach im Schoosse dieser Gesellschaft, die seit 1789 so oft über den Haufen geworfen und mühevoll wieder zusammengekittet ist. Suchet und ich wette, Ihr findet nichts Auderes zu opfern als das Eigenthum." Das Eigenthum opfern, heisst aber nichts Anderes, als an die Stelle der Freiheit, der gesitteten und geordneten bürgerlichen Gesellschaft die Gewalt und die Anarchie setzen.

Thiers handelt im ersten Buche vom Eigenthumsrechte. Um zu beweisen, dass das Eigenthum ein Recht sey, reicht es nicht hin, dasselbe nur aus dem Bedürfniss des Menschen herzuleiten; denn es giebt ebenso sehr wahre, vernünftige als schlechte, unvernünftige Bedürfnisse. Vielmehr muss man die menschliche Natur genau beobachten, um die allgemeinen, wesentlichen Gesetze derselben zu entdecken, ganz ebenso wie man durch Beobachtung die Gesetze der Natur findet. Wenn aber die Gesetze der Natur keine Rechte derselben begründen, weil die Dinge der Natur nicht frei sind, weder denken noch wollen, so wird jedes allgemeine Gesetz des Menschen auch zu einem Rechte. Das Recht ist immer ein Privilegium der moralischen, denkenden Wesen. Entschieden finden wir nun aber das Eigenthum in allen Ländern, zu allen Zeiten, auf allen Stufen der Bildung als eine allgemein anerkannte Thatsache. Man hat wohl von einem Naturzustande gesprochen, in welchem die Menschen in den Wäldern umhergeirrt seyn sollen, ohne irgend welche Gemeinschaft mit einander zu haben; in diesem rein natürlichen ursprünglichen Zustande

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soll ihnen denn auch das Eigenthum fremd gewesen seyn. Allein dieser Zustand ist eine reine Hypothese. Wie weit wir auch die allmählige Entwicklung der Kultur zurück verfolgen mögen, überall treffen wir auf ein geselliges Zusammenleben der Menschen, und auf die Anerkennung des Eigenthums, wenn diese auch durch kein geschriebenes Gesetz sanctionirt ist. Schon der Wilde lebt in einer abgesonderten Wohnung, mit seinem Weibe, seinen Kindern; er besitzt seinen Bogen, seine Pfeile, das von ihm erlegte Wild. Später wenn sich die Viehzucht ausbildet, werden die Heerden zum Eigenthum, und ebenso bei der Ausbildung des Akkerbaus der Grund und Boden. Zuerst erscheint das Eigenthum als ein Instinct; bei der weitern socialen Ausbildung wird es zu einer Idee, die stets unveränderlich feststeht, wenn sich der Mensch derselben je nach seiner geistigen und sittlichen Bildung auch nicht immer mit derselben Klarheit bewusst ist. Man hat wohl behauptet, diese Idee des Eigenthums werde immer schwächer; dies ist aber thatsächlich falsch. Vielmehr schliesst sich der Mensch, je mehr er sich entwickelt, immer inniger an das an, was er besitzt; er wird immer mehr Eigenthümer. Im Urzustande ist er es mit Gleichgültigkeit, im civilisirten mit Leidenschaft. Eigenthum ist so eine allgemeine, immer zunehmende, nicht abnehmende Thatsache. - Gehen wir aber weiter, und unterwerfen diese allgemeine Thatsache dem Richterstuhle der menschlichen Vernunft: untersuchen wir, ob nicht etwa der Hang des Menschen nach Eigenthum ein gewaltsames Ansichreissen zum Nachtheil des menschlichen Geschlechts genannt werden muss. Gehen wir auf das ursprünglichste Eigenthum zurück, so ist dies offenbar die eigne Person des Menschen selbst. Indem ich mich von der ganzen übrigen Welt unterscheide, so liegt hierin sogleich das Bewusstseyn, dass ich mir selbst angehöre. Der nächste Schritt aus dieser meiner Innerlichkeit heraus bringt mich in Beziehung zu meinem Leibe. Meine Hände, Füsse, mein ganzer Organismus gehört unbestreitbar nicht dem ganzen menschlichen Geschlecht, sondern nur mir an. Sogleich in diesem ursprünglichen Besitzthum des Leibes und der Seele finden sich nun aber sehr vielfache Unterschiede. Der eine Mensch besitzt eine sehr grosse, der andre eine sehr geringe physische Kraft; der eine ist geistig begabt, der andre geistig schwach; der eine hat diese, der andre jene Anlage. (Die Fortsetzung folyt.)

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Das

Pater Ventura.

Die Schule der Wunder
Ventura u. s. w.

وو

von P. Joachim

,, Auch sie, diese Kirchen, ziehen durch die Welt in der Person ihrer vorgeblichen Missionäre; doch ach, sie thuen es, um den Irrthum auszustreuen, statt die reine Wahrheit zu predigen; sie leiten zu den Lastern an, statt dass sie die christlichen Tugenden pflanzen; sie flössen immer heftiger die Liebe zum Irdischen ein, statt dass sie die himmlischen Schätze aufdecken; sie dienen mehr der Politik als der Religion, mehr dem Eigennutz, als der Bruderliebe; vermehren die Sclaven der menschlichen Gewalt, statt dass sie die Freiheit der Kinder Gottes darbieten; sie erweitern die Grenzen des zeitlichen Reichs ihrer Fürsten, breiten aber nicht die Herrschaft Jesu Christi aus. So sind also diese Schiffe, indem sie die Religion zu verbreiten suchen, Raubschiffe, bewaffnet, geleitet von Lucifer, dem grossen Räuber, dem grausamen Mörder der Menschheit, verderben die Seelen, anstatt sie zu retten, öffnen ihnen die Hölle unter den Füssen, statt sie zum Himmel zu führen!" S. 163:,,Ja sie haben sich nur von uns getrennt, diese Kirchen, um den Leidenschaften der Grossen zu schmeicheln und die rohen Triebe der Menge zu unterstützen; und dieser den Lastern gewährten Zügellosigkeit, diesem Schutze, diesem Hülfsmittel der menschlichen Leidenschaften verdanken sie ihre Ausbreitung und ihr Bestehen. Sie haben sich also vereinigt, nicht, um die Sitten zu verbessern, sondern um sie zu verderben; nicht, um die Tugend aufzumuntern, sondern um sie auszuschliessen; nicht, um die Leidenschaften zu unterdrücken, sondern um ihnen den Zügel zu lassen." Diese Sprachweise P. V.'s erklärt uns, durch welche Mittel er in Rom den Ruf eines grossen Redners erlangt, aber auch zugleich, dass er vor einem Auditorium gesprochen hat, das unbefangenen Lügen, Schimpfworten und Grobheiten allzumal nach seiner bekannten Gemüthsverfassung aus vollem Herzen beipflichtet; sie erklärt uns, wie es ihm möglich ist, das Volk von jedem Crawalle ab, und in die Kirche zu ziehen; denn demjenigen, der bei einem katholischen Volke mit geläufiger Zunge über die Ketzer zu Gerichte sitzt, können, wie die hundertfache Erfahrung lehrt, die Inquisitoren nie mangeln. Dass die protestantischen Missionäre,

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