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mit zum religiösen Bekenntniss. Zum grösseren Theile sind sie böse Geister oder Teufel geworden. Jedoch haben manche einen freundlicheren Charakter bewahrt. Andere in den heutigen christlichen Glauben aufgenommene Züge des heidnischen Glaubens werden mit gleicher Frömmigkeit wie die christlichen Gebräuche vollzogen. Als Beispiel einer solchen Verschmelzung führt Hr. K. S. XIX in der Aeusserung eines, eine Beschwörung mittheilenden alten Kuhhirten zu Brodewin in der Ukermark an. Wie Heidnisches und Christliches vermischt ist, veranschaulichen ein Theil der S. 437 u. f. unter der Rubrik: „Krankheiten" mitgetheilten Besprechungsformeln, und der andre derselben, welcher nichts Christliches zeigt, schliesst wenigstens, im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes" oder mit drei Kreuzen. Nach den Bemerkungen über das Maass des Lebens der Sagen und abergläubischen Gebräuche im heutigen Volke giebt Hr. K. eine Zusammenstellung oder Ueberblick der zum grösseren Theil in den Anmerkungen entweder angedeuteten oder weiter ausgeführten Ergebnisse der gegenwärtigen Sammlung der Sagen, Mährchen und Gebräuche für die Mythologie und handelt zuerst von Wuotan in dessen verschiedenen Namensformen und mit seinen anderen Namen, vornehmlich als wildem Jäger, dann von Frick, Holda, Berlita, Harke, Frû Gôde, Mare, als Namen einer und derselben Göttin, welches man zwar aus den Sagen in jetziger verdorbener Gestalt im Munde der Ungebildeten herausbringen kann, so dass man sagen darf, sie bezeichnen ein und dasselbe oder wenigstens ähnliche Wesen, aber ihrem Ursprunge nach sind Frick auf der einen, und Harke und Mare auf der andern Seite ganz entgegengesetzte Wesen. Wenn Hr. K. S. XXV Wenn Hr. K. S. XXV sagt, dass wir bereits aus dem eilften Jahrhundert die Nachricht haben, dass eine Nation des Luitizergebietes den Wodan, Thor und Frigg angebetet haben; so ist zu bemerken, dass Odericus Vitalis, welcher diese Angabe hat, nicht Frigg, sondern Frea sagt. Nachdem Hr. K. weiter von Donar, auf welchen noch mannigfache Spuren hinweisen, gehandelt hat, kommt er zu einem angeblichen Gotte Balo, wozu Sage 57 (S. 54) Balo's Grab. Mündlich von einem Müller aus Gramzow" Veranlassung gegeben hat. Die Sage ist dunkel. Nach ihr war Balo ein Kuhjunge, und ein auf einer kleinen Anhöhe befindlicher mittendurch gespaltener Stein, bei welchem eine Grube ist, heisst Balo's

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Grab. Balo hat nämlich einen weissen Käse den Berg hinunterrollen lassen und das Brod sogleich nachgeworfen, und gesagt: „düvel rönnt, un ûse lêve herrgott krigt em". Sogleich ward der Stein mittendurch gespalten, und Balo selbst versank in die Erde. So oft man das Loch, wo er zwischen den Steinen versunken ist, zugeschüttet hat, am andern Tage ist es immer wieder dagewesen, als wäre nichts hineingeworfen worden. Aus der Sage selbst lässt sich also keine Gottheit Balo herausbringen. Es bleibt also nichts als der leere Name Balo. Um aus Balo eine Gottheit zu machen, stellt Hr. K. Balo's Grab bei Gramzow mit dem Grabe Baldan's in Dänemark in Vergleichung. Ferner stützt er sich auf Msc. Bibl. Coll. Sion. XVIII. 6 bei Halliwell Dictionary of archaic and provincial words: Balow a spirit, properly an evil spirit: „, with many aungels and arkaungels." And other balows, as the buke telles. Der englische Balow ist also aus dem biblischen Baal gebildet. Eine noch grössere Rolle spielt bei Hrn. K. der aus einem Missverständnisse Jac. Grimm's entsprungene Gott Phol. Es beginnt nämlich die Merseburger Besprechungsformel:

Phol ende Wodan vuoren zi holza,

Du wart demo Balderes volon sin vuoz birenket, Fohlen (Rosse) und Wodan fuhren zu Holze, Da ward dem Füllen (Rosse) Balder's sein Fuss verrenket.

Jac. Grimm fasste das Phol als Namen eines Gottes auf, und fand ihn nun überall z. B. im Pfahlgraben und in Phulsborn. Ohngeachtet der angebliche Gott dadurch zu nichte gemacht wurde, dass im Allgem. Anz. u. Nationalz. der Teutschen d. 21. Dec. 1842 Nr. 347 S. 4577. 4578, und d. 30. Dec. desselben Jahres Nr. 354 S. 4693. 4694, und in der Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, hrsg. v. J. D. Ersch u. J. G. Gruber. Dritte Section, hrsg. v. M. H. E. Meier. 20. Th. S. 371, die richtige Erklärung des Phol, wie wir oben angegeben haben, aufgestellt und gezeigt wurde, dass Phol die Mehrzahl von Phol (Fohlen) wie z. B. Kind (Kinder) u. s. w. sey, hat sich doch Hr. K. von dem längst nachgewiesenen Irrthume Jac. Grimm's nicht losgemacht und bringt den irrthümlicher Weise als einen Gott angenommenen Phol mit dem Balo, und diesen dadurch mit dem Pfahlgraben in Verbindung. Doch ist dabei sehr zu loben, dass Hr. K. die Wahrheit absichtlich nicht zu umschleiern sucht, indem er S. 494 in Beziehung auf das Dorf Phuls

born sagt:,, Erinnerungen an Phol habe ich keine gefunden." Dieses ist sehr wichtig, denn bei den mehrfachen Nachfragen, ob die Bewohner etwas von dem Gotte Phol wissen, kann es nicht anders geschehen, als dass sich in dem Dorfe eine Phols-Sage bildet, ähnlich wie viele andere Sagen aus gelehrten Muthmassungen entstanden sind, und man wird dann aus dieser neuentstandenen Phols - Sage das vormalige Daseyn eines Gottes Phol als erwiesen annehmen, ähnlich wie der neuentstandene Name Herthasee auf der Insel Rügen zum Beweise genommen wird, dass dort der Sitz des Herthadienstes gewesen. Ueber den von den Einwohnern des Dorfes Phulsborn vielgepriesenen Quell giebt Hr. K. folgende den Namen erklärende Nachricht. Fast auf der höchsten Höhe zwischen der Ilm und Saale liegt das Dorf, und in ihm sprudelt unaufhaltsam ein klarer kühler Born, und bleibt auch in den trocken

sten Jahren, wenn rings kein Wasser sich findet, gefüllt. Die Schreibart Pfuhlsborn, welche sich in Büchern und auf Landkarten findet, kann also, wenn wir sie als auf Pfuhl (palus) gehend annehmen, als unpassend verworfen werden, aber nur für die Zeit,

seitdem menschliche Hülfe aus dem Pfuhle einen schönen klaren Born machte, denn blos durch die Natur hat er schwerlich seine jetzige Gestalt erhalten. Daher nehmen die Pfuhlsborner an, er sey in alten Zeiten gegraben worden. Nehmen wir die Schreibart Phulsborn zur Erklärung, und nehmen es für Fullsborn (Voll's Born), so findet dieser Name in dem immerwährenden, auch bei der trockensten Zeit statthabenden Gefülltseyn seine natürliche Erklärung, und lässt sich selbst mythologisch deuten; denn wir finden in der Merseburger Besprechungsformel eine Göttinn Volla, welche in der nordischen Göttinn Fulle (Fülle) und dem altdeutschen Volle, Fülle, Ueberfluss, ihre Erklärung findet.

Mögen wir also den Namen des Dorfes durch Pful's Born oder durch Full's Born erklären, zur Begründung eines Gottes Phol kann er nicht dienen, da dieser aus Missverstand des Anfangs der Merseburger Besprechungsformel entsprungen ist. Hr. K. nimmt jedoch von dem irrthümlichen Ursprunge des angeblicheu Gottes Phol keine Notiz und sucht ihn in den Anmerkungen S. 475-476 durch die englischen Bolderstones und die englische Pool's hole

zu stützen.

(Die Fortsetzung folgt.)

Hippokrates.

Ιπποκράτους περὶ ἀέρων, ὑδάτων, τόπων· Des Hippokrates Schrift über die Winde, die Wetter und die Ortslagen von Dr. Joseph Ruder

u. S. W.

وو

(Beschluss von Nr. 115.)

ἐνθυμέεσθαι, rich

S. 17:,,Nach der Meinung der Leute, das Kind wäre mit der Fallsucht behaftet" à vouíζουσι τὸ παιδίον ποιέειν καὶ ἱερὴν νοῦσον εἶναι weder richtig, noch dem Texte getreu, besser: von dem man glaubt, dass sie das Pädion herbeiführe und die heilige Krankheit sey, oder einfacher: was man für das Pädion oder die heilige Krankheit hält. S. 7,, Jahreszeiten erwägen" = tiger: beachten, berücksichtigen ,,Aehnlichkeit" toixaoi, d. h. Gleichheit ,,ihre (der Stadt) Stellung" 9tow, d. h. Lage S. 9,, Gegend" ova unübersetzt geblieben. Schon aus dem Ge=yv, richtiger: Land, Boden. S. 8 ist negi ws S περὶ ὡς ova unübersetzt geblieben. Schon aus dem Gegebenen wird man entnehmen können, ob diese Uebersetzung eine lesbare sey. Man vergleiche zum Ueberflusse noch: S. 9 Wenn nämlich einer

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diese Umstände richtig versteht, am besten wäre es wohl, alle, wo nicht, doch wenigstens die meisten, dem werden, wenn er in eine ihm unbekannte Stadt gekommen, weder die einheimischen, noch die Art und Beschaffenheit der allgemein verbreiteten Krankheiten (Seuchen) nicht entgehen, so dass er bei der Behandlung derselben weder in Verlegenheit, noch auf Abwege gerathen, was wahrscheinlich der Fall seyn kann, wenn er nicht vorher darin erfahren und bedachtsam ist." Gleich das Vorwort beginnt:,, In einem der Heilkunde zersplitterten Zeitraum"; weiter heisst es:,,Ich legte bei der Bearbeitung den griechischen Text des noch immer um die hippokratischen Schriften sich am meisten verdient gemachten Foesius zu Grunde"; ferner: Um den Inhalt des Buches zu erleichtern", u. s. w.

وو

u. S. W.

Hätte Hr. R. die Anforderungen gekannt, welche an einen Herausgeber und Uebersetzer des Hippokrates unsere Zeit zu machen berechtigt ist, und das Maass seiner Kräfte und die ihm zu Gebote stehenden literarischen Hülfsmittel gewissenhaft geprüft, so würde das Buch im Interesse der Wissenschaft und seines Vf.'s jedenfalls ungedruckt geblieben seyn. Meissen.

Thierfelder.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Mai.

1849.

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

Norddeutsche Sagen.

Norddeutsche Sagen, Mährchen und Gebräuche von A. Kuhn u. W. Schwartz u. s. w. (Fortsetzung von Nr. 116.)

Am

Am meisten aber zu verwundern ist, dass Hr. Kuhn in seinem „Balo - Phol", wie er ihn S. XXX nennt, nicht nur den Loki, sondern zugleich auch den Balder findet. Den Loki haben Jac. Grimm und andere zur Erklärung des angebli chen Phol's zu Hülfe genommen, und gesagt, Phol sey Loki oder ein ähnlicher neckischer Gott, durch dessen Bosheit und Kunst der Fuss des Pferdes des Balders verrenket worden sey. Hr. K. S. XXVIII sagt: jener merseburger Spruch erzählt uns aber, wie Phol's Pferd lahm wurde." Da nun nach Hrn. K. Phol und Balder eins seyn sollen, so hätte Phol sein eignes Pferd lahm gemacht. Hr. K. scheint, als er von dem Balo - Phol handelte, die Merseburger Besprechungsformel nicht wieder angesehen und nicht genau im Gedächtniss zu haben, denn sonst ist es bei seinem übrigen kritischen Verfahren nicht wohl zu erklären, wie er auf irrige Muthmassungen andere noch unhaltbarere zu gründen versuchen konnte. Die Aufstellung des Balo-Phol ist die schwächste Parthie in Hrn. K.'s und seines Mitsammlers schätzbarem Werke. Da S. XXXI und S. 475 auch der Bjel - Bog zu Balder gezogen ist, so ist zu bemerken, dass Balder älter als Bjel - Bog ist, und wie aus der Vergleichung dessen, was Procopius und Helmold sagen, zu schliessen, die Slaven erst durch christlichen Einfluss veranlasst, den Bjel-Bog und seinen Gegensatz Cjarenbog gebildet haben, worüber sich das Nähere in der Ersch – Gruber'schen Allgem. Enc. d. W. u. K. I. Sect. 28. Th. S. 100 findet.

Nach der einleitenden,, Vorrede" folgt S. XXXIII -XLII das "Inhaltsverzeichniss", nämlich A. die Ueberschriften der Nummern der „, Sagen", B. die der, Mährchen", C. die Kapitel Ueberschriften „der Gebräuche und des Aberglaubens”, dann die

Ueberschrift: "Anmerkungen", endlich ,,Sachregister."

,,A. Sagen" S. 1-316 enthält 366 Nummern mit Ueberschriften, aber mehr Sagen, da manche Ueberschrift mehrere Unter - Nummern, z. B. Nr. 175,, Schöppenstädter Streiche" 8, Nr. 189,, Zwergsagen" ebenfalls 8,,, Der Nickelmann" 7, Nr. 247 ,, Sagen vom Kyffhäuser" 11 Unternummern hat. Im Betreff der Anordnung der Sagen haben die Herausgeber diejenigen der besonderen Stämme ungetrennt bei einander gelassen, und durch Hinzufügung eines ausführlichen Sachregisters die wissenschaftliche Benutzung des Materials erleichtert. Sie sind nämlich zuerst von Meklenburg ausgehend nach Pommern übergegangen, von da zur Mark, nach Sachsen bis zum Harz, von hier dann nordwärts zwischen Elbe und Weser bis zur Nordsee und von dort nach Oldenburg bis zum nördlichen Westfalen vorgerückt. Für spätere Forschung haben die Sammler Westfalen theils wegen der grösseren Schwierigkeit des dortigen Dialects, theils um den vorliegenden Theil nicht zu sehr zu vergrössern, aufbewahrt. Ein zweiter Theil soll die Sagen und Gebräuche Westfalens darstellen. In diesem sollen auch diejenigen Sagen des Hannoverschen Landes zwischen Weser und Elbe, welche im vorliegenden Bande vermisst wurden, nachgeliefert werden. Häufig wiederkehrende und auch bereits von Andern gesammelte und keine neuen und wichtigen Züge darbietende Sagen haben die Sammler entweder nur einmal, oder auch gar nicht aufgenommen, zumal wenn sie den Charakter alltäglicher Spiel- und Gespenstergeschichten an sich trugen. Aber im Betreff mythologisch wichtiger Sagen, namentlich mehrerer vom Harz und Kyffhäuser, haben sie zur Charakterisirung des Gebietes auch bereits von Andern Mitgetheiltes in der Gestalt, wie sie (die neuesten Sammler) es hörten, von neuem mitgetheilt. In dieser Beziehung haben sich manchmal so wichtige Züge ergeben, dass der einzelnen Sage erst dadurch ihr wichtiger mythologischer Standpunkt angewiesen

wird. Als Beispiel machen die Sammler S. XI die Sage von der Prinzessinn Ilse und dem Pferdejungen, der seine Pferde verloren, Nr. 200, 3 S. 178 geltend, welche sie zuerst im Herbste 1845 aber in der Gestalt, in der sie dieselbe mittheilen, erst im Sommer 1847 hörten, und nun hielten sie das Nennen eines Pferdejungen statt des Köhlers bei Ottmann nicht mehr für ein rein willkührliches. Die Vergleichung der Kuhn-Schwarzischen Sammlung mit andern ähnlichen Sammlungen oder zerstreuten Mittheilungen einzelner Sagen ist wegen der Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit, mit welcher sie gemacht ist und zugleich dadurch ungemein lehrreich, dass sie zeigt, auf welchem Punkte der weiteren Ausbildung oder der Vernachlässigung und des daher dürftiger Werdens die Volkssagen jetzt stehen. Bei den Herren Kuhn und Schwarz erscheint die wissenschaftliche Aufzeichnung derselben auf dem höchsten Standpunkt, und macht den entschiedensten Gegensatz zu denjenigen äusserst widerlichen Sammlungen oder richtiger willkührlichen Bearbeitungen, bei welchen die Bearbeiter die Sagen interressanter zu machen glaubten, wenn sie durch romanhafte Modificirungen und Floskeln der Romanschreiber die Sagen ausputzten und dieselben zu Romanen oder Mährchen umschufen. Aber auch andre Sammlungen, welche in besserem Geiste gemacht sind, kommen in Ansehung der Namen der Auffassung der Kuhn-Schwarzischen Sammlung nicht ganz gleich, wenigstens nicht in so vielen Fällen. Die Herausgeber vorliegender Sammlung haben fast immer unmittelbar, nachdem sie eine Sage gehört, sich die Grundzüge derselben aufgezeichnet, und sie in der Regel noch an demselben Tage vollständig aufgeschrieben.

Jeder übernahm die Durchsicht des von dem andern Aufgeschriebenen. Sie verfuhren mit der äussersten Genauigkeit im Betreff besonders wichtiger Ausdrücke. Ihre Aufzeichnung ist eigentlich fast durchweg als eine Uebersetzung aus dem Niederdeutschen anzusehen. Da es in vielen Fällen an genau entsprechenden Wörtern zur Uebersetzung im Hochdeutschen fehlte, sind zuweilen die niederdeutschen Wendungen beibehalten. Die einzelnen mitgetheilten niederdeutschen Redensarten, welches vorzüglich bei den Versen geschehen, sind auch in sprachlicher Beziehung merkwürdig und lehrreich. Noch mehr ist dieses dadurch bewirkt worden, dass ein wiewohl sehr kleiner Theil der Sagen mit gänzlicher

Beibehaltung der niederdeutschen Sprache erzählt sind. Hierdurch wird vortrefflich veranschaulicht, auf welche Weise die Sagen im Munde des Volkes leben.

,, B. Mährchen." S. 319-366 enthält 19 Nummern, beginnt ,,1. Die alte Frick." Dieses und die meisten andern haben den ächten Charakter von Mährchen, und können mit den vorhergehenden Sagen verglichen den Unterschied zwischen Sage und Mährchen gut veranschaulichen, aber freilich können diese nicht alle unter den Sagen aufgeführten Erzählungen zur Veranschaulichung jenes Unterschiedes dienen, denn ein Theil neigt sich stark zu den Mährchen, oder mit andern Worten sind ein Mittelding zwischen Sage und Mährchen. Nr. 17 der Mährchen, Der Frosch un die råb. Mündlich aus Lautenthal", wird jeder, der es liest, nicht ein Mährchen, sondern eine Fabel nennen. Wie diese Fabel, so ist auch das fabelähnliche Kindermährchen Nr. 16,,De Fru, dos hippel un dos hindel" S. 358-359 in oberdeutscher Volksmundart geschrieben, was sich beides sehr gut macht, und zugleich eine Probe der zu Lautenthal statthabenden Volksmundart giebt.

,, C. Gebräuche und Aberglauben" S. 369 fgg. enthält 30 Kapitel, und diese sind getheilt in fortlaufenden Nummern, nämlich in 479. Im Betreff der Anordnung der Angaben über die Gebräuche und den Aberglauben, ist zu bemerken, dass diese nicht, wie bei den Sagen nach den Stämmen geschehen, sondern zur Vermeidung zahlloser Wiederholungen ist hier zunächst alles an bestimmte Tage Gebundene zusammengestellt. An dieses schliesst sich, was sich an Aberglauben in Beziehung auf Gottheiten, deren Namen uns aufbewahrt sind, noch erhalten hat, den Schluss macht alles, was im häuslichen und bürgerlichen Leben auf den Glauben an jene oder an ihre christlichen Stellvertreter begründet ist, oder doch wenigstens, sofern jetzt die vernünftige Begründung fehlt, auf ihn begründet scheint. Den Anfang macht „I. Fastnacht" S. 371, wo zugleich, nämlich Nr. 6 der Freitag vor Fastnacht, und Nr. 10 die Aschermittwoch,,,Knoblichsmittewoche" bedacht sind. Dann folgt,,II. Lichtmessen", "III. Ostern", wobei Nr. 18 S. 373 im Betreff der Ostereier gesagt ist:,,In einigen Dörfern am Südharz werden solche eine abhängige Wiese hinabgerollt und man läuft darnach in (um) die Wette", und das Ostereierwerfen auf grünem Gras wird S.511 nur als schottische Sitte zur Vergleichung angeführt,

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tete, als jemanden mit dem Besen zum Fenster hin-
ausjagen. „,XII. Neujahr"; "XIII. Die Zwölften";
„XIV. Gottheiten der Zwölften" ist reich an Namen
weiblicher Geisterwesen; „XV. Mart" Name des Al-
pes als geisterhaften Wesens. „XVI. Drår (Drache),
Kobold”; „XVIII. Irrlichter”; „XIX. Nixen” XX.
Der wilde Jäger”; „XXI. Teufel”; „XXII. Kinder-
scheuchen"; ,,XXIII. Geburt und Taufe"; "XXIV.
„,Hochzeit"; XXV. Tod und Begräbniss"; „XXVI.
Krankheiten"; „XXVII. Haus und Hof"; "XXVIII.
Thiere." Zu den Variationen der „,,Storchlieder" Nr.
394 S. 452 kann bemerkt werden: Storch! Storch!
Langbeen! Bring mer e kleenes Kind heem, welches
Ref. in Jena einem zahmen Storche zurufen hörte.
Im Betreff der Schwalbenlieder Nr. 395 S. 453 ist
z. B. aus,,Michaelstein" zu bemerken, dass die Va-
riation, welche Ref. in seiner Jugend in Renthen-
dorf an der Roda hörte,,, als ich wiederkam, war
alles leer",
alles leer", den Schwalbengesang (Gesang der
Spiessschwalbe, hirundo rustica, denn die Mehl-
schwalbe, hirundo urbica, hat keinen) noch bes-
ser nachahmt. Endlich,,XXX. Vermischtes". Hier-
auf folgen: „Anmerkungen" S. 465-525, und zwar
zuerst zu den Sagen. Zu Nr. 34 Vineta. Münd-
lich aus Swinemünde" hätte bemerkt werden kön-
nen, dass es zwar ungewiss bleibe, ob der Name
durch gelehrte Muthmassung entstanden oder aus
der Sage in die Geschichtswerke gekommen sey,
aber mit grösster Wahrscheinlichkeit sich vermu-
then lasse, dass bei Bildung der Sage von der
Herrlichkeit der Stadt der Ruf von Venedig's Pracht
vorgeschwebt hat. Nr. 34 ist von der etwa eine
Viertelmeile vom Strebelberg, einem Vorgebirge
Usedom's, vor uralter Zeit angeblich gelegenen
grossen Stadt die Rede. Hiermit ist zu verbinden

da es doch auch in Deutschland und namentlich im Osterlande und Thüringen gebräuchlich ist. Auch erinnert sich Ref. aus seiner Jugend, in Renthendorf an der Roda den andern schottischen Gebrauch ebenfalls ausgeübt zu haben, nämlich den des Zusammenstossens zweier Ostereier mit den spitzigen Enden, so dass der, dessen Ei ganz bleibt, siegt und das Ei des andern erhält. Doch wird das Ostereierwerfen häufiger und unter grösserer Lust getrieben. Im Betreff des Schöpfens des Osterwassers in Swinemünde ist Nr. 20 S. 374 eine christliche Formel, wonach es gegen siebenundsiebzigerlei Fälle gut seyn soll, gegeben. Diese Formel wird beim Schöpfen gesagt. Der wichtige altheidnische Zug, dass das Osterwasser anderwärts, namentlich in Thüringen und im Osterlande, stillschweigend geschöpft werden muss, wenn es wirksam seyn soll, ist gänzlich übergangen. Zu ihm muss in Vergleichung gestellt werden, dass auf Fosetisland (Helgoland) aus der heiligen Quelle niemand auf andre Weise, als stillschweigend zu schöpfen wagte, worüber die Nachweisungen in der Ersch - Gruber'schen Encyclopädie I. Sect. 46. Th. S. 355-356 sich finden. Das Stillschweigen geschah aus Ehrfurcht vor den Göttern. Ferner ,,IV. Der erste April",,,V.MaiFerner,,IV. tag", welcher wegen des Walpurgis -Abend reichlich bedacht ist. Noch mehr findet dieses statt mit ,,VI. Pfingsten”, wo auch zugleich von der Pfingstweide" gehandelt wird. Auch sind Lieder mitgetheilt, welche beim Einsammeln der Gaben von den Einsammlern gesungen werden. Zu dem Hammelbozeln zu Pfingsten in der Gegend um Köpenick hätte bemerkt werden können, dass auch in Thüringen und anderwärts das Hammelausschiessen, wie es daselbst heisst, auch ausser Pfingsten sehr gewöhnlich ist. In Kapitel „VII. Johannistag" kann,,Nr. 41 Untergegangene Städte. Mündlich von Krü

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zu dem Nr. 84 S. 392 aufgeführten Johannisbier- ger in Chorinchen", wo es zum Schlusse héisst: trinken unter Tanz in Hambühren bei Celle der Jo- „Die im grossen Paarstein untergegangene Stadt soll hannistanz der Weiber zu Camdorf bei Jena ge- Fineten oder Veneden geheissen haben, und daher stellt werden. VIII. Aerntegebräuche" verschwin- kommt es denn auch, dass bis auf den heutigen den immer mehr, daher ist es sehr gut, dass nicht Tag ein Stück Landes dort am See der venedische blos die Gebräuche, welche noch wirklich stattha- Kirchhof heisst." Er hiess aller Wahrscheinlichkeit ben, sondern auch die, von welchen nur noch die nach ursprünglich der wendische und daraus ist der Erinnerung in den Völkern lebt, angegeben sind, venedische gemacht. Zu dem Namen angeblicher welches auch in andern Kapiteln geschehen ist. IX. vormaliger Städte Vineta, Fineten, Veneden, hat Michaelstag", "X. Martinstag", "XI. Weihnachten", also, wie sich schliessen lässt, der Volksname Ve„XI. wo Nr. 133 S. 405 von der noch im Münsterlande nedi (Wenden) Veranlassung gegeben, und bei Ausherrschenden Sitte oder vielmehr Unsitte des Fen- bildung der Sage hat zugleich der. Ruf von Venesterns gehandelt wird, woraus hervorgeht, dass die dig's Grösse und Herrlichkeit Einfluss gehabt. Zu Redensart ausfenstern ursprünglich so viel bedeu-,,Nr. 35 Der einäuigige Borch." Mündlich von ei

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