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schreitet, welche im Grunde schon in der ersten Klasse, der die specifischen Eigenthümlichkeiten des Textes aufgebenden und verwischenden Verallgemeinernng, enthalten ist. Da nun die Kirchenschriftsteller gewiss nicht immer ein besonderes Bedürfniss hatten, wörtlich zu citiren, so hat die freie Anführung in ihren Schriften allerdings einen grossen Spielraum, und es wird in solchen Fällen, in welchen die Identität der gebrauchten Evangelien mit den kanonischen fraglich ist, oft sehr schwierig, zu entscheiden, ob diese abweichenden Evangeliencitate auf einen eigenthümlichen Text oder auf die kanonischen Evangelien selbst zurückzuführen sind. Allein es ist hier eine von den Vertheidigern der möglichst freien, gedächtnissmässigen Anführung fast ganz übersehene Unterscheidung in Betreff der Unabsichtlichkeit solcher freieren Anführungen zu machen. Die Abweichungen nämlich sind nicht immer ganz regellos, noch weniger völlig unabsichtlich. Der Grund der Abweichung ist, wie sich von vorn herein erwarten lässt, meistens in dem Zusammenhang und in dem Zweck der Anführung selbst zu suchen. Es ist ganz natürlich, dass durch einen bestimmten Zusammenhang Veranlassung gegeben ist, auch die Schriftstelle ihm conform zu machen, sey es durch blosse Weglassung dessen, was eben zu dem Zweck der Anführung nicht passt, sey es durch unbedeutende Abänderungen, durch das Setzen mehr oder weniger synonymer Ausdrücke. Alles dieses sind Formen, in denen der berücksichtigte Text seine Objectivität mehr oder weniger aufgiebt, mehr in eine subjective Fassung übergeht. Aber solche abweichenden Citate sind oft schon durch ihre Form kenntlich, indem schon die oratio indirecta, das Hineintreten eigener Reflexionen des Vf.'s bezeugt, dass er gar nicht die Absicht hatte, wörtlich zu citiren. So muss es denn auch andererseits Kennzeichen dafür geben, dass der Vf. den Text möglichst objectiv und wortlich anführen wollte, und man wird gerade in solchen fraglichen Fallen genau auf diesen Unterschied einer wörtlicheren und einer freieren Anführungsweise achten müssen. Alles dieses ist für die Vorfrage dieser Untersuchung von der höchsten Bedeutung. Denn, wenn die unleugbare freiere Anführungsweise der Kirchenlehrer eine so durchaus regellose seyn sollte, als gerade die eifrigsten Apologeten uns einreden wollen, so werden eben dadurch alle Kennzeichen verwischt, welche in fraglichen Fällen auf den zum Grunde liegenden Text führen können. Dagegen wird es,

wenn die Abweichungen vorwiegend in letzterer Weise zu erklären seyn sollten, weit eher möglich seyn, von ihnen zu dem gebrauchten Text zurückzugehen.

Jedenfalls erhellt es schon aus diesen Vorbemerkungen, dass die Frage, ob ein einzelner Schriftsteller die kanonischen oder auch unkanonische Evangelien gebraucht habe, ob die Abweichungen seiner Citate auf andere Evangelien, als unsere kanonischen, führen, nicht sowohl von vorn herein entschieden, werden kann, sondern dass wir vielmehr aus ihm selbst die Kriterien zu entnehmen haben, nach welchen allein entschieden werden darf. Alle Beispiele, welche man noch so massenhaft aus den Kirchenvätern aufhäuft, um die weiteste Ausdehnung der freien, gedächtnissmässigen Anführung für alle möglichen Fälle darzuthun, haben, selbst wenn sie mit etwas mehr Kritik und Umsicht zusammengestellt seyn sollten, als dieses von Hrn. Semisch (S. 218-232) geschehen ist, für die Frage nach den Evangelien Justin's noch keinesweges die Bedeutung von ,,Thatsachen, gegen welche die Verzweiflung vergeblich den Kopf selbst in den Sand versteckt", da die Ansicht über die Anführungsweise Justin's und über die Wörtlichkeit oder freiere Bildung bestimmter Citate lediglich aus seinen eigenen Schriften gebildet werden muss. Da indess Hr. Semisch ohne Zweifel das Treffendste und Schlagendste in seiner Beispielsammlung zusammengestellt hat, so können wir uns aus ihr, nach gehöriger Sichtung, über die Arten und Grenzen der freieren Anführungsweise orientiren.

Fassen wir zunächst dasjenige allgemeine Beispiel in's Auge, welches, noch abgesehen von den Einzelbildungen der frei benutzten Texte, im Allgemeinen leicht das instructivste seyn soll, um die ganze Sorglosigkeit der patristischen Schriftcitate in's Licht zu setzen. Die Stelle Mt. 5, 28: ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν, ὅτι πᾶς ὁ βλέπων γυναῖκα πρὸς τὸ ἐπιθυμῆσαι αὐτῆς ἤδη ἐμοίχευσεν αὐτὴν ἐν τῇ xaodía avtov, tritt uns bei Clemens v. Alex. wiederholt in sehr mannigfach verkürzter Gestalt entgegen. Geht man nun nicht, wie Hr. Semisch über den Zusammenhang und Zweck der Anführungen sorglos hinweg, so lässt sich wohl überall noch der Grund einsehen, wesshalb die eine und die andere Eigenthümlichkeit des Textes zurücktrat. Ueberall fehlt das v tỷ xaodía avtoỡ, welches ja schon unmittelbar in dem Sinne der Stelle enthalten ist und durch das phénov angedeutet war.

Wenn

die Anführung Str. III, c. 14 sonst, bis auf das feh-
lende ἐγὼ δὲ λέγω und αὐτῆς ganz mit dem Texte
des Matthäus stimmt: so hebt eine zweite Anfüh-
rung, Str. IV, c. 18: ἐξηγούμενος γὰρ τό· Ἐγὼ δὲ
λέγω, ὁ ἐμβλέψας τῇ γυναικὶ πρὸς ἐπιθυμίαν ἤδη με-
μοίχευκεν, οὐ ψιλὴν τὴν ἐπιθυμίαν ἠξίου κρίνεσθαι, ἀλλὰ
ἐὰν τῇ ἐπιθυμίᾳ τὸ κατ' αὐτὴν ἔργον, περαιτέρω τῆς
ἐπιθυμίας χωροῦν, ἐν ἑαυτῇ ἐκτελῆται aus jener Stelle
eben das hervor, um was es sich in diesem Falle,
bei der Frage, ob schon die blosse ἐπιθυμία Sünde,
eine μοιχεία sey, allein handelte, die ἐπιθυμία und
das μɛuoiyevxev. Wie darf man sich darüber wun-
dern, dass an vier anderen Orten das Object des
begehrlichen Anblickens, das Weib, völlig mit Still-
schweigen übergangen, an einem Ort überdies der
Begriff des lüsternen Ansehens in die allgemeinere
Vorstellung der Begehrlichkeit aufgelöst, an einem
zweiten statt der Art der Sünde die Androhung des
Gerichts eingeschoben wird, wenn man eben auf
den Zusammenhang, die Absicht der Anführung,
die sich noch dazu an der zweiten und dritten
Stelle einer blossen Reminiscenz annähert, achtet!
Der Gnostiker, sagt Clemens Str. II, c. 11, wird sich
auch der Sünden κατὰ διάνοιαν und κατὰ αἴσθησιν
enthalten, ἀκηκόως, ὅπως ὁ ἰδὼν πρὸς ἐπιθυμίαν ἐμοί-
ZEUGEV *); weil Clemens also die Gedankensünde
überhaupt im Auge hat, so lässt er das specielle
Object sehr begreiflich aus. Ebenso II, c. 14: xúpos
jào éτálu xapdías xai vegooús (Ps. 7, 9, Jer. 12, 10),
καὶ ἐμβλέψας πρὸς ἐπιθυμίαν κρίνεται.
zai ó iußhéwas noòs indvμíav xoíveta. Str. II, c. 15:
οὐ λογίζονται δὲ, ὅσαι (ἁμαρτίαι) μὴ κατὰ προαίρεσιν
συνίστανται· ὁ γὰρ ἐπιθυμήσας ἤδη μεμοίχευκε, φησίν.
An der vierten Stelle endlich, Str. III, c. 2, werden
Gesetz und Evangelium einander gegenübergestellt:
τὸ μὲν γάρ φησιν· Οὐ μοιχεύσεις, τὸ δέ· Πᾶς ὁ προς-

phénov xar' indvμiav on tuoiyevoev, Liyu, und eben desshalb nur das, was diesen Unterschied darthut, dass das Evangelium schon die blosse Gedankensünde als wirkliche Sünde ansieht, hervorgehoben. So begreift man auch aus dem Zusammenhang, für wel chen der specielle Fall in dem Texte nicht mehr ganz ausreichte, wesshalb Clemens Paed. III, c. 5 den Ausspruch umbildet: χρή τοίνυν τοὺς ἄνδρας αἰσχύνεσθαι τὰς μετ ̓ αὐτῶν. (τῶν γυναικῶν) ἀποδύσεις καὶ φυλάττεσθαι τὰς ὄψεις τὰς ὀλισθεράς· ὁ γὰρ ἐμε βλέψας, φησί, περιεργότερον ἤδη ἥμαρτεν. Männer und Frauen sollen sich nicht zugleich entkleiden, weil schon das vorwitzige Anblicken Sünde ist; es ist dieses eine, durch den Zusammenhang nahe gelegte Schärfung des evangelischen Ausspruches. Bei genauerer Betrachtung ergiebt dieses Beispiel aus Clemens Al. nicht etwa eine völlige Regellosigkeit der Anführung, sondern der Text ist dem jedesmaligen Zusammenhang gemäss mannichfach gestaltet. Dasselbe ist über die S. 220 f. angeführten Citate der Taufformel (Mt. 28, 19) bei Epiphanius, Hieronymus, u. A. zu urtheilen, welche eben weil sie speciell die Taufformel im Auge haben, vor dem πορευθέντες μαθητεύσατε πάντα τὰ ἔθνη, βαπτίζοντες αὐτούς stets das μαθητ. auslassen (antλóvτes Buntioare, ite, baptizate). Die nach Hrn. Semisch alles Maass übersteigenden Schwankungen und Entstellungen der hochheiligen Einsetzungsworte des Abendmahls sind schon desshalb nicht so ganz auffallend, weil sie ja im N. T. selbst in verschiedener Gestalt vorlagen. Freilich muss man ausserdem noch von dem argen Missgriff des Hrn. Semisch absehen, S. 221 zwei blos dem alex. Clemens und dem Epiphanius eigene erläuternde Zusätze zu dem Citat selbst zu rechnen **). (Die Fortsetzung folgt.)

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*) Schon die Formel azηzóws onшs passt vortrefflich zu einer nur den allgemeinen Sinn und Inhalt hervorhebenden Anführung.

**) Clemens verbreitet sich Paed. II, 2 über den Genuss des Weins, welcher nur im Uebermaass verboten sey; in dieser mässigen Weise habe auch der Herr Wein genossen. καὶ εὐλόγησέν γε τὸν οἶνον, εἰπών. Λάβετε, πίετε, τοῦτό μου ἐστὶν τὸ αἷμα, αἷμα τῆς ἀμπέλου. Wie kann man übersehen, dass Clemens, in dessen Anführung allerdings das hάßetɛ, payɛte Mt. 26, 26 vom Brodte, hineinspielt, der aber wenigstens nichts giebt, was dem evang. Texte fremd wäre, in diesem Zusammenhang zu dem Blut der Einsetzungsworte die Erklärung hinzufügt, es sey das Blut des Weinstocks (vgl. aiua τns oτapuins Gen. 49, 11)! Ebenso unüberlegt ist der Gebrauch, welchen Hr. Dr. Semisch vou der Anführung des Epiphanius Haer. LXIX, 75 macht: nel leyε Touτo пOιεite els tηv Euv dvάurnov (Luk. 22, 19), ἕως τῆς παρουσίας τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου, da, wie Jeder, der genau zusieht, sehen muss, das ἕως – άνθρ. eine blosse Erläuterung des Epiphanius (nach Mt. 26, 29 parall.) ist, welche noch dazu zu der unmittelbar folgenden freien Anführung der gerade diese Parusie berührenden Stelle AG. 1, 11 überleiten soll.

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wenn es sich erweisen liesse, dass in dem Grade, wie Hr. S. S. 227 f. behauptet, sogar die wesentlichsten Sinnveränderungen, um nicht zu sagen Sinnverfälschungen, durch die freie Reproduction der Erinnerung erzeugt seyen. Dasjenige Beispiel

Unter denjenigen Schriftcitaten, in welchen die spe- aber, welches der Vf. mit dem grössesten Nach

ciellen Arten möglicher Textgestaltung zur Erscheinung kommen, führt Hr. Semisch zunächst S. 222 eine Stelle des Epiphanius als ein merkwürdiges Zeugniss auf, wie öfter in einem und demselben Schriftcitat die mannichfaltigsten Umbildungsweisen der Gedächtnissanführung sich harmlos regellos durchkreuzen. Epiphanius erzählt H. LVIII, c. 1 von der Secte der Valesier, dass sie alle verschnitten (άлóxоño) seyen, und nicht nur ihre eigenen Jünger verschneiden, sondern auch Fremde ergreifen, und an ihnen μɛtà áváyzys tò peloótev×tov ¿oγάζονται τῆς τῶν μελῶν ἀφαιρέσεως. Mit Beziehung auf diese Sitte sagt er c. 2: εἰ μὲν γὰρ τὸ ἐν τῷ εὐαγγελίῳ βούλονται πληροῦν, τό· Ἐὰν σκανδαλίζῃ σε ἓν τῶν μελῶν σου (Mt. 18, 18; ἢ χείρ σου ἢ ὁ 8 ποῦς σου), ἀπόκοψον ἀπὸ σοῦ. Was die allein be ůnò deutende Abweichung des Citats betrifft, so ist es wohl erkenntlich genug, weshalb hier, wo es sich um die Verschneidung handelte, die Erwähnung der Hand und des Fusses nicht passte, weshalb Epiphanius gerade hier einen allgemeineren Ausdruck gebrauchen musste, wie auch im Folgenden von demselben év uélos die Rede ist. Die Harmlosigkeit und Regellosigkeit wird also an dieser Stelle wohl weniger dem Epiphanius zur Last fallen, als vielmehr auf Rechnung des Hrn. S. zu setzen seyn. Die einzelnen Fälle, welche Hr. S. mit Beispielen aller Art zu belegen sucht, fallen theils mit den oben angegebenen Arten freierer Behandlung des Schrifttextes zusammen, als sachlich- sprachliche Zusammenziehungen und Amplificationen *). Sehr wichtig würde es allerdings für die Streitfrage seyn,

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druck als die entschiedenste Alteration des Schriftsinns anführt: Tertull. de bapt. c. 12: unum baptisma definierat ipse dominus, dicens Petro perfundi nolenti: Qui semel lavit, non habet necesse rursum (Joh. 13, 18), kann ich gar nicht als beweiskräftig gelten lassen, da ich in meiner Schrift üb. d. Ev. Joh. nach seinem Lehrbegr. nachzuweisen versucht habe, dass gerade Tertullian hier den Sinn der johanneischen Stelle wirklich getroffen hat. Wenden wir uns schliesslich zu der Erscheinung, auf welche Hr. S. mit Recht das grösseste Gewicht legt, dass sich nämlich dem conjecturirenden Gedächtniss mitunter auch selbstgeschaffene Thatsachen als Ueberlieferung der heiligen Geschichte darstellten, und dass aus der unbestimmten Erinnerung an A.Tliche oder apostolische Aussprüche völlig neue, in den Evangelien vielleicht kaum entfernt angedeutete Lehrsprüche Christi gebildet sind. Welche Belege sich für ersteren Fall anführen lassen, sieht man aus dem einen Beispiel, welches hierfür angeführt wird. Epiphanius berufe sich nämlich für seine öfter wiederholte Bemerkung, dass die nach Christi Tod auferweckten Leiber der Heiligen zugleich mit dem Herrn in die heilige Stadt eingetreten seyen, ausdrücklich auf das Evangelium (Mt. 27, 53). So Haer. XLII, c. 12, p. 365. XLVI, c. 5, p. 395 (εis29ov ovv avτų els tηv åɣíav nóhv). LXXV, c. 7, ἦλθον αὐτῷ εἰς τὴν ἁγίαν πόλιν). p. 911: πάρεξ τῶν ἀναστάντων καὶ συνειςελθόντων ἐν τῷ ἁγίῳ νυμφῶνι, ὥς φησι τὸ ἅγιον εὐαγγέλιον· πολλὰ γὰρ σώματα τῶν ἁγίων ἀνέστησαν καὶ συνειςῆλθον αὐ t is úyíav nóher. Wenn hier schon das heilige τῷ εἰς ἁγίαν πόλιν. Brautgemach, welches nur von dem Aufenthaltsort

av

*) Das bezeichnendste Beispiel, welches der Vf. für diese Amplificationen S. 226 aus Lactantius Inst. div. IV, 18 anführt: dixerat, si solveritis hoc templum, quod aedificatum est annis 46, ego illud in triduo sine manibus zieht freilich Worte der Juden in die eigene Rede Jesu Joh. 2, 19 hinein, und lässt die Parallelstelle Mark. 14, 58 von dem vaos ayɛigonolŋ105 hineinspielen (gicbt also nicht etwas ganz Neues); beurkundet aber durch seinen ganzen Charakter das Interesse der Erläuterung und Erklärung.

der Seligen verstanden werden darf, mit der heiligen Stadt parallel steht, so tritt dasselbe in der vierten Stelle Ancorat. c. 102, p. 103 ganz an die Stelle der letzteren (uer' avtov Eiseλdóvtes eis Tov vvupuva), und gerade hier, wo Epiphanius auch die Worte des Textes genau urgirt, findet man gar nichts von selbstgeschaffenen Thatsachen, sondern die vollkommenste Uebereinstimmung mit dem Evangelium. Sollte aber an den andern Stellen ein Versehen des Epiphanius, freilich ein sehr unbedeutendes, angenommen werden müssen? Auch hier nicht, wenn man sich von Epiphanius an der dritten Stelle über die heilige Stadt Aufschluss geben lässt. Epiphanius fragt hier, was unter der heiligen Stadt zu verstehen sey, und meint, der Bericht gelte sowohl für das irdische, wie für das himmlische Jerusalem. ὅτι μὲν γὰρ εἰς τὴν ἐνταῦθα Ἱερουσαλὴμ συνειςῆλθον αὐτῷ πρῶτον, τοῦτο δῆλον. πρὶν ἢ δὲ τοῦ ἀναβῆναι τὸν σωτῆρα εἰς τὸν οὐρανὸν οὐδεὶς ἀναβέβηκεν, ἕως ὅτε αὐτῷ συνειςῆλθον. xεv, uç öτε uvτ ovvεshov. Die,, selbstgeschaffene Thatsache" des Epiphanius besteht also in nichts weiterem, als dass er sich die auferweckten Heiligen, die ja auch nach Matthäus erst nach der Auferstehung in die heilige Stadt eintreten, gleichsam als das Gefolge des Herrn denkt, welches ihn sowohl in das irdische, als in das himmlische Jerusalem begleitete. Der Nachdruck ruht aber nur auf Lezterem, Epiphanius benutzt gerade diese Stelle für die Lehre von der leiblichen Auferstehung, weil hier ausdrücklich von Leibern der Heiligen die Rede ist, und deutet die heilige Stadt auf den Himmel. Zahlreicher sind die für völlig neue Lehrsprüche beigebrachten Belege. So führt Clemens v. Alex. Str. III, c. 15 einen Ausspruch Christi über Ehe und Ehelosigkeit an, der allerdings eine freie Bildung aus Mt. 19, 12. 1 Cor. 7, 8. 10 f. zu seyn scheint (náhev o xigiós grow). Was ist dieses aber anders, als eine dem Sinne nach aus der heiligen Schrift gebildete Verordnung des Herrn, wie schon Paulus eine solche giebt? Welche Wahrscheinlichkeit hat es, dass Clemens wirklich aus einem Irrthum des Gedächtnisses diesen Ausspruch anführte, dass er überhaupt einen bestimmten Ausspruch wörtlich anführen wollte? findet denn nicht bei rhetorischen Ausführungen noch jetzt Aehnliches statt, dass man das, was man als wesentlich christlich erkennt, auch als Ausspruch Christi darstellt? Unter die Kategorie der Verallgemeinerung ist es zu stellen, wenn

Tertullian de idolol. c. 23 aus Mt. 5, 28 folgenden Ausspruch bildet: et bene quod in animo et conscientia delinqui dominus dixit: si, inquit, concupiscentia vel malitia in cor hominis ascenderit, pro facto teneris. facto teneris. Wenn man von dem Speciellen jenes Ausspruches abstrahirt, so erhält man die Allgemeinheit der Gedankensünde, welche Tertullian eben im Auge hat. Derselbe Kirchenlehrer soll noch ein anderes merkwürdiges Beispiel zu dieser Klasse gegeben haben. Wenn er de bapt. c. 20 nach Erwähnung des Ausspruchs Mt. 26, 41. Mrk. 14, 38. Luk. 22, 46: Vigilate et orate, ne incidatis in tentationem, fortfährt: Et ideo, credo, tentati sunt, quoniam obdarmierunt, ut adprehensum dominum destituerint, et qui cum eo perstiterit et gladio sit usus, ter etiam negaverit; nam et praccesserat dictum: neminem intentatum regna coelestia consequuturum: so sieht Hr. S. in dem letzten Ausspruch einen Reflex der betreffenden biblischen Grundanschauung, mittelst Abstraction aus den Schriftstellen Mt. 6, 13 Luk. 22, 31 oder Gal. 6, 1. Eph. 6, 10 f. Hebr. 2, 18 u. a. Allein sollte nicht schon der Zusammenhang darauf führen, dass Tertullian mit dem dictum quod praecesserat, eben jenes zu Anfang angeführte gemeint und dem Sinne nach wiedergegeben hat? das neminem können wir doch hier kaum weiter als auf die Apostel beziehen, von denen Tertullian nachweist, dass sie alle wirklich in die Versuchung gefallen sind, deren Vorhersagung in jener Warnung andeutungsweise enthalten war. Namentlich, wenn Tertullian die Darstellung des Lukas vor Augen hatte, war diese Auffassung so nahe gelegt, da die Warnung hier nicht nur gleich von Anfang an (22, 40) gegeben war, sondern sich auch auf alle Apostel ohne Ausnahme erstreckte. Bei einem anderen Beispiel aus Epiphanius wird dem Hrn. D. S. wohl das Unglück widerfahren seyn, ein Citat ciner ATlichen Stelle für eine dogmatische Reflexion dieses Kirchenvaters gehalten zu haben. Epiphanius soll in verschiedenen Schriften und in wörtlich sich gleich bleibender Art ein Selbstzeugniss Christi citiren, das nach der an einer Stelle eingeflochtenen Beziehung auf das Gesetz und die Sadducäer zu schliessen, offenbar nichts, als eine dogmatische Reflexion aus der Unterredung über die Auferstehung der Todten (Mt. 22, 31 f.) sey, in der That aber ein Ausspruch des Jesaias ist *).

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* Es sind die Stellen Ancorat. c. 96, p. 98, wo nach Anführung von Ex. 3, 6 gesagt wird: Ev avevua zai To avrò To lαλῆσαν ἐν νόμῳ καὶ ἐν εὐαγγελίῳ διδάσκον· τοῦτο γὰρ καὶ Σαδδουκαίοις ὁ σωτὴς ἐσήμαινεν· ̔Ο λαλῶν ἐν τοῖς προφήταις

-

Mögen Andere das Geschäft übernehmen, die Beispiele des Hrn. S. in ihrem ganzen Umfang zu prüfen und kritisch zu sichten; Ref. hat sich nur desshalb zu diesen Bemerkungen überwinden können, weil der Vf. gerade auf diese Sammlungen das grösste Gewicht legt. Mag das Erörterte hinreichen, um die Behauptung zu begründen, dass die freien Schriftauführungen der Kirchenväter weit mehr in dem jedesmaligen Zusammenhang und in dem Zweck der Anführung, als in der regellosen freien Erinnerung ihren Grund haben, und dass wirklich materielle Abweichungen, seyen es eigenthümliche Erzählungen oder auch eigenthümliche Lehrsprüche denn etwaige Ausnahmen können bei letzteren doch nur als vereinzelt, und sollen schwerlich als eigentliche Citate gelten uns auch fernerhin berechtigen werden, auf eine von den kanonischen Evangelien verschiedene Quelle zurückzuschliessen. Vor allem muss man natürlich diejenigen Kriterien beachten, welche entweder zeigen, dass der Schriftsteller gar nicht die Absicht hatte, wörtlich zu citiren, oder eben diese Absicht beurkunden. Mit massenhaften Beispielsammlungen, welche, abgesehen von positiven Unrichtigkeiten, den Zusammenhang und Zweck der Anführung, den Unterschied einer wörtlicheren und einer freieren Anführung so ganz ausser Acht lassen, ist nichts bewiesen. Und hat man wohl eine Ahnung davon, was denn im günstigsten Fall das Resultat dieser Bestrebungen seyn würde, die völlige Sorglosigkeit und Regellosigkeit der Kirchenväter darzuthun? Gesetzt, dieselbe finde auf Justin Anwendung, so würde man nur den Boden, die Grundlage jeder Untersuchung über die von ihm gebrauchten Evangelien erschüttern, und die „Skeptiker von Profession" (S. 289) würden dann doch immer nur das zu

zugeben genöthigt seyn, dass die Entscheidung über diese Frage, weil man bei ihm nicht, wie bei späteren Kirchenlehrern, sichere Zeugnisse für den Gebrauch unserer kanonischen Evangelien hat, und da doch auch ein ausserkanonischer Text in dieser Weise frei umgebildet seyn kann, überhaupt nicht mehr möglich sey. Ausserdem würde ein solcher Nachweis aber auch sehr gefährliche Consequenzen haben; denn in welchem Lichte würde uns die Glaubwürdigkeit der Kirchenlehrer erscheinen müssen! Mit welchem Rechte dürfte man, wenn sie mit dem Inhalt der Evangelien so sorglos umgegangen seyn sollten, für ihre Aussagen über den unmittelbar oder mittelbar apostolischen Ursprung dieser Evangelien noch eine besondere Glaubwürdigkeit beanspruchen! Könnten sie nicht auch hierin durch gedächtnissmässige Berichte eben so irre geleitet seyn? Ja, wenn die geachtetsten Kirchenlehrer so schöpferisch productiv in der Darstellung der evangelischen Geschichte verfahren seyn sollten: würde es so undenkbar seyn, dass schon den Vff. der Evangelien etwas Achnliches begegnet seyn sollte?

Selbst wenn es sich mit der Anführungsweise vieler Kirchenväter so verhielte, wie uns Hr. S. nachweisen will, so würde es sich immer noch fragen, ob diese Ansicht gerade auf Justin passt, und es ist demnach ganz consequent, dass der Vf. dasselbe auch von diesem Apologeten darzuthun sucht (S. 273 f.). Ich will nun freilich nicht behaupten, dass Justin sich immer sklavisch an den Text der von ihm gebrauchten Evangelien band, ich leugne nicht, dass er zuweilen Relativsätze in Participien verwandelt habe u. drgl., dass er den Text oft in einer subjectiven Fassung, von seinem eigenen Räsonnement durchdrungen angeführt hat. Es ist überhaupt ein ganz verkehrtes Verlangen, dass ein

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πάρειμι. Haer. XXIII, 5: αὐτὸς γὰρ ὁ κύριος ἡμῶν Ἰησοῦς Χριστὸς διαρρήδην ἐκφωνεῖ ἐν εὐαγγελίῳ καὶ λέγει συνωδά τῷ προφήτῃ (Jes. 52, 6), ὅτι Ὁ λαλῶν ἐν τ. προφ., ἰδοὺ πάρειμι, καὶ πάλιν, ὅτι ὁ πατήρ μου ἕως ἄρτι ἐργάζεται (Joh. 5, 17). Η. XLI, 3: μία γὰρ καὶ ἡ αὐτὴ δύναμις ἡ λαλοῦσα ἐν νόμῳ καὶ ἐν προφήταις καὶ εὐαγγελίοις, καθάπερ λέγει· Ὁ λαλῶν ἐν τοῖς προη., ἰδοὺ πάρειμι καὶ τὰ ἑξῆς· πόθεν δὲ καὶ ὁ κύριος ἐν τῷ εὐαγγελίῳ προανεφώνει, λέο ywv (Joh. 5, 46). Haer. LXVI, c. 42, p. 655 erscheinen beide Stellen in derselben Folge: zai did TOŬTo λéyɛı. 'O lahov ἐν τοῖς προφήταις, ἰδοὺ πάρειμι, καὶ τοῖς Ἰουδαίοις ἔφη (Joh. 5, 46). An allen diesen Stellen ohne Ausnahme ist das fragliche Citat Jes. 52, 6: ὅτι ἐγώ εἰμι αὐτὸς ὁ λαλῶν, πάρειμι, welcher Ausspruch nach der ersten Stelle dem Sinne nach in den Worten Jesu an die Sadducäer enthalten, angedeutet ist, in der zweiten Stelle deutlich als Citat aus den Propheten bezeichnet wird, in der dritten bestimmt von dem Ausspruch Christi im Evangelium unterschieden wird. Das letzte Beispiel des Hrn. Semisch, dass derselbe Epiphanius, der so muckensteigerisch dem Marcion die kleinsten Abweichungen vom kirchlichen Text zum Verbrechen stemple, sich einmal (H. LXII, 5) zum Aeussersten verirrt und die Worte des apost. Symb, als Evangeliencitat (ws Aéyaɩ tỏ ɛvαyyéhɩov) aufgeführt habe, ist schwerlich so auffallend, wie er meint, da ja das Angeführte, über Himmelfahrt u. s. w., der Sache nach in den Evangelien enthalten ist, und Epiphanius sich nur im Ausdruck an das so geläufige Symbolum anschliesst. Und sollte εvayyέliov hier nothwendig ein schriftliches Evang. bedeuten müssen? kann nicht der Glaubensinhalt des Christenthums selbst so genannt seyn?

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