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wie viel Tiefsinniges bis jetzt in solchen Erörterungen gesagt worden ist, hat es doch viel mehr gedient, die Gegenstände derselben ins Dunkel zu vertiefen, als an klares Licht zu ziehen." Der Vf. vermag es nun aber doch nicht, dergleichen allgemeine Erörterungen über Seele, Organismus, über Ideelles und Materielles u. s. w. ganz zu unterdrükken; ja bei ihm selbst hängt die Ueberzeugung von der Beseeltheit der Pflanzen entschieden mit theologischen Anschauungen vom allgemeinen göttlichen Leben zusammen. Allein in der Untersuchung selbst erlaubt sich der Vf. immer nur dürftige Ansätze zu einer philosophischen Discussion, obwohl es bisweilen so aussieht, als wenn der Vf. eben auf diese Ansätze einen ganz besondern Werth legte, als wenn er also seine Philosophie, obwohl sich diese als ein sehr sporadisches, eine strenge, philosophische Bestimmtheit nicht erreichendes Räsonnement darstellt, doch von dem allgemeinen Unglück der Philosophie, statt Licht Dunkel zu verbreiten, ausnehmen wollte. Doch gleichviel ob sich der Vf. der Philosophie principiell entgegensetzt oder nicht, in der vorliegenden Untersuchung will er sich auf empirischen Boden stellen. Ferner aber handelt es sich hier nicht um Entdeckung noch unbekannter Facta oder Gesetze, sondern nur um eine neue Deutung der schon bekannten Erscheinungen. Die Methode, durch welche der Vf. diese Deutung gewinnt, ist im Allgemeinen die Analogie. Es ist ohne Weiteres zuzugestehen, dass der Vf. diese Methode auf die geistvollste Weise und mit dem äussersten Geschick handhabt; aber trotz dem oder vielmehr eben darum tritt die specifische Beschränktheit dieser Methode und die Unmöglichkeit, wissenschaftlich entschiedene Resultate dadurch zu gewin

nen, so offenbar hervor, dass man, will man sich nicht mit Gewalt dem Denken verschliessen, mit Nothwendigkeit auf philosophische Untersuchungen getrieben wird, welche, wenn sie auch die Empirie als überflüssige, zu nichts führende von sich zu weisen pflegt, in Wahrheit doch nichts Anderes sind als die zu Ende geführte Empirie.

Um durch Analogie die Beseeltheit der Pflanzen zu beweisen, wird von der Beseeltheit der Thiere ausgegangen. Dass die Thiere empfinden und somit beseelt sind hält nicht nur das allgemeine Bewusstseyn, sondern auch die empirische Wissenschaft entschieden fest. Damit ist nun aber

die Beseeltheit der Thiere noch durchaus nicht nothwendig erkannt; im Gegentheil, die empirische Physiologie sucht gegenwärtig noch immer den organischen Process auf mechanische und chemische Processe zurückzuführen, wodurch im Grunde der Organismus und mit ihm nothwendig auch die Beseeltheit aufgehoben wird. Weiter sind nun aber die Erscheinungen des pflanzlichen Lebens denen des thierischen sehr ähnlich; unterschieden sind sie freilich auch, aber dieser Unterschied ist doch nicht so bedeutend, dass man dadurch berechtigt wäre, den Thieren die Beseeltheit zuzugestehen, den Pflanzen aber abzusprechen. Es erscheint also als ein blosses Vorurtheil, die Pflanzen als nicht beseelt zu betrachten. Offenbar hat man zu diesem Schluss ein vollkommnes Recht, so lange nicht die Wissenschaft mit der entschiedensten Bestimmtheit das Wesen der Beseeltheit und deren wesentliche, nothwendige Erscheinungen entwickelt, und eben von dieser bestimmten Einsicht aus der Pflanze die Beseeltheit abspricht. So lange aber die Wissenschaft dies nicht vermag, so hat offenbar die entgegengesetzte Betrachtunsgsweise, als wie sie der Vf. anstellt, ganz dasselbe Recht. Man kann also auch davon ausgehen, dass in der allgemeinen Vorstellung so gut wie in der Wissenschaft die Nichtbeseeltheit der Pflanzen feststeht, und aus der Achnlichkeit des pflanzlichen Lebens mit dem thierischen nun den Schluss ziehen, dass auch die Thiere nicht bescelt sind. Die empirische Wissenschaft würde zu diesem Beweise durch die verschiedenen Hypothesen, durch welche sie die Erscheinungen des Organismus zu erklären sucht, das vortrefflichste Material liefern. Wenn nun der Vf. nicht die Thiere herabzusetzen, sondern im Gegentheil die Pflanzen in die Regionen des beseelten Daseyns emporzuziehen versucht, so ist er hiezu nach seinen eignen Aeusserungen zunächst durch gemüthliche und ästhetische Interessen angeregt; entschieden spielen auch religiöse Vorstellungen und Reflexionen mit. Für die Wissenschaft selbst ist nun aber natürlich dieser gemüthliche Ausgang der Untersuchung indifferent; der wissenschaftliche Beweis als solcher erhält dadurch unmöglich einen höhern Werth. Wie schon bemerkt, zeigt der Vf. trotz seiner Opposition gegen die Philosophie doch immer wieder ein entschiedenes philosophisches Interesse. Sogleich in den einleitenden Bemerkungen stellt er die Forde

rung: " Es wird also darauf ankommen, ob die Pflanzen die wesentlichen Zeichen der Beseelung nicht vermissen lassen, uns und den Thieren in Betreff dieser noch analog sind? Aber welches sind diese wesentlichen Zeichen? Ich glaube, man hat es sich zu bequem gemacht, und dies noch niemals genügend erörtert." Wenn ich die wesentlichen Zeichen der Beseelung kenne, so brauche ich die pflanzlichen Erscheinungen nicht mehr mit den thierischen zu vergleichen; der Weg der Analogie ist damit entschieden durchbrochen. Ist es denn aber möglich, diese wesentlichen Zeichen der Beseelung zu erkennen, ohne den Begriff der Beseelung in seiner ganzen Bestimmtheit festgestellt zu haben? Sind die wesentlichen Zeichen nicht eben die zum Begriffe nothwendig gehörenden? Diesen Begriff in seiner wesentlichen Bestimmtheit kann ich aber sicherlich durch keine blos empirische Abstraction entdecken; denn in dieser bleibt es immer zufällig, welche Erscheinungen ich zur Beseelung rechnen will und welche nicht. Und doch muss ich zugestehen, dass bestimmte Erscheinungen wesentlich, nothwendig zur Beseelung gehören, dass dieser innere nothwendige Zusammenhang factisch in der Natur existirt; d. h. die factischen Erscheinungen sind der Art, dass ein blos empirisches Aufnehmen kein Aufnehmen ist. Allerdings fordere ich mit vollkommnem Recht, man solle die Natur aufnehmen, wie sie ist, man solle nicht seine subjectiven Gedanken und Kategorien in die Natur hineintragen, allein sobald ich der Natur eine immanente Nothwendigkeit zugestehe, ein Allgemeines, welches nicht bedingt durch das Einzelne, dieses vielmehr setzt und allseitig bestimmt, so nehme ich die Natur nur dann wirklich auf, wenn ich das Allgemeine nicht blos aus dem Einzelnen entstehen lasse, sondern als wesentliche Energie in sich, als sich selbst realisirende Idealität darstelle. Eben dies und nichts Anderes ist es, was die philosophische Betrachtung der Natur sich zur Aufgabe macht.

Auch der Vf. macht es sich also zu bequem, indem er die Frage nach der Beseeltheit der Pflanze nur durch Analogie zu entscheiden sucht. Freilich steht es Jedem frei, eine Untersuchung beliebig zu beschränken; allein, was wir nothwendig fordern müssen, ist das Bewusstseyn über diese Beschränkung und über die Unsicherheit des Resultats, welche hiermit nothwendig gesetzt ist. Diese Un

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sicherheit tritt in des Vf.'s Untersuchung an allen wesentlichen Punkten sehr augenscheinlich hervor. Wenn also zunächst die Bewegung der Pflanzen mit der thierischen verglichen wird, so soll eben die Bewegung eine willkührliche seyn, zu welcher das bewegende Individuum den Antrieb in sich selbst fühlt. Hiermit wäre nun aber offenbar für die Entscheidung der Frage gar nichts geholfen, wenn man es nicht auch der Bewegung ansehen könnte, dass sie mit der Empfindung verknüpft ist. Kann es nun aber Bewegungen geben, welche die Beseeltheit darstellen, ohne von dieser zugleich gesetzt zu seyn? und welches sind die die Empfindung ausdrückenden und von dieser gesetzten Bewegungen? Hierüber kann ich unmöglich zu einer wissenschaftlichen Entscheidung kommen, wenn ich nicht zunächst die bewegende Energie der organischen Einheit überhaupt begriffen habe. Wenn ich möglicher Weise die organischen Bewegungen zuletzt doch nur von rein mechanischen und chemischen Potenzen herleite, wenn ich nicht weiss, wie sich der Organismus zu diesen Potenzen stellt, sie überwindet oder benutzt, so kann mein Urtheil darüber, ob eine Bewegung Beseeltheit ausdrückt oder nicht, unmöglich anders als unkritisch ausfallen. Gehe ich nun aber weiter auf die Sache ein, so wird sich auch die hier besonders wichtige Frage stellen: kann es cine specifisch organische Bewegung geben, welche nicht Empfindung ausdrückt? ist überhaupt jede organische Einheit nothwendig auch empfindend? Ist dies nicht der Fall, so wird doch die Bewegung dieses bloss vegetirenden Organismus der Bewegung des Beseelten der Bewegung des Beseelten sehr ähnlich seyn; aber ein Recht, diesen Unterschied überhaupt zu leugnen, habe ich erst, wenn ich den ganzen Process wirklich erkannt habe. Noch augenscheinlicher tritt das Unsichere der Analogie in der Nervenfrage hervor. Die Pflanzen haben mancherlei, was den Nerven sehr ähnlich ist. Ja, warum sollten die Nerven nicht auch von Platin seyn können? Freilich so lange die empirische Physiologie nur bei dem Factum stehen bleibt, dass bei den Thieren die Empfindung durch die Nerven vermittelt ist, ohne die Empfindung in irgend einen nothwendigen Zusammenhang mit der ganzen Gestaltung der Nerven zu setzen, so hat der Vf. ein Recht, die Denkbarkeit von Platinnerven zu behaupten. Welche unübersehbare Möglichkeiten thuen

sich damit auf! Warum sollte nicht zuletzt auch im Krystall die Möglichkeit der Empfindung liegen, da der Natur einmal so viele Wege offen stehen, ihren Zweck zu erreichen. Das Unzureichende einer rein empirischen Betrachtung liegt hier auf der Hand. Ist zwischen Empfinden und Nervensystem auch factisch ein nothwendiger Zusammenhang, so kann doch diese Nothwendigkeit nie durch die Beobachtung gefunden werden; diese zeigt höchstens das constante Zusammenseyn jener beiden Elemente, aber nie ihre nothwendige Beziehung. Was ferner den Versuch betrifft, der Pflanze auch die sich in sich abschliessende Einheit des Organismus zu vindiciren, welche zur Beseeltheit nothwendig scheint, so wird hier der Vf. selbst auf allgemeine Reflexionen über die Beziehung des Ideellen zum Materiellen hingetrieben. Der Vf. sieht einen Grundfehler unsrer ganzen jetzigen Naturbetrachtung darin,,, dass wir glauben, das Geistige könne nur immer vor oder hinter dem Leiblichen, aber nicht unmittelbar in seinen Schuhen einhertreten. Allein der Vf. giebt den Versuch, über diesen Grundfehler die Naturwissenschaft weiter aufzuklären, sogleich wieder auf, weil er „, hier doch nichts ändern und bessern" würde. Nachgiebigkeit ziemt dem Vf., der mitten in der Naturwissenschaft lebt, am allerwenigsten. Was ist in dem in Rede stehenden Punkte über die Beseeltheit der Pflanzen wohl irgend wie auszumachen, wenn man sich nicht zunächst den Zusammenhang der Beseeltheit mit dem Organismus in der bestimmtesten Weise zum Bewusstseyn bringt? Und welchen Grad der Sicherheit darf sich der Versuch, die Empfindungsweise der Pflanzen näher zu bestimmen, beilegen, welcher sich nicht eben auf diese Einsicht stützt? Und gewinnt denn nicht erst durch den Fortgang zu diesen sogenannten philosophischen Untersuchungen die ganze Frage nach der Beseeltheit der Pflanzen ein wissenschaftliches Interesse? Bleiben wir dabei stehen, diese Frage in der Weise wie der Vf. nur

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Diese

nach der

Analogie zu beantworten, so wird die empirische Wissenschaft unserer Arbeit wenig Werth beilegen, weil darin keine neue Erscheinungen entdeckt, auch keine neuen Gesetze gefunden, das Factische auch nicht durch neue Hypothesen erklärt wird. Dass wir nun dahinter gekommen, dass die Pflanzen beseelt sind, dies wird die Empirie für keinen Gewinn achten, weil dadurch in der empirisch wissenschaftlichen Fassung der besondern Thatsachen nichts geändert wird. Wollen wir hier nicht die Untersuchung erweitern, wollen wir nicht dazu fortgehen, nach dem Begriffe der Beseelung und deren nothwendige Beziehung zu dem ganzen Process ihrer Aeusserlichkeit zu fragen, wollen wir also nur die wesentliche Beschränktheit der empirischen Resultate dazu benutzen, die Möglichkeit der Beseeltheit der Pflanzen plausibel zu machen, so fällt das Hauptmotiv der ganzen Untersuchungen entschieden auf das gemüthliche Interesse, welches wir an dieser Beseeltheit nehmen. Eben von diesem gemüthlichen und ästhetischen Interesse geht der Vf. aus, und kehrt auch am Schlusse seiner Schrift wieder auf dasselbe zurück. In feinerer, anmuthigerer Form kann man von dieser Seite unmöglich die Beseeltheit der Pflanzen in Schutz nehmen, als der Vf. es thut. Und wer wollte dieser gemüthlichen und ästhetischen Fassung der Sache ihren Werth und ihr Recht absprechen! Auch ist eine unauflösliche Collision des Gemüths mit der Wissenschaft nicht zu befürchten. Denn nimmermehr wird der Gegensatz gegen das Wesen der Sache selbst, welches die Wissenschaft zu erkennen strebt, der nothwendige Inhalt seyn für die Befriedigung der gemüthlichen Bedürfnisse. Und sollte es zuletzt doch darauf ankommen, dem wissenschaftlichen Resultate, dass die Pflanzen leben ohne zu empfinden, eine ästhetische und gemüthliche Seite abzugewinnen, so sind wir überzeugt, es würde dies keiner geistvoller und humoristischer verstehen als Herr Mises.

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat April.

Sprachkunde.

1849.

Kleines Wörterbuch zur Erlernung der helgolander Sprache für Deutsche, Engländer und Holländer. Nebst einem Anhange, enthaltend einfache Dialogen aus dem Leben, in deutscher und helgolander Sprache. Von A. P. Oelrichs. (Eigenthum des Vf.'s) 12. 127 Seiten. 1846.

Das Büchlein scheint zunächst für Badegäste und

zu

Helgoland besuchende Fremde geschrieben seyn. Es ist eine literarische Seltenheit eigner Art, und der Badegast, der sich noch für etwas mehr interessirt, als baden und sich putzen, essen und trinken, schlafen und schlendern, thut wohl, wenn er sich dieselbe zu eigen macht zu seinem Nutzen und Zeitvertreib. Hauptsächlich aber zum Zeitvertreib, denn das Ziel der modernen Badcörter, dieser Nester der Trägheit, ist weit weniger der Nutzen, als der Zeitvertreib. Leider ist es schimpflich genug für die deutsche Sprache, ein Wort zu besitzen, wie Zeitvertreib, ein so ruchloses Wort. Die Zeit vertreiben, die Zeit unsres Lebens vertreiben, welches so kurz ist, ist noch ärger, als die Zeit verschlafen oder wegschlafen, die schnell genug ein Ende nimmt. Die Zeit vertreiben, d. h. ihr Gewalt anthun aus Angst vor langer Weile, das ist die Qual der Trägheit, stupider Ruhe, das setzt einen hohen Grad von Gedankenlosigkeit voraus. Das Wort Zeitvertreib ist nur in der deutschen Sprache heimisch und ist erst dann, und zwar im vornehmen Leben, empfangen und geboren worden, als alle deutschen Völker angefangen, Knechte zu seyn. Also zum Zeitvertreib der Badenden. Aber besonders für den Forscher in den verschiedenen Sprachstämmen der westgermanischen Länder ist das Büchlein eine willkommene Zugabe, und wenn es auch unvollkommen und der Vf. kein Sprachforscher ist, so könnte doch selbst das Oberhaupt der deutschen Sprachforschung manches daraus lernen.

Die von dem Vf. beobachtete Accentuirung oder Ton- und Lautbezeichnung ist weder die

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

richtige, noch von der Art, dass ein Fremdling in der frisischen Sprache sie zu begreifen fähig seyn würde. Doch diese ist Nebensache, wenn sie doch nicht zu verstehen ist. Auch die Recht

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schreibung ist in vielen Fällen fehlerhaft und willkührlich, was einem gelehrten frisischen Sprachforscher nicht zu verzeihen wäre. Dem Vf. soll dies nicht zum Tadel gereichen. Er hat für sein Büchlein Dank und Lob verdient. Möge er noch mehr solche Schriften in seiner Muttersprache liefern. Nur muss er hinführo die vielen fremden und modernen Sprachwendungen und Redensarten, welche durch das volksentnervende und faule Badeleben eingeschlichen, oft aber nur Nachahmungen und Uebersetzungen des deutschen Idioms sind, dessen Verderbtheit und serviles Wesen aus dem langwierigen deutschen Knechtssinn und der deutschen Abgötterei stammen, gänzlich vermeiden, denn solche sird auf dem echtnationalen oder frisischen Boden unbekannt. Was weiss der Frise von allen den deutschen menschenwürdelosen Formeln, Höflichkeits- und Unterwürfigkeitsbezeugungen, sich wegwerfenden Schmeicheleien und Fuchsschwänzereien, woran die deutsche Sprache so reich ist, und womit die Franzosen von oben herab ihre gelehrigen und nie mit ihrem eignen Kern zufrieden gewesenen Nachbaren beschenkt haben, und von jenen unermesslich langen deutschen Rangund Titel - Schwänzen, welche vom Mittelmeer bis zur Ostsee reichen und die sämmtlichen deutschen Völker zu einer unauflöslichen Einheit verbinden. Wer Proben einer Sprache giebt, muss sie rein geben, ungemischt, dem Character dieser Sprache gemäss. Viele Sätze des Vf.'s sind frisische Wörter und Buchstaben, aber der frisische Geist ist nicht darin.

Die helgolander Sprache ist nicht die frisische Sprache, sondern eine frisische Mundart. Aus dicsem Büchlein geht hervor, dass sie mit buchdeutschen oder hochdeutschen und mit plattdeutschen Sprachelementen stark untermischt ist. Ungeachtet dieses deutschen Gemisches in der helgolander

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Mundart ist sie doch unter allen nordfrisischen wohner). Enige (einige). Eegentlich (eigentlich). Mundarten der amringer, das ist dem Frisischen auf dem Eiland Amram, welches Helgoland am nächsten liegt, am ähnlichsten, obwohl die beiden Eilande seit Jahrhunderten wenig oder gar keinen Verkehr mit einander gehabt haben. Bei der untergeordneten Rolle, welche die frisische Sprache in den Jahrhunderten der politischen Knechtschaft des Volkes hat spielen müssen, und ungeachtet der Geringschätzung, womit sie so lange von der neben ihr und über sie herrschenden, nicht so gediegenen und gedankenreichen plattdeutschen Sprache behandelt worden ist, so dass endlich die Nordfrisen, von ihren Priestern, Schulmeistern und Vögten, welche in ihrer Beschränktheit und Dummheit sich und das Fremde für besser, und vornehmer hielten, verführt wurden, ihre eigene Sprache für gemeiner und geringfügiger, als die plattdeutsche zu halten, was doch umgekehrt der Fall ist, hat sie sich doch auf dem Westrande des schleswigschen Festlandes sowol als auf den Insel - Trümmern westwärts davon mit einer beispiellosen Zähigkeit bis auf diesen Tag erhalten. Welche Sprache in der Ebne hätte unter so ungünstigen Umständen und in so langen Zeiten das vermocht.

Der Vf. lässt den helgolander Infinitiv mit Unrecht immer auf e, statt seiner längern Form, enden.

Diese kürzere Form hat der frisische Infinitiv aber nur dann, wenn ein Hülfszeitwort ihm vorhergeht oder nachfolgt, und viele frisische Zeitwörter haben dann gar keine solche Endung. Die dreifache frisische Infinitiv-Endung, welche noch im Amringer Frisisch vorkommt (auf en, an, in) kennt die helgolander Mundart nicht mehr. Dieser volle Infinitiv ist der eigentliche, der absolute Infinitiv, jenen würde man nicht unpassend den relativen oder auch den abhängigen nennen.

Das Büchlein liefert, augenscheinlich ohne Wissen des Vf.'s, folgende deutsche Zuthaten im helgolander Frisisch. Alles, allerwegen (allerwärts), allemal, algemeen, Almosen. Apmuntre (aufmuntern). Anfang; uunfange (anfangen), Uhnfanger (Anfänger, fris. Biganner). Befriedige, beneide; begleite, begleitet; bewelkommen (bewillkommnen), bewegen, bestrafen. Beorderte. Badegasten (Badegäste). Bedeenter (Bedienter). (betrübt). Besonders. Geduld, geduldig, dulde, (dulden), dinge. Empfehle, ernähren; erlaube, Erlaubniss; echt, edel, Ehstand. Ihnwuhner (Ein

Bedrübet

Fürst; Freiheit, Freiwilliger. Filz und Feldhud (Filzhut). Flietig (fleissig), Fliet (Fleiss), fris. Flitj. Feind, fris. Fint (i lang). Fehlers (die Fehler); fehlt, fris. feilt. Geist, Gefahr, Gehalt, Gewürz, Gebeud (Gebäude), Gewöhl (Gewühl), Glanz, Gang, fris. Gank. Geheem (geheim), gefangen, gehorsam, gegenwardig (gegenwärtig, altfris. ienwardich), gefällig, gefallen. Hauptmann, Herr, herrlig (herrlich), Handwerk, Handlingen (Handlungen). Uhnböt (einheizen) = plattd. inböten. Immer, o ja. Körper, Knökkel (Knöchel), Kasmeister (Kassenmeister). Liebe, Liebesgefühl, Leefhebber (plattd. st. Liebhaber). Lebensart. Löstfahrt (Lustfahrt). Lobe, röhme (rühmen). Mannbaar, Misgeburt, Mäsigung, Metlieden (Mitleiden), meddelst (mittelst), Mesverstand (Missverstand), Ufstand (Abstand). Mantel, Mode. Narecht (Nachricht). Naderhand (hernach) aus dem Plattd. Oefters. Om (st. um) Vergebung. Unkel (Onkel). Oppermacht (Uebermacht). Post. Pitskaft (Petschaft). Potse (putzen). Rase (Rasen). Rand, fries. Raant. Spase (spassen), smart (schmerzen), segene (segnen), strafe, stekke (ersticke). Sonderbar, selig, swiegend (schweigend). Stokwerk, Staat, Zwager (Schwager), Zwieger - Ohlen (Schwiegereltern, cig. Alte), Zwiegersöhn (Schwiegersohn). Sönfinsternis. Seitungen (Zeitungen). Turechthelp (zurechthelfen) aus dem Plattd. Taffel (Tafel), Taart (Torte), Taskenbuk (Taschenbuch). Die Wörter vorn mit in- (hochd. un-): Uenverstand; ünrecht, fris. ünrocht; üntreu, fr. üntrau; ünangenehm, ündankbar, ünerfahren, üngedüldig, ungesellig, ünbedüdend, ünbelesen, ünbeweglich, ünbillig, ünverdaulik, ünverzagt. Verdauung, verdaue; vertrau (vertrauen), uhnvertraue (anv.), verhüte, verlobe, versöhne, verstreue, verwundet, Vergnögen (Vergnügen), Vortel (Vortheil), Vörnehmen (Vornehmen), Vörhang, vörige (vorige), vortreffelk (vortrefflich), vernünftig. Vee (Vieh). Verlegt (vielleicht). Auch Ditmars. verlicht Richey, Hamb. Idiot. S. 429. mit einem r st. l. Unvermicdelk (unvermeidlich). Verhalt (verhält), wie gefalt (gefällt). Wirklich, wenig, wunderbar, verwunderlik, wahrskienlik, wundersköön. Zaart (zart). Unbilligheit, Grausamheit, Sparsamheit (st. — keit). Dummheit.

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