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apost. 6, 8 schon dem Verfasser der Grundschrift zu, da die dort genannten Nicetas und Aquila die ganze Wiedererkennungshistorie bereits voraussetzen. Allein dann muss die Grundschrift (Buch 1-3) sogleich wenigstens im Allgemeinen auch alles Weitere bis Buch 7, bis zur Wiedervereinigung der Familie enthalten haben, die neglo do also ίοδοι nie als eine eigne Schrift, (Buch 1-3 gegenüber) gewesen seyn. Hierfür spricht unbedingt die bei Annahme verschiedener Verfasser kaum zu erklärende dogmatische Einerleiheit der Bücher 1-3 mit 4-7, und die Wahrscheinlichkeit, dass die antisimonianische Schrift von jeher auch faktische Siege über das Reich des Bösen, d. h. Heidenbekehrungen (wie von Buch 4 an) enthielt; kurz, so wenig als zwischen Buch 1 und 2 will sich zwischen 3 und 4 eine Grenze ziehen lassen; Alles vereinigt sich dahin, für die 7 ersten Bücher nur Eine Grundschrift (IIegíodo) vorauszusetzen und anzunehmen, diese (der Hauptsache nach mit Recogn. 1-7 und den entsprechenden Abschnitten der Homilien identischen) Ieglodo seyen die gemeinsame Grundlage des Herausgebers unsrer 10 Bücher (und Verfassers der letzten drei Bücher) sowie des Verfassers der Homilien gewesen, in den Rekognitionen aber viel treuer erhalten als in den Homilien. Sehr verschieden können unsre Rekognitionen von der ersten petro - klementinischen Schrift dieser Gattung nicht seyn, da sie den ganzen Fortschritt der Geschichte des Petrus noch ganz genetisch geben, während die Homilien namentlich in der Art und Weise, wie sie den Aufenthalt des Apostels in Cäsarea auf die Bahn bringen, zeigen, dass sie die Erzählung dann als etwas schon Gegebenes voraussetzen. Auch diess ist zu beachten, dass die Pflicht, die petrinischen Vorträge dem Jacobus zu übersenden, in den Rekognitionen innerhalb des Buches selbst (1, 14. 17. 72) ihren ursprünglichen Ort hat, während der Verfasser der Homilien diese Sache wichtig genug fand, um sie in den Briefen des Petrus und Klemens und der Contestatio an die Spitze seines Werkes zu stellen, dabei aber doch 1, 20 die in den frühern Schriften vorgefundene Angabe innerhalb des Buches selbst einmal wenigstens noch stehen liess. Möglich ist auch, dass die Пlegíodo, wie sie nach dieser Angabe der letzte Herausgeber der Rekognitionen vorfand, die Ankunft des Petrus in Rom (Recogn. 1, 13, 74) noch enthielten, dieser Herausgeber aber an die Stelle davon seine 3 letzten Bücher setzte,

weil ihm die dogmatische Behandlung des Christenthums im Gegensatz zum Heidenthum die Hauptsache war. Er nannte dann die Περίοδοι, wenn sie

die Anagnorismen schon enthielten, aber nicht von ihnen, sondern von den Bekehrungsreisen des Petrus ihren Namen hatten, Arayvwqıμoí, weil durch die drei letzten Bücher die Glieder der sich wiederfindenden Familie, die Vertreter der philosophischen Theorie des Christenthums, die Hauptpersonen des Ganzen geworden waren, während der Vf. der Homilien wieder Petrus an die Spitze stellte, weil ihm der Gegensatz desselben gegen Simon (Marcion) das Wesentliche war; vielleicht haben die Homilien auch (vgl. Epit. 145. Clem. u. Jac. 1) Petrus, Klemens und Simon in Rom auftreten lassen und sind so auch damit den Ilegíodo wieder näher gekommen.

Wir bitten schliesslich unsre Leser, diese Beurtheilung eines Theils der Hypothesen des Hrn. Vf.'s nicht so zu verstehen, als sollten dadurch seiner Schrift die Vorzüge des kritischen Scharfsinns und der Verdienstlichkeit für die geschichtliche Erforschung des Vorchristenthums irgend abgesprochen werden. Wir verweisen vielmehr in ersterer Beziehung namentlich auf die dogmenhistorischen und litterarischen Abschnitte über die Homilien, über die seine Schrift so viele ganz neue richtige Gesichtspunkte aufstellt, und in deren Genesis und Komposition hier zum ersten Mal Licht und Klarheit gebracht ist; was aber die Rekognitionen betrifft, so hat die Schrift des Hrn. Vf.'s nicht nur das Verdienst, für die Untersuchungen über dieselben zuerst bestimmtere Grundlagen und Anhaltspunkte aufgestellt und ältere Quellen derselben aufgefunden, sondern auch, von der Richtigkeit der Hypothesen im Einzelnen gänzlich abgesehen, den bleibenden Werth in lebendiger und frischer Darstellung eine genaue Analyse und Exposition ihres für die christliche Urzeit so charakteristischen und merkwürdigen Lehrinhalts gegeben zu haben, der bisher neben seinem glänzendern und leichter anzufassenden Gegenstück, neben dem der Homilien, zu der ihm gebührenden Beachtung nicht gelangen konnte. Wir empfehlen daher die vorliegende Schrift Allen, welchen es um Orientirung in den noch dunkeln Regionen des Urchristenthums zu thun ist, und sehen den weitern historischen Untersuchungen, welche der Hr. Vf. in seinem Werke angekündigt hat, erwartungsvoll entgegen. Stuttgart im Januar 1849.

Köstlin.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat April.

Pflanzenkunde.

1849.

Nanna oder über das Seelenleben der Pflanzen, von G. Th. Fechner. 8. 399 S. Leipzig, Voss. 1848.

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

punkt der Untersuchung ist es, wenn der Vf., nachdem er zuerst einen wissenschaftlichen Einwurf gegen die Beseeltheit der Pflanzen zu widerlegen versucht, sogleich den „teleologischen und ästhetischen Gesichtspunkt" hervorkehrt, und auf diesen einen

Der Vf. ist dem Publicum unter zwei verschie überwiegenden Werth legt. ,,Mag man auch

denen Gestalten sehr wohl bekannt; als Fechner und als Mises. Als Fechner ist er Mann der strengen, exacten Wissenschaft, als Mises versteht er es, in humoristischer Weise und in der feinsten, vollendetsten Form uns Anschauungen vorzuführen, welche in ihrem poetischen Gehalt doch keineswegs eine wissenschaftliche Bedeutung in Anspruch neh

men.

Wir erinnern an diese Doppelgestalt des Vf.'s, weil an der vorliegenden Schrift Fechner und Mises entschieden gleich thätig gewesen sind. Der Vf. stellt sich durchaus nicht blos humoristisch zu seiner Aufgabe; es ist ihm wirklich Ernst mit der Beseelung der Pflanzen; er benutzt die Resultate der Wissenschaft nicht blos, wie z. B. in seinen Paradoxen, um daraus wo möglich das Gegentheil von dem zu beweisen, was man in der gebildeten, verständigen Welt zu behaupten pflegt; vielmehr will er diese Resultate der Wissenschaft rectificiren, ihnen eine tiefere, der Wirklichkeit entsprechendere Deutung geben. Dabei aber wendet er sich ausserdem auch an die Phantasie, an das Gemüth; wie er selbst ein gemüthliches Interesse für die Beseeltheit der Pflanzen hat, so sucht er eben dies auch bei dem Leser zu erwecken; er schildert in der lebendigsten Weise seine gemüthlichen Erfahrungen und Stimmungen, durch die für ihn der Glaube an das Seelenleben der Pflanzen entstanden und befestigt, zu einem wesentlichen Moment seiner ganzen Weltanschauung geworden ist..

Die ganze Anlage des Buchs ist keine streng wissenschaftliche. Es zerfällt in 18 Abschnitte, deren Reihenfolge durchaus nicht durch die Entwickelung des Inhalts selbst bestimmt ist; der Vf. hätte in dieser Beziehung wohl mehr dem gerechten wissenschaftlichen Bedürfnisse des Lesers entsprechen können. Bezeichnend für den ganzen Stand

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heisst es hierüber - zuletzt wenig Beweisendes in Betrachtungen der Art finden, so scheint mir desto mehr Ueberzeugendes darin zu liegen; jedenfalls war es in folgender Weise, dass sich mir zuerst die Ueberzeugung entwickelte und entschied." Wir heben zunächst diese nicht beweisenden und doch überzeugenden Gesichtspunkte kurz hervor, Das ganze Leben der Pflanze legt sich so innig an die Unterschiede der Natur und deren Veränderungen an, dass sie specifisch dazu gemacht scheint, diese vollständig und von Grund aus zu geniessen, So ist die Wasserpflanze specifisch für das Wasser, die Bergpflanze für den Berg eingerichtet. Allerdings sind auch schon Thiere da, welche sich des Wassers, der Luft, des Lichts u. s. w. erfreuen; allein die Thiere schöpfen diesen Genuss nicht vollständig aus, sie geniessen die Natur vielmehr immer nur in einer beschränkten Weise. Auch ist es nicht schwer, den Gesichtspunkt der Ergänzung zu finden, der hierbei waltet. Der Mensch, das Thier läuft hierhin, dorthin, zerstreut sich zwischen allerlei Genüssen, erfährt, betastet allerlei, was weit auseinander liegt. Das hat seine Vortheile. Aber sehen wir nur im Menschlichen selbst. nach, so erkennen wir auch die Einseitigkeit dieser Vortheile. Neben dem Wandern und Reisen hat auch das häusliche Einleben seine Vortheile, die nicht verloren gehen dürfen; es giebt viel stille und stehende Wirkungskreise, die auch durchlebt und durchempfunden seyn wollen; die Vortheile aber, die hieran hängen, können nicht mit jenen Vortheilen zugleich in gleichem Maasse erlangt werden, und wer sich recht auf das Eine einrichten will, kann es nicht zugleich auf das Andere. Desswegen reist der Eine und der Andere bleibt an der Scholle kleben. Wie im Menschenreiche, so im Naturreiche.

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Die Menschen und Thiere sind die reisenden, die Pflanzen die an der Scholle gehefteten Individuen der Welt; jene bestimmt, sich der fernen Bezüge der Natur empfindend und strebend zu bemächtigen; diese, den Kreis bestimmter Verliältnisse in gegebenem Umkreise empfindend und strebend zu erschöpfen; dann können sie ihn aber nicht durchlaufen, weil jedes Laufen über den festen Standpunkt hinausführt, sondern nur durchwachsen. Man lasse diese zweite Seite des Lebens weg, und man bat die Hälfte dessen weggelassen, was gebraucht wird, damit auch Alles in der Natur gebraucht werde." Wie spärlich würde nach Wegfall der Pflanzen aus dem Reiche der Seelen die Empfindung in der Natur zerstreut seyn; sollten wir der Natur wirklich zutrauen, dass sie eine solche Wüstenei ist, sie, durch die Gottes lebendiger Odem weht. Wie anders dies, wenn Pflanzen Seelen haben und empfinden; nicht mehr wie blinde Augen, taube Ohren in der Natur dastehen, in ihr, die sich soviel mal selbst erblickt und empfindet, als Seelen in ihr sind, die sie empfinden; wie anders für Gott selbst, der die Empfindungen aller seiner Geschöpfe gewiss in einem Zusammenspiel und Zusammenklang vereint, wenn die Instrumente dazu nicht mehr in weiten Zwischenräumen von einander stehen? wo erlebt man das bei einem Concerte der armen Menschen; nun will man es bei dem reichen Gotte so finden.

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Betrachten wir ferner den ganzen Lebenskreis der Pflanze in dem ganzen Reichthum seiner Erscheinungen, so muss es uns doch sicherlich schwer fallen,,, diesen ganzen schwellenden und quellenden, an innerem und äusserem Wechsel so reichen Lebenskreis vergeblich, öde, leer für die Empfindung zu denken." Könnten die Pflanzen laufen und schreien wie wir, Niemand spräche ihnen die Scele ab; alle jene mannigfaltigen und zarten und stillen Zeichen von Seele, die sie von sich geben, wiegen uns nicht so viel, als jene groben, die wir an ihnen vermissen; und doch sind die Pflanzen wahrscheinlich nur stumm für uns, weil wir taub für sie sind. Vor Allem werden die Pflanzen das Licht, den Regen, den Wind in einer viel intensivern Weise als die Thiere, empfinden und geniessen. Für die Besecltheit der Pflanzen spricht ferner die individuelle Bestimmtheit ihrer ganzen Erscheinung. Jede Pflanze hat ihren eigenthümlichen Charakter, welcher freilich schwer in Worten auszudrücken ist, obwol er sich doch aufs Bestimmteste bei der Anschauung für unser Gefühl ausprägt. Nun ist

der Charakterausdruck im Menschen nichts Anderes als der äussere Ausdruck seines innern Seelenwesens. Die Einheit und die individuelle Eigenthümlichkeit der Menschenseele fasst sich in diesem Ausdruck zusammen, tritt an die Oberfläche, spiegelt sich in eine andere Seele hinein. Wie kommen wir dazu, in den Pflanzen einen analogen Ausdruck ohne etwas Analoges, was sich ausdrücke, anzunehmen; die Einheit und individuelle Eigenthümlichkeit von Nichts hier ausgedrückt zu finden; ein Spiegelbild, wo nichts dahinter, hier zu sehen? Ist nicht auch das specifische Interesse, welches der Mensch an den Pflanzen nimmt, gerade der Art, dass es im Grunde schon die Vorstellung, den Glauben an ihre individuelle Beseeltheit voraussetzt? Lassen wir die Pflanzen nicht Theil nehmen an unsern Lebensgenüssen, verflechten wir sie nicht in unsere individuellen Schicksale, in unsere Freuden und Leiden? ,, Würden wir uns mit so viel Seele für die Blumen interessiren können, als wir es thun, wenn sie nicht selbst so viel Seele hätten?"

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Gerade von teleologischen Gesichtspunkten aus spricht nun aber auch Vieles gegen die Beseeltheit der Pflanzen. Der Vf. geht speciell auf alle diese teleologischen Gegengründe" ein, und sucht ihnen womöglich eine Wendung zu geben, dass sie nicht gegen, sondern vielmehr für seine Ansicht sprechen. Weist man besonders darauf hin, dass die Pflanzen überwiegend zum Nutzen des menschlichen und thierischen Lebens geschaffen scheinen, so zeigt der Vf., dass dieser Nutzen, den die Pflanzen offenbar für Thior und Menschen haben, doch durchaus nicht in Widerspruch stehe mit der Annahme, dass die Pflanze Zweck für sich selbst sey. Ferner aber ist der Dienst der Pflanzen gegen die Thiere und Menschen entschieden ein gegenseitiger; Alles, was von Menschen und Thieren abgeht, geht wieder in die Pflanzen über und muss in sie übergehen, damit sie wachsen und gedeihen. Es wird sich also mit Mensch, Thier und Pflanze nicht anders verhalten als mit Sonne, Erde und Mond. Der Mond erscheint als das der Bedeutung nach Untergeordnetste im Planetensysteme, wie die Pflanze im Systeme unserer irdischen organischen Welt. Aber wer auf dem Monde steht, sieht doch die Erde und die Sonne sich um den Mond drehen, erblickt sich selber im Mittelpunkt des Ganzen. Wer auf der Sonne steht, sagt: Du irrst; Du, sammt der Erde drehst dich um mich. Aber sie irren beide, oder haben beide Recht, wie man will. Im Grunde

dreht sich jedes um das Andere, je nachdem man den Standpunkt auf dem Einen oder dem Andern nimmt; auf absolutem Standpunkte aber dreht sich eins so wenig um das andere, als das andere, sondern Alles um den gemeinschaftlichen Schwerpunkt, der die Totalität des ganzen Systems repräsentirt. "So dreht sich alles Leben um Gott; aber Gott selbst repräsentirt in seiner Einheit das Leben und Weben all seiner Geschöpfe. Ein Schwerpunkt ist eben nichts ohne die Kraft, die alle Theile des Schweren gegen einander zieht." Hiernach wäre also die Zweckbeziehung nur die äussere Erscheinung der Einen, Alles zusammenfassenden Totalität, und es käme nun offenbar darauf an, von dieser Idee des Ganzen aus den besondern Gestalten des Wirklichen ihre eigenthümliche Stellung anzuweisen. Das Aufsuchen von äusserlichen Zweckbeziehungen wäre also überhaupt von untergeordnetem Werth. Der Vf. hat aber ein solch überwiegendes Wohlgefallen an dieser Betrachtungsweise, dass er noch in einem besondern Abschnitt: Beispiele aus der Teleologie der Pflanzenwelt (S. 215-244) nach allen Seiten hin dies Thema verfolgt. Ja er giebt nun wieder eben jenen äusserlichen Zweckbeziehungen einen so selbstständigen Werth, dass die Frage nach der innern Nothwendigkeit, nach dem innern eigenthümlichen Werthe der besondern Gestaltungen gar keinen Platz zu finden scheint. So spricht er besonders von den mannichfaltigen Anstalten, durch welche die Natur die Befruchtung der Pflanze bewirke.

(Die Fortsetzung folgt.)

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rig, aus einem statistischen Handbuche Belehrung haben holen können.

Hat man sich aus dem Labyrinth der ersten Schrift am Faden der Vernunft glücklich herausgefunden, und sucht man nun, Athem schöpfend die wüsten Bilder loszuwerden, von welchen man sich umringt sah; so wird man bei diesem Vorhaben an der zweiten Schrift eine gute Unterstützung finden. Hr. Scheidtmann hat sich hauptsächlich zur Aufgabe gemacht, das Lächerliche an den socialistischen und communistischen Bestrebungen hervorzuheben, und hat sie mit Glück gelöst. Seine Geissel empfinden vornehmlich die Herrn Dronke, Grün und Engels. Aber es ist diese scherzhafte Partie nur die eine Seite des Buchs. Der zweite, kürzere Theil des Buchs geht ernsthaft auf die Sache selbst ein. - Dass es bis jetzt noch kein Volk gegeben hat, worin jeder Einzelne sich in Wohlstande befunden hätte, scheint freilich noch kein Grund zu seyn, den Wunsch zu unterdrücken, dass es anders seyn mögte, aber es liegt darin doch offenbar ein Fingerzeig, dass der Unterschied im Wohlstande wohl auf einem Gesetz in der Natur des gesellschaftlichen Lebens beruhen und nicht eine Folge des modernen Staats seyn dürfte. Eine weitere Forschung wird dies auch bestätigen und uns zugleich sagen, theils dass nicht das wahre Glück der Menschen durch ihr sinnliches Wohlleben bedingt werde, theils dass erst Anstrengungen und Widerwärtigkeiten den Menschen zur wahren Tüchtigkeit erziehen. Damit wollen wir freilich nicht die Mängel gut heissen, welche sich in unsern gesellschaftlichen Zuständen finden; vielmehr wünschen wir eifrig ihre Abhülfe. Aber wenn man sie mit Sorgfalt herausstellt, so möge man auch das Gute nicht verkennen, was neben ihnen vorhanden ist. Dies zu zeigen ist dem Vf. sehr wohl gelungen. Mit Recht macht er auf die grosse Zunahme der Bevölkerung einzelner Länder Europas in der neueren Zeit aufmerksam; denn die Erfahrung lehrt, dass mit dem herrschenden Elende unter dem Volke die Zunahme der Menschenmenge langsamer fortschreitet, wenn überhaupt von einer Zunahme und nicht wohl gar von einer Abnahme die Rede ist. Jenes grosse Anwachsen der Bevölkerung wird aber vornehmlich durch die durchschnittliche grössere Lebensdauer erklärt. Man muss also annehmen, dass die Menschen im allgemeinen besser leben, als früher; dass mehr für Reinlichkeit und Gesundheit der Wohnorte gesorgt ist

ctc.

Das bessere Leben verdankt das Volk aber hauptsächlich den Fortschritten der Industrie, wodurch eine Menge Gegenstände des Verbrauchs, welche früher nur von den Wohlhabenderen erworben werden konnten, auch den Unbemittelten zugänglich geworden sind. Selbst die nothwendigsten Lebensmittel verschafft sich der Arbeiter leichter, als sonst, weil der Arbeitslohn mehr gestiegen ist, als der Preis jener Gegenstände. Und bei allem dem ist dem Armen die Bahn gar nicht versperrt, welche ihn zu einem höheren Wohlstande führen kann; wie es denn auch in allen Lebenskreisen eine Menge von Personen giebt, die sich von den niedrigsten Stufen zu Ansehn und Bedeutung emporgearbeitet haben. Wollten sich nur diejenigen, welche voll sind von Klagen über die Noth und das Elend der niedern Volksklassen und über die unverantwortliche Vernachlässigung derselben, die Mühe nehmen, genauer über den Gegenstand ihrer Klagen nachzuforschen, so würden sie sich bald überzeugen, dass in sehr vielen Fällen der Grund des Elendes und der Noth in der Arbeitsscheu, in der Unsittlichkeit und Lüderlichkeit derer zu suchen ist, die darunter leiden, und dass es eine unzählige Menge von Anstalten, Einrichtungen, Vereinen und Klassen giebt, welche die Bestimmung haben, die Noth abzuwehren und, wo sie eingetreten ist, zu lindern. Allerdings lässt sich noch vieles thun aber statt darüber nachzudenken, wie auf dem eingeschlagenen Wege weiter gegangen werden könne, sucht man unter den niederen Volksklassen Unzufriedenheit mit ihrem Loose und mit den gesellschaftlichen Einrichtungen zu erwecken, und vernichtet in ihnen den religiösen Glauben, der ihnen sonst Vertrauen und Muth gab. Hr. Scheidtmann hat vornehmlich diejenigen Verhältnisse ins Auge gefasst, welche durch Zahlen festgestellt werden können, und auf diese Weise manche der wichtigsten Behauptungen jener angeblichen Volksbeglükker siegreich widerlegt.

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In der dritten Schrift, welche mit Unrecht ihren Titel führt, da von der,, Organisation der Arbeit" nur in so weit die Rede ist, als darauf hingewiesen wird, dass dieser Ausdruck zu den verschiedensten philantropischen Träumereien Veranlassung gegeben und für die Proletariatsschriftsteller einen bequemen Uebergang zu einem An

griffe auf die Arbeitgeber gebildet habe. Dagegen behandelt die Schrift einen für unsere Zeit sehr wichtigen Punkt, nämlich die Frage: welche Folgen die willkührliche Erhöhung des Arbeitslohns und die Verminderung der Arbeitszeit haben werde? Jeder mit den wirthschaftlichen Verhältnissen der Völker Bekannte wird sich sagen, dass jene Folgen in Rücksicht des Einkommens der Arbeiter nur nachtheilig seyn können, ein Resultat, welches auch der Vf. durch Zahlen auf eine schlagende Weise als richtig darthut. Die kleine Schrift ist mit Gewandheit abgefasst und lässt sich angenehm

lesen.

Der Vf. der vierten Schrift hat es offenbar zu seiner Hauptaufgabe gemacht, ein neues Geldsystem zu empfehlen; denn nachdem er sich in der Kürze mit der Frage beschäftigt hat, wodurch der Wohlstand eines Volks vermehrt werde, und die unausgesetzte Thätigkeit der Arbeitskräfte desselben als die Grundbedingung jener Vermehrung bezeichnet hat, bemerkt er, dass in Zeiten politischer Krisen und überhaupt in Zeiten des Misstrauens durch das gänzliche Verschwinden des Geldes vom Markte, ein bedeutendes Stocken der Arbeitsthätigkeit verursacht werde, und glaubt den Hauptgrund dieser Erscheinung in unserem Geldsysteme und unseren socialen Einrichtungen suchen zu müssen. Hätte der Vf. sich einfach an seine eigenen Folgerungen gehalten, so würde er nicht das zum Grunde gemacht haben, was eine blosse Folge ist, und nicht auf den Gedanken gekommen seyn, dat Hülfe zu suchen, wo sie unmöglich gefunden werden kann. Das Misstrauen geht nicht aus der Eigenthümlichkeit des Geldes hervor und kann daher auch nicht durch eine Veränderung des Geldes gehoben werden. Aber die Erfindung des Vf.'s ist nicht neu. Schon öfter, wenn auch aus andern Gründen hat man ein Geld vorgeschlagen, welches als Anweisung auf den Grund und Boden umlaufen und Zinsen tragen soll. Der Vf. fügt nur noch die Wohngebäude hinzu. Allein wir fragen, ob denn unsere Pfandbriefe, unsere Eisenbahnactien etwas anderes sind, und ob sie etwa die Stockung der Arbeitsthätigkeit haben verhindern können? Es liesse sich noch manches über diesen Gegenstand sagen, aber das Gesagte wird genügen, die Unhaltbarkeit des gemachten Vorschlags darzuthun. Eiselen.

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