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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat März.

Leben Jesu.

1849.

Die Geschichte des Lebens Jesu mit steter Rücksicht auf die vorhandenen Quellen, dargestellt sicht auf die vorhandenen Quellen, dargestellt v. Dr. Christoph Friedrich von Ammon u. s. w. (Fortsetzung von Nr. 63.)

Die Parabel von dem unfruchtbaren Feigenbaume, schwinden.

Luc. 13, 6-9 enthält die Hauptlehre: dass man die Langmuth Gottes nicht missbrauchen soll; wobei der Vf. die feine Bemerkung einfliessen lässt, dass das Abhauen des Baumes noch keine Vernichtung ist, und daher noch immer der Hoffnung Raum lässt, dass der abgehauene Sturz aus tiefer Wurzel wieder neue Sprösslinge treiben könne. Dass diese Bemerkung gegen gewisse Orthodoxisten unserer Tage noch immer nöthig ist, mag nicht geläugnet, wohl aber bedauert werden, da sie nach dem Geiste des Evangeliums sich doch billig von selbst verstehen sollte. Trefflich benutzt der Vf. die Parabel von dem menschenfreundlichen Samariter, Luc. 10, 23—37, zu der Bemerkung, dass die alte Klage über die Rationalität des Christenthums sich hier gegen Jesus selbst erhebe, dass die ideale Reinheit des Glaubens an Gott und die sittliche Frömmigkeit des Lebens als die Hauptsache des Christenthums zu betrachten sey, dass die radikalen Erbsünder, die sentimentalen Heilsverkündiger und stationären Ablasspriester nicht Apostel des Evangeliums, sondern des Epikureism und Manichäism seyen, und dass die wahre Versöhnungslehre aufgehe in dem Worte Jesu: thue das, so wirst du leben! In der Parabel vom verlorenen Sohne Luc. 15, 11-32, findet der Vf. als religiösen Inhalt die zwei Sätze: den Fall des jüngeren Sohnes und seine Rückkehr auf den Weg des Heiles, so wie das sittliche Verhältniss des Hausvaters zu seinen Söhnen und ihrer Handlungsweise, wobei die pietistische Engherzigheit des Erstgeborenen gebührend hervorgehoben wird, schildert Beides mit psychologischem Eingehen in das wirkliche Leben, wie es sich noch immer gestaltet, und giebt dabei die beherzigungswerthe Weisung, dass alle dog

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Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

matischen Träumereien der Dualisten, der Supralapsarier und Infralapsarier, ja selbst der blutigen Genugthuungsheischer, die von dem himmelweiten Unterschiede der göttlichen und menschlichen Gerechtigkeit keine Ahnung haben, wie drückende Alpträume vor diesem einzigen Gleichnisse verDie schwierigste aller Parabeln ist die von dem ungerechten Haushalter, oder, wie sie hier überschrieben wird, von dem reichen Manne und dem trügerischen Verwalter, Luc. 16, 1-12. und der Vf. hat diese crux interpretum mit so zartem Tacte und so feiner exegetischer Kunst behandelt, dass er sich nicht mit Unrecht rühmen kann, nicht allein den Vorwurf der Unsittlichkeit, sondern auch der Paradoxie, gänzlich von derselben abgelehnt zu haben. Er hält die schon Bd. 1, S. 92 besprochene Gnome Jesu: yivɛode toanɛšítai Sózıμior! für den eigentlichen Hauptsatz des Gleichnisses, verwirft mit Recht die Annahme, dass dem Herrn die ungerechte List des Verwalters nicht bekannt geworden sey, erklärt den uauuwvās tñs ádixías für den häufig mit Unrecht und Sünde beladenen, wenn schon oft ohne deutliches Bewusstseyn beider erworbenen Gewinn, welcher nur durch die gewissenhafte Verwendung desselben in himmlische Güter geheiligt und in einen bleibenden Schatz verwandelt werden kann." Allerdings bemerkt er, dass dieser Gegenstand,, esoterischer Natur war, und nicht für das Volk, welches die ertheilte Lehre leicht hätte missbrauchen können," dass daher Lucas die Parabel, weil sie einen länger vorbereiteten Unterricht voraussetzte, aus gutem Grunde in das letzte Jahr des Unterrichts Jesu verlegt habe. Eben deshalb aber hätte er es nicht tadeln sollen, dass man sie in neueren Zeiten,,aus der Reihe der kirchlichen Texte hat verdrängen wollen." Man würde schon gegen die Absicht Jesu handeln, wenn man sie aus einem esoterischen zu einem exoterischen Lehrstücke machen wollte, und es würde immer sehr schwer, ja fast unmöglich seyn, dem Missverstande und Missbrauche bei der grossen Menge vorzubeugen, selbst wenn des Vf.'s Erklärung un

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zweifelhaft richtig, und wenn es völlig entschieden wäre, dass die Parabel so, wie wir sie vor uns haben, aus Jesu Munde gekommen sey; aber wenn wir auch das Erstere einräumen möchten, so glauben wir doch das Letztere noch sehr beanstanden zu müssen, und können es kaum mit der Lehrweisheit Jesu vereinigen, dass er eine so bedenkliche Form für eine Lehre sollte gewählt haben, die sich so leicht in völlig unanstössiger Weise hätte darlegen lassen. Höchst anziehende Parallelen zieht der Vf. zwischen der jüdischen und ethnischen Lehre von der Unterwelt, bei der Parabel von dem reichen Manne und Lazarus, Luc. 16, 19-31, deren Hauptgedanken er richtig in die Ausgleichung der menschlichen Schicksale im künftigen Leben" setzt. Nur können wir ihm weder darin beistimmen, dass Jesus nur diesen Gedanken,, ausschliessend" habe darstellen wollen, da, selbst nach Abstreifung alles Bildlichen, allerdings auch noch andere wichtige Gedanken darin liegen, wie z. B. der, dass das künftige Leben eine persönliche Fortdauer mit Bewusstseyn und Erinnerung seyn werde, - noch darin, dass hier,,des Zusammenhanges der menschlichen Schicksale mit der sittlichen Persönlichkeit" gar nicht gedacht, dass das Gleichniss blos,, eine Nationalparabel" sey, und dass wir diesen Gedankenkreis erst erweitern" und mit den sittlichen Bedingungen der Ausgleichung im künftigen Leben verbinden müssen, da uns diese sittlichen Bedingungen allerdings in der Schilderung des still ergebenen Dulders und des üppigen Schwelgers schon genugsam angedeutet scheinen. - Bei der Parabel von der Beharrlichkeit im Gebete, Luc. 18, 1-8 verwirft der Vf. mit Recht die dogmatische Excentricität, die hier der unwiderstehlichen Kraft und unbedingten Erhörung des beharrlichen Gebets das Wort geredet sieht, und findet den Vergleichungspunkt nur in der endlichen Nachgiebigkeit des Richters. Dies ist auch ganz gewiss der richtige Gesichtspunkt, wenn sie so, wie Lucas sie giebt, von Jesu vorgetragen ist; wir aber können. nicht umhin, dies eben so wohl hier, als bei der vorigen, in Frage zu stellen. Auch will es uns nicht wahrscheinlich bedünken, dass die letzten Worte:,,Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinest du, dass er auch werde Glauben finden auf Erden"? ein Zusatz des Evangelisten, und von ihm nur Jesu in den Mund gelegt seyen; denn wenn dieselben auch immerhin cinem anderen Orte und Zeitpunkte angehören mögen, so sind sie doch ganz

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aus der Seele Dessen gesprochen, dessen ahnender Scharfblick wohl voraussah, dass sein reines und einfaches Evangelium nur zu bald mit dem Wust der Menschensatzung überladen werden, und dass man ihn selbst dann für lange nicht christlich genug halten, ja, wenn er noch einmal auftreten könnte, vielleicht noch einmal kreuzigen würde. - Ueber die Behandlung der Parabel von den beiden Betenden, Luc. 18 9-14, bei welcher der Vf. gewissen Auslegern den wohlbegründeten Warnungswink giebt, dass sie ,,unverkennbar mehr auf moralischem als auf dogmatischem Boden stehe," können wir nur sagen, dass sie zu den allergelungensten Partieen gehört; sie ist so psychologisch tief und exegetisch genau, und zugleich so populär und practisch, dass sie Nichts zu wünschen übrig lässt. Bei der Parabel von den anvertrauten Talenten verbreitet sich der Vf. besonders ausführlich über die verschiedene Redaction derselben bei Matthäus, (19, 11-28) indem er von der begründeten Annahme ausgeht, dass Letzterer die ursprüngliche Form des Ersteren nur umgearbeitet, ja durch Einschiebung des ungehörigen Zuges von den revoltirenden und schliesslich bestraften Bürgern selbst entstellt habe. Nachdem er dann die verschiedene Ansicht Beider über die Parusie Jesu beleuchtet hat, leitet er passend aus dem Grundgedanken der Parabel die gedoppelte Lehre ab, die wir, als eine auch für unsere Zeit sehr beherzigungswerthe, am liebsten mit seinen eigenen Worten hersetzen wollen: ',, Einmal wollte Christus, der seinen Jüngern anvertraute Unterricht sollte nicht nur von einem Geschlecht zum andern fort gepflanzt, sondern auch durchdacht, fo:tgebildet und bereichert werden, dass er sich in dem Munde würdiger Lehrer gleichsam verdoppele und immer neuen Zuwachs gewinne; dann aber schliesst er geistlose und träge Diener, die sich nur auf die Erhaltung des Bestehenden beschränken, oder das von ihnen vernommene Wort in dem Schweisstuche veralteter Systeme bewahren, als unnütze und unwürdige Bekenner von jeder hōheren Ansicht und Belohnung des göttlichen Reiches aus." Die Parabel Matth. 18, 23-35 die herkömmlich,,des Königs Rechnung" pflegt überschrieben zu werden, erhält von dem Vf. die passendere Doppel-Aufschrift: 'der Sieg der Milde über das strenge Recht, oder die Gefahren einer doppelten Lebensrechnung," und ihr wesentlicher Inhalt wird auf die drei Sätze zurückgeführt: 1) in dem Reiche Gottes steht Milde und Liebe höher als das

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strenge Recht, (dabei treffende Bemerkungen über das Wesen der göttlichen Gerechtigkeit, als einer nur hypothetischen und erziehenden,) 2) die Pflicht jedes Einzelnen, auch von seiner Seite die Uebung des strengen Rechtes überall durch Güte und Liebe zu mildern, also Anderen keine andere Rechnung zu machen, als sie ihm von Gott gemacht wird; endlich 3) die verzeihende Milde gegen Andere soll eben so unbegränzt seyn, als es Gottes Nachsicht gegen uns ist. Bei der Parabel von den Arbeitern im Weinberge, Matth. 20, 1-16 stellt der Vf. 16 stellt der Vf. zuerst eine Vergleichung mit einer ähnlichen im Talmud vorkommenden an, der er unabhängige Selbstständigkeit vindicirt, entwickelt dann ihren Zusammenhang mit der durch den Vorgang mit dem reichen Jünglinge veranlassten Frage des Petrus, bezeichnet die verschiedenen Zeitperioden der Offenbarung bis auf Jesum als den Gedankenkreis derselben, weiset die beiden Annahmen, dass hier von einem sichtbaren Weltgerichte am Ende der Tage, oder, wie Luther meinte, von einem unbedingten Rathschlusse Gottes, die Menschen willkürlich zu beseligen, die Rede sey, als ungehörig ab, und hebt als die leitende Hauptidee hervor: dass im Reiche Gottes nicht die Dienstzeit das entscheidende Moment habe, sondern dem persönlich sittlichen Werthe jedes Einzelnen untergeordnet werde. So gewiss das Letztere das Richtige ist, so können wir es doch nach dem ganzen Zusammenhange nicht wahrscheinlich finden, dass Jesus bei den Tageszeiten auf die früheren Offenbarungsperioden sollte Rücksicht genommen haben, und wir können alles Treffliche, was der Vf. darüber beibringt, wohl als gelungene Anwendung begrüssen, aber nicht als berechtigte Auslegung anerkennen, da es uns wenigstens hier nicht in der Absicht Jesu zu liegen scheint.

Nach dieser interessanten Parabeln - Anthologie führt uns der Vf. weiter zu der Auferweckung des Lazarus, der er drei ausführliche Capitel widmet, indem er sie in den drei Abschnitten behandelt: 1) Jesus erhält in Peräa die Nachricht von der Krankheit des Lazarus, Joh. 11, 1—16; 2) Reise Jesu nach Bethanien und Unterredung mit der Schwester des Lazarus, V. 17-37; 3) Jesus ruft den Lazarus aus seinem Grabe hervor, V. 38-44. So viele Lichtblicke aber auch diese Abhandlung enthält, so ist doch über dieselbe ein,, dünner Byssusschleier" gehüllt, der uns geneigt macht, dem Vf. den Ausruf Jesu an die Umstehenden:,, löset ihm die Biu

den"! wiederzugeben. Dieser Schleier ist indessen glücklicherweise ein so ,,dünner," dass er das vom Vf. nicht offen ausgesprochene Wort, es sey hier nur die Wiederbelebung eines Scheintodten zu sehen, kenntlich genug durchblicken lässt. Wir dürfen dazu nur auf die mit Lücke gemachte Unterscheidung des relativen und absoluten Wunders hinweisen, von denen er nur das erstere gelten lässt, und das Resultat seiner Untersuchung mit seinen eigenen Worten hersetzen: „, das Wunderbare der unläugbaren Thatsache (dass Lazarus lebend aus dem Grabe hervorging,) besteht darin, dass Jesus sie vorhersah, sie nach einem tief durchdachten Plane vorbereitete, (es finden sich vier Stellen, V. 4, 23, 40, 42, aus welchen deutlich erhellet, dass er nach einem bestimmten Plane handelte, und seiner Sache vollkommen gewiss war,) bei ihrer Vollziehung den äussersten Punkt ihrer physischen Möglichkeit abwartete, des Gelingens derselben durch den erbetenen Beistand Gottes gewiss war, und sie weder ruhmbegierig, noch durch sinnliche Künste, sondern einzig nur durch Förderung der Zwecke seines heiligen Berufs vollbrachte."

Der nächste Gegenstand, dem der Vf. grosse Sorgfalt widmet, ist die Chronologie der Leidenswoche. Es kann hier weder ein tieferes Eingehen in den verwickelten Streit der Quartodecimaner, noch vollends ein entscheidendes Endurtheil über denselben erwartet werden. Der Vf. selbst hat ein solches weder verheissen wollen, noch geben können; er kennt die Schwierigkeit der Aufgabe, und bekennt, dass zur Zeit noch keine Aussicht auf ihre befriedigende Lösung vorhanden sey, namentlich wo es gilt, Matthäus und Johannes mit einander in Einklang zu bringen. So viel ist ihm aber ausgemacht, dass hier keine andere Wahl übrig bleibt,,,als die des Johanneischen Hexaemeron, oder persönlicher Willkür:" weshalb er sich denn für das Erstere entscheidet, die Berichte des Johannes immer zuerst nach seiner Tagesordnung vorträgt, dann die Berichte der Synoptiker in wahrscheinlicher Parallele folgen lässt: in beiden Fällen aber es dem Leser anheimstellt, wie er das also Geordnete zu einem Ganzen vereinigen will. Er räumt auch ein, dass Johannes die sechs Tage, in die er die letzten Schicksale Jesu vertheilt, nicht immer ganz genau bezeichnet habe, und geht daher, um einen festen Punkt zu gewinnen, von dem Ende der sechs Tage, nämlich dem Todestage Jesu aus welcher unläugbar auf den 15ten Nisan in der

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9ten Abendstunde (Luc. 23, 45 f.) fiel, und mit der 12ten Stunde, nach welcher ein Sabbat eintrat (v. 54, 56 vgl. Joh. 19, 31) seinen Lauf beschlossen hatte." Fällt also der 16te Nisan oder der 2te Passahtag auf einen Sabbat, so muss von dem vorhergehenden 9ten Nisan dasselbe gesagt werden; Jesus war an demselben noch in Ephräm, und beginnt folglich den ersten der Johanneischen Tage am 10ten Nisan, welcher auf den ersten Wochentag der Juden, oder nach unserer Namensordnung auf einen Sonntag fiel." Darnach gestaltet sich das Hexaemeron also: 10ter Nisan, oder Sonntag: Reise von Ephräm nach Bethanien, Joh. 12, 1; 11ter Nisan, oder Montag: Einzug Jesu in Jerusalem, ib. v. 12; 12ter Nisan, oder Dienstag: Vorstellung der Hellenisten im Tempel oder ausser der Stadt, v. 20. Die Articulation dieses dritten Tages ist nicht bestimmt ausgesprochen, liegt aber in der Eintheilung der Beschäftigungen Jesu." 13ter Nisan, oder Mittwoch, v. 36. 37: fortgesetzte Vorträge Jesu ime Tempel; 14ter Nisan, oder Donnerstag, 13, v. 1 ff.: Vorbereitung auf das Passah und ausführliche Unterredungen mit seinen Schülern; 15ter Nisan, oder Freitag, 18, v. 1 ff.: Gefangennehmung, Verurtheilung und Tod Jesu. Am 16ten Nişan, einem Hochsabbath, ruht er im Grabe, 19, 41, und kehrt am 17ten Nisan, Sonntag, wieder in das Leben zurück. Von dem Anfangspunkte dieser Rechnung sagt der Vf. allerdings mit Recht:,, eine grosse Anzahl von Auslegern hat die mathematische Gewissheit dieser Angabe nur darum übersehen, weil sie die Feier des Osterlammes (2 Mos. 12, 6) auf den ersten Abend des 14ten Nisan, verlegten, da sie doch, nach zwei folgenden Versen, v. 18-19, unläugbar auf den zweiten Abend, oder den Uebergang von dem 14ten Nisan auf den 15ten fällt." Was aber die einzelnen Abstufungen der Tage selbst betrifft, so muss man sich darin mit Probabilität begnügen, und dies können wir auch so wenig für ein grosses Unglück ansehen, dass wir vielmehr völlig in die Schlussbemerkung des Vf.'s einstimmen müssen:,, Jedes Schema der Geschichte ist vergänglich: wie der Buchstabe ihrer Urkunden: nur der Geist macht lebendig, und dieser kann zwar geweckt, aber nicht in chronologische Register gebracht und eingeschlossen werden."

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Ohne hier bei dem vielen Trefflichen in der Behandlung der einzelnen Vorgänge und Reden

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Jesu in den Leidenstagen verweilen zu können, machen wir nur auf die geläuterte und exegetisch begründete Ansicht des Vf.'s vom Abendmahle aufmerksam, die wir durch Anführung einiger Stellen bezeichnen. Nachdem er sich über das letzte Passahmahl, das Jesus mit seinen Jüngern vollständig nach dem Mosaischen Gesetzte feierte, eben so klar als gründlich ausgesprochen, fährt er fort: Das jüdische Passah war beendigt bis auf die Psalmen, die bei dem Aufbruche der Gesellschaft noch gesungen wurden, weil sie allein mit der neuen Bundesfeier noch verträglich waren. Von den vorhandenen materiellen Elementen blieben nur noch Brodt und Wein, von den leitenden Ideen des vollbrachten Dankfestes aber nur noch die Erinnerung an den ägyptischen Passahleib und dasselbe Passahblut als Uebergang zu dem Leibe und Blute Christi übrig. An eine materielle Identification des Brodtes und Leibes Christi zu denken, ist absolut unmöglich, weil das dem Princip der Einheit des Denkens widerspricht, mit der gedoppelten Anschauung der Jünger unverträglich war, das Essen und Trinken von Menschenfleisch und Menschenblut jedem Juden als ein Gräuel erschien und sich Christus selbst gegen eine solche Kapernaitische Auffassung der Worte mit grossem Missfallen erklärt hat (Joh. 11, 63). Dass für das eivai, ausser dem gemeinen symbolischen Sinne (Joh. 10,7; 14,6; 15,1), in welchem das Bild von der Sache gänzlich verschieden ist, noch ein vermischter zulässig sey, welcher die Anschauung des Bildes mit dem Begriffe des Wesens von zwei verschiedenen Gegenständen als in Einem vereinbar darstelle, ist deswegen undenkbar, weil eine Anschauung in der Erscheinung zwar das Bild, oder der sinnliche Reflex des Wesens von demselben Gegenstande seyn, und folglich mit ihm coincidiren kann; von zwei sinnlichen Gegenständen aber, deren jeder seine eigene Substanz hat, kann nicht angenommen werden, dass das Bild des Einen entweder das eigne Wesen verläugne, oder das Wesen des anderen aufhebe, weil sonst dem Phänomen eine schöpferische, oder vernichtende Gewalt über das Wesen einzuräumen wäre, welche die ontologische Ordnung der Dinge aufheben und eine blinde Gewalt der Materie in die Geisterwelt einführen würde.

(Der Beschluss folgt.)

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die vorausgeschickte, auf allgemeiner, geschichtlichen Grundlage beruhende, aus den positiven Quellen des deutschen Meierrechts geschöpfte, und mit Erkenntnissen der obersten Gerichtshöfe bis auf die neueste Zeit allenthalben unterstützte Ausführung erscheint.

Der Vf. hat, wie von einem so ausgezeichneten Juristen zu erwarten war, seine Aufgabe aufs vollkommenste gelöst. Diese Arbeit wird nicht nur

In der Vorrede erwähnt der Vf. das Bedenken, noch lange für die Gerichtshöfe von praktischem

dass es wohl nicht mehr an der Zeit sey, ein deutsches Meierrecht zu schreiben, da die meisten Regierungen im Begriff seyen, die Fesseln zu lösen, welche den Bauernstand, auch im Meierverhältniss, belasten. Mit Recht glaubt er aber, dass eine genaue Kenntniss der allgemeinen Grundzüge der deutschen Meierverfassung jetzt am wenigsten zu entbehren sey, wo gerade die Fälle des Couflikts der früheren Verfassung mit der neueren Gesetzgebung zur Entscheidung kommen.

Um nun die Grundzüge der deutschen Meier verfassung in ihrem eigentlichen Sinne aufzufassen und dadurch in vorkommenden Fällen sicher anzuwenden, hielt der Vf. für das zweckmässigste Mittel, die unmittelbare Anschauung ihrer vollständigen und consequenten Durchführung mittelst der Gesetzgebung und Praxis eines Landes, in welchem die Meierverfassung sich vorzugsweise in ihrer Reinheit und Eigenthümlichkeit erhalten hat. Er verliess daher den hauptsächlich nur partikularrechtlichen Standpunkt der Schaumburgischen Meierverfassung, und betrat, um eines höheren, des gemeinen deutsch-rechtlichen Interesse willen, den Weg einer selbstständigen Bearbeitung der Grundzüge des deutschen Meierrechts, mittelst wissenschaftlicher Zusammenstellung alles dessen, was sich hierüber in unzähligen, theils diesem Gegenstande besonders gewidmeten Schriften, theils solchen, worin derselbe nur beiläufig mit abgehandelt wird, zerstreut findet; so dass die folgende Darstellung der Schaumburgischen Meierverfassung als unmittelbar aus dem Leben gegriffener Beleg für

Werth und Nutzen seyn, sondern sie ist auch eine Bereicherung für die Wissenschaft, indem sie die Resultate so vieler einzelner Forschungen und Ansichten mit kritischem Blick gesichtet, und uns ein lebendiges Bild eines so denkwürdigen, in die Verhältnisse des Bauernstandes tief eingreifenden Instituts dargestellt hat.

Der 1ste Abschnitt der 1sten Abtheilung enthält die Vorkenntnisse des deutschen Meierrechts, Rechtsquellen, Literatur, Rechtsgeschichte und allgemeine Charakteristik des Meierverhältnisses. Diese Verfassung umfasst den grössern Theil des nördlichen Deutschlands, und durchdringt den ganzen bürgerlichen und Rechtszustand des eben dort durch innere Kraft und Selbstständigkeit vorzüglich bedeutsamen Bauernstandes, indem sie zugleich den erheblichsten Einfluss auf die politische Stellung der mit der Meierherrlichkeit versehenen Mitglieder des Adelstandes äussert. Auch kommt das wesentliche Interesse, welches der Staat an der Erhaltung der Meiergüter nimmt, sehr in Betracht. Das Meierverhältniss gründete sich aber als eigenthümliches deutsch-rechtliches Institut auf altes Herkommen und Landesgebrauch, und bildete sich seit dem 16ten Jahrh. mehr und mehr zu fester Norm aus; zwar überall provinziell, doch nach einer gleichmässigen Idee, die sich in den nach und nach erlassenen Meierordnungen ausspricht. Diese sind freilich nur partikularrechtliche Quellen, ihre Normen stimmen aber in den wesentlichsten Bestandtheilen der Meierverfassung überein, und sind daher ein taugliches Mittel der Abstraction gewisser all

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