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Dichtern zuzuweisen, überzeugen noch nicht, dass nichts verloren gegangen sey. Nach solcher Argumentation darf man sich freilich nicht wundern, wenn der Hr. Vf. auch zwei ohne Angabe des Dichters von Charisius p. 254 citirte Verse ohne anderen Grund, als weil darin der Mond angerufen wird, dem Calvus zuweist und in dem auf solche Weise entdeckten Zaubergedichte unterbringt. Und doch scheut er sich nicht, diese Vermuthungen als Gewissheit auszugeben (certus sum S. 292, comprobavimus S. 296). Auf Calvus folgt der Dichter Varius, den Schol. Hor. carm. I, 6 eclogarum auctor nennt, ein Zeugniss, welches Weichert ohne Grund verdächtigt, Hr. U. mit Recht wieder in Schutz genommen hat. Auch dass unter eclogae keine Bukolika, sondern andere kurze Gedichte zu verstehn seyen, wie Hr. U. will, ist dem Sinne des Wortes nach nicht unmöglich; nur wird man daneben auch das Gegentheil als eine Möglichkeit stehn lassen müssen. Codrus wird mit Rücksicht auf das zu Anfange des Buches über ihn Gesagte als Dichter griechischer Bukolika aufgeführt. Dasselbe gilt von Messalla, mit Rücksicht auf welchen diese ganze Untersuchung aufgenommen war. Der Beweis, dass dieser griechische Bukolika geschrieben habe, ist zu entnehmen aus der unter den Virgilischen Katalekten stehenden elegia ad Messallam. Dass er bukolische Gedichte geschrieben, hatte man längst aus dem, was in jener Elegie über den Inhalt seiner Gedichte gesagt wird, entnommen. Dass diese aber nicht lateinisch, sondern griechisch abgefasst waren, hat Hr. U. zuerst geschlossen aus V. 13 ff. Pauca tua in nostras venerunt carmina chartas Carmina cum lingua tum sale Cecropio sqq. Alle Erklärungen dieser Verse, welche die Interpreten versucht haben, widerstreben dem einfachen Sinn der Worte, welche nichts anders bedeuten können, als dass Messalla griechische Gedichte gemacht, welche der Vf. der Elegie übersetzt habe. Geht man dann weiter auf die Bedeutung der ganzen Elegie ein, welche auf verschiedene Weise erklärt, von Einigen auch in sehr späte Zeit gesetzt worden ist, so ergiebt sich, dass sie nichts andres seyn kann, als ein Gedicht, mit dem der Dichter den aus dem Kriege heimkehrenden Messalla begrüsste, und mit dem er zugleich jene Uebersetzung überreichte. Messalla also hatte griechische Bukolika geschrieben, diese hatte der Vf. der Elegie, um ihnen eine grössere Verbreitung zu sichern, übersetzt und denselben diese Elegie als eine Art De

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dicationsschreiben hinzugefügt. Damit sind zugleich alle Bedenken über das Alter des Gedichtes, das nach dieser Auffassung entschieden der augusteischen Zeit angehört, niedergeschlagen. Bis hierher steht der Hr. Vf. mit seinen Folgerungen auf festem Boden. Nicht dasselbe aber lässt sich sagen, wenn er weiter gehend Valgius als den Vf. der Elegie hinstellt. Der Beweis dafür denn dass Valgius Freund Messalla's und selbst bukolischer Dichter gewesen, kann als ein solcher nicht gelten - liegt in den oben angeführten Worten Seneca's Aetnam quare dixerit Messalla unicum sive Valgius, apud utrumque enim legi, non reperio. Das auffallende sive deutet Hr. U. so, dass an das griechische Original des Messalla und die lateinische Uebersetzung des Valgius zu denken sey. Jener möge & μóva Altva geschrieben, dieser mons unicus Actna übersetzt haben. Allein es ist nicht abzusehn, warum nicht ebenso gut zwei ganz verschiedene Stellen beider Dichter verstanden seyn können. Hr. U. hätte nach dem vorher über die Verse in der vita Terentii Gesagten auch an ein Citat in der Rhetorik denken können. Doch wollen wir darüber nicht streiten, da auch wir es für eine ansprechende Vermuthung, aber auch nicht für mehr, anerkennen, dass Valgius als Uebersetzer des Messalla bezeichnet werde, wodurch er zugleich zum Vf. der elegia ad Messallam würde. Nach dieser Ansicht hätte nun die Elegie unter die Fragmente aufgenommen und erklärt werden müssen, und nur die Ausdehnung, die die Arbeit schon gewonnen hat, verhindert den Hrn. Vf. daran: Verum hoc quod longiodesiderat laborem destinandum putavi alteri harum commentationum parti. Also auch der so über Erwarten grosse Umfang des Buches hat noch nicht genügt, den Stoff zu erschöpfen, von dem noch ein Theil für eine zweite Abhandlung aufgespart werden musste. Mit dieser mögen denn auch die Untersuchungen über Calvus, Varius, Gallus und Lucanus, die ursprünglich schon für diese Schrift bestimmt waren (S.VIII) zu erwarten seyn. Für jetzt lässt der Hr. Vf. S. 333-472 noch eine Reihe von Excursen folgen, zum Theil nur Zusätze zu dem früher Behandelten, zum Theil wirkliche Excurse, welche an gelegentliche Erwähnungen im Text anknüpfend andere mit dem Gange der Untersuchung in keiner Verbindung stehende Gegenstände behandeln. Letztere beziehn sich meistens auf Erklärung und Kritik schwieriger Dichterstellen welche mit grossem Aufwand von Gelehrsamkeit

rem

abgehandelt werden. Besonders Horaz, und nächst ihm Manilius, aber auch Catull, Tibull, Properz, Lucan u. A. werden darin besprochen. Den Schluss des Buches macht ein dreifach getheiltes Register, index scriptorum, rerum und palaeographicus, letzrerer über die vielen paläographischen Bemerkungen, welche in dem Buche zerstreut sind. Der Hr. Vf. hat sehr wohl gethan, sein Buch mit diesen genau gearbeiteten Registern auszustatten. Es war das einzige Mittel, dasselbe bei der Mannigfaltig keit des darin aufgehäuften Stoffes, der in Vorstehendem nur in den Hauptumrissen wiedergegeben werden konnte, dem Gebrauche zugänglich zu machen. Indess möchte diese Mannigfaltigkeit des Inhaltes sich noch ertragen lassen, wenn der Hr. Vf. nur für eine gefälligere. Verarbeitung im Einzelnen Sorge getragen hätte. Es ist eine harte Zumuthung für den Leser, sich durch diese von Citaten und Anführungszeichen, mit denen die Meinungen Anderer meistens wörtlich wiedergegeben werden, strotzenden, von Zwischensätzen und verschieden artigen Klammern, welche die gelegentlich eingefügten Bemerkungen einschliessen, unterbrochenen Sätze, die bisweilen noch über den Raum einer Seite hinausgeführt werden, hindurchzuarbeiten und die Meinung des Vf.'s herauszufinden. Einiges wäre besser ganz weggelassen. Denn wozu diese Menge von Citaten über Dinge, welche gar keines Beweises bedürfen, wie über publica festa S. 43 und 241, über den Gesang des Demodokus und die Beredtsamkeit des Nestor S. 51? Wozu namentlich diese ermüdenden paläographischen Nachweise, mit denen jede Aenderung einer Lesart überschüttet wird, wie C. Valgius st. Evalgius S. 134, Nectareo st. Nestoris, S. 240, hinc st. hic S. 261, bimi st. vini S. 270? als ob Beispiele für die Verwechslung einzelner Buchstaben, welche geändert werden, je im Stande wären, einer Conjectur, wenn sie sich nicht im Ganzen und auf den ersten Blick empfiehlt, mehr Wahrscheinlichkeit zu geben.

Es bleibt nach dieser allgemeinen Uebersicht nur noch übrig, Weniges zu näherer Besprechung hervorzuheben. Schon vorher hatten wir Gelegen heit zu bemerken, dass Hr. U. allzu geneigt ist, das was sich nach seinen Combinationen als möglich erweist für Gewissheit zu nehmen und auf diesem schwankenden Fundament seine Folgerungen weiter zu bauen, ein Verfahren, das auf dem unsicheren Gebiete der Fragmentenlitteratur allerdings sehr nahe liegt und bis zu einem gewissen Grade

kaum zu vermeiden ist. In dieser Beziehung scheint uns Hr. U. gleich bei dem Ausgangspunkte seiner ganzen Untersuchung gefehlt zu haben, indem er das oben angeführte Citat der Scholiasten des Virgil auf die an Valgius ergangene Aufforderung des Horaz zu einem Siegeslied bezieht. Dies könnte nur zugegeben werden, wenn in den Versen, so weit sie erhalten sind, deutlich ausgesprochen wäre, dass der Dichter für ein frohes Lied nicht gestimmt wäre. Wie dieses Letztere aber aus den Worten falleris insanus, quantum si gurgite nauta Criseae quaerat flumina Castaliae abgenommen werden kann, ist nicht abzusehn. Denn selbst wenn man quantum etc. mit falleris verbindet, wie Hr. U. thun musste, so lange er die Lesart insanus nicht kannte und die von Mai gelassene Lücke durch in medio ergänzte, so berechtigt dies noch nicht, den Vergleich mit dem Schiffer, welcher süsses Wasser im Meere zu finden wähnt, so streng festzuhalten, dass damit kein anderer Irrthum bezeichnet werden konnte, als der eines Freundes, welcher ein heiteres Gedicht von dem trauernden Dichter verlangte. Allein wer ohne vorgefasste Meinung an die Stelle herantritt wird viel eher geneigt seyn, jene Worte enger mit insanus zu verbinden, so dass nur die Bezeichnung eines hohen Grades von Wahnsinn darin ausgedrückt ist. Welcher Art aber diese insania sey, wird man vergebens zu errathen versuchen, so lange nicht das vorhergehende sehr lükkenhafte Distichon vollständig vorliegt. Dieses aber mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ergänzen, ist deshalb unmöglich, weil gar nicht zu bestimmen ist, welche Sicherheit die in der Lücke durchschimmernden Buchstaben haben. Ergänzungen dieser

Art können nur über der Handschrift selbst bei wiederholter ruhiger Vergleichung der verloschenen Züge gemacht werden. Nur so viel lässt sich mit einiger Gewissheit sagen, was zugleich gegen Hrn. U.'s Ansicht spricht, dass auch die beiden letzten Distichen ebensogut, wie die beiden ersten auf Codrus Bezug gehabt haben müssen. Dasselbe gilt von der Lücke zu Anfang des ersten Verses. Hier hatte Rec., um den Umfang und die höchst unbestimmt durchscheinenden Züge des fehlenden Wortes zu bezeichnen, quondam angegeben. Hr. U. benutzt dies, um seiner Ansicht gemäss ad hor. odam (S. 455) zu ändern, eine Art zu citiren, für die sich schwerlich ein zweites Beispiel möchte finden lassen, und schreibt den Vers: ille canit quali tu versu, Calve, canebas. Da jedoch die Worte

selbst gar keinen Grund zu einer so wenig wahrscheinlichen Aenderung enthalten, so ist nicht zu bezweifeln, dass das ausgefallene Wort den ersten Fuss des sonst unverdorbenen Verses enthielt. Wem es nur darauf ankommt, diesen auszufüllen, und ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit lässt sich hier nicht erreichen, dem kann es an Vermuthunnicht fehlen. gen Wenn Rec. früher vermuthete, dass codrus stehn, und darnach ille canit Codrus zu schreiben seyn möchte, so wendet Hr. U. dagegen mit Recht nur das ein, dass dadurch eine Umstellung nöthig wird, schon Codrus at ille würde nichts gegen sich haben. Die übrigen Verse aber, welche, wie sie oben geschrieben sind, auch in den als Supplement bezeichneten Stellen als ziemlich sicher gelten dürfen, muss Rec. trotz der verschiedenen Ausstellungen, die Hr. U. daran macht, als unverdorben anerkennen. Hr. U. sucht allerdings S. 54 und 257 nachzuweisen, dass die Verbindung Pylio profluxerit ore Nestoris nicht lateinisch sey, weil die Construction des Adjectivs, wonach es mit dem Nomen statt mit dem von diesem abhängigen Genitiv verbunden wird, bei ausdrücklicher Angabe des Namens, Pylio ore Nestoris st. ore Pylii Nestoris, nicht stattfinden könne. Aber abgesehn davon, dass kein Grund zu dieser Beschränkung vorhanden ist, sobald nur das Beiwort dem Gegenstande, mit dem es verbunden ist, wirklich zukommt, reichen auch die Distinctionen des Hrn. Vf.'s nicht aus,

Ebenso

um Ausdrücke wie antiqui Neleia Nestoris arva (Ovid. her. I, 63), wofür man cher antiqua Nelei Nestoris arva erwartet hätte, und Alexandri Phrygio sub pectore (Lucret. I, 475), was Hr. U. durch seine Erklärung doch nicht beseitigen kann, als verschieden von dem vorliegenden zu erweisen. wenig kann Rec. in der Verbindung quali tu voce canebas, dulcior ut numquam profluxerit mit Ergänzung von vox etwas Fehlerhaftes finden. Hiernach kann Rec. den Aenderungen Hn. U.'s nicht beistimmen, wenn er die Verse nach vielen Versuchen schliesslich so schreibt: Ille canit, quali tu versu, Calve, canebas atque solet numeros dicere, Cinna, tuos, dulcior ut 'numquam Pylio profluxerit ore nectareo aut cantus pectore Demodoci. Detrahere haec pullam credis mihi tempora uittam? Nyctimene hilarum posset inire chorum? Falleris etc. Ein anderer Gegenstand, dem Hr. U. eine ausführliche Besprechung widmet, ist der Name Co

drus. Hier hat er ohne Zweifel richtig gesehn, dass der Juvenalische Codrus und der von Virgil und Valgius genannte nichts mit einander gemein haben. Ersterer ist ein zu Juvenals Zeiten lebender schlechter Dichter, und es ist nichts dagegen zu sagen, dass er ein Grieche gewesen und wirklich diesen Namen geführt habe. Was die Erwähnung des Namens in der siebenten Ekloge Virgils betrifft, V. 21 aut mihi carmen, Quale meo Codro, concedite, proxima Phoebi Versibus ille facit und V. 26 invidia rumpantur ut ilia Codro, so hat Hr. U. durch eine gründliche Erklärung des Ausdruckes ilia rumpi und des entsprechenden griechischen diaggýyvvodai nachgewiesen, dass Virgil keineswegs einen Tadel, sondern vielmehr das höchste Lob über jenen Codrus ausspreche. Nur kann Rec. darin nicht beistimmen, dass unter demselben ein griechischer Bukoliker der Zeit zu verstehen sey, sondern wie die übrigen in der Ekloge vorkommenden Namen, Daphnis, Corydon, Thyrsis, Meliboeus, so wird auch Codrus nichts als ein Hirtenname seyn; und wenn man den ganzen Wechselgesang der Hirten, wie ihn Virgil schildert, vergleicht, so ist es wahrscheinlich, dass damit ein schöner Hirtenjüngling ähnlicher Art, wie die zuletzt genannten Alexis und Lycidas, bezeichnet wird. Dass diesem die Gabe der Dichtkunst und des Gesanges beigelegt wird, widerspricht dem ebenso wenig, als die Erwähnung in den Elegien des Valgius.. Wollte man diese Ansicht in das Fragment des Letztern hineintragen, so liesse sich der erste Vers ergänzen sed puer ille canit. Auf jeden Fall aber, das hat Hr. U. überzeugend erwiesen, ist Cornificius dem Namen ebenso fremd, als der Horazische Jarbita. Möglich allerdings wäre es, dass unter dem Namen irgend ein Dichter der Zeit verborgen ist, aber die Worte nöthigen nicht zu der Annahme, und die schwankenden Angaben der alten Erklärer des Virgil sind wohl nur ein Ueberrest einer allegorischen Erklärung, welche alt genug ist, als dass die Autorität einer so hoch hinaufgehenden Quelle, wie die Veroneser Scholien, Bedenken erregen dürfte. Was neuerdings von J. Bekker Z. f. AW. 1847 S. 1060. zur Begründung der alten Ansicht, dass Cornificius unter dem Namen zu verstehn sey, beigebracht ist, ist von Hrn. U. S. X richtig widerlegt.

(Der Beschluss folgt.)

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat März.

Römische Litteratur.

1849.

1) De C. Valgii Rufi poematis commentatio. Scripsit Robertus Unger etc.

2) Carmina Valerii Catonis cum Augusti Ferdinandi Naekii annotationibus Cura Ludo

vici Schopeni etc.

(Beschluss von Nr. 60.)

Diese Bemerkungen mögen genügen, um

von

dem Inhalte des Buches und der Art der Behandlung eine Vorstellung zu geben. Rec. hat dabei mit den Ausstellungen, die er an Einzelnem machen, und dem Tadel, den er über die Form aussprechen musste, nicht zurückgehalten und kann jetzt um so eher den Werth, den die Arbeit durch die gelehrte Behandlung so mannigfaltiger Gegenstände behält, anerkennen. Der geehrte Vf. aber wird darin um so weniger eine Verkennung seines Verdienstes sehn, als er selbst seine Vorgänger, wo er von ihnen abweicht, mit harten Worten, und was namentlich von dem trefflichen Herausgeber des Manilius gilt, oft mehr als billig zu tadeln gewohnt ist.

2) In dem an zweiter Stelle genannten Buche verchren wir ein theures Vermächtniss Naeke's, welches Hr. Schopen, der Freund des Verstorbenen, aus dessen Nachlass herausgegeben hat. Das Buch war in seiner gegenwärtigen Gestalt schon vor ungefähr zwanzig Jahren vollendet und von Nacke selbst mit grösster Sorgfalt zum Druck fertig gemacht. Dass er diesen dennoch nicht selbst mehr besorgen konnte, mag theils in der nie befriedigten Genauigkeit des Vf.'s, der unablässig zu feilen bemüht war, seinen Grund haben; theils mögen dieselben äusseren Hindernisse, die die Herausgabe nach seinem Tode so lange verzögerten, auch bei seinen Lebzeiten schon dem Druck im Wege gestanden haben. Für Hrn. Schopen aber, der die Mängel, welche der Arbeit anhaften, sicherlich nicht verkannte, musste es misslich seyn, mit eigner Hand nachzubessern, oder selbstständig durchzuarbeiten, was er von einem hochverchrten Freunde so vollkommen ausgearbeitet vorfand. Es blieb kaum etwas anderes, als das Werk ganz so wie es der Vf. hinterlassen hatte,

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

zu geben, und der Herausgeber kann sicher seyn, dass er sich durch die Arbeit, der er sich unterzogen, den Dank der Philologen erworben hat. Nacke, der überall an der feinsten Arbeit im Kleinen sein Gefallen hatte, hat hier das kleine Gedicht, das unter dem Namen Dirae dem Valerius Cato zugeschrieben zu werden pflegt, zum Gegenstande seiner Untersuchungen genommen. Er hat die wenigen Verse nicht für zu gering erachtet, sich eine lange Reihe von Jahren mit ihnen zu beschäftigen und Alles, was sie berührt, auf's Sorgfältigste zu durchforschen. Das Missverhältniss zwischen dem geringen Umfange eines Textes von 183 Versen und der breiten Ausführlichkeit des durch langjährige Studien angewachsenen Commentars, zu dem im weitern Sinne auch die vier auf dem Titel genannten Abhandlungen zu rechnen sind, liegt auf der Hand, und insofern darf man das Buch wohl dem vorher besprochenen zur Seite stellen. Desto angenehmer fühlt man sich hier bei genauerem Eingehn durch die Sorgfalt, mit der Alles bis ins Kleinste durchgearbeitet und in eine leichte, reinliche Form gebracht ist, überrascht, und manche feine Bemerkung entschädigt für eine längere Abschweifung vom Gegenstande. Was die Kritik des Gedichtes angeht, so giebt Nacke in der vierten Abhandlung de libris tam scriptis quam editis, qui carmina Catonis continent über die Quellen und Hülfsmittel, welche ihm dabei zu Gebote standen, Rechenschaft. An Hdschrr. werden 15, die entweder von ihm selbst oder in seinem Auftrage verglichen oder sonst näher bekannt waren, aufgezählt und ausführlich beschrieben, darauf sämmtliche Ausgaben des Virgil, in denen das Gedicht vorkommt, von der editio Romana s. 1. et a. bis zu der Ausgabe von Putsche, von denen ebenfalls noch 17 aus dem funfzehnten Jahrhundert verglichen sind. Als die vorzüglichsten Hdschrr. werden ein Thuaneus saec. XI und Augustanus, d. h. Trierer, dessen Alter nicht angegeben ist, bezeichnet. Den heutigen Anforderungen an die Texteskritik entspricht dies Verfahren nicht mehr. Denn, wenn auch eine genaue Classification der Hdschrr. bei einem Gedichte dieser Art ohne Berücksichti–

gung der andern Stücke, mit denen es verbunden zu seyn pflegt, nicht möglich war und hier um so weniger erwartet werden durfte, als Nacke bei Weitem nicht alle Hdschrr. in Erwägung ziehen konnte, so hätte doch wenigstens eine Auswahl aus den Hülfsmitteln, welche sicherlich nicht alle nöthig waren, gegeben werden müssen, um die als zuverlässig und ausreichend erkannten Quellen mit Consequenz zu benutzen. Aufmerksamkeit verdient in dieser Abhandlung noch die S. 363 ff. gemachte Bemerkung über das Abschreiben der Hdschrr. aus gedruckten Ausgaben, was in der letzten Hälfte des funfzehnten Jahrh. durchaus nicht selten war. Der Mangel einer festen und deutlichen handschriftlichen Grundlage macht sich auch bei der Behandlung des Textes selbst bemerkbar. Die Varianten sind ohne Ordnung in den Commentar selbst verflochten und an jeder Stelle nach Belieben aus der Masse des kritischen Materials gewählt, statt dass dieses von vornherein hätte gesichtet werden. sollen. Doch soll damit nicht gesagt seyn, dass nicht für die Kritik und Erklärung einzelner Stellen in dem Commentare Vortreffliches geleistet sey. Wie es überall der Fall zu seyn pflegt, wo die Hdschrr. lange über Gebühr ausser Acht gelassen waren, so fand sich auch hier vielfach Gelegenheit, die handschriftliche Lesart gegen die maasslosen Aenderungen früherer Herausgeber in Schutz zu nehmen, und Nacke's Name bürgt Jedem dafür, dass er dabei nicht einer übermässigen Aengstlichkeit verfallen ist. Wir wenden uns daher, ohne uns auf einzelne Verse näher einzulassen, sogleich zu den Fragen über die Auffassung des Ganzen, die besonders in den drei zunächst auf den Commentar folgenden Abhandlungen behandelt werden. erste de Virgilii libello iuvenalis ludi verbreitet sich über die ganze Sammlung von kleinen Gedichten, die in den Hdschrr. jenen Namen zu führen pflegt, und in der die Dirae gewöhnlich vorkommen. Nacke ist der Meinung, dass die Sammlung, welche einige Gedichte, die nach guter Autorität dem Virgil zugeschrieben werden, wie namentlich der Culex, neben andern, die ihm entschieden nicht gehören, enthalte, allerdings bald nach dem Tode Virgils entstanden, dann aber erweitert sey und in ihrer jetzigen Gestalt erst aus dem sechsten oder siebenten Jahrh. stammen möge. Obgleich die Fragen über die einzelnen Gedichte, die dabei zur Sprache kommen, keineswegs erschöpft sind, so wird doch Jeder mit Interresse Naeke's Ansichten über Gegenstände, über welche zu urtheilen er vor allen Andern beru

Die

fen war, kennen lernen, und Niemand wird es ungern sehn, dass er um die Frage nach dem Vf. der Dirae zu entscheiden, sich vorher über die ganze Sammlung ausgesprochen hat. Für diese letzteren folgt Naeke der Ansicht Scaligers, dass sie von Valerius Cato verfasst und aus dessen Gedichten in die mit Virgils Nameu bezeichnete Sammlung aufgenommen seyen. Zugleich theilt er nach einer zuerst von Jacobs aufgestellten Ansicht das ganze Stück in zwei Gedichte, von denen nur das erste den Namen Dirae behält, das zweite dagegen als ein einzelnes Gedicht aus dem Lydia betitelten Buche ecloga e Lydia genannt wird. Die erste Behauptung, dass Cato der Vf. sey, welche Scaliger auf die Angaben Suetons (illustr. gramm. XI) über Cato, die ihm genau auf den Vf. des Gedichtes zu passen schienen, gründete, führt Naeke in der zweiten Abhandlung, vita Catonis et scripta und in der dritten de poesi Catoniana weiter aus. Die hierher gehörenden Worte Suetons lauten: Valerius Cato, ut nonnulli tradiderunt, Burseni cuiusdam libertus, ex Gallia, ipse libello, cui est titulus indignatio, ingenuum se natum ait, et pupillum relictum, eoque facilius licentia Sullani temporis exutum patrimonio. Scripsit praeter grammaticos libellos etiam poemata, ex quibus praecipue probantur Lydia et Diana. Hiernach hatte also Cato, früh des Vaters beraubt, in der Sullanischen Zeit sein Erbtheil verloren, und eine Geliebte Lydia (denn darauf deutet man zunächst den Namen des Gedichtes) besungen. Ein Gedicht nun, wie die Dirac, kann seinem ganzen Inhalte nach unmöglich anders, als unmittelbar nach dem Verlust des Ackers, den es zum Gegenstande hat, geschrieben seyn. Da also dieser Verlust, auf den man die von Sueton erwähnte Beraubung deutete, nicht in das Alter eines pupillus, dem das Gedicht offenbar nicht zugemuthet werden kann, fallen darf, so erklärt Naeke die Worte Suetons. so: Cato sey nicht als Unmündiger seines Erbes von Sulla beraubt, sondern die Beraubung sey nur durch den frühen Tod des Vaters und die dadurch entstandene Unsicherheit des Besitzes erleichtert worden. Mithin falle die Jugend desselben nicht nothwendig in die Sullanische Zeit, sondern, da er schon vorher, wie einzelne Stellen der Dirae zeigen, die Lydia geliebt habe, so dürfe man sich ihn um diese Zeit (673) vielmehr als einen Mann von 28 Jahren denken. Da ferner der Ausdruck licentia Sullani temporis exutum patrimonio auf einen ungerechten Richterspruch zu deuten scheint, so nimmt Nacke an, Cato sey von einem doppelten Verluste betroffen worden. Zuerst sey der Acker ihm durch einen Richterspruch entzogen, und darauf habe er die Indigatio, eben

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