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Sittengesetzes für alle späteren Glieder maassgebend geworden ist, S. 829. Demnach lässt sich die Pflichtformel ganz allgemein so ausdrücken: Unterwirf dich der jedesmal in deinem Lebenskreise geltenden christlichen Sitte, jedoch mit ausdrücklichem und unbedingtem Vorbehalt deines reformatorischen Berufs (so weit du nämlich einen hast) und unter unnachlässlicher Ausübung desselben. In diesem Satz liegt die bestimmte Verurtheilung jedes moralisch rigoristischen Separatismus.

Indem der Vf. in diesem Punkte mit dem Katholicismus einstimmig die christliche Sittengesetzgebung von der Tradition als dem sich lebendig fortentwickelnden christlichen Gemeingeist herleitet, welche an sich wahre Vorstellung aber dadurch völlig schief werde, dass letzterer diese Fortentwickelung des christlichen Gemeingeistes nur in der Kirche sicht, einer freilich für den Vf. ganz untergeordneten, vorübergehenden nicht wesentlichen Form der christlichen Gemeinschaft des Christenthums, welche je mehr und mehr zurückzutreten bestimmt ist hinter den Staat, als die christliche (religiös) sittliche (d. h. die christlich staatliche) Gemeinschaft, vgl. Bd. II. S. 120 fg. 145 fg.

sucht er darzuthun, dass thatsächlich und notorisch die christliche Sitte und Nichts anderes das wirkliche Sittengesetz sey, dass letzteres nicht in der h. Schrift, nicht im N. T. zu finden sey, dessen sittliche Vorschriften ganz andre sittliche Zustände voraussetzen, als die dermalen factischen. als die dermalen factischen. Rec. enthält sich specieller Anmerkungen über diese Ausführung des Vf.'s, da sie aufs genaueste seiner Theorie vom höchsten Gut und derjenigen Bedeutung entspricht, welche dort der sittlichen Gemeinschaft, dem sittlichen Gemeingeist, Gemeinbewusstseyn u. s. w. (vgl. I. Band §. 135 u. s. w.) beigelegt wird.

(Die Fortsetzung folgt.)

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Der englische Kinderarzt, nach... Moss u. Uderwood" bekannter. Seitdem hat das Werk neun neue Auflagen erlebt und ist, auch durch seine späteren Herausgeber der neueste derselben, welcher S. Merriman und M. Hill zu Vorgängern hatte, ist H. Davies gewesen haben es noch durch Zusätze vermehrt. Schon diese kurze Geschichte des Buches macht beinahe unzweifelhaft, dass es ein in England ungemein geschätztes ist; es fehlt", wie der deutsche Herausg. sagt, in keiner medicini'schen Bibliothek und bei keinem prakt. Arzte in England." Auch rechtfertigt eine nähere Einsicht in das Werk diese Schätzung, denn mit Recht rühmt an ihm Hr. B. , die ausserordentlich praktische Auffassung des Gegenstandes", und wir bedauern, dass wir uns hier darauf beschränken müssen, in Betreff vieler fruchtbaren Bemerkungen und Beobachtungen des Vf.'s, unsere Leser auf das Buch selbst zu verweisen. Aber auch den Wunsch können wir nicht unterdrücken, dass das U.'sche Werk entweder viel früher, zu einer Zeit, in welcher Deutschland an Schriften dieses Faches ärmer war als heute, übersetzt worden wäre, oder wie es jezt nicht vollständig und nicht in der Gestalt, in welcher es vor uns liegt, vielmehr auszugsweise auf unseren Boden verpflanzt sähen. Hr. B. selbst sagt von dem Werke, an welchem er sichtlich mit Liebe gearbeitet hat, es sey kein,, klassisches." Wir sind derselben Meinung, aber nicht sowohl, weil der Vf. jeder,, grauen Theorie" geflissentlich aus dem Wege gegangen ist, immer nur den „grünen Baum des Lebens" im Auge behaltend, sondern weil U. in dem Bestreben, die Ergebnisse seiner Erfahrung mitzutheilen, für eine die Denklehre befriedigende Anordnung der Gegenstände seines Vortrages, wie für die Formen desselben, wenig oder gar keine Sorge getrageu hat, wie wir es freilich bei den meisten ärztlichen Schriftstellern Englands und Frankreichs zu sehen gewohnt sind. Schon die Eintheilung des Buches in folgende sechs Abschnitte: Von dem Scheintode der Neugeborenen (S. 1), Von der Pflege der Neugeborenen (S.8), Von der frühzeitigen Entdeckung der Krankheiten (S. 35), Mortalitätsverhältniss der Kinder (S. 102), Von den Krankheiten der Kinder (S. 138), Von den topischen Krankheiten der Kinder (S. 489), wird für das oben Gesagte ein gültiges Zeugniss ablegen, und dass dieser Mangel des Buches an geordneter Haltung nicht durch Zusätze gehoben werden konnte, liegt am Tage. Das Werk hat nicht

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blos von drei oben genannten englischen Aerzten, sondern jetzt auch, wie schon der Titel zeigt, von Hrn. B. Zusätze erhalten, und es sind die ersteren ganz in der Weise des Vf.'s geschrieben, während die letzteren, weniger urtheilend als aus Schriften der Neuzeit berichtend, ihre Gegenstände abhandeln, und wie Hr. B. selbst bemerklich macht, leicht noch um Vieles hätten vermehrt werden könAber alle diese Zusätze sind dem Werke selbst nicht einverleibt und angeeignet, sondern sie sind den einzelnen Abschnitten angehängt, und das Erstere wäre bei einem so alten Buche wohl auch ganz unmöglich gewesen. In jener gegenwärtigen Gestalt erscheint demnach das Werk nicht als ein wohlgegliedertes, in sich abgeschlossenes Handbuch, sondern wenn wir uns des Ausdruckes bedienen dürfen als ein reichgefüllter Speicher für die Kinderheilkunde, in welchem namentlich deutsche Aerzte darauf rechnen dürfen, mannichfaltiges bei uns mit Unrecht oft Uebersehene, zum Theil auch beinahe ganz Unbekannte, zu finden. Dass das Buch nur wenige Arzneiformeln enthält, sind wir weit entfernt, ihm zum Vorwurfe zu machen, obwohl es gewiss dazu beitragen wird, den Fremdling bei uns nicht halb so beliebt werden zu lassen, als er in seinem Vaterlande ist. Die Uebersetzung als solche ist sehr gut ausgefallen, sie erinnert fast niemals daran, dass man eine Urschrift nicht vor sich hat, ja wir würden die Arbeit des Uebersetzers uneingeschränkt loben können, hätte sie sich von Fremdwörtern, wenigstens von den überflüssigsten, reiner erhalten, als geschehen ist. - Papier und Druck lassen nichts zu wünschen übrig.

C. L. Klofe.

stimmungen wie Riese, Zwerg, Haufen u. s. f. behandelt, als bezeichneten sie Qualitäten; es ist eben so richtig, dass in dem am Glücklichsten gewählten Beispiel nicht das Wasser durch seine quantitative Vermehrung, sondern durch die der Wärme zum Dampf wird. Endlich kann man dem Vf. nicht Unrecht geben, wenn er daran Anstoss nimmt, wenn die logischen Untersuchungen durch religiöse Begriffe unterbrochen, wenn die Erscheinung des Wesens als die Güte Gottes bezeichnet wird u. s. w. Dergleichen Ausdrücke lassen, abgeschn davon, dass sie das religiöse Gefühl beleidigen, gerade den Zweck, den sie haben, verfehlen: die Verständigung. In der That nämlich sind sie nur zur Exemplification hineingenommen, haben aber die ärgsten Missverständnisse erregt. Da unter Gott der abso

lute Geist zu verstehn ist, so darf von Gott nur in der Geisteswissenschaft die Rede seyn, die Logik als die allgemeine Fundamentalwissenschaft weiss von Gott eben so viel wie die Geometrie; die Verwechslung des Absoluten, d. h. der Vernunft überhaupt, welche Gegenstand der Logik ist, mit der Gottheit, d. h. der sich wissenden über die Natur und den endlichen Geist hinausgehenden Vernunft, hat nicht nur der neuesten Philosophie den Namen des Pantheismus zugezogen, sondern lässt es absolut unbegreiflich, wie Hegel dazu kommt, noch ausser der Logik andere Theile der Philosophie zu statutiren. Solche Verwechslung aber wird durch das Hineinnehmen religiöser Vorstellungen in die Logik provocirt, und wir können es dem Franzosen nicht übel nehmen, wenn er meint, die höhern Theile der Hegelschen Philosophie sollten nur die Lücken ausfüllen, welche die Logik, die eigentlich schon Alles befasse, gelassen habe, da ja selbst Deut

Französische Werke über deutsche Philosophie. sche, denen das System doch viel leichter verständ

Hegel et la philosophie allemande

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Ott etc. (Beschluss von Nr. 50.) Hierher muss u. A. gerechnet werden, dass p. 179 Hegel nicht genug den Unterschied zwischen der qualitativen Einheit und dem numerischen Eins anerkenne. Besonders aber ist Vf. siegreich gegen die Exemplification, in der Hegel allerdings oft unglücklich ist, und an der auch in Deutschland seine Kritiker gern zu Rittern werden. Es ist ganz richtig, dass Hegel, wo er von der Abhängigkeit der Qualität von quantitativen Bestimmungen spricht, rein quantitative Be

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lich seyn muss, ein gleiches Urtheil wie gesagt, nicht ohne Schuld des Urhebers zu fällen pflegen.

In diesen Punkten also geben wir Hn. Ott Recht. Sein Gesammturtheil aber über deutsche Philosophie p. 258, sie sey „réduite à ces catégories futiles, à ces arides abstractions. C'est une guerre de mots qui rappelle le Bas-Empire. La vie et la fécondité abandonnent bien vite une science ainsi constituée. La philosophie allemande porte la mort dans son sein" dies möge auf sich beruhen.

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Dr. Erdmann.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat März.

Ethik.

1849.

Theologische Ethik. Von Dr. Richard Rothe u. s. w.

(Fortsetzung von Nr. 51.)

für

Doch hätte derselbe hier in der Pflichtenlehre dieses Verhältniss des von ihm anerkannten Sittengesetzes zu seiner Güter- und Tugendlehre genauer ins Licht setzen und hervorheben sollen; auf der andern Seite aber den, wie er selbst meint, Viele befremdlich klingenden Satz, dass die christliche Sitte das Sittengesetz und überdies ein von Christo selbst gegebenes Gesetz seyn solle, wo möglich auch denen gegenüber auf überzeugendere Weise begründen sollen, welche zum grossen Haufen gehörend (s. Band I. S. 36) Mühe haben, überhaupt zu seiner Gnosis und Scholastik sich aufzuschwingen.

Der Einwendung, dass es doch auch schon vor der Erlösung ein göttlich geoffenbartes Sittengesetz (nach dem Standpunkt des Vf.'s) gebe, das alttestamentliche, will R. damit begegnen, dass dieses wesentlich ein nur provisorisches sey. Dessen Aufgabe (S. 827) sey lediglich, eine Formel zu seyn, vermöge deren Wirksamkeit in einem bestimmt geschlossenen Kreise der natürlich sündigen sittlichen Welt das Geschichtlichwerden der Erlösung ermöglicht werde. Das christliche Sittengesetz bleibt sonach ungeschmälert das alleinige wahre. Eben demgemäss ist es nicht eine blosse höhere Entwickelung des alttestamentlichen, sondern wesentlich ein völlig neues.

In seiner abstracten Grundformel ist das Gesetz seinem Begriff zufolge unabänderlich Ein und Dasselbige, in dem System seiner concreten Bestimmungen dagegen, welches die Anwendung jener abstracten Grundformel vermöge ihrer Anwendung auf die gegebene sittliche Welt ist, ist es nothwendig in stätiger Abwandlung begriffen. Nach seiner concreten Seite kann nämlich das Sittengesetz nicht ein für allemal in einem unabänderlichen System unabänderlicher Formeln aufgestellt werden. Denn die mittelst dieses Systems zu lösende un

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

mittelbare sittliche Aufgabe ist bei der fortschreitenden Entwickelung der sittlichen Welt in jedem einzelnen Punkte ihres Verlaufs eine andere, und deshalb muss auch bei der sittlichen Arbeit in jedem

Punkte eine andre Formel angewendet werden. Aber dieser Wechsel gefährdet die Unwandelbarkeit seines Wesens in keiner Weise, indem er an sich selbst durch eine durchgreifende Einheit beherrscht wird. Er ist nämlich ein sich aus sich selbst heraus Entfalten des Sittengesetzes, und das Gesetz, wonach die Entwickelung desselben aus sich selbst heraus erfolgt, muss schon in seiner abstracten Grundformel mit gesetzt seyn. Wäre das Sittengesetz nicht in allen den mannigfachen concreten Formen seiner geschichtlichen Ausprägung wesentlich sich selbst gleich, so fände ein genetischer Zusammenhang zwischen den einzelnen geschichtlichen Entwickelungsstufen der sittlichen Welt gar nicht statt, mithin auch keine Continuität der geschichtlichen sittlichen Entwickelung, d. h. überhaupt gar keine Entwickelung. Vielmehr muss jede neu hervortretende concrete Formel für das Gesetz das Product der durchgreifend erfolgreichen Wirksamkeit der ihr zunächst vorangegangenen auf die sittliche Welt, und durch die Wirksamkeit gerade dieser Formel in Ansehung ihrer Berechtigung bedingt seyn.

Wiewohl so das Gesetz seiner concreten Formulirung nach in einem continuirlichen Wechsel begriffen ist, so treten doch gewisse Entwickelungsknoten heraus, in denen sich Formeln ansetzen und fixiren, die sich in ihrer Eigenthümlichkeit deutlich als wesentlich neue kund geben. Eigentlich muss es ebenso viele concrete Formeln geben, als es Momente der Entwickelung der sittlichen Welt gibt; aber doch kommen die Gesetzesformeln nur in den bestimmt hervorspringenden Wendepunkten dieser Entwickelung als wesentlich neue zu klarem Bewusstseyn; und zwischen je zweien solcher Wendepunkte erscheint überall die eine Formel als in allmähligem Uebergange in die andere begriffen. Wegen dieser Wandelbarkeit des Gesetzes ist nothwendig auch die Pflichtenlehre ebenso wandelbar

und kann immer nur für einen bestimmten Stand der Entwickelung der sittlichen Welt aufgestellt werden, nie als eine für alle Zeiten gültige. Also allemal nur für einen bestimmten Zeitpunkt und in diesem für einen bestimmten nationalen und confessionellen Kreis. Die Sätze der Rothe'schen Pflichtenlehre wollen ausdrücklich, nur für die gegenwärtigen evangelischen Christen Deutschlands gelten!! Andrerseits liegt in dieser Wandelbarkeit des Gesetzes zusammengenommen mit dem nun allmähligen Uebergange der bestimmt für das allgemeine Bewusstseyn fixirten concreten Gesetzesformeln in einander die eine Hauptquelle der Casuistik. Der Vf. weist dies insbesondere nach und findet deren zweite Hauptquelle sodann in dem Umstande, dass bei Bestimmung der Pflicht nothwendig auch die individuelle sittliche Instanz concurrirt; weshalb ihm die Pflichtenlehre nicht aber die Ethik

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lich casuistisch ist. Die rechtmässige nämlich, nicht die sophistische Casuistik meint hier der Vf., und erklärt sie für eine ethische Dialektik, die man mit allem Schmähen nicht los werde. Nicht unmittelbar im Gewissen ist die Quelle derselben; denn wirkliche casus conscientiae kann sie gar nicht behandeln wollen, da diese schlechterdings individuell sind und es daher auf wissenschaftlichem Wege für sie eine Lösung durchaus nicht geben kann.

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chen wiederzugeben versucht, um unsre Leser mit der Eigenthümlichkeit dieser Pflichtenlehre nach ihren Grundzügen bekannt zu machen; müssen uns aber des Raumes wegen bezüglich der Entwickelung des Begriffs der Pflicht im eigentlichen Sinn, sofern sie durch das Gesetz entsteht, kürzer fasDieselbe zeichnet sich durch logische Präcision und eine innere Geschlossenheit, Bündigkeit und Klarheit der Raisonnements aus, wie wir sie ausser Kant bei Wenigen finden, und sie kommt mit S. 860 zu dem Resumé, dass zu einem pflichtmässigen Handeln folgende 12 Punkte gehören. 1) Dass es sich mit möglichster und stätig zunehmender Vollständigkeit in der Gemeinschaft mit dem Erlöser und folglich kraft der göttlichen Gnade (des h. Geistes) vollziehe; 2) dass in ihm Gesetz und individuelle Instanz rein zusammenklingen, so nämwesentlich, dass dabei diese unter der Potenz von jenem steht; 3) dass jedoch in ihm der Handelnde bei seiner Unterwerfung unter das Gesetz, in concreto unter die jedesmalige christliche Sitte sich seinen reformatorischen Beruf vorbehalte, sein Handeln also in Einem beides sey, gesetzmässig und reformatorisch, so wie überhaupt in Einem accomodativ und correctiv; 4) dass es mit der individuellen sittlichen Eigenthümlichkeit des Handelnden, mit seinem Charakter, so vollständig als möglich unter den gegebenen Bedingungen, gesättigt sey; 5) dass es beides zugleich sey, religiöses und an sich sittliches Handeln, und zwar in möglichster und stätig anwachsender harmonischer Congruenz dieser seiner beiden Bestimmtheiten; 6) dass es die beiden sittlichen Zweckbeziehungen, die auf den individuellen und die auf den universellen Zweck, in sich vereinige; 7) dass es zugleich auf die Reinigung und auf die Ausbildung der Sittlichkeit (vergl. Bd. II §. 789) (des handelnden Individuums und der sittlichen Gemeinschaft) und auf das absolute Ineinanderseyn dieser Reinigung und Ausbildung abzwecke; eben hiemit aber auch Selbstverläugnung und Erneuerung und zwar in stätig inniger werdenden Einheit einschliesse; 8) dass es möglichst und in stätig zunehmendem Maasse zugleich auf den sittlichen Zweck in seiner Totalität und auf ein bestimmtes einzelnes Moment desselben gerichtet sey; 9) dass es die richtige Lösung der in dem jedesmaligen Moment gegebenen Collision der um denselben streitenden mannigfaltigen sittlichen Aufgaben sey; 10) dass es sich durch eine innere Anregung einerseits und äussere Aufforderung ande

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Indem das Gesetz, von welchem die Pflicht dependirt, als die christliche Sitte ein unmittelbar gebenes ist, hat die Pflichtenlehre neben ihrem speculativen Charakter wesentlich zugleich einen empirischen. Sie hat aber, indem sie die Pflicht nach dem Maassstabe der ihr gegebenen christlichen Sitte bestimmt, diese nicht etwa ohne Weiteres zu belassen, wie sie sich empirisch gibt, sondern sie auf der Basis des speculativen Begriffs der sittlichen Welt kritisch einerseits mit dem höchsten Regulativ der christlichen Sittengesetzgebung und der bleibenden unmittelbaren Norm derselben - andrerseits mit der jedesmaligen Entwickelungsstufe der christlichen Gemeinschaft daher auch sich die Pflichtenlehre nothwendig auf die historische Theologie stützt zusammenzuhalten, und demgemäss, beides reinigend und entwickelnd, um- und fortzubilden. Eben hiedurch nimmt sie einen wesentlichen Antheil an der Sittengesetzgebung selbst. Sie ist demnach eine überwiegende und kritisch - empirische Wissenschaft.

Wir haben im Bisherigen die Darstellung der sittlichen Gesetze von §. 806-833 im Wesentli

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rerseits, in der möglichsten und stätig immer vollständig werdenden harmonischen Congruenz beider motivire; 11) dass es aus vorangegangener Ueberlegung und Ermannung hervorgehe, so jedoch, dass diese eben durch es selbst stätig je länger desto mehr als überflüssig zurücktreten; endlich 12) dass es von Zuversicht und Lust und zwar in stätig wachsendem Gleichgewicht beider begleitet sey.

Die bisherige getreue Inhaltsangabe sollte zunächst zu eigenem Studium des Rothe'schen Werks die Leser der A. L. Z. einladen. Indess haben sich Ref. sogleich einige Bedenken gegen die Theorie des Vf.'s aufgedrängt, denen er an dieser Stelle Worte leihen zu sollen glaubt. Abgesehen davon, dass das ethische System von K., so weit es auf den Satz, dass allen natürlich entstehenden menschlichen Einzelwesen unmittelbar oder von Natur ein wirksamer Hang zur Sünde anhafte, der sie mit Naturnothwendigkeit in dieselbe hineinziehe, gegründet ist, überhaupt mit dieser Annahme, welche wenigstens in Jesu eigenen Worten nach dem Zeugniss des N. T. selbst keine Berechtigung findet, stehen und fallen muss, lässt sich fragen, ob es denn nicht einen Umweg machen heisse, wenn dies Gesetz, dem der Handelnde nach Nr. 3 der vorhin erwähnten zwölf Erfordernisse eines pflichtmässigen Handelns - sich zu unterwerfen hat, nämlich die christliche Sitte erst gemessen werden soll an dem Gesetz Christi, an dessen sittlicher Erscheinung und der apostolischen Sittengesetzgebung des N. T., woraus die paradox klingende Consequenz für den Vf. entsteht, dass,,,wer die geltende christliche Sitte zu verbessern vermag, der ist eben damit von ihrem verpflichtenden Ansehen entbunden; wer nur fromme Wünsche hat für ihre Reformation, der ist ihr zum Gehorsam verpflichtet (S. 46)." Wenn sodann der Vf. mehrfältig sich dahin erklärt, dass die Tendenz der Pflichtenlehre sey, sich selbst allmählig überflüssig zu machen, indem es für den durch die Erlösung schlechthin normalisirten Menschen als Individuum und als Menschheit kein Gesetz und mithin auch keine Pflichten mehr geben werde, und dass die Pflichtenlehre solche Formeln aufzustellen habe, vermöge deren Anwendung das stätige successive Verschwinden des Pflichtverhältnisses aus der (erlösten oder christlichen) sittlichen Welt sicher angebahnt werde: so vergisst er ganz, dass sich das Urbildliche unverändert und ungeschwächt nirgends in der Erfahrung abdrückt. Dem Urbild eines heiligen Gottesreichs auf Erden,

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einer Gemeinde auserwählter Verehrer des Unendlichen, die in ungestörter Geistesvereinigung unter sich und mit dem Erlöser unaufhaltsam emporwächst zur vollkommnen Mannesgrösse, wie sich der Apostel ausdrückt, in Sinn und Leben, wird die Christenheit in keinem Zeitpunkt ihres Bestehens diesseits der irdischen sichtbaren Weltsphäre entsprechen, wenn sie ihm auch der Geschichte zufolge in ihrer ersten Jugendblüthe am nächsten kam. So ist der Einfluss der Eschatologie des Vf.'s, welche Bd. II dieser Ethik enthält, und in der er mit den Vorstellungsweisen und Phantasie gebilden Zoroaster'sPhantasiegebilden man vgl. seine Schilderung vom Reich des Erlösers mit den Vorstellungen jenes Theosophen oder Schwärmers der entfernten Zukunft des Menschengeschlechts und der ganzen Welt in Röth's Geschichte unsrer Abendländischen Philosophic, erster Bd. 3. u. 4. Kap. — vielfältig zusammentrifft, auch in seiner Pflichtenlehre sichtbar. Wenn ferner diese nur für die gegenwärtige evangelische Christenheit Deutschlands (§. 823) gelten will, so hat er auch dieses noch näher dahin beschränkt, dass es eine Pflichtenlchre nur für denjenigen geben könne, welcher wirklich bekehrt oder doch in der Bekehrung begriffen ist; für den nur äusserlich der christlichen Gemeinschaft Angehörigen aber blos ein Analogon von Pflicht, nämlich die Forderung, sich bekehren zu lassen. Da schrumpft dann freilich die Anzahl derer, für welche die christliche Moral wäre, gewaltig zusammen.

Wir unterdrücken weitere Bemerkungen, weil uns kaum der Raum erlaubt, mit dem Inhalt und dem Gang der wissenschaftlichen Behandlung und Ausführung des so umfangreichen 3ten Bandes unsre Leser bekannt zu machen.

Nachdem der Vf. die abstracte Pflichtformel mit ihren speciellen Requisiten (nach §. 860) gewonnen, wird das selten klar von den Ethikern angegebene Verhältniss, in welchem die Begriffe der Pflicht und der Verbindlichkeit zu einander stehen, festgestellt; sodann die in der Schule herkömmlichen Distinctionen in Betreff der Pflicht als ethisch unzulässig oder doch wissenschaftlich nichtssagend, beiläufig auch die der katholischen Moral eigenthümlichen, Consilia evangelica" ausführlich zurückgewiesen.

Indem die Pflicht wesentlich einerseits Eine, andrerseits aber ein organisch einheitliches System von vielen besondern Pflichten ist, wird es nöthig, Behufs der erschöpfenden wissenschaftlichen Be

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