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neben andern bilde. Die blos faktische Möglichkeit der Einwirkung kann überhaupt nicht Ausübung eines Rechts seyn, weshalb denn auch der animus domini nicht die Absicht ist, als Eigenthümer, sondern vollständig wie ein wirklicher Eigenthümer auf die Sache einzuwirken. Das wahre Verhältniss des Besitzes und Eigenthums ist: dass Eigenthum die rechtliche, Besitz die faktische Möglichkeit ausschliessender beliebiger Einwirkung der Person auf die Sache bildet. Mit andern Worten: der Wille der Person die Sache ausschliesend zu beherrschen ist Eigenthum, wenn er die volle rechtliche Anerkennung und Geltung hat, Besitz, wenn er zum physischen Verhältniss geworden ist. Der Besitz ist also die dem Rechte des Eigenthums entsprechende faktische Herrschaft einer Person über eine Sache.

5) Der Servitutenbesitz ist die dem beschränkten Rechte der Servitut entsprechende, beschränkte,

faktische Herrschaft über die Sache. Der Unterschied von Besitz also liegt nicht im Gegenstande, sondern im Umfange. Es wird in beiden Fällen

eine Sache nur mehr oder weniger vollständig besessen. Sachbesitz und Servitutenbesitz sind innerlich gleichartig: die Beziehung des Besitzes auf Servituten ist nicht etwa analoge Uebertragung eines fremden, sie muss als Anwendung eines gemeinsamen Begriffes aufgefasst werden. Nur das Wort Besitz, gleichbedeutend mit voller faktischer Herrschaft, ist blos analog angewendet. Demnach ist auch bei andern dinglichen Nutzungsrechten, als Emphyteusis, Superficies, Lehen, Erbpacht eben so wohl Besitz möglich, als bei Servituten.

6) Dagegen ist die Annahme eines Besitzes des Pfandrechts durch die Natur dieses Rechts ausgeschlossen, da die Ausübung desselben nur im Verkauf besteht, mithin einen vorübergehenden Act bildet. Nur bei dem Faustpfande ist mit dem Recht auf den Werth der Sache ein ", dingliches Retentionsrecht" verbunden, welches eine fortdauernde Ausübung und somit auch einen Besitz zulässt. Dieser Besitz aber muss vom Standpunkt der juris quasi possessio aus begründet werden. Es ist unbegreiflich, wie man dem Faustpfandgläubiger aus inneren Gründen den Besitz der Sache hat zusprechen können, da er dieselbe nicht gebrauchen und verändern, sondern blos detiniren will, um sie zu verkaufen und (wie der Vf. nachträglich zugiebt) die Einwirkung des Schuldners auszuschliessen.

7) Nach Analogie des Servitutenbesitzes ist der Besitz der Obligationen zu beurtheilen, da eine vollständige Herrschaft über den Willen der Person nach Aufhebung der Sclaverei unmöglich ist.

Nur darin unterscheidet er sich vom Servitutenbesitze, dass der Wille unkörperlich ist. Der Obligationenbesitz besteht daher nur in der Möglichkeit obligatorische Leistungen beliebig einzuziehen. Auch ist er beschränkt auf Obligationen mit wiederkehrenden Leistungen, wo in der einzelnen Leistung eine thatsächliche Anerkennung der allgemeinen Verpflichtung enthalten ist. Dahin gehören diejenigen Obligationen, die entweder an dauernde personenrechtliche Verhältnisse geknüpft sind, (wie Unterthanen-, Gemeinde, Pfarr-Verhältnisse, Besoldungsansprüche der Staatsdiener); oder welche, wie die Zehntverpflichtung, dauernd auf Sachen, namentlich Immobilien radicirt sind. modat, Miethe u. s. w. nicht eine Obligatio mit Dagegen bilden Capital- und Miethzinsen, Com

wiederkehrenden Leistungen, sondern eine Mehrheit selbstständiger Obligationen. Ihre Einziehung ist daher eine stets erneuerte Ausübung einer sich stets erneuernden Verbindlichkeit, ein Verhältniss, welches die Möglichkeit eines possessorischen Schutzes ganz ausschliesst.

8) Die Personenrechte, welche die eigene persönliche Existenz und Stellung in den durch die natürliche und sociale Organisation der Menschen begründeten Kreisen der Familie, der Gemeinde, des Staats, der Kirche betreffen und nicht in einem Haben, sondern einem Seyn bestehen, lassen keinen Besitz wie die Vermögensrechte, aber doch immerhin ein dem rechtlichen Seyn entsprechendes faktisches Daseyn einer bestimmten personenrechtlichen Stellung zu, deren possessorischer Schutz nur wegen Mangel eines directen Rechtsschutzes oder aus polizeilichen Gründen zweifelhaft seyn kann.

9) Demnach ist der Besitz überhaupt die dem Recht entsprechende faktische Herrschaft des Rechtssubjects über das Rechtsobject. Besteht diese Herrschaft in einer absoluten Unterwerfung der Sache, so heisst sie Besitz der Sache. Geht sie nur auf eine bestimmte beschränkte Unterwerfung, so ist sie Besitz des betreffenden Rechts. Der Besitz ist mithin ein ganz allgemeiner, den Rechten überhaupt correspondirender Begriff; jedem Recht entspricht im Allgemeinen ein bestimm

Dieser

tes Besitzverhältniss. Recht und Besitz aber haben ihren gemeinsamen höhern Ausgangspunkt in dem Willen. Alles Recht ist Herrschaft des individuellen Willens in der äussern Welt. Wille ist Besitz, wenn er zur That, zum thatsächlichen Verhältniss wird.. Er ist Recht, wenn er mit dem allgemeinen Willen im Einklang steht und daher allgemeine d. h. rechtliche Geltung hat. Er kann Beides, aber auch nur das Eine oder das Andere seyn.

Diesen Ansichten entsprechend, steht Hr. B. nicht an, der Centralgewalt folgende Sätze zur gesetzlichen Sanction für ganz Deutschland anzuempfehlen :

Art. 1. Neben dem Rechte soll auch der Besitz den Schutz der Gesetze geniessen.

Art. 2. Besitz ist jede einem Rechte entsprcchende thatsächliche Herrschaft. Er scheidet sich in den Besitz der Sachen und den der Rechte.

Art. 3. Der Besitz der Sachen ist die dem Rechte des Eigenthums entsprechende thatsächliche Herrschaft über Sachen. Er findet Statt, wenn Jemand eine Sache thatsächlich in seiner vollen Gewalt hat mit dem Willen wie ein Eigenthümer darüber zu verfügen.

Art. 4. Wer eine Sache thatsächlich in seiner Gewalt hat, aber einen Andern als Eigenthümer derselben anerkennt, ist nur Inhaber der Sache und Stellvertreter des Besitzes dieses Andern, wenn er auch ein Recht zur Inhabung der Sache hat..

Art. 5. Bei Rechten aber ist ein Besitz stets nur dann möglich, wenn sie eine fortdauernde oder sich wiederholende Ausübung zulassen. Er findet Statt, wenn man die thatsächliche Möglichkeit hat, das Recht nach Belieben auszuüben und dasselbe wirklich für sich in Anspruch nimmt.

Wir würden es für ein grosses Unglück halten, wenn diese falschen Besitzbegriffe mittels der Centralgewalt ganz Deutschland und namentlich den Ländern aufgedrungen würden, welche noch in der beneidenswerthen Lage sind, im römischen Recht den unverschlossenen Vorrath grössern juristischen Scharfsinns und gesundern Verstandes zu besitzen.

Vor Allem ist es geradezu widersinnig, bei Obligationen einen Besitz und Besitzschutz aufzustellen.

Vom Standpunkt des römischen Rechts betrachtet, unterliegt dies nicht dem geringsten Zweifel.

Wenn Zwei einen formlosen Vertrag schliessen, so ist nach dem Grundsatz in stipulationibus jus continetur, in pactis factum versatur eine rein faktische Herrschaft über den fremden Willen entstanden. Diese nackte Convention geniesst keinen vollen Rechtsschutz durch Klage; wollten die Parteien diesen, so mussten sie ihren Vertrag durch Einkleidung in eine publicistische Form unter den Schutz des Staats und seiner Gerichte stellen. Dennoch ist der rein faktische Gehalt der Obligation nicht schutzlos. Der Prätor erklärt, die pacta conventa aufrecht halten zu wollen und schützt sie durch Exceptionen. Wer aber möchte sich entschliessen können, dieses faktische Correlat der Obligatio als Besitz und seinen Schutz als Besitzschutz aufzufassen? Wo wäre die Eigenmacht, gegen welche, wo die Interdicte, durch welche der Besitz geschützt wird? Wie könnten überhaupt die vorbereitenden Einleitungen zum Erwerb eines absoluten Rechts oder seines faktischen Gehalts Gegenstand eines Besitzschutzes seyu, da man offenbar erst besitzt, nachdem, nicht schon bevor der Schuldner erfüllt und abgeliefert hat?

Wenn wir aber auch vom römischen Recht absehen und uns rein auf den heutigen Standpunkt stellen, so können wir selbst hier mit dem besten Willen keinen Besitz der Obligatio finden, da der Augenblick, in welchem das Object desselben, die Handlung, äusserlich zum Vorschein kommt, erst der Act der Erfüllung ist, mit welchem das obligatorische Band eben völlig gelöst wird.

Freilich will Hr. B. nicht bei allen, sondern nur bei dauernden wiederholten Leistungen, die auf Immobilien radicirt sind, possessorischen Schutz zugelassen wissen.. Allein selbst in dieser Beschränkung kann man seinen Obligationenbesitz nicht gelten lassen. Denn es ist unter den Germanisten längst anerkannt, dass Reallasten nicht als Obligahabers, sondern als eine Zins- oder Zehntgewere, tionen eines Grundstücks oder des jedesmaligen Inmithin als ein eigenthümliches dingliches Recht an der pflichtigen Sache aufzufassen sind. (Die Fortsetzung folgt.)

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Wenn aber der Deutschland zugedachte philo

Man kann aber selbst nicht einmal bei den ab- sophische Besitzbegriff auf dieser Seite zu weit ist,

soluten Rechten d. h. den Rechten ausser der Obligatio, welche auch gegen dritte Personen zustehen und geschützt werden einen parallel gehenden possessorischen Schutz behaupten.. Dieser Schutz ist nämlich ferner ausgeschlossen bei allen absoluten Rechten publicistischer und familienrechtlicher Natur. Zwar kommen für die verschiedensten absoluten Rechte, so auch für die Ausübung der Familienrechte und der Benutzung öffentlicher und kirchlicher Gegenstände, provisorische Maassregeln (im römischen Recht Interdicte) vor. Allein diese Interdicte sind nicht possessorisch, sie haben, wie ein römischer Jurist (L. 2. §. 1. 2. de interdictis 43, 1) sich ausdrückte, nicht possessionis, sondern proprietatis causam, u und setzen daher den Beweis des

Rechts voraus.

Es ist also viel zu weit gegangen, wenn Hr. B. jeder einem Recht entsprechenden Herrschaft in seinem fünften Artikel den Charakter des Besitzes verleiht..

Der Besitz und Quasibesitz beschränkt sich vielmehr wesentlich auf die absoluten Vermögensrechte (res familiaris), das Eigenthum (res corporales) und die res incorporales. Dass der Vf. diese Schranken überschen hat, scheint seinen Grund in dem Umstand zu haben, dass er den wesentlichen Zusammenhang des Besitzes mit der Ersitzung verkennt, die nur bei absoluten Vermögensrechten vorkommt. Er stellt sie auf eine Linie mit Occupation und Fruchtgewinn, behandelt sie als eine blos zufällige Folge des Besitzes und sicht in der civilis possessio nicht mehr den Usucapionsbesitz, sondern ganz abstract den im Civilrecht anerkannten Besitz. Indem er aber so das Wesen des Bcsitzes ganz einseitig in den possessorischen Schutz verlegt, kommt er zu dem Irrthum: alle faktischen

so erweist er sich auf der entgegengesetzten für unsere Zustände zu eng.

Dieser Druck macht sich besonders auf zwei Stellen sichtbar. Der Vf. hat in seiner Besitzphilosophie den Besitz des Erbrechts ganz übergangen. Er sieht (um zunächst vom römischen Recht zu reden) in der hereditatis possessio nur ein Ueberbleibsel der alten usucapio, zu welcher dieser Besitz hinführte. Dass die Magistratur den, welcher sich bei ihr um die Bonorum Possessio bewirbt, in ihren Schutz nimmt, dass sie ihn den Gläubigern und Schuldnern gegenüber als provisorischen Erben behandelt, dass sie ihm gegen die Eigenmacht von Eindringlingen und Legataren durch Interdicte zu Hülfe kommt, mit denen er diesen den ihm zuerkannten Besitz der durch den Tod besitzlos gewordenen Erbschaftssachen abfordern kann, davon ist im ganzen Buche nicht die Rede. Hr. B. scheint also die Bonorum Possessio geradezu für ein Erbrecht zu halten, neben dem er kein weiteres Provisorium gestattet. Allein die Bonorum Possessio war ursprünglich sicher genau das, was ihr Name andeutet das dem Erbrecht entsprechende faktische Repräsentationsverhältniss eines Verstorbenen. Und als sie im Lauf der Zeit durch Fictionen und Interdicte zu einem magistratischen Erbrecht erstarkte, da bildete sich neben ihr in dem sogenaunten Remedium ex L. ult C. de ed. divi Hadr. (6, 33) gleich wieder ein neues Provisorium aus. aber nicht nur das römische, sondern auch das heutige Recht eines possessorischen Schutzes neben dem Erbrecht bedarf und dieses Bedürfniss wirklich anerkannt hat, davon hätte sich Hr. B. schon durch Einsicht der preussischen Gesetzgebung (Landr. I, 12. II, 248-251) überzeugen können. Die Auslassung dieses Instituts ist nicht blos eine

Dass

Lücke und Ineleganz im Besitzsystem des Vf.'s. Ganz Deutschland würde durch Hrn. B. und die Centralgesetzgebung eines Besitzschutzes beraubt werden, welchen schon das alte Preussen hatte und welchen die Praxis nirgends entbehren kann.

Mit noch ärgerem Despotismus behandelt der Vf. den abgeleiteten Besitz: den Besitz ohne animus domini.

Er glaubt diese Anomalie im römischen Recht in fünf Fällen anzutreffen: beim Pfand, beim Precarium, der Sequestration, der Emphyteusis und der Superficies. Wir müssen zunächst gegen das Hereinziehen der beiden letztern Fälle protestiren, wegen deren wir den Vf. auf Arndt's und unsere Ausführungen (Zeitschrift für Civilrecht und Process, N. F. III, 9 [1847], Zeitschrift für gesch. Rechtswiss. XI, 7) verweisen. Es zeigt sich hier der oben gerügte Mangel an Schärfe und Genauigkeit in der Auslegung des römischen Rechts. Wie könnte der Vf. sonst aus L. 15 qui satisd. (2, 8), welche von der Cautionsfreiheit der Ansässigen, (possessores), nicht der Besitzer handelt, oder aus dem Fruchterwerb durch Separation, den er doch auch dem nicht besitzenden Emphyteuta nicht absprechen wird, einen Besitz des Emphyteuta deduciren und durch diese Annahme den Dominus schutzlos lassen? Die Entscheidung der Frage hängt of fenbar ab von der Auffassung des emphyteutischen Contracts. Wer darin einen Kauf sah- und dies war bei den Römern der Standpunkt des gemeinen Lebens - der musste consequent dem Staat, der Kirche oder wer sonst Grundherr war, nach erfolgter vacuae possessionis traditio allen Besitz absprechen und den Emphyteuta als alleinigen Besitzer behandeln. Denn der Käufer hat zwar nicht das Eigenthum (welches der Staat nicht hergiebt), aber doch das habere licere. Wenn man umgekehrt das Verhältniss als Erbpacht auffasste, so musste man den Erbzinsmann schutzlos lassen und die Interdicte dem Grundherrn geben. Nun soll aber seit Zeno die Emphyteusis weder als Pacht noch als Kauf gelten, sondern zwischen beiden die Mitte halten. Das einzig Richtige ist demnach den Grundherrn als Besitzer, den Emphyteuta als Quasibesitzer seines Rechts zu betrachten, dessen faktischer Gehalt gar nicht in einem possidere sondern cinem frui e lege locationis besteht. Ganz so steht die Sache bei der Superficies, nur dass hier der Quasibesitz nicht das ganze corpus aedium sondern blos das superficiarische Gebäude umfasst.

Dass

man das Interdict unde vi unverändert auf die Superficies anwendete, konnte nach der Fassung unde tu illum vi deiecisti, in der von einer Possessio gar nichts vorkam, keinem Bedenken unterliegen. Denn wenn man auch von einem Wege nicht detrudirt werden kann, so ist doch eine superficiarische Insula keineswegs ein merum jus wie eine blosse Wegegerechtigkeit, sondern nach der Ansicht des gemeinen Lebens, welcher die römischen Juristen Rechnung getragen haben, eben so gut ein eigenes Haus, wie ein Gebäude auf eigenem Privatgrunde.

Ist diese Ausführung begründet, so bleibt abgeleiteter Besitz ohne Animus nur übrig für Precarium, Pfand und Sequestration.

Der Vf. vermisst aber ferner für den abgeleiteten Besitz im römischen Recht jedes Princip. Diesem Mangel begegnet er durch allerlei Hypothesen. Er erzählt von wunderbaren Controversen der Schulen über den Pfandbesitz, wobei er der veralteten Ansicht folgt, welche in den persönlichen Individualitäten der Stifter den leitenden Gedanken der ganzen Schule fand. Er quält sich beim Sequester mit der Unterscheidung eines Depositums der Sache und des Besitzes ab, den er natürlich nicht auffinden kann, da die Sache, als Object des Eigenthums und Besitzes gedacht, überall, die res corporalis dagegen, als Eigenthum gedacht, nur im Fall der Freundesfiducia deponirt wird. Wie wenig aber das Alles ihn selbst befriedigt, erhellt daraus, dass er am Ende den abgeleiteten Besitz ganz aufgiebt und sich bei fehlendem Animus mit blosser Detention behilft.

In der That kann die Erklärung des abgeleiteten Besitzes nur durch eine schärfere Scheidung des Rechts, der Rechtsgeschäfte und des Rechtsschutzes vom Besitz, den Besitzgeschäften und dem Besitzschutze gelingen, als sie in den zahlreichen Schriften über diesen Gegenstand angetroffen wird.

Wenn wir uns auch hier vorerst wieder auf den Standpunkt des römischen Rechts versetzen, von welchem ja auch der Vf. seine freilich missverstandenen Begriffe ableitet, so stossen wir auf folgende Grundansicht der römischen Juristen.

Seitdem der Besitz nicht mehr allein durch Eigenmacht, sondern durch, die Gesetze", wenn auch nicht durch den Staatswillen, die Volks- und Heeresmacht (jus), doch durch die obrigkeitliche Macht der Magistratur (imperium) geschützt wird, entlehnt cr so Viel von der Natur eines Rechts

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dass man, wie über dieses, auch über ihn verfügen kann. Eine Disposition dieser Art ist in der Weise denkbar, dass man ohne Uebernahme irgend einer rechtlichen Verpflichtung den Besitz und seinen Schutz oder seinen faktischen Bestandtheil auf einen Andern überträgt (precarium). Der Besitzer kann aber auch durch ein Geschäft die Vortheile des Besitzes für immer oder auf Zeit veräussern und den Interdictsschutz wie ein eigentliches Klagrecht einem Andern, dem er die Usucapion, das Uebergewicht im Besitzschutz durch das Interdict utrubi (in seiner ältern Fassung) gewähren will u. s. w., cediren (cedere possessionc). Alle diese Dispositionen sind erleichtert durch den wichtigen Grundsatz, dass die blossen Besitzgeschäfte durch den Willen allein (nuda pactio, nuda conventio) perfect werden, ohne dass es der Einkleidung in eine publicistische Form, wie die Mancipatio, Sponsio u. s. w., bedürfte, durch welche Rechtsgeschäfte verlautbart und unter den Staatsschutz gestellt werden. Nur versteht sich, dass die Absicht auf Besitzüberlassung gerichtet seyn muss, weshalb bei Miethe, Commodat, Depositum, die nur Genuss, Gebrauch, Detention (uti, frui, tenere), nicht das Haben der Sache (habere, wie eine eigene possidere) übertragen sollen, vom abgeleiteten Besitz unter keinen Umständen die Rede seyn kann, wohl aber bei Precarium, Pfand, Sequestration, insofern hier die Absicht gerade auf Besitzüberlassung gerichtet ist. Von hier aus wird vollkommen klar, weshalb das römische Recht so wenig bei jeder Ueberlassung sogleich abgeleiteten Besitz annehmen, als ihn in den zuletzt genannten Fällen verwerfen konnte. Dort, bei Miethe, Commodat, Depositum, ist er nach der Natur der Geschäfte undenkbar; hier, bei Pfand, Sequestration, Precarium, würde die Verwerfung eine durch Nichts zu rechtfertigende Härte seyn.

Selbst die civilrechtliche Ungültigkeit der Rechtsübertragung bildet für die Besitzüberlassung kein Hinderniss. Dies zeigen vielfache Beispiele. 1) Die Schenkung unter Ehegatten ist nichtig, das geschenkte Eigenthum geht nicht über, der Beschenkte usucapirt nicht einmal, weil das Civilrecht die Causa zerstört, und der Beschenkte pro possessione besitzt. Allein wenn auch für den Usucapionsbesitz die Regel gilt: inter virum et uxorem nec possessionis ulla donatio est, so hat doch das Civilrecht über das Recht und seine Causa hinaus keine Macht, mithin hat der beschenkte Ehegatte

V

sowohl den Besitz, als dessen Schutz durch Eigenmacht und Interdicte. 2) Bei grossen Schenkungen hatte das Cincische Gesetz zwar die Causa nicht vernichtet, der Schenknehmer konnte also durch Usucapion pro donato, und wenn der Schenker Eigenthümer war, schon durch Mancipation. und Cession Rechtsschutz erlangen. Allein die Vindication war durch Exceptionen gehemmt; wollte also der Beschenkte die Sache haben, so musste er sich ausser dem Eigenthum noch den Besitz schenken lassen, was durch das Gesetz vollends nicht gehemmt war. Die Verpfändung einer fremden Sache giebt kein Pfandrecht. Die Besitzrechte aber gehen dennoch über. Der Gläubiger erhält also, wenn der Besitz tradirt ist, sofort ein Retentionsrecht (interdicta retinendae possessionis). Wenn er dagegen durch hypothekarischen Vertrag ermächtigt ist, sich am Verfalltage in den Besitz zu setzen (pactum de ingrediendo), so bekommt er wenigstens von da an ein durch interdicta adipiscendae possessionis geschütztes Ergreifungsrecht. Die Besitzrechte werden also, wie einst bei der Fiducia, das Eigenthum, und noch jetzt beim pignus nominis die Obligatio dem Gläubiger sofort oder ex die vollständig abgetreten. Der Unterschied dieser Abtretung von der Besitzschenkung und dem Besitzverkauf liegt nicht darin, dass der Pfandgläubiger den cedirten Besitz auf fremden Namen, sondern lediglich darin, dass er ihn nicht für immer, sondern nur bis zur Befriedigung oder dem Pfandverkauf, mithin ad diem haben will.

Nachdem in dieser Weise die Freiheit des Besitzverkehrs im römischen Recht eben so wie die der Rechtsveräusserung anerkannt war, verstand es sich von selbst, dass der Besitzinhaber auch über dieses Object weiter verfügen konnte. Daher kann unter Anderm der Pfandgläubiger den Besitz weiter verpfänden (pignus pignori datum), er kann dem Eigenthümer den Besitz verkaufen, schenken, vermiethen, deponiren, leihen, precario geben und diese emptio, conductio, depositum, precarium solius possessionis ist völlig gültig, obgleich Kauf, Schenkung, Vermiethung des Eigenthums an den Eigenthümer selbst eine juristische Unmöglichkeit wäre. Ueberhaupt erscheint nun der Besitz als ein unabhängiger Vortheil, welcher seinen eigenthumlichen Werth hat (quanti possessio, non quanti res est), und Gegenstand einer lucrativen Absicht (des fälschlich sogenannten furtum possessionis), einer Condiction sowie anderer Restitutionsklagen seyn kann.

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