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ses Durchbruchs mit der Klarheit zu erkennen, dass wir genau den Punkt angeben können, wo Fichte's philosophisches Bewusstseyn von dem deutsch-nationalen verdrängt wird, so haben wir den Punkt in der Geschichte unseres Volks gefunden, wo das Erwachen desselben zu nationalem Leben eintritt, und die Philosophie zu Ende geht. Sobald an die Stelle des philosophischen Bewusstseyns das Volksbewusstseyn tritt, hört die Philosophie auf absolut zu seyn; eine Philosophie aber, welche nicht mehr absolut ist, ist gar keine Philosophie mehr. Unsere Tendenz, das nationale Bewusstseyn zu beleben, übt also wesentlich diese auflösende Macht aus

gegen die Philosophie. Unsere Gegenwart wird, trotz des sich regenden deutschen Volksgeistes, noch vielfach von philosophischen Voraussetzungen beherrscht, ja sein schwaches Hervortreten liegt grösstentheils darin, dass er von den philosophischen Illusionen niedergehalten wird; die Auflösung der Philosophie befreit ihn daher von einer drückenden Last, indem sie uns selbst von Vorurtheilen befreit, welche unsere Nationalität verhüllen. „Die Ermittelung des Deutsch - Nationalen ist uns Zweck, denn deutsche Volksthümlichkeit ist das Unvergängliche, so lange es Deutsche giebt; es ist der uns mit unserer physischen Existenz gesetzte Zweck, von dem wir nimmermehr loskommen können. Die Auflösung des philosophischen Princips bei Fichte ist nur mittelbar Zweck, nur darum, weil es dem freien Heraustreten deutsch-nationaler Gesinnung im Wege steht. Von deutschen Eltern geboren sind wir Deutsche, mit deutscher Volksthümlichkeit begabt, weil deutsches Blut in unsern Adern rollt, wir mögen wollen oder nicht. Zufolge der Natur unserer Flexionssprache können wir allerdings sagen, wir seyen keine Deutsche, sondern Menschen, wir können zur Begründung dieses Sagens auch eine Allerweltsvernunft creiren; allein die uns bei der Geburt einmal mitgegebene Nationalität werden wir darum doch nicht los, vernünftige Allerweltsmenschen werden wir doch nicht.

Bei allem, was wir denken und thun, wirkt unsere Nationalität mit, und prägt sich den Producten unseres Denkens und Thuns ein; selbst die Reproduction einer fremden Weltanschauung ist nicht ohne Mitwirkung unserer Nationalität möglich."

Wie sollen wir nun aber zum Verständniss Fichte's gelangen? Das wesentliche Band zwischen Fichte und uns ist die von seinen und unsern Vorfahren vererbte deutsche Sprache, deren Verständ

niss ihm wie uns gegeben ist. Der Philosoph redet, wie jeder andere Mensch, irgend eine Volkssprache, keine Vernunftsprache oder Allerweltssprache, und zwar aus dem treffenden Grunde, weil es eine solche nicht giebt. Wenn es aber keine Allerweltssprache giebt, so giebt es auch keine Allerweltsvernunft, das ist ein sehr einfacher Schluss; ist man aber Philosoph, so ist man unfähig ihn zu machen. Die deutsche Nationalität Fichte's versteht Niemand, dem sie nicht gegeben ist; Niemand bringt sie sich zum Bewusstseyn, der nicht in sich ein Bewusstseyn seiner deutschen Nationalität hat. Ferner aber würden wir das Hervorbrechen deutscher Nationalität eus Fichte's Werken nicht nachweisen können, wenn die Wissenschaft der Gegenwart uns nicht die Mittel dazu böte. Durch die Sprache wollen wir an den Mann, daher ist es die Sprachwissenschaft unserer Zeit, welche uns die Mittel zur Untersuchung giebt; sie muss uns in den Stand setzen, sein deutsch-nationales Denken von seinem philosophischen Denken zu scheiden. Vor Allem ist der Erfolg dieser Untersuchung bedingt durch die tiefe Einsicht, welche uns Wilhelm v. Humboldt in das Wesen der Sprache eröffnet hat. Die vergleichende Sprachforschung ist aber nur ein Theil der historischen Empirie; soll die vorliegende Untersuchung allseitig erschöpft werden, so müssen im Grunde alle Zweige der historischen Empiric, welche in unauflöslichem Zusammenhange mit einander stehen, hinzugezogen werden. Der Empiriker verhält sich zur Nationalität schlechthin anders als der Philosoph. Der Philosoph wird factisch durch seine Nationalität bestimmt; er strebt aber immer danach nur Mensch zu seyn; er befindet sich also in diesem beständigen Widerspruch mit sich selbst und mit dem Leben. Anders ist es beim Empiriker. Das, was er will, ist das Nationale, die Mittel, deren er sich bedient, sind nationale, der Zweck seiner Thätigkeit ist das geschichtliche Leben seines Volks. Er allein vermag daher praktisch einzugreifen, wogegen die Theorie des Philosophen nothwendig unpraktisch ist.

Das, was zwischen Fichte und uns eine wesentliche geistige Beziehung setzt, ist der gleiche Volksgeist. Eben dieser verbindet uns auch mit der historischen Empirie, welche ihm ihren Ursprung verdankt. Er verbindet diese mit unserer geschichtlichen Gegenwart, indem er sie nöthigt, Wissenschaft und Leben, Theorie und Praxis zu vermitteln. Wie verschieden gegenwärtig die Ansichten

auch seyn mögen über die Art, auf welche die schwebenden politischen, religiösen, socialen Fragen gelöst werden mögen: so steht doch so viel fest, dass sie nur auf volksthümlich deutsche Weise zu lösen sind. Um dies zu bewirken, muss die deutsche Nationalität sich reinigen von den fremden den fremden Elementen, mit welchen sie sich seit zweitausend Jahren vermischt hat. Weltanschauungen, Nationalitäten zu scheiden, dies vermag nur die historische Empirie. Mit welchem Erfolg sich ohne historische Empirie gegen das Fremde ankämpfen lässt, darüber haben die Franzosen in ihrer Revolution uns ein warnendes Beispiel aufgestellt. Die ächt Germanischen Grundlagen der Feudalität waren durch römisch - juristische Weltanschauung durch und durch vergiftet. Der lebendige Volksgeist reagirte gegen diese fremden Elemente; allein anstatt das ursprünglich volksthümliche Fundament festzuhalten und weiter zu entwickeln, siegte im Code Napoleon und der Charte doch wieder die Römischjuristische Rechtsweisheit. Dass es uns nicht eben so gehe, davor hat uns vor Allem die historische Empirie zu schützen.

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(Die Fortsetzung folgt.)

Zur Reformationsgeschichte. Erörterungen kirchlicher Zeitfragen. Von K. A. Credner u. s. w.

(Beschluss von Nr. 24.) Stillstand tritt an die Stelle des geistigen Fortschritts, und er beginnt seine eigene Auffassung der Bibel und des Christenthums mit so trotziger Würde geltend zu machen, dass sie ihm als die allein richtige, und jede Abweichung als unzulässig, ja verdammlich derscheint. So trat Glaubensherrschaft von Neuem an die Stelle der Geistesherrschaft, und das papistische Princip war noch nicht überwunden. Trefflich weiset der Vf. nun die Ursachen dieses Umschwunges nach in dem Zusammenwirken von Luther's Persönlichkeit, den Vorstellungen der Kirche, aus welcher er hervorging, und den Ereignissen der Zeit, welcher er angehörte. Diese Entwickelung, die keinen Auszug gestattet, ist eben so ausgezeichnet in psychologischer, wie in historischer Hinsicht, und nicht minder wahr und treffend ist die Schlussfolgerung, zu welcher sie den Vf. leitet. Bei solcher Sachlage, bei solcher Gemüthsstimmung Luther's, bei solchem fortwährenden Halten desselben an dogmatischen Voraussetzungen der katholischen Kirche, solchem aus Demuth erwach

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senen Gottvertrauen, (,,wir wollen warten, Gott thun wird"), war es nicht möglich, dass Luther seinen so herrlich begonnenen Kampf unverrückt bis zu Ende führen konnte. Luther fing geistesgross an, und endete glaubensgross. Hüten wir, als seine Verehrer uns wohl, ihm nur die Krone der Glaubensgrösse zu lassen, und dagegen die Krone der Geistesgrösse zu nehmen. Sorgen wir vielmehr, als seine ächten Verehrer, dafür, dass beide wieder sich zu Einer Krone einigen. Was er ursprünglich wollte, war Geistesfreiheit innerhalb der Gränzen des Christlichen. Indem er jedoch den Begriff des Christlichen, der von ihm doch nur nach Bestimmungen theils aus der katholischen Kirche herüber genommen, theils nach individuellen Bedürfnissen und Ueberzeugungen getroffen war, bald für Alle feststellte, wurde die christliche Freiheit aus einer allgemeinen zu einer besonderen, aus einer objectiven zu einer nur subjectiven. Luther wurde, ohne es selbst zu merken, aus einem Kämpfer für christliche Geistesfreiheit überhaupt, zu einem Kämpfer nur für seine eigene religiöse Ueberzeugung, und schied damit die Glaubensgrösse von der Geistesgrösse." Beherzigungswerthe Worte, die, wie diese ganze Rede, ein probates Mittel gegen alle Lutherolatrie enthalten. Nur Eins hätte der Vf. nicht ganz mit Stillschweigen übergehen sollen, nämlich sowohl die freieren und milderen Acusserungen Luther's in den Verhandlungen über die Concordie mit den Schweizern, namentlich mit Bucer, als auch das bekannte, grade wegen seiner Freisinnigkeit so oft von den Gnesiolutheranern abgeläugnete Wort aus seiner letzten Lebenszeit:,,thut Ihr auch Etwas nach meinem Tode!" Solche Aeusserungen eröffnen einen tieferen Blick in sein Inneres, und sind Funken des noch nicht erloschenen, sondern nur zurückgedrängten besseren Geistes,

So dankbar wir dem würdigen Vf. für die Gabe dieses ersten Heftes sind, so begierig erwarten. wir die folgenden, die sich über Wesen und Gattung der Concile, über Synodal- und PresbyterialVerfassung, und über den Schrift begriff verbreiten sollen, und in denen er die Gründe für seine Ueberzeugung darzulegen verheisst, dass Kirche und Staat ihrem innern Wesen nach zwei Anstalten sehr verschiedener Art sind; wobei wir dann erwarten dürfen, dass er das neuerdings wieder heraufbeschworene Phantom des,, christlichen Staates" gebührend in das Schattenreich zurückweisen werde.

- p.

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Februar.

Philosophie.

1849.

J. G. Fichte und seine Beziehung zur Gegenwart des deutschen Volks, von W. Busse u. s. w.

Nachdem

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(Fortsetzung von Nr. 25.)

achdem die Napoleonische Herrschaft gestürzt war, hat zuerst 1814 den Liberalen und den Reactionaren gegenüber das Programm wie die Mission der historischen Empirie Savigny ausgesprochen. Er wies nach, dass die damalige Zeit zum Gesetzgeben nicht vorbereitet sey; zuerst müsse man sich von der Erbschaft des achtzehnten Jahrhunderts, von den philosophischen Illusionen frei machen, durch historische Studien einen Blick für die Auffassung der factisch gegebenen Bedingungen unsres Volkslebens erwerben, che man an das Organisiren neuer Lebensformen denken dürfe. Savigny rief die deutschen Gelehrten zu historischen Untersuchungen auf. Dass Savigny die Lage des deutschen Volks 1814 richtig erkannt hat, dass er einen tiefen Blick in den Geist unsres Volks gethan, hat die Geschichte selbst bewiesen. Der status quo von 1814 ist geblieben, neue Gesetze sind nirgends gegeben, sondern nur Novellen sind gemacht worden; die historische Empirie ist nicht nur begründet worden, sondern auch zu einem mächtigen Baume herangewachsen, und hat in der Erforschung des Nationalen ihren Mittelpunkt erhalten. Das deutsche Volk hat keine geringe Resignation bewiesen, indem es sich entschloss, mit den Fragmenten einer gewesenen Zeit sich so lange zu behelfen. Allein dass es in seiner Resignation nicht unerschöpflich ist, dass es eine Mahnung an die Gelehrten ergehen lässt, auch Wort zu halten, liegt in der Natur der Sache. Diese haben jetzt Rechenschaft zu geben, was bei ihren Studien herausgekommen ist, und was sic dem Volke zu bieten wissen. Sie haben das Wort des Hrn. v. Savigny einzulösen, und ihre Verpflichtung dazu ist unbedingt. Der historische Empiriker kann sich dieser Verpflichtung nicht anders erledigen, als dadurch, dass er sie erfüllt. Mit der Phi

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

losophie hat er einmal gebrochen, keine Dialektik, kein Rabulistenkniff kann ihn daher von seiner Verpflichtung befreien,

Der Philosoph nimmt ein sogenanntes objectives Denken an, und stellt dieses als vollständiges Begriffssystem a priori auf. Die Geschichte ist ihm nur die Verwirklichung dieses Begriffssystems; er braucht daher die Geschichte nicht aus den geschichtlichen Documenten zu studiren, denn er weiss schon a priori was geschehen ist; nur zum Ueberfluss könnte er sich entschliessen, Quellen zu lesen. Der Empiriker dagegen will die Geschichte aus den Quellen selbst lernen. An diese geht er ohne philosophische Annahmen, aber in der Hoffnung, dass aus den einzelnen Angaben des Documents sich in ihm neue Gattungsbegriffe erzeugen werden. Eben durch den Process des Forschens kommen in den Forscher nicht nur einzelne neue Aussagen, sondern auch neue Begriffe und Kategorien. Der Empiriker vergleicht die einzelnen Angaben und wartet es ab, ob dieselben in ihm solche Combinationen eingehen, dass ein Gattungsbegriff herausspringt, welcher gerade diese Einzelnheiten zusammenfasst; geschieht dies, so hat der Empiriker damit eine geschichtliche Idee entdeckt. Wie solche Ideen sich im Forscher machen darüber lässt sich wohl Einzelnes beobachten, allein das eigentlich schaffende Princip bleibt verborgen. Geschichtliche Ideen entstehen im Forscher bei Gelegenheit des Forschens, aber nicht durch dasselbe. Das schöpferische Princip liegt in der Tiefe der Individualität, es ist eine besondere Gabe, welche einzelnen Individuen zu Theil wird, und eine so ausgezeichnete Gabe, dass von der Häufigkeit, in der sie sich bei einem Volke findet, die geschichtliche Bedeutung des Volkes abhängt. Es erhellt, dass Philosophie und Empirie in einem principiellen unauflöslichen Gegensatz stehen. Neben einander konnten sie nur so lange bestehen, als die Schroffheit des Gegensatzes nicht in seiner ganzen Schärfe ins Bewusstseyn der Zeitgenossen getreten war. Sobald dies Bewusstseyn eingetreten, muss die Eine oder die Andere wei

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chen, und es fragt sich, wer der Andern Herr zusammenfinden, um alle Zweige der historischen wird. Empirie zu einem Ganzen zu verbinden. Damit muss aber auch die historische Empirie entschieden aufhören, sich selbst als Zweck zu betrachten und praktisch werden. Dieser Uebergang in die Praxis setzt nun aber wieder voraus, dass der Volksgeist zu neuem Leben erwacht ist. Die historische Empirie kann nur dienen, rathen, nicht äusserlich beglückseligen; das Volk muss die Initiative ergreifen, sich äussern, was es will und wohin es will. Dann ist es Zeit, dass die historische Empirie ihr Versprechen löst, das sie bereits bei ihrer Entstehung gegeben hat. Zu warnen hat die historisehe Empirie vor Allem vor den französischen Ideen, wie 1814, allein nicht mehr aus einem dunkeln Gefühle, dass dies noch nicht das Rechte sey, sondern mit klarem bestimmten Bewusstseyn. „Das Constante, welches der constitutionelle Staat kennt, ist nicht der Volksgeist, sondern der Capitalfonds. Dieser allein gilt als das Bleibende und Unvergångliche im Volke, seine Erhaltung ist nicht nur höchster, sondern auch einziger Zweck des Staats. Wenn dieser von Geschlecht zu Geschlecht fortgeschleppt wird, so ist der Staat wohl bestellt, und das Erbrecht, welches die Fortschleppung regelt, ist das höchste Recht in diesem Staate, denn es enthält das Princip desselben." Der Besitz, oder allgemein, die Tauschwerthe sind die Grundlagen des constitutionellen Staats, und das Princip, durch welches die Theilnahme am Staatsvertrage ermittelt wird. Der constitutionelle Staat ist darum nothwendig schwach nach aussen, und wirkt entsittlichend nach innen. Würde in Deutschland eine den französischen Ideen gemässe Constitution eingeführt, und der Wahlcensus so bestimmt, wie er in den meisten seit 50 Jahren construirten Verfassungen aufgestellt ist, so würde gerade die Kraft der Nation vom Staate ausgeschlossen. Eine solche Trennung des Volks in zwei feindliche Heerlager findet aber im Volkscharakter der Deutschen die grössten Hindernisse. Die nationale Sittlichkeit, so wie das erwachte Einheitsbewusstseyn machen sie fast unmöglich. Trotzdem hat das Princip des constitutionellen Staats doch so lange noch Macht, als es in der Intelligenz einen Halt findet, und wird sich geltend machen, bis das Princip aufgelöst ist. Das constitutionelle Staatsprincip oder die französischen Ideen beruhen auf der philosophischen Weisheit des 18ten Jahrhunderts. Das, was ihnen im. Gemüthe des Menschen einen Halt giebt, ist das

Schon der wesentliche Charakter des deutschen Volks, die Treue, fordert es, dass die historische Empirie ihr Versprechen löst, welches sie durch Savigny gegeben hat. Eine andere Frage ist, wann sie dies zu thun hat. Die in der geschichtlichen Entwickelung der historischen Empirie eintretenden Erscheinungen hängen ab von den sie geschichtlich bedingenden Momenten, und diese sind: 1. die überlieferte philosophische Tradition, 2. die philosophisch bearbeitete Sprache, 3. die Individualität der Forscher. Das Zusammenwirken dieser drei Momente hat eine Abwendung der historischen Empirie vom Leben des Volks, ein Studium der Wissenschaft um der Wissenschaft willen, bewirkt, und diese Wirkung macht eine Ueberwindung dieser Bestimmung erst nothwendig, bevor eine Lösung ihrer Aufgabe möglich ist. Die historische Empirie beginnt mit einem Bruche mit der Philosophie; sie muss sich frei von aller philosophischen Voraussetzung dem Studium der Quellen hingeben und von diesen sich durchdringen lassen. Dies war aber keine leichte Sache, weil die ganze Intelligenz der Zeit sich Jahrhunderte hindurch unter dem herrschenden Einfluss der Philosophie gebildet hat. Erst allmählig gelang es der historischen Empirie, sich von der philosophischen Tradition loszureissen, und eben darum, weil dies Schritt vor Schritt geschehen musste, die Empirie also zunächst auf die Entwickelung ihrer selbst bedacht war, so nannte man dieses Fortschreiten das Studium der Wissenschaft um der Wissenschaft selbst willen, und stellte damit eine ähnliche Forderung als die Philosophie. Ebenso hat sich nun auch die deutsche Sprache unter dem Einfluss der Philosophie gebildet; sie ist ebenfalls durch drungen von den philosophischen Voraussetzungen, und doch sollten die Empiriker sich eben dieser Sprache in ihren Forschungen bedienen. Wäre die deutsche Sprache nicht so bildsam wie sie ist, so würde es den Empirikern ganz unmöglich gewesen seyn, eine entsprechende Form für ihre Productionen zu finden; natürlich aber kann auch hier die Befreiung von dem Einfluss der Philosophie nur allmählig vor sich gehen. Endlich ist nun aber die Vollendung der Empirie unmöglich die Sache eines einzelnen Individuums; vielmehr müssen sich, da jedes Individuum mit einer bestimmten Beschränktheit behaftet ist, viele Individuen, welche sämmtlich durch den Geist des Volks getragen werden,

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Princip der Philosophie. Lösen wir also diese auf, so entziehen wir dem constitutionellen Staatsprincip seinen Halt, schützen uns gegen eine moderne Plutokratie. Die Auflösung der Philosophie selbst steht daher mit den grossen Fragen der Gegenwart in der innigsten Beziehung.

Dies ist der wesentliche Inhalt der Einleitung.Der vorliegende erste Theil betrachtet nur die zwei ersten Perioden der Fichte'schen Philosophie. Der Vf. unterscheidet nämlich in der Entwickelung der Fichte'schen Philosophie drei Perioden. Die erste Periode rechnet er von 1794 bis 1801, die zweite von 1801 bis 1807, die dritte von 1807 bis 1814. Die Differenzen zwischen diesen verschiedenen Perioden sollen so bedeutend seyn, dass nicht philosophische Motive, sondern nur Lebenserfahrungen sie herbeiführen konnten. Der Uebergang von der ersten zur zweiten Periode wird herbeigeführt durch die Anklage des Atheismus, der Uebergang in die dritte durch die Katastrophe, welche Preussen im Jahre 1806 traf. Hier bricht bei Fichte selbst die deutsch-nationale Gesinnung durch; eben darum überlässt der Vf. die Betrachtung dieser letzten Periode dem zweiten Theile, welcher von Fichte dem deutschen Manne handelt.

Die wesentliche Tendenz des Vf.'s tritt zunächst in der Betrachtung der Fichte'schen Philosophie sehr in den Hintergrund. Der Vf. geht mit der grössten Vollständigkeit auf den Zusammenhang der Fichteschen Philosophie mit der Kantischen ein, verfolgt die Fichte'sche Philospohie nach allen ihren Seiten und Wendungen, überwiegend Fichte's eigne Worte referirend. Nur gelegentlich werden kurze Episoden eingeflochten, auch wohl auf neuere Erscheinungen der Philosophie besonders auf Hegel, Trendelenburg, reflectirt im Wesentlichen enthalten alle diese gelegentlichen Bemerkungen nur Variationen der in der Einleitung mitgetheilten Gedanken. Specieller geht der Vf. auf die Lösung seiner Aufgabe in dem Abschnitt über das Schema der Fichte'schen Philosophie (S.341 ff.). Hier vor Allem hat die Darstellung des Vf.'s eine so unerträgliche Breite, dass man nur mit der grössten Ueberwindung ihm zu folgen im Stande ist. Wir heben die wichtigsten Momente kurz hervor. Die Betrachtung der Fichte'schen Philosophie hat auf einen Widerspruch geführt. 1794 nämlich behauptete Fichte, das Ich sey das philosophische Princip, 1801 dagegen sagte er, das absolute Wissen sey das Princip. Wie ist dieser Widerspruch zu lösen? Für Fichte selbst existirt dieser

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Widerspruch nicht; daher muss aber auch für sein Philosophiren noch etwas Anderes bestimmend gewesen seyn, als die von ihm aufgestellten Begriffe; es muss ein Drittes geben, welches unverändert bleibt, mag das Ich oder das absolute Wissen als Princip bezeichnet werden. Und zwar darf dies Dritte nicht selbst Begriff seyn wir nennen es das Schema der Fichte'schen Philosophie. - Die Gedanken Fichte's können wir nach der empirischen Methode nur dadurch uns aneignen, dass wir die Schriften Fichte's studiren; dabei müssen wir uns aber nothwendig an seine Sprache halten. Wenn uns Fichte sagte: Denke den Begriff des Ich, so sind wir pünktlich seiner Aufforderung nachgekommen, und haben das Pronomen personale der ersten Person gedacht, dies Abstractum der Eigennamen, Carl, Wilhelm, Friedrich u. s. w. Verlangte Fichte, dass ich das durch den Begriff des Ich Bezeichnete denken sollte, so habe ich meine physische Individualität gedacht, mit allen organischen Erscheinungen, welche daran vorkommen. Sagte Fichte: denke nicht deine physische Individualität, sondern das, wodurch dieselbe erst Ich ist, so haben wir das Wort Ich gedacht, sofern es uns in unserer Sprache objectiv gegeben ist, durch welches wir das Bewusstseyn ausdrücken, dass unsere physische Individualität eine Einheit ist, ohne dass das Wort Ich in unserer Individualität aufginge, sondern Jedem unserer Volksgenossen zum Ausdrucke seiner Individualität dient. Dadurch haben wir doch nicht Fichte's Inneres erschöpft, wir haben nicht Alles das reproducirt, was ihn erfüllte, als er jene Begriffe dachte und niederschrieb. Für Fichte tritt zu dem Begriffe des Ich ein über die Bestimmtheit des Begriffs Ueberschiessendes hinzu; das reine Ich ist ihm ein Unendliches, Ueberschwengliches, gar nicht zu Sagendes, ein über alle Maassen Hohes und Erhabenes. Was jenes Ueberschiessende eigentlich ist, das lässt sich eben so wenig lehren, als sich die Energie des Gesichtsnerven lehren lässt, man kann es nur in sich erleben es ist mit einem Worte der Volksgeist. Die Weise jedoch, wie bei Fichte der Volksgeist zu den philosophischen Begriffen hinzutritt, ist eine andere, als bei uns. Fichte wurde bei seinem Philosophiren von seinem deutschen Volksgeiste bewusstlos getrieben; wir dagegen verhalten uns mit Bewusstseyn dazu. Fichte übertrug daher auf seine philosophischen Begriffe das über die Bestimmtheit des Begriffs Ueberschiessende, legte diesen die schöpferische Kraft bei,

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