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lung eine dauernde machte und erst sich das lebenslängliche Consulat übertragen liess, dann aber es in die Monarchie umwandelte und um durch keine Erinnerungen an den königlichen Namen zu einer unpassenden Vergleichung Anlass zu geben, nicht ein Königthum, sondern ein Kaiserthum errichtete."

Die Geschichte dieses Kaiserthums hat der Vf. bis zum Frieden von Tilsit fortgeführt, nicht willkürlich, sondern weil sich bis zu diesem Abschnitte die Revolution in räumlicher und auch in geistiger Hinsicht am weitesten ausgebreitet, und Napoleon durch die Gewalt seiner Waffen oder des höhern Geistes den ganzen Continent unter seinen Willen gezwungen hatte. Er sey bis dahin als der neue Repräsentant der Idee der Revolution, die ursprünglich keine andre als die des Fortschrittes zum Bessern ist, angesehen worden und weder sein Krieg mit Oesterreich noch der mit Preussen hatte die Völker empört. Er hätte die Sympathie der Menschheit auf seiner Seite gehabt, er hätte die Hand zum Frieden geboten, aber man hätte sie verschmäht, und da hätte sich die Ueberlegenheit seiner Sache bewährt.

Nach unsrer Ansicht ist hier Wahres und Falsches vermischt. Allerdings stand Napoleon nach dem Frieden zu Tilsit auf der Höhe seiner Macht, die niemals wieder so ausgebreitet gewesen ist, obschon wir Hrn. Lochner empfehlen über diesen Gegenstand die Betrachtungen Wachsmuth's (das Zeitalter der Revolution Bd. IV. S. 123-126.) nicht ausser Acht zu lassen. Der Ausspruch aber:,,Napoleon habe damals die Sympathien der Menschheit auf seiner Seite gehabt", ist mehr sophistisch als wahr und enthält eine auffallende Aehnlichkeit mit Thiers Worten über denselben Moment in der Geschichte seines Helden: les peuples vainçus, partagés entre le patriotisme et l'admiration, ne pouvaient s'empêcher de reconnaitre en Napoléon, l'enfant de la révolution française, le propagateur de ses idées, l'applicateur glorieux de la plus populaire de toutes, l'égalité. (Hist. de Consul. et de l'Emp. T. II. p. 166). Denn wo waren denn solche Sympathien? Nur bei einzelnen der Rheinbundsstaaten in Deutschland, wo dann die über ihr Vaterland gekommene Schmach nicht gefühlt wurde, eben so bei Einzelnen in Oesterreich, in Spanien, in Schweden und Dänemark, aber im Allgemeinen war weder Napoleon

beliebt noch die Franzosen. Und wem hätte denn Napoleon, wie Hr. Lochner sagt, die Hand zum Frieden geboten? Oder, wenn dies geschehen ist, wo geschah es redlich und in guter Absicht? Wir wollen durchaus nicht die Preussische Politik der Jahre 1804 und 1805 in Schutz nehmen, aber den Krieg hat Preussen bei seinem ängstlichen Festhalten an der bereits unmöglich gewordenen Neutralität gewiss nicht gewollt. Ihn hat nur Napoleon gewollt und glücklich herbeigeführt. Denn er hatte die grosse Verlegenheit nicht vergessen, in welche ihn das Preussische Cabinet vor der Schlacht bei Austerlitz gebracht hatte und wusste sich für diese deloyauté und ingratitude zu rächen. Jetzt folgte eine Reihe von Kränkungen seit dem December 1805, von denen selbst Lefebvre, ein billiger Franzose und wohl unterrichteter Mann, in der Histoire des cabinets de l'Europe pendant le Consul. et l'Em-. pire (T. II. p. 290) schreibt: Napoléon s'était affranchi à son égard de toute espèce de menagements contre le roi de Prusse. Soit qu'il voulut intimider sa foiblesse et le réduire par la terreur, ou qu'impatient de l'abattre, il entrat dans ses calculs de le pousser à bout, il semblait se plaire à l'abreuver d'humiliations. Diese Behandlung, welche sich mit der Ehre eines unabhängigen Staats nicht länger S vertrug, rief dann die Preussische Kriegserklärung hervor, ehe Napoleon es gewünscht hatte. Wäre aber die Sympathie vor dem Tilsiter Frieden für Frankreich so gross gewesen, woher kam denn der gewaltige Umschlag in der öffentlichen Meinung, schon im Jahre 1807 und noch mehr im folgenden Jahre? Denn es war ein ungeheurer Missverstand in dem, was Napoleon am 16. August 1807 zu dem gesetzgebenden Körper sprach:,, Frankreich ist mit den Völkern Deutschlands durch den Rheinbund, mit dem von Holland, Spanien, der Schweiz und Italien durch die Gesetze unsres Föderativ-Systems verbunden. Unsre neuen Beziehungen zu Russland sind festgekittet (cimentés) durch die gegenseitige Achtung dieser beiden grossen Nationen." Die Völker und Nationen sind, wie Wachsmuth a. a. O. ganz richtig bemerkt hat, nur Redefigur statt Fürsten und Regierungen. (Der Beschluss folgt.)

S

C

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Januar.

Französische Revolution.

1849.

Die Französische Revolution vom ersten Ausbruche bis zur weitesten Ausdehnung von 17891807. Von G. Wolfg. Karl Lochner u. s. w.

(Beschluss von Nr. 21.)

Wenn wir uns nun von diesen allgemeinen Be

merkungen zu den einzelnen Theilen und den hervorstechenden Persönlichkeiten wenden, so können wir hier nur Gutes von dem Lochner'schen Buche sagen. Der Vf. hat den reichen Stoff so geschickt zu behandeln verstanden, dass ihm, ohne dass ihm Begebenheiten von hohem Werthe entgangen wären, oder dass der Zusammenhang darunter gelitten hätte, hinlänglicher Raum zu grösserer Ausführlichkeit geblieben ist, wodurch sein Buch eine Anschaulichkeit und frische Färbung erhalten hat, wie man sie sonst in solchen kürzern Abrissen nicht gewohnt ist zu finden. Der Raum gestattet uns, solche Stücke, wie die Schilderungen des 14. Julius 1789 und des 20. Junius und 10. August 1792, der Abstimmung und Hinrichtung Ludwigs XVI., blos zu nennen, sonst würden wir hier gern einzelne Stücke abschreiben. Dasselbe gilt von der Beschreibung der Vendée, von der ergreifenden Darstellung der Schreckensherrschaft und der innern Französischen Zustände im Jahre 1799, oder von der mit Gewandtheit und glücklicher Einfügung kleiner, aber sehr bezeichnender Umstände abgefassten Schilderung des Festes des höchsten Wesens (S. 250 ff.) oder des unter dem ersten Consul Bonaparte sich neu gestaltenden Hof- und Prunklebens (S. 363 ff.). Die berüchtigte Halsbandgeschichte ist mit verständiger Bemessung des Raums erzählt worden, ohne dabei auf Louis Blanc's neue Zusammenstellung der Thatsachen einzugehen, nach welchen die Königin Marie Antoinette einige Mitwissenschaft um den ganzen Handel mit dem Cardinal Rohan gehabt, ja sogar es nicht ungern gesehen hätte, wenn er dabei genarrt, allenfalls auch geprellt würde. Mag es sich nun dabei auch für jeden unparteiischen Beurtheiler von selbst verste

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

hen, dass die Königin, falls ihr jene Mitwissenschaft zugeschrieben wird, von der Bedeutung und von den Folgen eines solchen Scherzes auch nicht die geringste Ahndung haben konnte, so bleibt für uns L. Blanc's Verfahren in dieser Angelegenheit doch nur im Kreise seiner vorgefassten Meinungen, die wiederum eine Quelle vieler ungerechten Urtheile und Trübungen geworden sind. Wir vermögen nach wiederholter Prüfung der einzelnen Aussagen und Umstände in allen Hauptsachen nur bei dem zu beharren, was wir im zwölften Hefte des Literarischen Zodiacus über diese Angelegenheit niedergeschrieben hatten. Einzelne Abweichungen bei Nebenumständen kommen hier weniger in Anschlag. Mit gleicher Vorsicht hat Hr. Lochner den ungeschichtlichen Vermuthungen eines Dülaure oder Capefigue über den Mord der Französischen Gesandten bei Rastadt widerstanden: doch konnte er (S.337) mit noch grösserer Bestimmtheit den Grafen von Lehrbach als Anstifter und die Wegnahme der Papiere als die Ursache des Ueberfalls bezeichnen, wie auch von Wachsmuth (das Zeitalter der Revolution Th. III. S. 97.) mit besonderer Bezugnahme auf Jacob's Kritik in dessen Beiträgen zur Französischen Geschichte S. 333 ff. geschehen ist.

Ueber die Personen und Leiter der Revolution finden wir die Urtheile des Hn. Lochner immer gemässigt und fasst durchgängig gerecht. So über Marat, Mirabeau, Bailly, Danton, die Frau Roland, Charlotte Corday, den König Ludwig XVI., von dessen Hinrichtung der Vf. (S. 189) meint, es sey dieselbe durch alles Vorhergegangene so nothwendig bedingt gewesen, dass man sich eher verwundern müsste, wenn diese Katastrophe nicht eingetreten wäre, als das man dies traurige Ereigniss befremdend finden kann. Trotz dieser vielleicht Manchen überraschenden Worte ist indess die innere Ergriffenheit des Vf.'s über den Tod des unschuldigen Fürsten überall sichtbar. Ueber die Girondisten und die im antiken Sinne erhabensten Charaktere der Französischen Revolution lesen wir schon in der Vorrede : es gehört eine ganz besondere

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Verblendung oder Befangenheit dazu, um die Handlungen und Worte dieser unglücklichen Opfer ihrer Idee aus Prahlerei und Eitelkeit abzuleiten, und es dürfte schwer seyn zwischen ihnen und ähnlichen Erscheinungen des Alterthums, etwa den Spartanern Agis und Kleomenes und ihren Frauen, der Römerin Arria und ihrem Gemahl Pätus, einen andern Unterschied als den der Zeit und des Raumes zu finden. Wenn den Mitgliedern der Gironde es verargt wird, dass sie iu der Nacht vor ihrer Hinrichtung keinen Beichtvater kommen liessen und ihnen deswegen die charakterlose Persönlichkeit des

Generals Custine als nachahmungswerther Contrast gegen

übergestellt wird was soll man zu einer solchen eines Historikers ganz unwürdigen Sophistik sagen?" (S. XIII). Nur die Königin Maria Antoinette hat Hr. Lochner nicht richtig aufgefasst, wenn er auch nicht so schlimm mit ihr umgeht, als Schlosser. Er glaubt allerdings nicht an die lästerlichen Liebeshändel, welche ihr der Parteihass aufgebürdet hat, aber er findet in ihr Anlass zur Eitelkeit und Spottsucht, Lust zu verschwenderischen Ausgaben; er giebt ihr Schuld, sie habe durch ihr höchst unvorsichtiges Betragen in allen Regierungsangelegenheiten die Achtung gegen sich und gegen ihren Gemahl im Volke zu Grunde gerichtet, wie dies auch Zimmermann noch vor Hn. Lochner in Schmidt's Zeitschr. f. Geschichtswiss. (1845) IV. S. 540-542 mit Eifer gerügt hat. Gegen diese Vorwürfe muss Ref. aber Verwahrung einlegen und auf seine längere Abhandlung über den Charakter und den politischen Einfluss der Königin verweisen, die er vor zwei Jahren herausgegeben hat. Allerdings fehlte es der Fürstin an Kenntniss und Uebersicht in Staatsangelegenheiten. Aber abgesehen davon, dass es im damaligen Frankreich für eine Frau gar nicht möglich war, diese Eigenschaften zu erlangen, so wird Maria Antoinette immer die billigste Entschuldigung in dem Widerstandsgeiste finden, den sie sofort bei ihrem Eintreten in Frankreich erfuhr, ferner in der siebenjährigen Abneigung ihres Gemahls, in der unseligen Ministerherrschaft des alten Gecken Maurepas und in den vielfach verzweigten Intriguen des Versailler Hofes. Als endlich Ludwig XVI. zu der innigsten Liebe gegen seine schöne und gute Gemahlin übergegangen war und sie fast gewaltsam zur Theilnahme an den Staatsgeschäften hinzog, da war es schon zu spät, um den drohenden Untergang aufzuhalten, und jedes Mittel, den König und seine Krone zu retten, würde vergebens ergriffen seyn, jedes Opfer, zu dem Maria Antoinette am Entschlossensten gewesen wäre, würde nutzlos dargebracht worden seyn. Diese Unvermeidlichkeit des traurigen Ausganges erinnert nur zu sehr an

die Schicksals-Tragödien des Griechischen Alterthums.

Wir haben hiernächst noch einer schätzbaren Ausstattung zu gedenken, die Hr. Lochner seinem Buche gegeben hat, und die dem Buche Dahlmann's über die Französische Revolution fehlt. Das ist die fortgesetzte Umschau in den Verhältnissen der Europäischen Staaten zu Frankreich und die besondere Berücksichtigung der geistigen und staatlichen Zu

1807.

obschon

stände Deutschlands in der Zeit von 1789 Der vierte lesenswerthe Abschnitt enthält zuerst einen Ueberblick über die Regierung Josephs II. und die mannichfachen Schwärmereien Gassner's, Messmer's und der Illuminaten, zweitens neben diesen Verirrungen die andre erfreulichere Seite des Gemäldes, das Fortschreiten der Deutschen in Philosophie und Literatur seit Klopstock und Lessing. Alles ist hier lebendig und anschaulich, Hr. Lochner nur die Spitzen hat berühren können. Als einen Beweis hierzu geben wir folgende Stelle: ,, jene berühmte Ballade Bürger's (die Lenore) mit ihrem sausenden Galopp und die wunderbare Malerei der Kirchhofsnacht machte das Entzücken der Gebildeten wie der Bauern, denen sie ihr Schulmeister vorlas, und wir selbst, wie sehr wir uns der neuern Poeten, die an Sprachgewandtheit und Kühnheit des Ausdruckes weit über jenem Göttinger stehen, erfreuen mögen, wenn uns in einer guten Stunde der deutsche Wein vereinigt, so haben wir noch kein anderes Nationallied gewinnen können, als das in formeller Hinsicht recht schwache, in einem beschränkten Raum sich bewegende, durch burleske und unrichtige Ausdrücke entstellte, am Ende durch eine Appellation an das menschliche Mitleid wieder abstumpfende, aber doch aus recht vollem Herzen entquollene Rheinweinlied des Matthias Claudius, das, wenn man von dem freien Deutschen Rhein des Nicol. Becker als von einer

Antiquität (?) sprechen wird, noch immerfort gleich einem gestern erst gedichteten und componirten Liede neu erklingen wird." (S. 143). Ueber Schiller und über Goethe ,,des gesammten Deutschen Landes Stolz und Freude" ist vortrefflich gesprochen und in Bezug auf den Letzten die Beschuldigung, als sey er mit Leib und Seele ein Aristokrat gewesen, gründlich widerlegt (S. 145), auch in einer spätern Stelle (S. 408) sehr gut nachgewiesen, dass Goethe ein ächt Deutscher Dichter sey, wenn er sich auch von all' dem politischen Treiben fern gehalten und uns kein politisches Lied hinterlassen hat." War's nicht besser, dass er uns Lieder gedichtet hat, die wir singen können, in allen guten Stunden, die uns durch Lieb' und Wein erhöhet sind", oder wenn uns, wir wissen selbst nicht wie, ein himmlisches Behagen ergreift." Ebenso wird von Schiller gesagt,

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dass man gewaltig irren würde, wenn man ihn um der Rütli-Scene willen oder einzelner hier und da eingeschalteter Sentenzen für einen Radicalen im Sinne der modernen Vaterlandsliederdichter, wie Herwegh oder Hoffmann von Fallersleben, halten wollte (S. 400). Zu einer zweiten längern Betrachtung im elften Abschnitte hat der Vf. die Stellung der Deutschen Literatur zur Despotie und Bureaukratie Napoleons und seiner Treuen im Deutschen Reiche, sowie die ihr bis auf den heutigen Tag vorgeworfene Gleichgültigkeit gegen die politische Einheit des Vaterlandes veranlasst. In letzterer Beziehung ist Hr. Lochner weit entfernt in diese Klage mit einzustimmen, er glaubt vielmehr, dass jene Richtung unsrer Literatur eine nothwendige Bedingung für ihre freie und unbefangene Ausbildung gewesen ist, und dass die sich damals bewährte Ueberzeugung von der geistigen Tüchtigkeit der Deutschen Nation wesentlich zu der kräftigern Gesinnung nach den Jahren der Franzosenherrschaft beigetragen habe (S. 409). Aus den ersten Jahren des Jahrhunderts sind auf wenigen Blättern am Ausführlichsten Kotzebue, Iffland und Tieck mit den Romantikern geschildert, das Urtheil über Jean Paul (S. 404 f.) ist herb, aber gerecht.

Verfolgen wir noch die politischen Zustände Deutschlands in der Zeit von 1789 bis 1807, so ist denen Preussen's eine besondere Beachtung, aber nicht immer eine besondere Gunst zugewendet worden. Der Baseler Friede wird (S. 287) scharf getadelt, weil Friedrich Wilhelm II. dabei blos seinen eignen Vortheil gesucht und namentlich den Krieg in Polen habe führen wollen, sodann weil er sich thatsächlich von der Verbindung mit dem Reiche losgesagt habe. Solche Vorwürfe musste man während des süddeutschen Hasses gegen eussen im April und Mai 1848 oft genug wieder lesen, aber - man vergisst gar zu leicht, dass Preussen damals sehr erschöpft war und eines Friedens bedurfte, dass von einer Deutschen Reichsgesinnung gar nicht mehr die Rede war, dass Oesterreich wohl Deutschland leiten, aber auch allein benutzen wollte, und dass für Preussen im Fall der Noth kaum eine warme Sympathie Deutschlands zu erwarten gewesen wäre. Denn wenn auch sein König Friedrich Wilhelm II. an der Ansicht Friedrichs II., der sich nach Ranke's Ausspruch (Preuss. Geschichte III. 356) fast mehr zufällig als einen Deutschen Fürsten betrachtete, dem Wesen nach als einen Europäischen Fürsten, festhielt, so war doch Preussens Verdienst durch

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seinen geistigen Einfluss auf Deutschland so gross, dass ihm in dieser Beziehung weit mehr Anerkennung gebührt hätte, als ihm in dem Jahre 1795 und leider! ist es 1848 nicht anders gewesen zu Theil geworden ist. Wir verweisen zur parteilosen Würdigung des Baseler Friedenschlusses auf Menzel's Neuere Geschichte der Deutschen Th. XII. Abth. 2. S. 174 186. Unmittelbar darauf gedenkt Hr. Lochner der Preussischen Eingriffe und Gewaltmaassregeln in die Reichsgebiete in Franken. Man sieht es diesen Zeilen (S. 288-290) an, dass sie ein geborner Franke geschrieben hat, dem wir auch seinen Unwillen gern zu Gute halten. Denn allerdings hatte das Preussische Verfahren etwas Aehnliches mit dem berüchtigten Verfahren Ludwigs XIV. gegen Deutschland; nur muss man nicht bei dieser Angelegenheit, welche eigentlich ein Stück aus der Lebens- und Verwaltungsgeschichte des Freiherrn von Hardenberg ist, übersehen, dass diesen Staatsmann von grossartiger Gesinnung nicht blos Eroberungspläne leiteten, sondern der Wunsch, die verrotteten Fränkischen Zustände in Gemeinschaft mit einem grossen Reiche neu zu gestalten und der Preussischen Monarchie die so nothwendige Abrundung zu geben. Die Persönlichkeit Hardenberg's, welcher die grosse Abneigung der Anspacher und Baireuther gegen Preussen binnen wenigen Jahren in eine bis jetzt noch nicht erloschene Anhänglichkeit umgewandelt hatte, dürfte bei jenem Vereinigungswerke, von dem er zu schnell abgerufen worden ist, ganz besonders mit in Anschlag gebracht worden. In Bezug auf die Preussischen Zustände des Jahres 1806 haben wir noch zweierlei zu rügen. Einmal hat es uns befremdet, in der sonst so gemässigten Erzählung des Vf.'s auf S. 418 die Angabe zu finden, dass die Königin Luise von Preussen,,in der Uniform ihres Leibdragoner - Regiments durch die Strassen von Berlin geritten sey und die Unterthanen zu den Waffen gerufen habe." Waffen gerufen habe." Davon weiss kein gleichzeitiger Schriftsteller von Bedeutung etwas, und unmöglich konnte Hr. Lochner ein solches Märchen aus dem ersten Französischen Armee-Bulletin vom 8. October wiederholen, in welchem es heisst: la reine de Prusse, habillée en reine de Prusse, habillée en amazone et portant l'uniforme de son régiment de dragons et écrivant vingt lettres par jour, pour exciter de toutes parts l'incendie. S. 419 scheint ein leiser Vorwurf für dieselbe Königin darin zu liegen, dass sie sich, obwohl entschlossen ihren Gemahl überall hin zu be

gleiten, dennoch in der Nacht vor der Schlacht bei Auerstädt entfernt hatte. Dass ihre Anwesenheit im Hauptquartiere von bedeutenden Männern für sehr wichtig gehalten wurde, ist aus Gentz Beitrag zur geheimen Geschichte des Anfangs des Kriegs von 1806 (Gesammelte Schriften Th. II. S. 280 281) auf das Klarste zu ersehen; dass aber ihr Gemahl die zarte Frau nicht den Schrecken einer Schlacht aussetzen wollte und sie deshalb, aber erst am 13. October, zur Abreise veranlasste, scheint uns durchaus natürlich zu seyn. Bekanntlich begleitete der Kanonendonner von Auerstädt und Jena ihre Abfahrt, als sie am Morgen des 14. October Weimar verliess.

Wir glauben trotz weniger Ausstellungen genug zum Lobe eines Buches gesagt zu haben, welches in der täglich noch immer neu anschwellenden Literatur der Französischen Revolution einen ehrenvollen Platz einnimmt. Dahlmann's bekanntes Buch, eine Tendenzschrift im edlern Sinne des Worts, hat schnell einen grossen Glanz um sich verbreitet, Hn. Lochner's Buch, voll rein geschichtlicher Auffassungen, wird in seinen Kreisen vielleicht langsamer wirken, gewiss aber sicher und nachhaltig.

Schulbücher.

K. G. J.

Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische als Material zu latein. Stilübungen für die oberen Classen der Gymnasien, von Dr. I. H. Kämpf. gr. 8. XVI und 254 S. Neuruppin, Oehmigke u. Riemschneider. 1849. (24 Sgr.)

Wenn irgendwo die für neue Schulgrammatiken und neue Zeitungen bedenkliche Phrase, dass ein gefühltes Bedürfniss zur Herausgabe Veranlassung gegeben habe, an der Stelle ist, so ist es in den Vorreden zu neuen Sammlungen von Aufgaben zum Uebersetzen. Aber so unbestreitbar dies auch im Allgemeinen ist, so kommt doch im besondern Falle alles darauf an, wie dem Bedürfniss abgeholfen ist, und in dieser Beziehung leistet die Arbeit des Vf.'s nicht, was sie nach seinen eigenen Erklärungen leisten soll. Für's erste will er, um bei dem Acusserlichsten zu beginnen, dem Uebelstande begegnen, dass bei fortwährender Benutzung eines und desselben Stoffs der Schüler zu den Heften früherer Schülergenerationen seine Zuflucht nimmt, statt selbständig eine gewissenhafte Arbeit zu liefern. Aber sind denn die Quellen, aus welchen sein Material geschöpft ist Muret, Politian, Sigonius, Ruhnken, Wolf so unzugänglich, dass die Bequemen und Faulen nothwendig darauf gewiesen wären, ihre eigne Kraft zu versuchen? oder sollte der, der sich kein Gewissen daraus macht, die vorhandenen Exercitien zu benutzen, aus Gewissenhaftigkeit die Originale verschmähen, zumal wenn die Auffindung derselben durch die genauesten Angaben so erleichtert ist? Der Uebelstand wird offenbar nur durch einen grössern gehoben, wenn das

Buch die Bestimmung hat, dass die Schüler ihre Scripta daraus anfertigen sollen, und das Material behält blos eine relative Brauchbarkeit für den Lehrer, der sich für Extemporalien, die wir beiläufig für das am meisten bildende und zugleich vor Betrug schützende Mittel halten, der Muster des Vf.'s, vorzugsweise Murets, bedient und sich die Mühe einer neuen Auswahl ersparen will. Das andre ist, dass wir durch Seyffert, Nägelsbach u. A. gewöhnt sind, in derartigen Büchern nicht mehr altem Herkommen gemäss aus den hervorragendsten Latinisten des 16., 17. und 18. Jahrhunderts entlehnten Stoff mit untergelegten Phrasen und Hinweisungen auf gewöhnliche grammatische Regeln, sondern neben Aufgaben gediegeneren Inhalts hauptsächlich tiefer gehende, das Wesen und den Charakter der Sprache und des Stils erfassende, dem eignen Denken Anlass und Richtung gebende Bemerkungen zu suchen. Wir wollen nun nicht näher auf die Wahl der

Uebungsstücke eingehen, worüber Vorrede p. VI ff. gesprochen wird, nur leider so, dass es besser unterblieben wäre; denn daraus, dass man sich zu dem Grundsatze bekennt, man müsse dem Schüler nur solche Aufgaben vorlegen, deren Inhalt ursprünglich lateinisch gedacht war, folgt noch nicht, dass man nur neuere Lateiner benutzen müsse, und wenn für das Nichtvertretenseyn des rhetorischen Stils in den vorliegenden Aufgaben als Grund angeführt wird, dass die Ausbildung desselben wesentlich der Prima zufalle, die an den oratorischen und rhetorischen Schriften Cicero's ein unübertreffliches Vorbild für denselben besitze, so sieht es fast aus, als ob für die vertretenen Stilarten, die historische, räsonnirende, briefliche Darstellung, die Alten nicht Vorbild seyn könnten; ausserdem ist die Annahme, dass man in neuerer Zeit von einer Seite her zur Uebung im Lateinschreiben die Forderung stelle, ursprünglich Deutsch Gedachtes als Latein zu,,reproduciren", in dieser Allgemeinheit ausgesprochen unrichtig, und zeugt ebenso, wie die Bekämpfung dieser Ansicht man verlange damit das Unmögliche; der so Gebildete werde an die Stelle der deutschen Worte lateinische setzen, einen lateinisch gedachten und gestalteten Satz aber aus dem Deutschen kaum jemals bilden, lateinisch schreiben schwerlich lernen; man fordere damit, dass der Schüler damit beginnen solle, womit kaum wenige reichbegabte Naturen ihre stilistische Bildung vollendeten von völliger Nichtbeachtung dessen, was Seyffert in dem Vorwort zur palaestra Ciceroniana und vor dem Anhang zu derselben, mit bestimmter Unterscheidung zugleich der Bildungsstufen, für welche die eine und für welche die andere Methode geeignet sei, so überaus klar und überzeugend · vorgetragen hat, um nicht zu sagen: dass man theilweise an eine und die andere der alten mit σχολαoTizóç Tiç beginnenden Anekdoten erinnert wird und der Vf. doch wohl weiss, dass Knaben auch den Terentius lesen, wenn auch nicht so, wie Hugo Grotius. (Der Beschluss folgt.)

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