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A

Schliesslich fasst der Vf. die Resultate seiner Untersuchung in 9 kurzen Sätzen zusammen. Der wichtigste ist der letzte, welcher die Frage behandelt, in welchem Verhältnisse denn nun der neue titulus missionis zu den bekannten vieren, insbesondere aber zu dem titulus paupertatis und mensae stehe. Der Vf. weist die Ansicht zurück, als stehe der titulus missionis dem tit. paupertatis nahe, weil die Unterschiede zwischen dem Missionsinstitut und den Mönchsorden sehr bedeutend seyen. Dagegen habe der neue Titel mit dem tit. mensae mehr Aehnlichkeit, nur dass dort nicht Einzelne, weder Private noch Körperschaften, den Unterhalt übernehmen, sondern der Apostolische Stuhl selbst.

Wir können nicht unterlassen, unser Bedenken gegen diese Meinung an den Tag zu legen, und glauben es auf eine vom Vf. selbst mitgetheilte Urkunde zu gründen. Das Breve declaratorium Alexanders VII. von 1660 (S. 25) sagt ausdrücklich: quod haec sancta sedes alumnis, postquam fuerint dimissi, non provideat. Der apostolische Stuhl sorgt also nicht für die Alumnen der Missionsinstitute, und der titulus mensae scheint nicht als ein dem tit. miss. ähnlicher angesehen werden zu können. Ferner sagt dieselbe Urkunde gleich darauf: quum memorata congregatio neminem ex iis, qui ad missionis titulum ordinati sunt,

con

sueverit unquam destituere. Die Kasse der Congregation sorgt also für die entlassenen Alumnen, gerade, wie der Orden für den Unterhalt seiner auf den titulus paupertatis ordinirten Mitglieder sorgt. Mithin scheint der tit. miss. dem tit. paupert. allerdings höchst ähnlich zu seyn. Der Umstand, dass die Bestimmung der Orden und der Missionsinstitute sehr verschieden ist, scheint irrelevant zu seyn, da es hier keineswegs auf die sonstigen Zwecke der Institute, sondern lediglich darauf ankommt, in welcher Weise den Ordinirten der Unterhalt verschafft wird. Diese ist aber hier wie dort dieselbe: die Mitglieder werden aus der Gesellschaftskasse erhalten.

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Uebersetzungen mittelhochdeutscher Gedichte. Die Gedichte Walthers von der Vogelweide in vier Büchern nach der Lachmannschen Ausgabe des Urtextes vollständig übersetzt und erläutert von Friedrich Koch. 16. VI und 290 S. Halle, Schwetschke u. Sohn. 1848. (1 Thlr.)

.

Die erste Frage, die bei dem angeführten Buche entsteht, ist die, ob eine neue Uebersetzung Walthers von der Vogelweide vonnöthen sei, da Simrocks Uebertragung denjenigen genügen kann, welche ein Bedürfniss haben, den grössten mittelhochdeutschen Lyriker in neuhochdeutschem Gewande kennen zu lernen. Wir glauben die Frage verneinen zu dürfen, wenigstens wird die Kochsche Uebersetzung die Simrocksche bei denen nicht verdrängen, welchen an gründlicher Kenntniss Walthers gelegen ist. Ueberdies übersetzt Simrock noch wörtlich genug, um Ungeübteren beim Lesen des Urtextes eine Hülfe zu seyn, und Herr Koch nicht so wörtlich, dass er eine grössere Unterstützung als S. gewährte. Im Uebrigen ist die Kochsche Uebersetzung leicht und gefällig. Störend sind grade in der Uebertragung eines mittelhochdeutschen Dichters ungenaue Reime, wie S. 4 in zweigen erreichen, S. 77 in haide erfreute, maide streite, S. 168 weisen gleissen u. a. erscheinen. Was Kochs Aeusserung über die mittelhochdeutschen weiblichen Reime betrifft, so ist

ihm sehr zu rathen, sich eine bessere Kenntniss der altdeutschen Metrik zu verschaffen, als er verräth. Die Erläuterungen sind sehr dürftig ausgefallen und stechen von den Simrock-Wackernagelschen bedeutend ab. Dass er für Toberlû DobriKoch nicht erst erwähnen müssen. Gerade bei eilugk zu setzen kein Bedenken getragen, hätte Herr ner Uebersetzung, welche die Absicht verkündet, führlichere Anmerkungen nicht unnöthig gewesen, Anfängern zur Hand gehen zu wollen, wären aus

zumal man sie nach dem Titel zu erwarten hätte. Das Ritterbuch von Friedrich Koch. Erster Band:

Hartmanns von Aue Iwein und der arme Heinrich. 16. 352 S. Halle, Schwetschke u. Sohn. 1848. (1/8 Thlr.)

Herr Koch beginnt mit dem vorliegenden Buche ein Seitenwerk zu Simrocks Heldenbuche. Während Simrock das deutsche Volksepos erneuern wollte, wendet sich Herr Koch dem höfischen Epos zu und hat sich die drei Hauptwerke desselben, Hartmanns Iwein, Wolframs Parzival und Gottfrieds Tristan zur Verneudeutschung auserlesen. Wir gestehen, den Muth des neuen Uebersetzers

zu bewundern, wenigstens geschicht dies bezüglich des Parzivals, der bekanntlich auch den gründlichsten Kennern unserer mhd. Sprache und Literatur die grössten Schwierigkeiten bietet und an mehr als an einer Stelle noch des glücklichen Erklärers harrt. Wir wünschen Herrn Koch, dass er hier Simrock, der bekanntlich auch den Parzival übertrug, übertreffe, obschon dies nicht einmal so leicht sein möchte. Der Iwein, den der erste Band des Ritterbuches sammt dem armen Heinrich (ebenfalls von Simrock früher übertragen) enthält, ist von jenen drei Werken dasjenige, was einem Uebersetzer die geringsten Schwierigkeiten bietet, indem es das formell glätteste Erzeugniss der mhd. Poesic ist. Ueberdies kommen Beneckes Erklärungen und sein treffliches Wörterbuch zum Iwein sehr zu statten. Die Uebersetzung Herrn Kochs ist, so weit wir verglichen haben, fliessend und verständlich, scheint indessen nicht überall auf richtigem Verständniss des Dichters zu beruhen, wenigstens lässt uns dies eine Stelle des Eingangs (vv. 18-20) 20) vermuthen, deren Sinn gänzlich verkannt ist. Ebenso missrathen sind vv. 26. 27. In dem Anhange handelt Herr Koch über Hartmanns von Aue Leben und hat, da er, wie er rühmt, die Mühe des Nachschlagens nicht scheute, aus Lachmann und Haupt mit Kobersteins Hülfe die betreffenden Stellen richtig abgeschrieben. Die Polemik gegen Wirths deutsche Geschichte und die Anführungen aus Hegel und Göthe wären besser mit einigen genügenden Anmerkungen vertauscht worden.

Guy von Waleis, der Ritter mit dem Rude, von Wirnt von Gravenberg, übersetzt von Wolf Grafen von Baudissin. Leipz., Brockhaus. 1848. XIV und 339 S. 8.

Ein Vorgänger Herrn Kochs in der Uebersetzung des Iwein, der Graf von Baudissin, hat uns neulich eine Uebersetzung des Wirntschen Wigaleis gegeben. Wenn die besseren Erzeugnisse unserer mittelhochdeutschen Poesie erneuert werden, so kann man sich damit doch einigermassen einverstanden erklären, indem sie bei einiger Gewandtheit des Uebersetzers doch eine angenehme Unterhaltung gewähren. Aller Widerwille gegen dergleichen Uebertragungen erwacht aber, wenn man das eitle Bestreben sieht, auch die mittelmässigen und schlechten Werke jener Zeit aufzufrischen, und zu den mittelmässigen wenigstens wird dieser Wigaleis von Vorurtheilsfreien gerechnet werden. Wird nun aber einmal ein solches Buch übersetzt, so gebe man ihm im Neuhochdeutschen die formelle Glätte, welche bei dem mittelhochdeutschen Original für vieles Fehlende Ersatz leisten muss; man muthe dem Leser nicht allzuviel und sich nicht allzuwenig zu und schaffe nicht eine Sprache, die nicht neu und nicht alt ist. Sodann ist dem Uebersetzer zu rathen, dass er sich einen klareren Begriff von den Gesetzen des mhd, Versbaues verschaffe, damit er nicht fernerhin mhd. Verse durch nhd. Knittelverse wiederzugeben meine.

K. W.

Psychiatrie.

Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten von Dr. Rud. Leubuscher u. s. w.

(Beschluss von Nr. 19.)

Die Dämonomanie verbreitet sich im ganzen Labourd (Depart. des Basses-Pyrénées). Alle Gefängnisse werden vollgestopft; eine Menge von Kranken wird verbrannt; selbst Geistliche werden verurtheilt (1609). Dämonomanie im Königreich Navarra (1610). Madelaine de Mandol und Louys Gaufridi (1611). Mal de layra in Amou bei Dar. Die Frauen haben Convulsionen und bellen wie Hunde. · Dämonopathie der Nonnen der heil. Brigitte zu Lille (1613). Theomanie mit Ekstase. Eine Betschwester und ihr Beichtvater klagen sich gegenseitig an, dem Teufel zu dienen. Die Besessenen von London. Urban Grandier (1632-39). Der Pater Laktanz, Pater Surin und Pater Tranquille. Hallucinationen von Mannouri und Chauvet. Teufelswahn mit Hysterie in einem Nonnenkloster der heil. Elisabeth zu Louviers. Das Parlament von Rouen verurtheilt einen Priester zum Feuertode, lässt den Leichnam eines andern Priesters ausgraben und ebenfalls verbrennen (1642). Die Dämonopathie wird zu Auxonne epidemisch (1652–1662). Teufelswahn zu Elfdalem in Schweden (1670). Anklage auf Zauberei in La Haise-Dupuis, Siebzehn Menschen werden zum Tode verurtheilt. Ludwig XIV. kassirt das Urtheil trotz der Remonstration des Parlamentes von Rouen (1670). Hysterische Convulsionen kleiner Knaben und Mädchen in dem Waisenhause zu Hoorn (1670). Hysterie mit Geistesstörung in der Umgegend von Toulouse (1681). Vom achtzehnten Jahrhundert finden sich folgende Ereignisse aufgezeichnet: Theomanie mit Ekstase und Convulsionen epidemisch unter den Calvinisten in der Dauphiné, Vivarais und in den Cevennen (16861707). Hysterie, Ekstase und das Delirium der Theomanie am Grabe des heil. Pàris in Paris (173141). Teufelswahn in Cochinchina bei einem neubekehrten Christen. Vampyrismus epidemisch in Polen, Ungarn und Mähren (1730). Der Mesmerismus. Convulsivische Erscheinungen u. s. w. werden von Mesmer der Einwirkung eines allgemeinen Fluidums zugeschrieben.

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Januar.

Französische Revolution.

1849.

Die Französische Revolution vom ersten Ausbruche bis zur weitesten Ausdehnung von 17891807. Von Georg Wolfgang Karl Lochner. gr. 8. XX u. 447 S. Nürnberg, Fr. Campe. 1848. (1 Thlr. 21 Sgr.)

Es

an ein

s werden sich manche Leser mit uns Buch erinnern, welches der Königl. Sächs. Oberst von Odeleben im Jahre 1830 über die französische Revolution herausgegeben hatte, zur Belehrung für den Bürger und Landmann. Dasselbe war in schlichter und einfacher Sprache ahgefasst, mit biblischen Kernsprüchen wohl ausgestattet uud zunächst mit Rücksicht auf die wichtigen Ereignisse des Jahres 1830 geschrieben. In einem ähnlichen Falle befinden wir uns bei dem vorliegenden Buche. Der Vf. hat zwar, wie das Tagezeichen der Vorrede angibt, die furchtbaren Revolutionen, welche seit dem Februar 1848 unsern Erdtheil erschüttern, noch nicht berücksichtigen können, und der von ihm geschilderte Zeitraum liess ihn auch. dieselben, welche manches Cassandra - Gemüth in den letzten Jahren geweissagt hat, nicht weiter berühren. Aber, als wir dies Buch zur Anzeige empfingen, da war bereits die Revolution in ihrem vollsten Gange. Also hat das vorliegende Buch grade jetzt für die Deutschen ein mehr als gewöhnliches Interesse, indem es uns die Bilder einer stürmischen Zeit vorhält, die uns, wenn Gott nicht wunderbar hilft, gleichfalls bedroht und deren unheilbringenden Einfluss wir bereits zu unserm Schaden erlebt haben.

Hr. Lochner, ein Nürnbergischer Gelehrter von gutem Namen und schriftstellerischem Ansehen, sagt uns in der Vorrede, dass er in seinem Werke keine unbedingte Vollständigkeit beabsichtigt habe, sondern, wie in der von ihm herausgegebenen Geschichte der drei Jahrhunderte von Luther bis auf Friedrich den Grossen, an welche sich sein jetziges Buch unmittelbar anschliesst, von einem andern Gesichtspunkte ausgegangen sey. Er habe

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

nämlich versucht, eine bei aller Kürze doch in dieser Zusammenstellung gedrängte und möglichst reichhaltige Schilderung der Revolutionszeit und des Kaiserthums bis auf den Frieden zu Tilsit, mit Berücksichtigung des Bedürfnisses eines gebildeten Publikums, zu geben. Und wir können nicht anders urtheilen, als dass dies treu, wahrheitsliebend und gründlich geschehen ist, wie es der gute Ruf deutscher Geschichtschreibung erheischt, in einer gefälligen und von aller Schwerfälligkeit entfernten Sprache. Dazu ist der Umfang des Buches nicht zu gross, der Preis nicht zu hoch gestellt. Demnach darf man demselben selbst in dieser,. dem Ankauf guter Bücher so nachtheiligen Zeit, eine günstige Verbreitung überall voraussagen, WO man Wachsmuth's Werke zu weitläufig und zu kostspielig findet, oder wo sich der gesunde Sinn unsres Volkes mit Ekel von der Charlotenburger Fabrikarbeit abwendet, oder wo man endlich die Tendenzschrift eines Louis Blanc verschmäht. Ueberdiess sind ja die schlechten Arbeiten der Gebrüder Bauer in ihrer ungelenken Form vielleicht schon jetzt so gut wie vergessen, und Louis Blanc's Werk enthält, bei manchen Vorzügen der Schreibart und der Neuheit, doch eigentlich nur eine Anklage des Bürgerstandes, also eine der mannigfaltigen doctrinären Thorheiten der Gegenwart.

Wenn wir hiernach von dem Studium der Quellenschriften und der sonst einschlägigen Literatur sprechen wollen, so wird der mit der Geschichte der Revolution Vertraute überall die deut

lichsten Belege hierzu finden, wenn schon nicht die Namen der benutzten Schriftsteller genannt sind. Sehr erfreulich war es uns aber, in der Vorrede nach einzelnen Bemerkungen über Thiers, Mignot und Andere ein so ausführliches und belegtes Lob über Wachsmuth's Geschichte von Frankreich zu lesen und das unumwundene Zeugniss zu finden, dass sie als das bedeutendste und gründlichste Werk über die Revolutionszeit angeschen werden müsse. Wir haben uns bei den Anzeigen der einzelnen Bände in unsrer A. L. Z. und zuletzt 1846

Nr. 155-157 ganz in gleicher Weise ausgesprochen.

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Durch dies genaue Quellenstudium ist es unserm Vf. möglich geworden, seine Absicht, sich von den beiden extremen Richtungen in der Geschichte der Französischen Revolution frei zu halten, zur Zufriedenheit gewiss der meisten Leser durchzuführen. Er sagt unter andern hierüber in der Vorrede : Es ist gewiss durchaus verkehrt, die Revolution als etwas Gerechtes, künstlich Vorbereitetes, dem Volke von aussen her gleichsam durch ein Complott Aufgedrungenes hinzustellsn. Wenn man aus der Geschichte ihr eine analoge Erscheinung zur Seite stellen wollte, so würde -man freilich hinsichtlich der Form in Verlegenheit seyn, hinsichtlich des Wesens aber, worunter wir aber nicht die politische Richtung, sondern die intensive Begeisterung für eine Idee erblicken, lässt sich gewiss die Zeit des ersten Kreuzzugs unbedenklich mit ihr vergleichen. Namentlich auch in der Unwissenheit liegt eine grosse Aehnlichkeit. Wie jene ersten Pilger bei jeder Burg meinten, sie seyen vor Jerusalem angelangt, so wähnten jene ersten Enthusiasten, sie hätten mit einigen philosophisch - klingenden Redensarten die Welt reformirt, das Menschengeschlecht auf den unfehlbaren Weg der Tugend und Glückseligkeit geleitet und das goldne Zeitalter der Freiheit und Gleichheit, das nie war und nie seyn wird, in die Wirklichkeit hineingezaubert." Weiter spricht sich Hr. Lochner gegen die aus, welche ohne Sinn für die Auffassung weltgeschichtlicher Ereignisse den tiefen Ernst verkennen, der der Französischen Revolution zu Grunde gelegen hat und da von faiseurs sprechen, wo ein bitterer und blutiger Ernst bei allen Männern der Revolution, von Robespierre an bis auf Chaumette, der Grundzug ihres Handelns gewesen ist, ja er tadelt diejenigen, welche mit Spott und Hohn über einzelne Begebenheiten, die uns jetzt komisch scheinen, hergehen und die Ansichtsweise der revolutionären Zeit gänzlich verkennen. Solche Begebenheiten wären es z. B. gewesen, als Herault de Sechelles die 3000 Vögel zum Zeichen der Freiheit habe fliegen lassen, was uns jetzt lächerlich vorkäme. ,,Das Eigen

Buches besser zu bezeichnen, als durch eine blosse Inhaltsanzeige. Zuerst bemerken wir, dass nach S. 3842 die Revolution in Frankreich etwas Unvermeidliches gewesen sey, weil die Monarchie so total an Haupt und Gliedern erkrankt war, dass eine partielle, etwa am Finanzwesen allein versuchte Heilung schlechthin unmöglich gewesen wäre, dass daher nichts Anderes übrig blieb, als den ursprünglichen Vertrag zwischen Volk und Regierung einer Revision zu unterwerfen und ein neues Staatsleben zu beginnen, wie es schon vor 1789 die Parlamente gewollt hatten; der Minister Brienne aber, bei gänzlicher Ungeschicklichkeit zum Vergleichen und bei einer eben so grossen Unkenntniss aller in der Geschichte Frankreichs ganz gewiss nachweisbaren Grundlagen eines Französischen Staatsrechts, verdarb Alles durch sein plumpes Eingreifen. Einen zweiten Beleg für die obige Behauptung finden wir (S. 76 ff.) in der offenen Darlegung des grossen geistigen Irrthums, welcher nach der Verlegung der National-Versammlung von Versailles nach Paris auf beiden Parteien Statt gefunden hat, einmal in der Hartnäckigkeit des Hofes, die alten zerfressenen, morschen Formen noch zu halten, anderntheils in den ideellen Speculationen der bedeutendsten Mitglieder der Versammlung, welche glaubten, dass die rein philosophischen Doctrinen jemals im Stande seyn würden, die alten historischen und localen Bedingungen zu ersetzen. Eben so richtig urtheilt Hr. Lochner (S. 101) über die äusserlichen Kränkungen, welche Ludwig XVI. von der gesetzgebenden Versammlung zu erleiden hatte. Es waren solche Ereignisse keineswegs etwas Geringfügiges, sondern deutliche Vorzeichen des gänz– lichen Sturzes der bereits ihrer Zierde und AusWarum sollte zeichnungen beraubten Monarchie. auch Ludwig auf ihren Fortgenuss weniger Werth legen, als die Versammlung darauf legte, ihn dieser Auszeichnungen zu berauben? Unter den Männern dieser Versammlung hat nun Hr. Lochner dem blutigen Dictator Robespierre eine besondere Berück¬

thümliche unsrer Gegenwart ist, dass sie für alle sinnbildliche oder symbolische Darstellungen gänzlich abgestumpft und blasirt ist, dass sie für alle Poesie das Verständniss verloren und dass der trockne, nüchterne Begriff, der nichts gel-sichtigung gewidmet. Er streitet dagegen, ihn mit ten lässt was er nicht zählen kann, über das Bild und das Sinnbild gesiegt hat." (Vorr. S. XII.). Diese letzten Worte sind uns aus der Seele geschrieben, wenn wir auch gegen die Ansicht des Vf.'s von Robespierre weiter unten werden Einspruch thun müssen.

Hiernächst wollen wir einige Stellen anführen, in welchen Hr. Lochner die extreme Ansicht vermieden hat, und glauben dadurch den Geist seines

den gewöhnlichen banalen Ausdrücken beurtheilt zu wissen, Robespierre sey kein morgenländischer Despot gewesen, der am Blutvergiessen seine barbarische Lust gebüsst habe; er macht für ihn geltend, dass eben so wenig als der Arzt blutdürstig zu nennen ist, der im verzweifelten Falle zu verzweifelten Mitteln seine Zuflucht nimmt, eben so wenig der Staatsmann getadelt werden darf, dem in einer

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furchtbaren Krisis sich ein solches Mittel als das einzig heilbringende offenbart; er giebt zwar zu, dass Robespierre's von Neid und Ehrsucht gestachelter Wille seinen mittelmässigen Talenten Kraft und Nachdruck gegeben habe, aber es sey auch der Grundsatz des Schreckens, den er aufstellte oder nach Danton's Vorbild anwendete man möge nun sagen was man wolle das; einzige Mittel gewesen, um die bisher gewonnenen Vortheile der Revolution zu erhalten, einen vollständigen Bürgerkrieg zu verhindern und die Versuche der Vaterlandsfeinde entschieden zu vereiteln (S. 259 f. 267 ff. u. a. a. 0.). Der Raum gestattet es uns nicht, in die Einzelnheiten dieser Schilderung einzugehen, aber wir befürchten, dass Hr. Lochner, der grade durchaus gerecht hat seyn wollen, ungerecht geworden ist. Allerdings darf die unparteiische Geschichtschreibung sich nicht durch Einflüsterungen oder durch die Stimmen Derer, die unter dem Terrorismus die schlimmsten Schicksale erlitten, irre machen lassen, aber sie darf auch nicht den Charakter eines Robespierre preisen und an die Lauterkeit des Worts, mit dem er prunkte, glauben. Robespierre war, wie Wachsmuth (Geschichte von Frankreich Th. II. S. 300) sehr richtig sagt, um kein Haar besser als Muhamed und Cromwell, und wenn man auch in ihm eher einen mordwüthigen Fanatiker als einen egoistisch-berechnenden Bösewicht sehen will, so bedenke man, dass sich der Fanatismus und der Macchiavellismus mit einander sehr wohl vertragen. Darüber ist Wachsmuth (a. a. O. S. 301-304 und 346 f.) gegen alle Apologeten des Robespierre'schen Systems, zu denen neuerdings auch Lamartine mit ergiebiger Rhetorik getreten ist und in Robespierre den Luther der französischen Revolution erkennt, nachzulesen. Wir meinen aber, dass von einer solchen Tyrannei, die sich mit Tugendhaftigkeit und anderen Worten von gutem Klange schmückt, Montesquieu's unsterbliches Wort noch jetzt gilt: il n'y a point de plus cruelle tyrannie que celle que l'on éxerce à l'ombre des lois et avec les couleurs de la justice. (Sur les causes de la grandeur des Romains chap. 14.). Wenn nun endlich Hr. Lochner (S. 272) sogar dem englischen Pitt an leidenschaftlicher Vaterlandsliebe und reiner Uneigennützigkeit mit dem Franzosen Robespierre vergleicht, so ist das gewiss neu, aber wie wir offen heraussagen müssen - eine Parallele, welche wir der Besonnenheit des Hrn. Lochner nicht zugetraut hätten.

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Dagegen finden wir eine rühmliche Fernhaltung alles Extremen in seinem Urtheil über Bonaparte. So lesen wir über denselben im Jahre 1800: Sah sich nun der erste Consul durch solche Angriffe (der Royalisten) unmittelbar bedroht, so ist es begreiflich, wenn von dieser Zeit an sich schärfer abschloss, und auch, ohne es zu beabsichtigen, den Schein eines Despoten um sich verbreitete. Ueher schwärmerische Täuschungen, wie sie Robespierre sich machte, wie sie den Männern der Gironde, ja wie sie auch Danton vorgeschwebt hatten, war er längst hinaus, das Leben im Felde und die mathematische Schärfe seines Verstandes hatten solche Träumereien niemals Wurzel schlagen lassen, er rechnete nicht auf die Tugend der Menschen und kannte die natürliche Schwäche zu gut, um sie deshalb zu verdammen oder ganz zu verachten. Solche Angriffe konnten ihn daher weder zur rachsüchtigen Tyrannei bewegen, noch in dem einmal gefassten Entschlusse wankend machen. Er empfand das Bedürfniss einer Restauration der ganzen Societät in politischer und moralischer Hinsicht: hierzu bedurfte er vor allen Dingen des äusseren Friedens." (S. 359). Dass zur Erreichung solcher Zwecke der militärische Despotismus, als dessen Opfer der Herzog von Enghien fiel, nicht beschönigt worden ist, eben so wenig als später die Hinrichtung Palm's, liess sich von der Gerechtigkeit unsres Vf.'s nicht anders erwarten. Eben so richtig als früher die Unvermeidlichkeit der Revolution, hat der Vf. (S. 371 ff.) die unvermeidliche Nothwendigkeit eines Uebergangs Frankreichs aus der demokratischen in die monarchische Form dargethan. Er zeigt, wie es nicht möglich gewesen sey, dass auf den Convent habe sofort eine Monarchie folgen, oder dass dies von dem Directorium habe ausgehen können, vielmehr sey die Armee, welche nach siebenjährigen Kämpfen ihr Vaterland in eine Achtung gebietende Stellung erhoben habe, damals die einzige Klasse von Staatsbürgern gewesen, von welcher eine Zukunft Frankreichs ausgehen konnte. Aber unter allen ausgezeichneten Männern in derselben war keiner zur Beherrschung des aufgeregten Frankreichs geeigneter als Bonaparte. Das Directorium war eine aufgegebene Sache, an die Stelle der Civilisten und Advocaten musste nothwendig die Herrschaft eines Mannes treten, der selbst zu Pferde steigen und Heere befehligen konnte, was die Franzosen stets an ihren Königen geliebt haben. „War nun einmal das Consulat einem solchen Manne übertragen, fühlte dieser Mann, dass kein Anderer die vom Geschick ihm gegebene Aufgabe besser durchführen könne als er selbst, so dass er ein Schwächling oder ein Thor gewesen wäre, hätte er sich durch eine republikanische Grossmuthsidee zur unzeitigeu Abdankung bewegen lassen und Alles wieder in das alte Gewirr zurückgestürzt, so wird man dem Manne es nicht verdenken, wenn er endlich aus der temporären Stel

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