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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

Monat Junius.

1849.

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

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(Beschluss von Nr. 143.)

Der erste Fall ereignete sich bei einem wegen un

stament vorhanden war, so lief zuerst die jährige Frist für die c. t. b. p. und nach deren Ablauf die für die secundum tabb. War diese agnoscirt, so konnte von der Intestaterbfolge nicht mehr die Rede seyn. Wusste man, dass kein Testament da war, so fing die Klasse unde liberi an; diese Kinder aber konnten, hatten sie das Jahr verstreichen lassen, noch in der folgenden Klasse, und die leiblichen Kinder auch in der dritten nochmals kommen, also drei Jahre lang; aber sehr wahrscheinlich wird es vom Vf. gemacht, dass der Prätor, um eine spätere Verwandtenklasse zuzulassen, nicht ein Jahr und resp. noch länger gewartet, sondern wenn notorisch der Verstorbene keine Kinder hinterlassen hatte, so konnte entweder sogleich Jemand aus der Klasse

bedeutender Formfehler ungiltigen Testamente. Dies wurde aufrecht erhalten, wenn gar kein civiler Erbe vorhanden war, wenn der vorhandene Erbe die Erbschaft nicht haben wollte, und, wie der Vf. meint, auch wenn der b. possessor selbst der nächste civile Intestaterbe ist. In diesem ersten Falle sind selbst civile Intestaterben aber wohl nicht sui durch ein Rescript von Marc Aurel im Besitz der Erbschaft geschützt, wodurch die Bahn gebrochen wurde, die Mancipationsfeierlichkeiten unde legitimi agnosciren, oder bei Vorhandenseyn

bei einem Testamente für überflüssig zu erklären. An ihn schliesst sich unserer Meinung nach der Fall an, dass ein späteres imperfectum testamentum das frühere giltige rumpire, wenn im letztern die Intestaterben eingesetzt sind. Der zweite Fall trat bei einem wegen capitis diminutio (minima) des Testator ungiltig gewordenen Testamente ein, wenn diese wieder aufgehoben ist, sowohl wenn gar kein legitimus da ist, als auch, wenn ein solcher nicht auftreten will, der eingesetzte Erbe selber aber der nächste Civilintestaterbe ist. Der dritte Fall trat ein, wenn durch einen schon vor dem Tode des Testator weggefallenen postumus ein Testament rumpirt war, und zwar nach einem Rescripte Hadrians selbst dann, wenn auch ein Civilerbe dagegen auftreten sollte. Der vierte Fall war die Aufrechthaltung des Testamentes in Folge des Im fünften CaAbstinirens eines präterirten suus. pitel endlich wird Delation und Acquisition der b. p. im Allgemeinen geschildert, und die Rückwirkung, welche das successorium edictum auf das civile Recht ausgeübt hat. Der Zweck bei der Einführung der b. p., so rasch als möglich einen Repräsentanten dem Erblasser zu gewinnen, führte wahrscheinlich dazu, die Agnitionsfristen so rasch wie möglich aufeinander folgen zu lassen. Wenn es daher bekannt war, und dies war bei der Menge der nöthigen Zeugen leicht der Fall, dass ein Te

eines Testamentes secundum tabb. b. p. erbitten; und wenn der entfernt Berufene das Nichtvorhandenseyn näher Berechtigter wusste oder doch wissen musste, so lief Jenem schon vom erfahrnen Todestage die Agnitionsfrist. Dass es dabei auf Beweise vor dem Prätor oft ohne processualische Gegner ankam, ist gewiss, und der Vf. schärft von neuem ein, dass die Unterscheidung in decretalis und edictalis b. p. nicht mit der pro tribunali und de plano zusammenfalle, sondern dass auch die edictalis pro tribunali ertheilt werden musste, wenn ihr eine causae cognitio voranging, deren Unterlassung oft Ursache war, dass eine ertheilte b. p. zur sine re ward. Das ius deliberandi mit seinen Fristen, obwohl für civile Erben bestimmt, ist dennoch durch den Prätor eingeführt. Denn hätte der Prätor bereits dergleichen Fristen vorgefunden, so liesse sich das successorium edictum nicht erklären; und ausdrücklich wird ja auch vom Prätor im fr. 1 § 1 De jure delib. gesagt: si tempus ad deliberandum petit, dabo. Durch solche Fristen, deren Verlängerung sich der Prätor vorbehielt, wurde namentlich die bonorum venditio des Erblassers in eine viel fernere Weite verschoben, als nach dem ältesten Rechte.

Des zweiten Bandes zweite Abtheilung gibt uns die Geschichte der b. p. in der spätern Kaiserzeit (Buch III) mit ausführlicher Darstellung zur

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In der Einleitung zum dritten Buche weist der Vf. nach, dass ordinaria b. p. und successorium edictum identisch sind, und dass der den Neuern geläufige, den Quellen fremde Ausdruck extraordinaria b. p. nur die Carboniana und die b. p. quibus ex legibus bezeichnet, welche beide Lehren zwar den Namen b. p. führen, aber nicht zur wahren b. p. gehören. Eine wahre b. p. quibus ex legibus will der Vf. zwar in Bestimmungen der lex Julia et Papia Poppaea (richtiger nur der letztern allein) finden, und die oben angegebene Erweiterung der b. p. séc. tabb. durch selbstständige Verordnungen der Kaiser ausschliessen; aber wenn der Vf. selbst hier beständig von Kaisergesetzen spricht, und dafür schon einen Gewährsmann an Papinian in fr. 21 De legat. praest. hat, so können auch ganz gut diese Fälle zu einer b. p. gezählt werden. Das erste Capitel dieses Buchs schildert das Verschwinden der fictitiae actiones und die Entstehung der hereditatis petitio possessoria. Von den beiden Wegen, die nach des Vf.'s Meinung in einem gut organisirten Staate einzuschlagen sind, entweder zwei Klagen dem Erben zu verstatten, die eine für die Forderungen, die andere für die Sachen des Erblassers, oder nur eine Gesammtklage für Beides, hat das Civilrecht der Römer den letzten Weg durch Gewährung der hereditatis petitio eingeschlagen, jedoch nicht vollständig, indem es die dinglichen Einzelklagen daneben bestehn liess; der Prätor dagegen hat den ersten Weg gewählt, und fictitiae actiones für die Forderungen des Erblassers, für die Sachen desselben eine Gesammtklage, das Interdictum quorum bonorum gegeben. Daraus ergiebt sich, dass die Gewährung der hereditatis petitio gar keine Nothwendigkeit für den prätorischen Erben war; und eben so wenig ist bisher der factische Beweis mit Erfolg geführt, dass Gaius und Ulpian die hereditatis petitio, auf den bonorum possessor als possessoria angewendet, gekannt haben, vielmehr müssen wir annehmen, dass diese Klage dem b. possessor erst unter den christlichen Kaisern durch die Praxis gewährt wurde. Nur in zwei Fällen meint der Vf. lasse sich das Vorhandenseyn der h. p. possessoria schon zur Zeit der klassischen Juristen vertheidigen, theils bei der b. p. litis ordinandue gratia namentlich der b. p. partis dimidiae patroni, theils bei dem Erbrechte der Peregrinen. Zur Zeit Diocletians war die b. p. viel häufiger als die hereditas, und fast immer cum re, so dass die b. p. jetzt nicht mehr als Besitz, sondern als wirkliches Recht uns entgegentritt. Daher sehn wir

das prätorische und das civile Recht in vielen Verordnungen Diocletians über das Erbrecht ganz gleich gestellt, die b. possessores nicht mehr als provisorische Erbnehmer, sondern als definitive heredes bezeichnet, und nur noch dem alten Formelwesen dadurch Rechnung getragen, dass die dem b. possessor bewilligte Erbschaftsklage possessoria h. p. genannt wurde. Im zweiten Capitel wird aus innern Gründen die Umgestaltung der einzelnen notherbenrechtlichen testamentarischen und Intestatklassen der b. p. als durch das Gewohnheitsrecht vermittelt nachgewiesen, so dass bereits zu Diocletians Zeit jede b. p. ganz ausnahmslos definitives Erbrecht bedeutete, weshalb der Ausdruck sine re b. p. sich gar nicht mehr findet, und b. p. cum re das einzige Mal in einer Verordnung Diocletians. wo es sich findet, eine giltige b. p. bezeichnet. Spuren der b. p. sine re in Justinians Compilation hat der Vf. nur drei auffinden können S. 229 ff. Die Ertheilung der b. p., ehemals Sache des prätorischen imperi, musste, als die Bedeutung auch dieses Magistrats immer mehr gesunken war, sich in eine blosse Anzeige bei dem Richter verwandeln, dass man die Erbschaft antreten wolle. Eine causae cognitio konnte nicht mehr vorkommen, seitdem vor jedem beliebigen Richter die b. p. agnoscirt werden durfte; und wenn bei den verschiedenen Richtern sich Erbprätendenten gemeldet hatten, so kam es, wenn dies geschehn war, zu einem gewöhnlichen Process, dessen Endresultat ganz gleiche Berechtigung dem civilen so wie dem prätorischen Erben gewährte. Die agnitio b. possessionis war also jetzt eine besondere Form des pro herede gerere, nämlich das Melden vor Gericht innerhalb einer bestimmten Frist, welche nur den Vortheil des Interdictum quorum bonorum gewährte. Diese Gleichstellung wurde noch durch die Auffassungsweise des bereits oben erwähnten Rescripts von Marc Aurel vermittelt, welche allmählig ein dem civilen Testamente ganz gleich berechtigtes prätorisches Testament herbeiführte, nachdem der Unterschied zwischen der per exceptionem und ipso iure bestehenden Giltigkeit so gut wie geschwunden war. Hierbei sucht der Vf. es wahrscheinlich zu machen, dass die Fassung des Edicts: non minus multis signis quam e lege oporteat darauf deute, dass das Civilrecht stets mit fünf Siegeln zufrieden gewesen

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eine Ansicht, die sich noch im testamentum ruri conditum erhalten dass aber seit Diocletian aus einem solchen mit fünf Siegeln versehenen Testamente zwar ein civiles, aber kein prätorisches Erbrecht habe abgeleitet werden können. Bei der Betrachtung der Antretungsregeln des prätorischen Erbrechts (Cap. III), unter denen die Einhaltung der aufgestellten Frist noch immer fortbestand, meint der Vf., dass der Prätor dem Agnoscirenden eine Urkunde zu seiner Legitimation eingehändigt habe. Uns scheint es eher, dass der Bittende dem Prätor ein solennes geschriebenes Gesuch zur Unterschrift eingereicht habe; denn es ist zwar von solenniter petere und von recte petere, niemals aber

ver

von solenniter dare b. possessionem die Rede. Doch fiel dies später durch Constantius fort, der statt der inanium verborum captiones eine qualiscunque testatio amplectendae hereditatis für genügend erklärte, welche jedoch in den Acten vermerkt werden musste. Der Vf. verfolgt hier die allmählige Aufhebung der cretio, die im Zusammenhange mit der Entwickelung der Adventitien-Lehre steht, ebenso diesen Umstand, dass die missio ex edicto divi Hadriani die Anstellung des Interdictum quorum bonorum bei jedem vorhandenen Testamente drängte; namentlich sollte die b. p. nachzusuchen bei dem testamentum principi oblatum ganz unnothig seyn, so dass das Interdict nur für den Intestaterben von Interesse blieb. Das vierte Capitel endlich weist die allmählige Umgestaltung dieses Interdicts nach, die zu Diocletians Zeiten erfolgte. Diocletians Zeiten erfolgte. Nachdem die Beurtheilung des Prätor bei dem Gewähren der b. p., ob der Bittende wahrscheinlich der nächste Erbe sey, aufgehört, wurden jetzt die Wahrscheinlichkeitsbeweise in den Interdictsprocess gezogen. Das Interdict ward ein rein provisorisches, auf Grundlage von Bescheinigungen (summarisch) geführtes Verfahren vor dem stets noch denkbaren petitorischen Erbschaftsprocesse, weshalb theils keine Appellation gegen dasselbe zulässig war, theils dasselbe nur gegen den, qui putat se heredem esse (S. 3 J. de interd.), nicht mehr gegen den qui heres est (Gaius IV, 144) auf Besitzerlangung der corpora hereditaria angestellt werden durfte. Beschränkt war die Anwendung des Interdicts durch die jetzt häufige, nach des Vf.'s Ansicht nicht blos Detention gewährende, missio ex decreto Hadriani bei Intestaterben, wenn sie b. p. agnoscirt hatten. Wir möchten nur nicht mit dem Vf. dem Notherben das Interdict gegen den aus einem formell richtigen Testamente Immittirten absprechen; denn so wie der Testamentserbe dem Notherben weichen muss, so glauben wir auch, muss der missus dem contra tabb. b. possessor weichen, welcher das Interdict anstellt.

Das vierte Buch schildert uns die b. p. in der Justinianeischen Compilation. Ungeachtet Justinian in dieser Lehre nur gesammelt, und durch keine ausdrückliche Verordnung in diese Lehre bedeutend eingegriffen hat, so kann, wie der Vf. darauf aufmerksam macht, daraus noch nicht geschlossen werden, dass er es ganz bei der Gestalt hat lassen wollen, wie sie bei seinem Regierungsantritte war. Es ist nämlich auch möglich, dass er das geschlossene System der b. p. hat lösen wollen, und dies durch Zusammenstellung einzelner Lehren der b. p. mit den gleichartigen Lehren der hereditas, durch Titelüberschriften und Auslassungen angedeutet habe. Für diese zweite Möglichkeit entscheidet sich der Vf., und als Beweis hicfür dient ihm Folgendes. Das prätorische Recht gewährt entschieden unter Justinian eine definitive Universalsuccession; die agnitio b. possessionis hat dieselben Wirkungen als die hereditatis aditio. Derjenige, welcher die b. p. agnoscirt hat, wird selten noch b. possessor

nen,

genannt, und Justinian hat einen besondern Titel de hereditatis petitione possessoria für den b. possessor unmittelbar hinter dem Titel de hereditatis petitione eingeräumt. Trotz dem, dass die Antretungsformen des Civilrechts und des prätorischen vor Justinian nicht völlig ausgeglichen waren, und auch in der Compilation nicht ausgeglichen scheiindem die Institutionen noch immer für die b. p. die Nothwendigkeit einer in einer bestimmten Frist vor einem Richter geschehenen Agnition hervorheben, so enthalten doch die eigenen vor und nach Abfassung der Institutionen erlassenen Verordnungen Justinians im Codex so gar keine Spur von einer Verschiedenheit der Antretung für die prätorischen und die civilen Erben, dass man daraus schliessen kann, Justinian habe unmöglich die Agnition für ein nothwendiges Requisit des prätorischen Erben erklären können; und dieser Schluss wird ganz besonders gerechtfertigt durch eine Reihe von Zeugnissen aus den Scholien zu den Basiliken, welche meistens nur die Antretung re et verbis unterscheiden, und zu der letztern auch die Agnition als eine besonders formelle und unzweifelhafte hervorheben, jedoch ohne sie für ein ausschliessliches Recht des prätorischen Erben zu erklären, und ohne als Folge an sie die Berechtigung zum Interdictum quorum bonorum zu knüpfen, das sie nicht weiter von der hereditas petitio unterscheiden, worin allerdings sie von Justinians Ansicht abweichen. Den Beweis, dass die Agnition der b. p. auch für die prätorischen Erbklassen nicht nothwendig ist, führt der Vf. auch aus den Novellen Justinians, die fast gar nicht die b. p. erwähnen, während er die Beibehaltung jener Regeln im Codex und in den nicht zum Unterricht bestimmten Büchern der Digesten aus der blossen Compilirmethode und daraus erklärt, dass ein solches Auftreten vor dem Richter, wie die agnitio war, ter, wie die agnitio war, durchaus zweckmässig erschien. Auch die Institutionen zeigen, dass bis zum neunten Titel des dritten Buches de b. possessionibus schon immer zugleich neben der civilen Erbfolge auch die prätorische dargestellt ist, und der Vf. macht darauf aufmerksam, dass selbst in diesem eben genannten Titel hinter der Darstellung des alten Prätorischen Rechts Justinian seine von ihm selbst geschaffenen Veränderungen hervorhebt, wodurch alle Klassen der b. p., selbst die des überlebenden Gatten zu civilrechtlichen werden, und dass der Kaiser am Schlusse hervorhebt, das Interdictum quorum bonorum solle noch immer ein besonderes beneficium für die Besitzerlangung seyn, versteht sich wenn vor einem Richter in der gehörigen Frist die b. p. agnoscirt ist. Da nun endlich die civilen Klassen der Intestaterben durch die Novelle 118 ganz geändert sind, so mussten darnach auch die prätorischen Intestaterbklassen nicht mehr liberi, legitimi und cognati heissen, sondern Descendenten, Ascendenten und Seitenverwandte seyn. Dass der Erwerb jeder Erbschaft durch Stellvertreter im Wege des Mandates oder der Ratihabition, sowohl bei willensunfähigen als fähigen Per

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sonen zulässig seyn muss, können wir vollkommen einräumen, nur theilen wir nicht die Meinung, dass in der Compilation die widerstreitenden Ansichten der frühern Zeit über den Erwerb der b. p. für Pupillen sich finden. Zu dieser Meinung scheint der Vf. durch das allgemein klingende Rescript Valerians in c. 5 C. de jure deliberandi verleitet, wo unter dem Pupill, welcher tutore auctore die Erbschaft pro herede gerendo erwerben kann, nur einer qui furi potest zu verstehn ist, wie dies ganz deutlich aus dem vom Vf. übersehenen fr. 9 D. 29, hervorgeht, wo Paulus sagt: pupillus, si fari potest, cum tutoris auctoritate hereditatem adquirere potest. Dass hier Marcian und Gaius nach des Vf.'s Meinung freiere Ansichten gehabt haben sollten als die später lebenden Ulpian, Paulus und Modestin, hätte ihn schon von seiner Ansicht zurückführen müssen. Dagegen stimmen wir vollkommen bei, dass dem mutus, qui nihil intelligit, durch seinen Curator nur interimistischer Erbschaftserwerb zu verstatten sey. Denn ungeachtet nach fr. 65 S. 3 D. 36, 1 für ein solches Subject der Curator die zu restituirende Erbschaft antreten darf, so ist doch eine solche gerade nur interimistisch erworben, wie die für furiosi und Verschollene erworbene, während die für Unmündige, Minderjährige und juristische Personen definitiv erworben wird. Daher bezeichnet auch wohl noch im Justinianeischen Rechte b. p. eine interimistische Besitzeinweisung, wofür die Fälle der b. p. furiosi, der Verschollenen und der Taubstummen, ebenso die Carboniana b. p. und die missio ventris nomine Beispiele enthalten, für welche letztere nicht wie für jene das Interdictum quorum bonorum, sondern das Interdict ne vis fiat si qui in possessionem missus est gegeben war. Die b. p. litis ordinandae gratia erklärt der Vf. schon im Justinianeischen Rechte für veraltet, und behauptet dasselbe auch hinsichtlich der Form der decretalis b. p.

Das fünfte und zugleich letzte Buch spricht von der ReAls Resultat geht hervor, ception der b. p. in Deutschland. dass sie nicht erst in den neuern Gesetzgebungen, sondern schon im gemeinsamen Recht ein unpraktisches Institut geworden ist, und daher ihre Wirkungen nur mittelbar in die Gegenwart hinein erstreckt. Denn es ist ganz irrthümlich zu meinen, jeder zur Zeit Justinians geltende Rechtssatz gelte als solcher auch im gemeinen Rechte; Justinians Compilationen sind für uns nicht Gesetzbuch, sondern Gewohnheitsrecht, das nur so weit gilt, als unser Rechtsleben die Institute des Corpus juris recipirt und etwa modificirt hat. Wegen dieser Modificationen, welche so viele Lehren des Justiniancischen Rechts erlitten, hat der Vf. ganz Recht, wenn er es tadelt, die Geschichte eines Rechtsinstitutes seit Justinian Dogmengeschichte zu nennen, indem einzelne Rechtsinstitute ihre Geschichte über Justinians Zeitalter hinaus bis in die neueste Zeit fortsetzen. Die Juristenschriften gehen theils die wissenschaftlichen Ansichten ihrer Vff. wieder, theils legen sie Zeugniss für die Anwendung der b. p. ab; und für dies Letzte sind auch einzelne Stadt- und Landrechte von grosser Beweiskraft. Das corpus juris canonici und die Reichsgesetze enthalten Nichts über die b. p., ein ziemlich deutliches Argument für ihre Nichtgestaltung. Was aber die Bedeutung

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der Schriftsteller für die praktische Geltung betrifft, so muss
man sich sehr hüten, das hodie immer von der Zeit des
Schriftstellers zu verstehen, indem diese Bezeichnung sehr
oft, namentlich bei den Glossatoren, das neueste Justinia-
neische Recht andeutet. Die Nachfolger der Glossatoren bis
ins funfzehnte und sechzehnte Jahrhundert, welche über die
(manche grobe Fehler enthaltenden) Glossen die Quellen ver-
nachlässigten, schufen der Irrthümer viel mehrere, so in dem
1586 auf 105 Folioblättern gedruckten Commentar von Petrus
Ricciardi über die b. p. Wenn aber der Vf. diesen spätern
Scribenten die ersten Anfänge der ganzen Lehre von di-
rectum und utile dominium" zuschreiben will, so thut er
ihnen Unrecht, indem schon in der Glosse zu l. 1 De b. p.
das dominium des b. possessor als utile erklärt, und das
directum dem heres allein zugeschrieben wird, ebenso wie
auch in der Glosse zu 1. 3 §. 2 De b. p. schon die Frage,
ob die b. p. ein ius quo oder propter quod persequimur sey,
zu Gunsten der letztern Ansicht entschieden wird. Mit dem
sechzehnten Jahrhundert begann ein neues Leben in der Be-
handlung der Röm. Rechtsquellen, das auch wohlthätig auf
die vorliegende Lehre gewirkt hat, aber erst seit der Auf-
findung des echten Gaius konnte von einer bessern Begrün-
dung des Historischen in dieser Lehre die Rede seyn, und
dem Vf. ist das Verdienst zuzuschreiben, die Einwirkung
des neuesten Justinianeischen Rechts und der spätern Zeit
auf die b. p. genügend nachgewiesen zu haben, wodurch na-
mentlich die heutige utilitas der agnitio b. possessionis für
Anstellung des Interdicts quorum bonorum als gar nicht in
der Praxis vorhanden nachgewiesen wird, indem das Inter-
dict nach entschiedenem Gewohnheitsrecht jedem Erben auch
ohne nachgesuchte b. p. zusteht, indem auch der überlebende
Ehegatte ein völlig gleiches Erbrecht mit den Verwandten in
Anspruch nehmen kann, so dass auch bei ihnen die prätori-
schen Fristen der Agnition sich eben so wenig nach Deut-
schem Gewohnheitsrechte finden, als bei der b. p. Carbonia-
na, furiosi und ventris nomine, die als simple Missionen
behandelt wurden. Zum Schlusse behandelt der Vf. ein von
Giphanius und in der Nürnberger Reformation Einsatz ge-
nanntes Rechtsinstitut, womit die Befugniss des Richters be-
zeichnet wird, bestimmte Personen in Folge einer summari-
schen Untersuchung in den Besitz der Erbschaft, oder rich-
tiger nur der Erbschaftssachen, einzuweisen, so dass die de-
finitive Feststellung des Erbrechts dem Process in der here-
ditatis petitio überlassen bleibt. Dass dies Institut die mis-
sio Hadriana und das interdictum quorum bonorum in sich
vereine, führt der Vf. aus, nachdem er genau die Verschmel-
zung dieser beiden Röm. Rechtsinstitute nachgewiesen hat.
Der Vf. theilt noch die gewöhnliche Meinung über c. 22 §. 14
C. 6, 30, wonach der berufene Erbe nach dem Ende der De-
liberationsfrist nur dann als Antretender behandelt werden
soll, wenn Creditoren, nicht Substituten oder Intestaterben,
auf sein Antreten dringen, obwohl nach dem Geiste und den
Worten dieser Constitution stets die Antretung fingirt wer-

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den muss.

Rec. kann nicht ohne Dank über mannichfache Belehrung von dem Vf. scheiden. Auch wird Jeder eingestehen müssen. dass die vom Vf: aufgestellten Hypothesen mit grossem Scharfsinne verfochten sind. Diese ganze Lehre ist durch die vorliegende Untersuchung auf einen so hohen Standpunkt gehoben, dass, wenn nicht ein neuer glücklicher Fund von Röm. Rechtsquellen unsere rechtshistorische Kenntnisse bedeutend fördert, ein Menschenalter vergehen kann, ehe ein neueres Werk über denselben Gegenstand das hier besprochene verdrängen wird. Es ist ganz natürlich, dass, wenn eine Lehre bis in ihre feinsten Nüancen, und noch dazu eine so allmählig entstandene auf das Schärfste durchforscht wird, dann auch die Quellenzeugnisse viel genauer erklärt werden müssen, als es bisher der Fall gewesen. Dass hier Ernst der Wissenschaft und Geschick in der Behandlung sich die Hand gereicht haben, wird kein billiger Leser verkennen.

A. v. B.

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LITERARISCHE NACHRICHTEN.

Literarischer Nachlass des am 3. Septbr. 1848
in Berlin verstorbenen

Prof. Dr. Moritz Gotthilf Schwartze.
Die orientalische Philologie hat durch den so

uner

warteten Tod des Prof. Schwartze einen harten Verlust erlitten, welcher um so tiefer empfunden werden. muss, wenn man bedenkt, wie er mitten in seiner Laufbahn der Welt entrissen wurde, als er eben in Begriff stand, die in den Bibliotheken Englands gesammelten wichtigen Schätze der koptischen Litteratur zu veröffentlichen, und sein Zweck wie seine Aufgabe war, nächstdem auch die anderwärts, namentlich in Paris und in den Bibliotheken Italiens vergralienen koptischen Werke zu copiren, und durch den Druck bekannt zu machen. Ein in seinem Nachlass gefundener Bericht über seine Thätigkeit in England, welcher uns durch die Güte seiner trauernden Wittwe zugekommen ist, verdient um so mehr die allgemeine Beachtung, als er einen wenn auch nur flüchtigen Blick auf die Bedeutsamkeit seiner Leistungen gestattet. Wir theilen denselben nach den eigenen Worten des Verewigten mit, und fügen nur noch einige Data aus seinem frühern Leben hinzu.

Dr. Moritz Gotthilf Schwartze, ausserordentlicher Professor der koptischen Sprache und Litteratur an der Königl. Friedrich - Wilhelms-Universität zu Berlin, wurde den 24. Februar 1803 zu Weissenfels geboren. Er besuchte die Klosterschule zu Rossleben, studirte sodann in Leipzig Theologie, Philologie und Philosophie, und erlangte die philosophibche Doctorwürde zu Halle. Im J. 1833 habilirte er sich an der

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Berliner Universität, und schrieb dazu,,Prolegomena in religionem veterum Aegyptiorum. Berol. 1833. 8. 260 S." Sein grösstes Werk Das alte Aegypten, Darstellung und Beurtheilung der vornehmsten Entzifferungssysteme der drei altägyptischen Schriftarten, zwei, beinahe 2200 Seiten starke Bände in Grossquart, erschien zu Leipzig 1843 bei Joh. Ambros. Barth. Gleich darauf: Psalterium in dialectum Copticae linguae Memphiticam translatum, Leipzig 1843.

Im J. 1844 erhielt er die ausserordentliche Professur der koptischen Sprache und Litteratur an der Universität zu Berlin, und gab sodann die beiden ersten Bände des Koptisch- Memphitischen Neuen Testamentes heraus, unter dem Titel: Quatuor evangelia in

Halle, in der Expedition der Allg. Lit. Zeitung.

dialecto linguae Copticae Memphitica perscripta ad codd. mss. Copticorum in regia biblioth. Berol. adservatorum nec non libri a Wilkinsio emissi fidem edidit, emendavit, aduotationibus criticis et grammaticis, variantibus lectionibus expositis atque textu Coptico cum Graeco comparato instruxit M. G. Schwartze, Leipzig 1846 u. 1847. 4.

Am 9. Juli 1847 trat er im Auftrag der Königl. Preussischen Regierung seine wissenschftliche Reise nach England an. Die ihm für diese Reise auf ein Jahr gestellte genauere Aufgabe umfasst

1. Die Gewinnung der in England befindlichen koptischen Manuscripte der gnostischen Philosophie. 2. Die Vergleichung der daselbst befindlichen koptischen Handschriften des Neuen Testaments behufs der Fortsetzung der von ihm veranstalteten Ausgabe.

3. Die Abschrift der angeblich in England befindlichen Codices der koptischen Bücher des Alten Testaments.

dass

Nach seiner Ankunft in England ergab es sich, ein beträchtlicher Theil des einzusammelnden Materials nicht in dem Besitze öffentlicher Bibliotheken, sondern in den Händen von Privatpersonen, namentlich des Dr. Tattam zu Bedford sich befinde, welcher durch zweimalige Bereisung von Aegypten eine Sammlung von 70-80 koptischen Handschriften gewonnen hatte, dieselbe jedoch, wie es hiess, selbst für die Wissenschaft zu benutzen gedachte. Nicht minder ergab es sich, dass von den noch nicht veröffentlichten memphitischen Büchern des Alten Testaments nur ein beschränkter Theil (grosse Propheten, Proverbia), und zwar in der Tattam'schen Sammlung vorhanden sei. Dagegen stellte sich heraus, dass für das memphitische Neue Testament, vornehmlich aber für die Schriften, desgleichen für andere Gebiete der koptischen Litteratur zahlreiche, bisher nicht gekannte, und noch weniger für die Wissenschaft benutzte Schätze vorhanden waren. Es gelang dem Prof. Schwartze, sich nicht nur die Bekanntschaft, sondern theilweise auch die vertrautere Freundschaft jener Männer zu erwerben, deren Privat - Bibliotheken die koptischen Manuscripte enthielten. Mit wahrhaft britischer Grossmuth stellte namentlich der Dr. Tattam, sich nur die memphitischen alttestamentlichen Schriften für die eigene Herausgabe vorbehaltend, seine ganze reiche Sammlung ihm zur beliebigen Benutzung.

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