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wie das Glycerin, dass nämlich auch sie höchst wahrscheinlich mehratomige Alkohole sind.

Die meisten Zuckerarten enthalten schon eine beträchtliche Anzahl (meistens sechs) Kohlenstoffatome, und sie gehören darum zu den complicirter zusammengesetzten Verbindungen. Allein, dass eine solche Complication aus einfacheren Radicalen zu so hoch zusammengesetzten möglich ist, beweist ein Versuch von Buttlerow, der durch die Einwirkung starker Basen auf das sogenannte Dioxymethylen einen wahren Zucker, das Methylenitan erhalten hat. 1

Derselbe Chemiker hat mittelst des Zink methyls und Chloracetyl einen Alkohol aufgebaut, der einen der schönsten Fälle bildet, durch Synthese zu isomeren Verbindungen zu gelangen, denn isomer mit diesem Alkohol ist der der Buttersäure.

Ich muss es mir versagen, den nicht ganz einfachen Vorgang hier näher z zu erörtern, was, ohne dazu weit auszuholen nicht möglich wäre, aber bemerken muss ich, dass diese Synthese mit einen Beweis geliefert hat, für die Existenz einer fast unübersehbaren Menge von Verbindungen, die durch die Verschiedenheit ihrer, durch Substitution entstandenen Radicale unter einander isomer sind, was zwar schon früher mehrfach behauptet, aber erst durch Kolbe und Buttlerow wirklich bewiesen wurde.

Dieser Pseudobutylalkohol, so nennt man den dem Buttersäurealkohol isomeren ist nichts anders als Methylalkohol, in welchem aller Wasserstoff des Methyls selbst wieder durch Methyl ersetzt erscheint.

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Der wahre Butylalkohol dagegen kann als Methylalkohol betrachtet werden, in welchem ein Atom Wasserstoff durch das, dem Butyl vorausgehende homologe Propyl substituirt ist.

Die Zahl solcher Synthesen liesse sich noch bedeutend vermehren; ich muss sie jedoch beschränken, will ich noch Zeit

1 Einen Schritt näher zur Synthese der Zuckerarten hat nach einer neuesten erschienenen Publication Carius gethan, der das Dichlorhydrin, ein Derivat des Glycerins in einen vieratomigen, zuckerartigen Alkohol, den Propyl-Phycit übergeführt hat.

gewinnen, Ihnen einige der wichtigsten Nachbildungen organischer Säuren und stickstoffhaltiger Körper vorzuführen, die auch eine Rolle im Pflanzen- und Thierleben spielen.

Zwischen den Alkoholen und den organischen Säuren besteht ein sehr einfaches Verhältniss; die letzteren sind Oxydationsproducte der ersteren, oder, anders ausgedrückt, sie enthalten Radicale, in welchen ein Theil des Wasserstoffes des früheren Alkoholradicals durch Sauerstoff ersetzt, angenommen werden kann.

Ersetzt man so im Methyl zwei Atome Wasserstoff durch den biatomen Sauerstoff, so entsteht das Radical der vorhin erwähnten Ameisensäure; aus dem Äthyl entsteht das Radical der Essigsäure, aus dem Butyl das der Buttersäure u. s. w.

Sind die vier Affinitätseinheiten des Kohlenstoffes gänzlich durch Sauerstoff befriedigt, so wie sie es im Sumpfgas durch Wasserstoff waren, so gelangen wir zur Kohlensäure.

Und zieht man es vor, alle Säuren, wie das Kolbe thut, von der Kohlensäure abzuleiten, und sie als Paarungs- oder Substitutionsproducte dieser zu betrachten, so muss das auch auf die Alkohole zurückwirken, und ihre Auffassung angemessen modificiren.

Wie dem auch sei: es handelt sich hier nicht darum, Hypothesen zu discutiren, sondern von den synthetischen Thatsachen zu sprechen, welche dereinst die vielen noch geltenden Anschauungen über die innere atomistische Structur der Verbindungen auf eine reduciren werden.

Da die Säuren durch Oxydation aus den Alkoholen leicht entstehen, so schiene ihre Synthese aus den Elementen schon mit der Darstellung der Alkohole aus diesen gegeben; allein es gibt für die niederen Glieder noch einen directeren Weg zu ihnen zu gelangen.

So bildet sich die Ameisensäure z. B. (und das kann als ein Beweis für Kolbe's Ansicht gelten,) direct aus der Kohlensäure,

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wenn man sie auf Kalium bei Gegenwart von Wasser einwirken lässt (Kolbe), die Essigsäure aus Methylnatrium und Kohlensäure, die nächst höhere, von Gottlieb zuerst gefundene homologe Propionsäure aus Äthylnatrium und Kohlensäure (Wanklyn), und voraussichtlich müssen auf diesem directen Wege sich noch andere homologe erzeugen lassen.

Anderstheils führt eine elegante Reaction auf einem Umwege zu demselben Ziele.

Es war schon davon die Rede, dass die Blausäure als, mit Stickstoff und Wasserstoff abgesättigter Kohlenstoff, oder, wenn man sich den Stickstoff mit dem Kohlenstoff zu einem Radical vereinigt denkt, als das Hydrür dieses Radicals (des Cyans), als Cyanwasserstoff betrachten lässt.

Man bemerkt, dass demnach die Blausäure und die Kohlensäure in gewissem Sinne auch parallele Verbindungen sind, in soferne die Kohlensäure das Atom des Kohlenstoffes mit Sauerstoff abgesättigt enthält; sie können, um eine, von Dumas eingeführte Anschauungs- und Ausdrucks weise zu gebrauchen, auf denselben mechanischen Typus bezogen werden.

Die Ameisensäure ist von der Kohlensäure nur durch einen Mehrgehalt von zwei Atomen Wasserstoff unterschieden; die Blausäure aber wird zu Ameisensäure, wenn man sie mit starken Basen bei höherer Temperatur behandelt. Ihr Stickstoff nimmt durch Vereinigung mit dem Wasserstoff der alkalischen Oxydhydrate die Form des Ammoniaks an, und der Rest der Elemente gibt Ameisensäure, welche an die Base gebunden hinterbleibt.

Schematisch ganz gleich verlauft der Zersetzungsprocess solcher Blausäuren, die statt des Wasserstoffes ein Alkoholradical enthalten, des Methylcyanürs, Äthylcyanürs u. s. w.

1 R. Maly hat die Kohlensäure dadurch in Ameisensäure übergeführt, dass er, während sie sich im Zustande des Austausches befand, nascirenden Wasserstoff bei Gegenwart einer starken Base auf sie einwirken liess.

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Man erhält so die Methylkohlensäure (Essigsäure), die Äthylkohlensäure (Propionsäure) u. s. w.

Diese Namen drücken aus, dass in der Essigsäure das Methyl, in der Propionsäure das Äthyl präformirt ist, und die Zerlegung dieser Säuren durch den galvanischen Strom erfolgt in der That unter Ausscheidung von Methyl bei der Essigsäure, von Äthyl bei der Propionsäure.

Sind wir so zu künstlicher Ameisensäure, Essigsäure und Propionsäure gelangt, so haben wir damit die ersten Glieder einer Säurereihe, an die sich weiterhin die Säuren der natürlichen Fette und Wachsarten anschliessen.

Jedermann kennt in der Stearinsäure einen der wichtigsten Repräsentanten dieser Säuren.

Sind diese höheren Glieder bis jetzt auch noch nicht künstlich erhalten, so ist doch die Möglichkeit für diesen Erfolg durch die erwähnten Fälle angebahnt, und wir dürfen diesem selbst mit Sicherheit entgegen sehen.

Die Fette selbst sind nichts anderes, als Verbindungen dieser Säuren mit dem Glycerin, sie sind aus diesen Bestandtheilen wirklich schon vor längerer Zeit künstlich dargestellt (Berthelot).

Beiläufig mag hiezu bemerkt sein, dass die flüchtigen Fettsäuren, die niederen Glieder dieser Reihe, Körper von dem widerwärtigen Geruch des Schweisses, der ranzigen Butter,

des

Käses u. s. w., und die wirklichen Träger dieser Gerüche in diesen Substanzen, sich mit den Alkoholen zu sogenannten zusammengesetzten Äthern vereinigen lassen, Verbindungen, deren Constitution sehr verständlich ist, wenn man die der beiden auf einander wirkenden so betrachtet, wie wir gethan haben. Wie diese selbst, fallen sie unter den Wassertypus, in welchem der Wasserstoff theils durch das Radical der Säure, theils durch das des Alkohols ersetzt ist.

Solchen zusammengesetzten Äthern verdanken unsere Weine ihr Bouquet, viele Blüthen ihren würzigen Duft, viele Früchte wie Äpfel und Birnen, den feinen Obstgeruch und Geschmack, und es ist bekannt, dass sich die Industrie ihrer längst bemächtigt hat, um durch die Kunst zu ersetzen, was die Natur manchmal versagt hat.

Aber kommen wir auf die Propionsäure noch einmal zurück, denn von ihr aus beginnen neue wichtige Synthesen.

Im Princip schliesst sich die nächste jener Umsetzung von Cyanverbindungen an, die uns bei der Blausäure zur Ameisen

säure verholfen hat.

Müller und Kolbe haben den glücklichen Gedanken gehabt, die Darstellung cyanirter Propionsäure zu versuchen, um mittelst derselben zu einer Säure zu gelangen, die, wenn der Vorgang typisch so verläuft wie der frühere, zur Bernsteinsäure führen müsste.

Beides ist gelungen.

In der Propionsäure lässt sich ein Atom Wasserstoff durch Cyan ersetzen, und die Cyanpropionsäure liefert mit Kali zersetzt, wirklich Bernsteinsäure von allen den Eigenschaften, der, aus dem Bernstein oder aus vergohrenem Vogelbeersaft erhalte

nen.

Nicht minder scharfsinnige Betrachtungen hatten schon früher Kekule zur Synthese der Äpfelsäure aus der Bernsteinsäure geleitet, die zugleich den, theoretisch so ungemein wichtigen Beitrag über die Veränderung der Atomicität von Radicalen lieferte, dessen es bedurft hat, um über diese Verhältnisse zu klaren Anschauungen und Schlüssen zu gelangen.

Indem aus der Cyanpropionsäure Bernsteinsäure geworden ist, ist aus einer einbasischen oder einatomigen Säure, beziehungsweise deren Radical, eine zweibasische oder zweiatomige geworden.

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