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SIMON STAMPFER.

Eine Lebensskizze bearbeitet von Prof J. Herr.

Simon Stampfer wurde am 28. October 1792 zu Windisch-Mattrai in Tirol geboren. Kein freundlicher Genius geleitete ihn durch die erste Jugendzeit. Seine Ältern, ohne eigenes Besitzthum, vom Taglohne kümmerlich ihr Leben fristend, waren nicht im Stande, die aus fünf Kindern bestehende Familie zu ernähren, und der Knabe blieb fremder Wohlthätigkeit überlas

sen,

indem er bald in diesem, bald in jenem Bauernhofe lebte und durch seine Dienste als Hirtenknabe auf den Triften der Alpen den erwiesenen Liebesdienst vergalt. Von einem derselben erhielt endlich Stampfer, bereits 11 Jaher alt, auf sein inständiges Bitten und auf Verwendung seiner Mutter die Erlaubniss, die Schule zu besuchen, wo er durch seine Fähigkeiten bald die Aufmerksamkeit des Ortsseelsorgers, Dechant Georg Brandstätter, auf sich zog, der ihn in sein Haus aufnahm und es theils durch seine, theils Anderer Wohlthäter Unterstützung ermöglichte, dass Stampfer im nächsten Jahre die Lehranstalt zu Lienz in Tirol besuchen konnte. Aber schon nach zwei Jahren wurde diese Studienanstalt aufgelöst und Stampfer zog, alle Schwierigkeiten überwindend, die seine gänzlich mittellose Lage dem Unternehmen in den Weg legte, nach Salzburg, wo er in den Jahren 1806 bis 1811 die Gymnasial-Studien absolvirte und in den beiden folgenden Jahren an dem eben damals neu

organisirten Lyceum die beiden philosophischen Curse mit Auszeichnung zurücklegte. Anfänglich war er hier fast gänzlich au die Unterstützung von Wohlthätern angewiesen, hatte sich aber bald das Vertrauen in dem Maasse erworben, dass er durch Privatunterricht seinen Lebensunterhalt erwerben konnte. So war Stampfer in harter Schule zum Jünglinge herangereift und sollte nun die Wahl einer Lebensbestimmung treffen. Dem innern Berufe folgend, der ihn mit unwiderstehlicher Macht zum Lehramte und zur Wissenschaft hinzog, verfolgte er dieses Ziel mit unermüdlichem Eifer. Schon während seiner Studien waren es vorzugsweise die mathematischen Wissenschaften, die er mit Vorliebe und hervorragendem Erfolge betrieb. Salzburg stand damals unter k. bayerischer Herrschaft, und Stampfer unterzog sich im Jahre 1814 der Lehramtsprüfung vor der k. Prüfungscommission in München mit Auszeichnung, doch wurde seine Aufnahme unter die Lehramtscandidaten des Königreiches Bayern von der vorausgängigen Erwerbung des Indigenates abhängig gemacht. In Folge der im Jahre 1816 erfolgten Rückkehr Salzburgs unter österreichische Herrschaft machte jedoch Stampfer in dieser Richtung keinen weiteren Schritt, um so weniger, als er noch in demselben Jahre zum supplirenden Lehrer der Mathematik, Naturgeschichte, Physik und griechischen Sprache am k. k. Gymnasium, so wie der Elementarmathematik, der Physik und angewandten Mathematik am k. k. Lyceum in Salzburg, und im Jahre 1819 zum öffentl. ord. Professor der reinen Elementarmathematik an letztgenannter Lehranstalt ernannt wurde. So hatte denn Stampfer das Ziel erreicht, das er, im Kampfe mit den grössten Schwierigkeiten, mit unermüdlicher Beharrlichkeit durch 12 Jahre verfolgte.

Die Art, wie Stampfer seine Aufgabe als Lehrer erfasste, musste ihm rasch Ansehen und Ruf verschaffen. Getragen von einer edlen Begeisterung für Schule und Wissenschaft, gestützt

auf ein umfassendes und sicheres Wissen, von warmer und hingebender Liebe zur Jugend beseelt; dabei geleitet von einem pädagogischen Tacte, der ihn in der Wahl der richtigen Mittel nie fehlgreifen liess, wusste er die fähigeren Köpfe auf eine begeisternde Weise an sich zu fesseln, und viele seiner Schüler erinnerten sich noch in später Zeit gerne und dankbar des wohlthätigen Einflusses ihres hochverehrten Lehrers. Mit Vorliebe weilte er im Kreise seiner Schüler, erfasste mit sicherem Blicke die eigenthümlichen Fähigkeiten des Einzelnen und verstand es in seltener Weise, jeden geistig anzuregen und in seinem wissenschaftlichen Streben zu fördern. In Ferienzeiten machte er häufig Excursionen mit seinen Schülern in die Umgebungen Salzburgs, insbesondere auf die benachbarten Berge, den Untersberg, Geisberg, Watzman; es waren dies Feste für die Schüler, an welchen theilnehmen zu dürfen als Ehre und Auszeichnung galt; dabei fehlte es nie an Stoff zur Belehrung, den barometrische und andere Messungen darboten, und den überhaupt der geistvolle Lehrer der Natur in allen ihren Erscheinungen abzugewinnen wusste.

Nicht minder bedeutend war schon zu jener Zeit Stampfer's wissenschaftliche Thätigkeit. In kurzer Zeit hatte er sich auf dem Gebiete der höheren Mathematik, der praktischen Geometrie und Astronomie durch Selbststudium heimisch gemacht und namentlich waren es die letztgenannten Wissenschaften, welche, indem sie seinem eminenten praktischen Talente ein weites Feld der fruchtbarsten Thätigkeit eröffneten, von ihm mit eben so grossem Eifer als Erfolge gepflegt wurden. Mit den wenigen und unvollkommenen Hilfsmitteln, welche das physikalische Cabinet der Lehranstalt darbot (ein Quadrant von Brander, welcher die Winkel bis auf 10 Sec. zu messen gestattete, und ein achromatisches Zugfernrohr waren die vorzüglichsten Stücke, zu welchen sich noch ein auf eigene Kosten erwor

bener Sextant von Baumann gesellte), stellte er seit dem Jahre 1816 regelmässig astronomische Beobachtungen an und berechnete Kometenbahnen nach Olbers' Methode aus eigenen Beobachtungen, die er mit dem oberwähnten Fernrohre machte. In Salzburg und dessen Umgebungen führte er viele geodätische Messungen aus und machte auf seinen Excursionen zahlreiche barometrische Höhenbestimmungen. Bei der Beschränktheit der wissenschaftlichen Hilfsmittel, welche ihm zu Gebote standen, kam ihm seine seltene Erfindungsgabe und manuelle Geschicklichkeit vortrefflich zu statten. Er verfertigte Barometer, Thermometer, Distanzmesser u. dgl. (es sind solche Instrumente aus jener Zeit noch gegenwärtig vorhanden), und war nie verlegen, wenn es sich darum handelte, in schwierigen Fällen Rath zu schaffen. Im Jahre 1816 trat Stampfer in jene freundschaftlichen, durch das Band der Wissenschaft geknüpften Beziehungen zum Stifte Kremsmünster, welche bis an sein Lebensende dauerten. In den gastlichen Mauern dieses Stiftes, das durch die Pflege der Wissenschaften, insbesondere der Astronomie, sich in rühmlicher Weise ausgezeichnet, brachte er häufig einen Theil der Herbstferien zu, und vertiefte sich in die literarischen Schätze und den der Sternkunde dienenden Apparat der vom Abte Fixlmüllner in den Jahren 1748 bis 1758 erbauten Sternwarte, des astronomischen Thurmes", wie der Volksmund sie nennt, an welcher damals P. Th. Derfflinger als Astronom wirkte.

"

Es konnte nicht fehlen, dass Stampfer's hervorragende Thätigkeit die Aufmerksamkeit von Fachgenossen auf sich zog und er bald Gelegenheit fand, an grösseren Unternehmungen theilzunehmen. Zum Behufe der Regulirung der Grenze zwischen den in Folge des Staatsvertrages vom 14. April 1816 an die Krone Österreich wieder zurückgefallenen Provinzen und dem Königreiche Bayern war unter der Leitung des Obersten v. Fallon, Chef der k. k. Militär-Triangulirungsdirection, eine k. k.

bestehend

aus

den Obrist

Demarcations - Hof- Commission, lieutenants Nageldinger und Weiss, Major v. Myrbach, Hauptmann Spanoghi und Lieutenant Philippovic, bestellt, zu deren Arbeiten auch Stampfer beigezogen wurde und bei den erforderlichen geodätischen Operationen unter den schwierigsten Verhältnissen wesentliche Dienste leistete. Dies war insbesondere bei der Berichtigung der nassen Landesgrenze der Fall, mit welcher ein für beide Nachbarstaaten und Uferbewohner gleich wichtiges Flussbausystem verbunden werden sollte, wozu es unerlässlich war, die angenommene Fluss-Rectificationslinie an fixe Punkte so anzubinden, dass dieselbe nach jedem möglichen Elementarereignisse wieder aufgefunden werden könne. Zu einer trigonometrischen Operation fehlte es an einer nahen Basis und sogar an den Mitteln, eine solche zu messen. Stampfer war es, welcher, wie die Commission in anerkennendster Weise bezeugte, durch Angabe entsprechender Messapparate und Vermessungsmethoden an der glücklichen Lösung der Aufgabe den wesentlichsten Antheil hatte und, um die Sache rasch zu fördern, nicht ohne persönliche Opfer, in der strengsten Kälte des Monates December 1819, die schwierige Ausführung der Basis- und Winkelmessung dem erwünschten Ziele zuzuführen half.

Die Beziehungen, in welche hiebei Stampfer zu den Herren v. Fallon und v. Myrbach trat, waren die Veranlassung zu jenem Bande dauernder Freundschaft, welches er mit jenen Männern knüpfte. Beide, später Generalmajore, und selbst zu den tüchtigsten Geodäten jener Zeit zählend, wussten die Bedeutung Stampfer's in vollem Maasse zu würdigen und versäumten es nicht, seine einsichtsvolle Mitwirkung bei jeder Gelegenheit in Anspruch zu nehmen. So zunächst bei den in den Jahren 1818, 1820, 1822 und 1823 zum Behufe der Längengradmessung zwischen München, Wien, Ofen und Prag ausgeführten Blickfeuer-Operationen, wo Stampfer, um auch Salz

Almanach. 1865.

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