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mation vom 30. October 8 Uhr Abends sehe ich mich verpflichtet, bekannt zu geben, welche Ursachen mich bestimmten, zu dem mit Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgrät geschlossenen Kapitulation einzurathen. Es fehlte seit drei Tagen schon an Munition, welche verrätherisch (?) von mehreren Individuen theilweise unterschlagen wurde. Mangel an Lebensmitteln machte fich fühlbar, und wäre in längstens zwei Tagen sehr drückend geworden. Die Geschüßbedienung wurde von Tag zu Tag weniger. Der Mangel an geschulten und geübten Truppen, welcher die Entsendung von Succurs an die bedrohten Punkte unmöglich machte, indem die Garde bisher nur den Beruf hatte, sich bloß in ihrem Bezirke zu vertheidigen, wobei ich aber dankend jener Garden gedenke, welche mit muthiger Aufopferung überall hin sich verwendeten. Weitere Motive waren:

Die wiederholte Versicherung, daß die von Sr. Majestät dem Kaiser gewährleisteten Volksrechte nicht beeinträchtiget werden sollen. - Die bestimmte Neberzeugung, daß das nicht berufene ungarische Heer der Zahl nach im Mißverhältnisse zur jest cernirenden Truppenmacht stehend, keinen Entsaß der Stadt bringen konnte. Die durch fortgesezten bewaffneten Widerstand unvermeidliche Zerstörung des Wohlstandes unserer herrlichen Stadt, das gränzenlose Elend der armen Classe bei herannahendem Winter, der gestörte Verkehr und Handel, alle die Greuel eines vorauszuseßenden Bürgerkrieges mit den entseglichen Folgen. Vom Standpunkte der Menschlichkeit und Vernunft, ehrlicher Ueberzeugung und verständiger Beurtheilung mußte ich für eine Kapitulation stimmen; denn Wien mit einer halben Million Einwohner und die ganze Bevölkerung Oestreichs lag auf der einen Wagschale, — Fügung in ein zwar hartes, aber vorübergehendes Loos auf der andern. Hier hatte Verstand und Gewissen zu entscheiden, san —— guinische Wallungen sind in solchen Momenten Verbrechen am Volke. Die heute von Sr. Durchlaucht dem Feldmarschall Fürsten Windischgräß rückgekehrte Deputation brachte das Versprechen mit, daß die im März und Mai errungenen Freiheiten nicht geschmälert, und die für's Volk eingetretenen Militärs möglichst mild behandelt werden, ferners, daß der National-Garde ihre eigenthümlichen Waffen und Geschüße bei Reorganisation der Garde gleich zurückgestellt werden sollen.

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Garden von Wien! Ich harrte bei Euch aus, während der mit blutiger Flammenschrift in die Geschichte gezeichneten October-Periode. Wenn zwanzig mühevolle Tage, wenn zwanzig schlaflose Nächte, wenn der redliche Wille Euch zu dienen, wenn die durch viele Hemmnisse benachtheiligten Anstrengungen einigen Werth haben, so hoffe ich, daß Ihr auf mein Wort höret und mit dem Muthe das unabwendbare ertragen werdet, welchen Ihr den feindlichen Kugeln gegenüber bewiesen habt. Ich trete von meinem harten Posten mit dem Bewußtseyn treuer Pflichterfüllung zurück, und danke Euch, Kameraden, für das Vertrauen und die heldenmüthige Hingebung im Dienste für's Volk und Bolles-Rechte.

Ernst Haug, m. p., Chef d. Generalst. d. Wien. N. G..“

„Kundmachung. Um den verschiedenen Parteien, welche in dem kritischen Augenblicke des Verhängnisses der belagerten Stadt über die so hochwichtige Frage, ob ein Verzweiflungskampf gegen eine faktische Ucbermacht geschlagen werden solle oder nicht, Rechnung zu tragen;

um uns von den Uebeln der Anarchie und eines brudermörderischen Zwiespalts im Innern zu bewahren, von welchem unser militärischer Gegner feinen Augenblick säumen würde Vortheil zu ziehen, finde ich mich veranlaßt, den Herrn Hauptmann Fenneberg als Vertrauensmann der mobilen Corps, so wie den Hauptmann Redel als Vertrauensmann der akademischen Legion, zu meinen Stellvertretern zu ernennen. Ich lasse diese beiden Herren sogleich zum Kriegsrath zu mir entbieten, um nochmals die Frage über die absolute Noth wendigkeit der bereits eingeleiteten Convention mit dem Herrn Feldmarschall in Berathung zu ziehen.

Der kampflustige Theil der Bevölkerung wird daraus ersehen, daß das Ober-Commando zur traurigen aber unabwendbaren Nothwendigkeit der Unterwer fung unter eine physische llebermacht mit feierlicher Verwahrung unserer heiligen und unveräußerlichen Rechte, weder überreden noch erschleichen wollte.

Nicht aus Verrath soll die Stadt dem Herrn Feldmarschall übergeben werden. Die klarsten Beweise müssen im Kriegsrathe, mit meinen neu ernannten Herren Stellvertretern Fenneberg und Nedel vorliegen, daß die Stadt ohne die gewisse Aussicht eines Entsaßes von Seiten der Ungarn, gegen die gro Ben Kräfte des Herrn Feldmarschall bei allem Muthe der Bevölkerung nicht gehal, ten werden könne, daß wir nach dem Bombardement von einigen Stunden aus Mörsern und Zwölfpfündern auf demselben Punkte stehen würden, wie jcgt, und bloß härteren und unversöhnlicheren Bedingnissen entgegen zu sehen hätten. Wien, am 31. October 1848.

Messenhauser, m. p., prov. Ober-Commandant.“

„An die mobilen Corps. Die Herren Commandanten der mobilen Corps haben bis heute Nachmittags fünf Uhr dem Gemeinderathe die Standes-Ausweise threr Truppenkörper, Behuss ihrer weitern Verpflegung einzureichen. Eine wei tere Fortsetzung des Kampfes ist nach den zuverläßigen Nachrichten, die über das gestrige Gefecht bei Schwechat eingetroffen, wenn nicht unmöglich, doch nuglos und verderblich, weil gegenüber der überlegenen Macht der kaiserlichen Truppen von einem leßten verzweifelten Kampfe nur Tausende von Leichen, aber kein dauernder Erfolg für die Freiheit Aller zu erwarten steht. Es handelt sich darum, den Bürgerkrieg zu verhüten, der uns jeßt gefährlicher ist, als Millionen von Soldaten und Kanonen um die Mauern Wien's. Ihr habt wie Helden gefoch ten, schickt Euch als Männer in das Unvermeidliche. Ihr habt Euer Vertrauen in mich geseßt, und ich, der ich seit Jahren für die Sache der Freiheit eingestans

den, sage Euch: der Kampf ist in diesem Augenblicke der Sache der Freiheit gefährlicher als Alles, was man gegen selbe jezt unternehmen kann. Es wäre ein Verrath an ihr, weil er uns für lange Zeit hinaus untauglich machen würde, für sie zu wirken. Darum fügt Euch dem Unvermeidlichen. Die Herren Corps, Commandanten werden dießfalls unverzüglich ihre weiteren Befehle erhalten. Dieselben haben mit je drei Offizieren ihrer Corps heute Nachmittag um 4 Uhr fich zu einer Vesprechung im Saale des Gemeinderathes einzufinden.

Wien, am 31. October 1848.

Fenneberg, m. p., pr. Mit-Ober-Commandant d. Wien. Volkswehr."

„Mitbürger! Es ist notorisch festgeseßt, daß unsere ungarischen Brüder der Waffen-llebermacht unterlegen sind. Die heldenmüthigen Vertheidiger Wiens haben vor den Augen der Welt ihre Ehre bisher glänzend erhalten. Wäre die Möglichkeit eines siegreichen Widerstandes denkbar, Mitbürger! Eure Vertreter würden mit Euch kämpfen, würden nicht von Uebergabe sprechen, aber uns fehlt. Munition und Proviant. Mit Eurer todesmuthigen Kampfbegier können wir Euch wohl zur Schlachtbank führen, zum Siege aber gegen diese wohlgerüstete Armee, gegen diese 100 Feuerschlünde nimmermehr.

Darum, heldenmüthiges Volk von Wien, sey so groß in Deinem Falle, als Du es in der Erhebung warst.

Für die Freiheit leben ist größer, als tollkühn unsere Zwecke durch uns und mit uns vernichten. Wir haben die Ehre gerettet, darum ist nichts verloren.

Volk von Wien! während man glauben machen wollte, es herrsche Anarchie in unsern Mauern, war die Ordnung durch Euere bewunderungswürdige Mäßigung von Euch selbst erhalten. Arbeiter! Ihr habt bis jest Euch als der Freiheit werth gezeigt, schändet im leßten Augenblicke nicht Euren Ruhm, Eure Ehre. Legt die Waffen nieder, denn wir müssen es thun, stürzt Euch nicht tollkühn ins Verderben, erhaltet Euch dem Vaterlande.

Hört die Stimme Eurer Vertreter, die, wie Ihr selbst, Männer aus dem Volke sind, denen Euer Leben, Eure Ehre heilig und theuer ist.

Legt die Waffen nieder, und zeigt den einrückenden Waffenmännern, daß der Ordnungssinn, daß der wahre Heldenmuth sich dem llnabwendbaren männlich fügt. Zeigt, daß Ihr der Freiheit werth seyd und sie wird, sie muß Euch werden.

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*) Der Gemeinderath Pranter theilte dem Verfasser mit: er bezweifle dieses Plakat

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Von einer zu Seßendorf im gräft. Bethlen'schen Hause anwesenden mährischen Deputation gelangte ein Schreiben an den Gemeinderath, worin derselbe dringend angegangen wird, dahin zu wirken, daß den k. Truppen kein weiterer Widerstand geleistet werde.

Der N. G. Feldwebel Kafka erstattete aus dem k. k. Zeughause dem Ober-Commando die Anzeige: daß mehrere Garden und Arbeiter die abgelieferten Waffen wieder verlangen, ja die Gemeinde Gaudenzdorf habe sogar schon am 30. ihre abgelieferten Waffen wieder zurückgenommen. Hierauf erhielt er vom Obersten Schaumburg den Bescheid, nichts mehr zu verabfolgen, und im Nothfalle auf irgend eine Weise für den Augenblick die Waffen unbrauchbar zu machen; allein er konnte diesen Auftrag nicht vollziehen, im Gegentheile, er mußte alle Waffen, die das Volk verlangte, hergeben, und benüßte hiezu die in den Werks stätten befindlichen Gewehre. Die Waffenkammern zu ebener Erde und im ersten Stockwerke wußte Kafka vor wiederholter Plünderung zu bewahren. An diesem Tage kamen wieder die Studenten, die mit der Kanone früher hier exercirten, und sogar die Pulvermacher im kaiserlichen Zeughaus fingen an, sich wie früher zu beschäftigen, und man mußte glauben, daß ihnen Gott weiß welche Siegesfreuden vorschwebten.

Auch strömte eine bedeutende Zahl Bewaffneter unter Anführung von Leuten in der Legions-Uniform zur L. f. Staatsdruckerei, woselbst die Plakate des Fürsten Windischgr å ß gedruckt wurden, in der Abficht, aus Rache das Gebäude anzuzünden, und die Maschinen zu zerstören. Kaum war die daselbst aufgestellte Wachabtheilung der 4. Compagnie, 2. Bezirks, unter Commando des Garde Feldwebels von Mayern im Stande, diese Volksmenge zu beschwichtigen, und von diesem Vorhaben abzubringen, als vom Studenten-Comitee mehrere Abgeordnete daselbst anlangten, und forderten, es solle ein von demselben verfaßtes Plakat daselbst unverzüglich gedruckt werden. Auch dieses wußte diese Wachabtheilung zu verhindern, und diese Volksmenge zu zerstreuen.

Um Mißverständnissen vorzubeugen, wurde dem Feldmarschall Windischgräß von Seite der Plazoffiziere der Burg ein Verzeichniß der in der Hofburg aufgestellten Wachabtheilungen mitgetheilt.

Morgens zogen größere und keineswegs Beruhigung einflößende Volksmassen und Mobilgarden durch das Burgthor und über den Burgplag in die Stadt. Plagoffizier Untersteiner erwirkte beim Ober-Commando den schriftlichen Befehl zur Absperrung des Burgthores, welches von Seite der Wachabtheilungen wirklich mit vieler Gefahr bewerkstelliget wurde, doch kaum war Untersteiner auf den innern Burgplaß zurückgekehrt, so strömte abermal ein großer Haufe Mobilgarden, geführt von einem berittenen Legionär, über den Franzensplag, und dieser wies eine Contreordre vor, wodurch die Ordnung und Ruhe auf dem

Burgplaß wieder gestört wurde, und dem schaarenweisen Durchzuge der Proletarier und Mobilgarden kein Einhalt mehr gethan werden konnte.

Aus der mindern Dienerschaft der Hofburg, als Zimmerpußer, Hansknechte c. c. wurde früher schon eine Art Feuerwache militärisch organifirt, dieselbe in den verschiedenen Gängen aufgestellt, und als Hofzimmerpußer Da ßler, welcher im Fräuleingang seinen Posten hatte, auf der Wache stand, sah er einen Nationalgardisten durch das Riesenthor gehen, mit vier Pechkränzen auf dem Bajonette, er verschwand jedoch, bevor man seiner habhaft werden konnte.

Ewig unbegreiflich bleibt es, wie ein Theil des Volkes so verblendet seyn fonnte, noch am 31. die Ankunft der Ungarn zu erwarten, und das noch mit einer Bestimmtheit, die jeden Widerspruch als ein Verbrechen an der guten Sache ansah, und selbst die Plakate des Gemeinderathes für falsche, von der reactio nåren Partei untergeschobene hielt. Ja, es verbreitete sich sogar am Morgen dieses Tages das Gerücht, daß die Ungarn sich bereits — auf der Landstraße befinden, und daß der Ban gefangen sey. Dieser Glaube hatte in wenig Stunden so fest gewurzelt, daß sich Biele wieder zu bewaffnen anfingen, und an manchen Plägen versammelten sich Bewaffnete, die noch einen Zug in die Vorstädte machen wollten. Wahrlich, es gehörte viel dazu, so verblendet zu seyn, daß man, nachdem man zu wiederholten Malen getäuscht und wieder getäuscht worden, sich seiner Verblendung selbst dann nicht entschlagen konnte, wenn man durch dieselbe stufenweise bis zum größten Unglücke geleitet worden. Wie viel Leid und Ungemach wäre der Stadt erspart worden, hätte sich ihre Bevölkerung nicht von Tag zu Tag durch die Vorspieglungen einer Hülfe aus Ungarn täuschen lassen? Der ehrliche Deutsche war leichtgläubig, und mußte seine Leichtgläubigkeit schwer genug büßen. Doch ist es den Pragern anders ergangen? sind die ernsten, bedächtigen Prager nicht durch eine Unzahl an Windischgräß gelangter Denunciationen der Magyaren, um den Slawen-Congreß zu sprengen, ebenfalls ins Unglück gestürzt worden?! Wahrlich, das Reich an der Ister hat von Seite der Magyaren seit tausend Jahren viel Blut und Barbareien erlebt!

Um 10 Uhr Vormittags erschien der Interims-Commandant der Nationalgarde-Artillerie, Konrad Stößl, beim Ober-Commando, und frug sich an, wohin er die Geschüße von den Basteien hinzuführen habe. Daselbst erhielt er den schriftlichen Befehl: die Kanonen von den Basteien auf den Hof, vor das bürgerliche Zeughaus bringen zu lassen, mit der Weisung, diesen Befehl früher von Messenhauser und Fenneberg, welche beide im Gemeinderathe fich befandenunterfertigen zu lassen. Nachdem er das Geeignete veranlaßt hatte, um die nöthige Bespannung zu erhalten, verfügte er sich in den Gemeinderath, und daselbst wurde der Befehl von Messenhauser und Fenneberg mitgefertigt. Mit diesem Befehle ging Stößl auf die Mölker-Bastei, um seinen

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