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Der Ausfall der Mobilgarden, auf welchen die Ungarn gerechnet zu haben schienen, fand nicht statt, aber von der Bastei herab wurde auf die Truppen in den Vorstädten gefeuert. So war allerdings ein zweifacher Bruch der bereits abgeschlossenen llebereinkunft zu beklagen; aber die Bevölkerung der inneren Stadt, welche während dieses schrecklichen Tages in die kläglichste Ohnmacht verseßt war, hatte keine Schuld. Die Stadt war angefüllt mit jenen wilden, zerlumpten, abenteuerlichen Gestalten, wie man sie in großen Städten gewöhnlich nur in Revolutionszeiten beisammen sieht. Diese wilde Masse übte in den legten Tagen des Octobers einen unerträglichen Terrorismus, sie war Meister der Stadt, insultirte fast Jeden, der keine Waffe trug und bezeichnete als schwarz gelb alle anständig Gekleideten, deren Kopf weder der Czako noch der Kalabreserhut bedeckte. Man sah auf dem hohen Markt einen Bürger wegen einer ungünstigen Aeußerung gegen die Studenten vom Pöbel zu Boden werfen und blutig mißhandeln. Als man gegen Abend endlich den Irrthum in Betreff der Ungarn erkannte, ging die Wuth der erhigten Menge so weit, daß die von einzelnen Stimmen ausgestoßene Drohung, die Brandfakeln in die Hofburg zu schleudern, die kaiserlichen Gräber zu entweihen und das Franz- Monument zu zerstören, nicht nur keine Mißbilligung, sondern von mancher Seite laute Zustimmung fand.

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Der Gemeinderath versuchte mittelst großer Geldopfer die Proletarier zur Niederlegung der Waffen zu bewegen. Man bezahlte den Leuten, welche ihre Gewehre ablieferten, bis 10 fl. CM. Man versprach ihnen den bisherigen Taglohn auch nach der Uebergabe der Stadt so lange zu bezahlen, bis für ihren weiteren Unterhalt gesorgt sey. Alle diese humanen Bemühungen waren ziemlich fruchtlos. Abends verbreitete sich das Gerücht, daß das Neugebäude von den Ungarn genom men sey. Der Brand von Schwechat wurde beim Ober-Commando gemeldet. Ein Bürger-Cavallerie-Offizier machte beim Ober-Commando die Anzeige, daß er vom Minister Krauß gehört habe, daß die Ungarn zurückgeschlagen sind. Diese Nachricht wurde, nachdem solche verbreitet worden, vom Volke bezweifelt und über Verrath geschimpft. Aus dem Baron Sina'schen Hause fiel ein Schuß auf einen Haufen versammelter Menschen. Aus Steyermark sollen sich zwei Bauern als Geißeln gestellt haben, daß der dortige Landsturm wirklich im Anzuge sey.

Der Bruch der abgeschlossenen Kapitulation hatte, wie erwähnt, ein Bombardement zur Folge, welches vorzugsweise gegen die wegen ihrer politischen Gefinnung berüchtigten Vorstädte Mariahilf, Gumpendorf, Hundsthurm und Magleinsdorf gerichtet war. Der Feldmarschall ließ dabei, zur Schonung der meist Gutgesinnten Hausbesizer angeblich die Rücksicht eintreten, daß er keine mit Brandfaß geladene Bomben werfen ließ (?).

Als die Deputation des Studenten-Ausschusses vom Stephansthurme herab

gelangte, begab sich solche in den Reichstags-Ausschuß und in den Gemeinderath, um die Bestätigung Fennebergs als Ober-Commandanten zu erlangen. Im Reichstags-Ausschusse wurde derselben bedeutet, derselbe könne Fenneberg nicht bestätigen, da eine neue Wahl nur im Vereine mit dem Ministerium und dem ganzen Reichstage geschehen könne.

Abends zeigte der wackere Kanzelist Rettich und Andere dem Plag-Oberlieutenant Dunder an, daß der Ober-Commandant Messenhauser abdanken wolle, und die Abdankungsakte an den Reichstag und Gemeinderath verfasse, indem er von Seite des auf der Universität sich neuerdings gebildeten StudentenComitees und der demokratischen Partei des Verrathes beschuldigt, und am Stephansthurme hart gedrängt worden, die Kapitulation zu brechen. Dunder begab sich eiligst in alle Bureaux des Ober-Commando und forderte die zahlreich anwesenden Ober-Offiziere und auch die Verwaltungsräthe der Permanenz auf, fich der Abdankung Messenhauser's und der Ernennung Fennebergs zu widerseßen. Fenneberg und seine Partei war nicht anwesend, solche schlug ihr Hauptquartier des noch ungebornen neuen Ober-Commando auf der Aula auf. Es durfte keinen Augenblick gesäumt werden, indem durch Messenhauser's Abdankung der Umsturzpartei freies Spiel gelassen, die Fakel des Krieges neuerdings entzündet, und Wien dem gräßlichsten Verderben ausgesezt worden wäre. Es war unerläßlich den Ober-Commandanten um jeden Preis zur Zurücknahme seines geäußerten Entschlusses zu bewegen, und im äußersten Falle der Partei, welche die Kapitulation brechen und im Widerstande beharren wollte, mit Gewalt entgegen zu treten.

Es versammelten sich sämmtliche Oberoffiziere des Central-Bureaus, des PlagCommando und der andern Abtheilungen im Vorzimmer des Ober-Commandan= ten, und Dunder wurde vom Oberst Schaumburg und Anderen aufgefordert den Redner zu machen. Derselbe eröffnete mit einem — in der furchtbaren Periode seltenen Muthe die Verhandlung, theilte im Namen aller anwesenden Of fiziere in einer kräftigen, gehaltvollen Rede Messenhauser den gefaßten Wunsch und Beschluß sämmlicher Offiziere mit, stellte ihm die Gefahr vor, welche die Stadt bedrohe, wenn er in diesem gefährlichen Augenblicke das Ober-Commando niederläge, und gab ihm die Zusicherung, daß er von allen Anwesenden und allen gutgesinnten Staatsbürgern bis zur definitiven Uebergabe der Stadt kräftigst unterstüßt werden würde. Auch müsse sogleich das Geeignete in der Permanenz des Reichstages und im Gemeinderathe veranlaßt werden, um den Plänen der Umsturzpartei entgegen zu wirken. Nachdem Dunder die Anrede mit der an seine Freunde gerichteten Frage geschlossen: „Sind Sie, meine Herren, einverstanden?"-worauf ein vielstimmiges Ja! erfolgte, warf Messenhauser einen Blick auf die große Zahl der Anwesenden, was ihn

sichtlich überraschte, und begann, in der Thüre stehend, in einer gut geseßten Rede die Motive zu erörtern, die ihn zwingen, das Ober-Commando niederzule

Er sagte, man habe ihn am Stepansthurme insultirt, und er habe gerade die Abdankungsakte aufgeseßt, um solche dem Reichstags-Ausschusse zu überreichen.

Während diesem stürzte ein Legions- Offizier mit gezogenem Säbel und einer rothen Feder auf dem Kalabreser in der größten Aufregung unter die Versammelten, er hörte Dunder's Rede an, und ließ Worte von Verrath fallen, er sagte: Messenhauser solle abtreten, er, der Legionär, fenne einen Mann, der energischer und würdiger sey das Ober-Commando zuführen, und der die Wiener gewiß zum Siege führen werde; suchte zu opponiren und erklärte sich gegen die Uebergabe. Dunder sagte zu ihm: „Wo Mánner über die wichtigsten Angelegenheiten sprechen, wo das Schicksal von Hunderttausenden auf dem Spielesteht, sollte ein junger Mensch von kaum 18 Jahren schweigen; die Tyraden der Jugend haben nur zu lange gedauert!" Dieser antwortete, sich in die Brust werfend: „Ich bin nicht 18 Jahre, ich bin schon 23 Jahre alt! Wenn der Herr Ober-Commandant mehr Energie entwickelt, so will ich gerne vor ihm mein Knie beugen" - Er stand noch immer mit gezogenen Säbel in äußerst aufgeregter Stimmung mitten unter den versammelten Offizieren; man rief ihm zu, den Säbel zu versorgen, und erst als man Miene machte ihn zu desarmiren, gab er nach. Ein Bürger-Offizier rief ihm zu: „Sie, der nichts hat, haben hier leicht zu reden, junger Mann; ich bin Familienvater, habe Haus und Hof und muß das Meinige erhalten, dar um spreche ich so, wie Alle die noch etwas zu verlieren haben." Unter Fluchen und Drohungen verließ der Legionär das Ober-Commando mit den Worten: „Erbärmliche Menschen, weil sie Etwas besigen, wollen sie keine Freiheit!"

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Unterdessen hatte Messenhauser, welcher seine eben geschriebene Abdankungsakte den anwesenden Offizieren vorgelesen über das Einschreiten des erwähnten Legionärs sich ferner dahin geäußert, daß er genöthigt sey, als Mann von Ehre abzudanken, indem man ihn zwang die von ihm selbst veranlaßte Kapitulation zu brechen, er aber fest entschlossen sey, diese aufrecht zu er halten, so lange er Ober-Commandant ist. Nachdem der Plazoffizier Wa ßhuber und die sämmtlichen anwesenden Offiziere erklärt, sie würden Alle abdanken wenn er unter diesen Verhältnissen das Ober-Commando niederlegen würde, begleiteten ihn die Anwesenden in die Permanenz des Reichstages.

Vor dem Reichstags-Ausschusse machte Messenhauser dieselben Eröffnungen, wobei er jedoch bedeutend unzusammenhängend, ja beklommen sprach. Der Obmann hielt ihm vor, daß er mittelst Unterschrift das Ober- Commando an Fenneberg abgetreten habe. Dunder stand hart hinter Messenhau ser, bestand auf dessen Beibehaltung des Ober-Commando im Interesse der Kapitulation, protestirte im Namen der Nationalgarde und der Bürgerschaft gegen die Ernennung Fenneberg's als Ober-Commandanten, und brachte demselben ein Mißtrauensvotum, welches von allen Anwesenden, besonders von den Bürger- und Nationalgarde-Offizieren einstimmig bejabet, und von dem ArtillerieCommandanten Kurth mit einer energisch motivirten Entschiedenheit unterstüßt wurde. Dunder sagte, daß man Habe, Gut und Leben der Wiener, der bestBenden Bürger, der Einheimischen nicht wegen ehrgeizigen, spekulirenden und fremden Subjekten preisgeben könne; daß man, im Falle Fenneberg als Ober- Commandant auftreten, und die Kapitulation nicht fördern sollte, die Bürgerschaft aufrufen, und vereint mit gutgesinnten Garden den blutigen Gräueln ein Ende machen müsse. *)

Der Reichstags-Ausschuß entschied sich für die Verständigung zwischen Messenhauser und Fenneberg, worauf sich ersterer in Begleitung der Offiziere und Verwaltungsräthe in den Gemeinderath begab **). Unterwegs wurde dem Plaz Oberlieutenant Dunder berichtet, Fenneberg hätte durch mehrere Beauftragte die Siegel des Ober-Commando requirirt, solche seven ibm aber von dem Kanzlei-Personale des Central-Bureaus verweigert worden; ferner, daß das Proletariat die Burg und Stallburg zu plündern und anzuzünden drohe. Dunder eröffnete beide Berichte dem Ober-Commandanten, und fragte, ob er, wenn Fenneberg mit Gewalt die Siegel des Ober-Commando fordern sollte, ihn und die es mit ihm zu thun versuchen, durch die treuen Sicherheitswächter niedermachen lassen; dann, ob er alle Bereitschaften zum Schuße der Burg und Stallburg aufbieten solle, und ob vorkommende Gewalthätigkeiten gegen die Burg und Stallburg mit Waffengewalt, und wenn es nöthig, mit schwerem Geschüß zurückgeschlagen werden sollen. Messenhauser entgegnete: „Lassen Sie Jedermann, der die Siegel requirirt, niedermachen; zum

*) Hier muß bemerkt werden, daß schon damals keiner der anwesenden, für Messenhauser im Interesse der Kapitulation in die Schranken getretenen Oberoffiziere daran zweifelte, daß derselbe am Stephansdome bedroht war, doch von dem Befeble an den Bezirk Wieden, wußte keiner.

**) Dieser wahrheitsgetreue Bericht ist nicht aus der Feder des Verfassers dieser Denkschrift hervorgegangen, und es muß derselbe hiermit erklären, daß er als Verfasser seiner Memoiren ganz von der historischen Person des im October handelnden Plas Offiziers Dunder abstrahire. Dieß zur Begegnung etwaiger Blahaiaden.

Schuß des Ober-Commando und der Burg laffen Sie alle Be reitschaften, und bei den Bezirken alle Garden aufbieten, - ich mache Sie für den Vollzug verantwortlich." Dun der kehrte zum Ober-Commando zurück, befahl den wackeren Sicherheitswächtern, welche dem Central Bureau zugetheilt waren, Jeden, der die Siegel wegzutragen versuchen sollte, ohne weiters niederzusäbeln. Dann diktirte er den, demselben Bureau zugetheilten wackeren Offizieren den kategorischen Befehl an alle Bezirks- und Abtheilungs-Commandanten, den Schuß der Burg und Stallburg betreffend, welcher auch durch dieselben sogleich mit dem lobenswerthesten Eifer in Vollzug gesezt wurde.

Die Nacht hindurch wurde Messenhauser in seinem Zimmer von den Mitgliedern des demokratischen Central-Vereines unausgeseßt für den Widerstand gegen die k. Truppen, jedoch vergeblich, haranguirt, was der hart nebenan im Central-Bureau befindliche Plaß-Oberlieutenant Dunder und die andern anwesenden Plaß-Offiziere, genau Wort für Wort hören konnten. — An diesem verhängnißvollen Tage wurde ein Garde des IV. Bezirkes im Gange der Burg meuchlings erschossen.

An demselben Tage wurden der k. Artillerie - Lieut. Dirschl, und Hauptmann Weigl, von E. H. Franz Carl Infanterie, auf der Wieden vom Volke gefangen genommen, und durch die Unerschrockenheit des Nationalgarde-Offiziers Müller aus den Händen des Proletariats gerettet und an das Ober-Commando abgeführt. Obgleich Messenhauser die Freilassung dieser k. Offiziere angeordnet, so konnte doch kein Plaz-Offizier die Bürgschaft übernehmen, diese ungehindert an ihre Truppenkörper geleiten zu können. Der Hauptmann Knoth des Bürgerregiments und der Plaß - Hauptmann Baron du Beine, welch' beiden diese Offiziere zum Schuße übergeben waren, ersuchten sie, bis zur Uebergabe der Stadt beim Ober-Commando zu bleiben, wo ihnen ein Zimmer angewiesen und für alle ihre Bedürfnisse gesorgt wurde.

Der Reichstag hielt keine Sigung, da die beschlußfähige Zahl der Mitglieder schon zweimal nicht erschienen war, und sie auch auf ihre eigene Kraft alles Bertrauen verloren hatten.

Die Sigung im Gemeinderathe wurde um 6 Uhr Abends eröffnet. Die Deputation, welche in der Frühe an den Fürsten Windischgräß abgegangen, war zurückgekommen. Dr. Kubenik erstattete Bericht über die vollbrachte Sendung. Die Deputation sey um 11 Uhr in Hezendorf angekommen. Der General Baron Cordon war zur Feststellung der Modalitäten über die Entwaffnung der Stadt bevollmächtigt, und diesem der Hofrath Komers, Gubernialrath Breinl und Kreis-Commissär Weidel beigegeben gewesen. Der Deputation wurde ein schon ausgearbeiteter Entwurf vorgelegt, derselbe habe aber in einem Paragraphe für die

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