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„Der Gemeinderath hat folgende Zuschrift erhalten, welche er zur Kenntniß seiner Mitbürger bringt: An den Gemeinderath der Stadt Wien! Hauptquartier Heßendorf, am 26. October 1848. Im Nachtrage zum Punkte 3 meiner Proklamation vom 23. October habe ich für nothwendig befunden, folgende Individuen zur Auslieferung zu bestimmen:

1. Den angeblichen polnischen Emissär Bem, der sich ganz unberufen in die Wiener-Angelegenheiten mischt.

2. Den gewesenen Unterstaats- Sekretär im ungarischen Ministerium Pulsky.

3. Den Dr. Schütte, und

4. Die Mörder des Kriegs-Ministers Grafen Latour.

Zu gleicher Zeit stelle ich alle Aerarial- und Privat-Gebäude und Eigenthum unter den Schuß des Gemeinde-Rathes und mache denselben für allen Schaden, der durch Plünderung und sonstige Angriffe im Innern der Stadt an demselben verübt werden sollte, auf das Strengste verantwortlich.

Alfred Windisch-Gräß, m. p., Feldmarschall."

„Kundmachung. Mit dem heutigen Tage um 12 Uhr läuft die von dem Herrn Feldmarschall Fürsten Windischgräß der Stadt gestellte Frist ab. Das Ober-Commando hat bei der gestrigen Inspicirung der am meisten ausgeseßten Punkte mit Beruhigung wahrgenommen, daß der Barrikadenbau und das Aufwerfen anderer Verschanzungen mit eben so viel Einsicht als Eifer ins Werk gesezt worden. Es bedarf keiner Erinnerung, daß mit diesen Arbeiten rastlos fortgefahren werden muß. Die Wälle, hinter welchen der bürgerliche Wehrmann für Freiheit und Eigenthum kämpft, müssen Schöpfungen von unüberwindlicher Stärke seyn, und das stundenlange Spielen ganzer Batterien darf fie nicht in Bresche legen Ich erwarte von den Fähigkeiten und dem trefflichen Geiste unserer Techniker hierin das Ausgezeichnetste. Die Eifrigen und Erfindungsreichen werden öffentlich belobt werden. Ich komme auf die Worte meines Befehles an die Commandanten sämmtlicher Linien vom 24. October 1848 zurück: Es ist gar kein Grund vorhanden, zu glauben, daß wir vor dem Eintreffen einer legten Erklärung des Fürsten von seiner Macht ernstlich angegriffen werden. Alle sich entspinnenden Gefechte werden, wie bisher auf eine Plänkelei hinauslaufen, die allerdings auch in eine leichte Kanonade ausarten können, hierüber habe ich den Herren Commandanten der Linien mit allem Nachdrucke als militärische Gewissenspflicht an das Herz zu legen. Man muß einzelne Schüsse hinnehmen, ohne fie zu erwidern. Solches ist männliche Festigkeit, solches ist der Beweis wahren Muthes. Ohne Zweck und ohne Befehl vom Ober-Commando fechten, ist Leichtfinn; wenn bedeutende Munitionen verschossen werden, in Anbetracht unserer Mittel fogar Verbrechen. Man muß die Zahl der Mobilengarde nicht über

schäßen. Wenn alle Linien nach Verstärkung schreien, so muß es wohl geschehen, daß ich dorthin keine Unterstüßung schicken kann, wo sie am meisten Noth thut, aus dem einfachen Grunde, weil ich die stabile Gårde erst dann verwenden kann, wenn ich Allarm schlagen zu lassen bemüßigt bin. Ich ersuche die Herren Commandanten in dieser Hinsicht ihren Mannschaften zuzusprechen, sie auf die tiefe Bedeutung meiner Worte aufmerksam zu machen, und das Ober-Commando nicht mit Gewalt zu der verderblichen Maßregel hinzustoßen, Kanonen, Mu= nition und Menschen vor der Zeit zu verschwenden.

Wien, den 26. Oct. 1848. Messenhauser, m. p., prov. Ober-Comm.“

„Dringende Aufforderung an die Bewohner Wiens. Der mächtige, entscheidende Moment in umserem begeisterten Freiheitskampfe, der Barrikadenkampf, steht uns bevor. In diesem Kampfe liegt unsere größte Stärke, wir werden unüberwindlich seyn, wenn wir den Aufbau der Barrikaden, wo solche in strategischer Hinsicht nothwendig sind, mit rührigen Händen zu Ende führen. Das überall hin thätig wirkende Studenten-Comitee hat sich der Leitung dieser Arbeiten unterzogen, und es wird Folgendes bekannt gemacht: 1. Bei jedem Arbeitsplaße wird ein Ingenieur den Bau leiten, und ein Mitglied des Studenten-Comitees wird dabei beständig gegenwärtig seyn. 2. Die sich meldenden Arbeiter werden aufgeschrieben und erhalten folgenden Taglohn: Die Männer 40 kr. C. M., die Weiber 30 kr., die Kinder 10 kr. 3. Der Ingenieur verfaßt die Zahlungsliste und übergibt selbe dem Studenten-Comitee, welches die Auszahlung selbst bewirkt, wodurch jede Unzukömmlichkeit beseitiget wird. Auf, Mitbürger! zum Barrikadenbau, an diesen Bollwerken werden die Schädel unserer mordenden und sengenden Feinde zerschellen! Auf, und laßt uns nicht zu anderen Maßregeln schreiten, wo wir an Euren welthistorisch gewordenen Patriotismus uns wenden. Wien, am 26. October 1848. Vom Studenten-Comitee."

„Vom Generalstabe. Die Mannschaft des Transport-Sammelhauses ist vom Herrn Militär-Plaß-Contmandanten Generalen v. Matauscheck angewiesen, sich bei dem bevorstehenden Kampfe neutral und ganz passiv unter Androhung des Standrechtes in dem Transporthause zu verhalten. Für den Befolg dieses Befehles bürgt der Herr General vor dem versammelten Gemeinderath mit seinem Ehrenwort. Das Ober-Commando erkennt es als Pflicht, das Wort eines Ehrenmannes zu achten, und stellt hiermit das Transporthaus unter den Schuß der Volkswehr, wie auch der löbliche Gemeinderath ein Gleiches gethan hat. Dieß wird zur Vermeidung von anders gedeuteten Gerüchten öffentlich bekannt gemacht. Wien, am 26. October 1848. Haug, m. p., Chef des Generalstabes."

„Aufruf! Es hat in der akademischen Legion eine Abtheilung entschlossener Männer unter dem Titel „Todtenkopflegion" bestanden. Diese Schaar ist aufgelöst worden. Da es höchst wünschenswerth ist, die Namen der Braven zu wissen

welche gleichsam ein öffentliches Gelübde ablegen, sich bei allen Unternehmungen die Ersten in die feindlichen Kugeln zu stürzen, so ergeht der Aufruf an alle Glieder der aufgelösten Schaar, wo sie sich immer befinden möge, so wie an alle diejenigen, welche bei den gegenwärtigen Verhältnissen ein derartiges Gelübde ablegen wollen, sich in der Adjutantur des Belvederes einzufinden, und nach Einzeichnung ihrer Namen zur Verwendung als Leitmänner der einzelnen Schaaren mit der Muskete in der Hand, zur Verfügung zu stellen.

Wien, den 26. October 1848.

Messenhauser, m. p., provisorischer Ober-Commandant." General-Lieutenant Bem ließ sich von einem Schneider eine Generals, eine Infanterie-Offiziers-, und eine Kürassier-Offiziers-Uniform mit allen dazu gehörigen Abzeichen bringen. Man wußte dazumal noch nicht zu welchem Zwecke diese Militär-Uniformen gebraucht werden, in der Folge stellte es sich heraus, daß er in der kais. Generals-, und zwei seiner Adjutanten in den obbezeichneten f. f. Militär-Offiziers-Uniformen, durch die Cernirungs-Linie entwischt sind.

In der Leopoldstadt war es bis 11 Uhr Mittags ganz ruhig. Sodann begann am Augartendamm und in der neuen Gasse ein hißiger Kampf. Eine Abtheilung des mobilen Corps und vorzüglich die Tvroler-Schüßen wollten nicht weichen. Der Ku gelregen dauerte bis 2 Uhr, wobei manche Kugel weit in die Taborstraße hinein flog. Eine Kugel, sechs Pfund schwer, flog sogar bis in das Innere der Stadt und blieb im Rauchfange des Hauses zu den „zwölf Aposteln" in der Adlergasse stecken. Um die Mittagszeit griffen die Kroaten die Dampfmühle an, und eroberten solche nach einem heftigen und andauernden Widerstande von Seite einer Com pagnie der akademischen Legion.

Der Präsident eröffnete die Neichstags-Sißung um 12 Uhr Mittags und theilte mit, daß die an Se. Majestät in Folge Beschlusses vom gestrigen Tage abzusendende Deputation heute Morgens abgereist sey. Schufelka gab die Aufklärung, daß der in dem permanenten Ausschusse berufene prov. Ober-Commandant Messenhauser erklärt habe, daß nur aus Versehen die ReichstagsAbgeordneten und Gemeinderaths-Mitglieder in den betreffenden Plakate nicht als vom Waffendienst ausgenommen ausdrücklich bezeichnet worden seyen, daß dieses aber chestens nachträglich geschehen werde. Die Deputirten sorgten redlich für ihren heiligen Leib! Der Präsident vertagte hierauf mit Hinweisung auf die Möglichkeit, daß bis morgen vielleicht schon eine Nachricht von der Deputation einlangen dürfte, die Sizung um halb 1 Uhr auf den 27. Mittags um 12 Uhr.

Nachmittags bezogen Hauptmann Schmid und Lieutenant Kißling mit der 6. Compagnie des 7. Bezirkes, welche seit 12. October die Wache im HauptQuartier des Schwarzenbergischen Gartens versah, in Folge des Tagsbefehles von demselben Tage und in Rücksicht ihres ausgezeichneten Benehmens auf Ober

Commando-Befehl die Wache in der Stallburg. Diese Compagnie erklärte beim Einrücken auch permanent die Wache in der Stallburg versehen zu wollen.

Die Familie des Cavall.-Lieut. Grafen Gourch bat das Ober-Commando um Ausfolgung der demselben gehörigen, in der Reiterkaserne in der Leopoldstadt zurück gebliebenen Möbeln und Effekten. Der Plaßoffizier Dunder begab sich dahin, ließ die Gemächer öffnen, und nachdem derselbe in Gegenwart von mehreren Zeugen die Gegenstände inventirt, an den Beauftragten sämmtlich ausfolgen. Eben so erfolgte derselbe an weinende Militärsfrauen, nachdem der Kasernhaushüther sich für dieselben verwendet, alle denselben gehörige Habe. Kaum noch mit der Uebergabe fertig, ließ sich Geschüßdonner hören, die daselbst wachhabenden Garden ergriffen die Flucht, weil das Militär angeblich ganz in der Nähe eingedrungen, der zitternde Fiaker wollte ebenfalls wegfahren, und erst nachdem genannter Plazoffizier versicherte, es könne nicht seyn, und die Parteien mit ihren Effekten in Ordnung waren, flog der hasenfüssige Fiaker davon.

In den Nachmittagsstunden versammelten sich die täglichen Gäste eines Kaffehhauses auf der Landstraße und fühlten sich ganz gemüthlich in ihrer gewohnten Weise. Plößlich entstand mitten unter ihnen ein solcher Höllenlärm, daß Alles erschrocken unter einander lief. Die Marquere ließen den Kaffeh sammt der Platte, die sie eben in der Hand hielten, zu Boden fallen, die Kartenspieler und Zeitungsleser sprangen entsegt von einem solchen Lärm auf und warfen dabei Stühle und Tische sammt allen darauf sich befindlichen über den Haufen; alles rannte und drångie, alles tobte und schrie, der Tumult wurde immer größer und in einer halben Minute war das ganze Kaffehhaus geräumt, nur die Urheber des Spektakels, drei Tambours, die wie wahnsinnig Allarm schlugen, standen noch da und hörten erst dann auf ihre Schlegel zu rühren, bis der leßte Mann bei der Thüre hinausgegangen. Jeßt wurde das Kaffehhaus gesperrt, und die drei Tam bours begaben sich in der Stille in's nächste Kaffehhaus, um dort das so eben ausgeführte Spektakel von Neuem zu beginnen. Die Gäste aber, welhe aus dem Kaffehhause geflohen, wurden in der nächsten Gasse angehalten und zum Kriegsdienste geworben. Dasselbe geschah auch in andern Vorstädten. In Stierböck's Kaffehhaus, welches den zahlreichsten, in politischer Kannegießerei äußerst hel denmüthigen Emancipirten zum Hauptquartier dient, gab es höchst lächerliche Ueberraschungen. Der zahlreichen Oeffnungen jenes berühmten Kaffehhauses waren zu wenig um die Maulhelden für die Emancipation auf ihrer Flucht vor Trommel und Gewehr zu fassen.

Bericht des Generals Bem: Herr Ober-Commandant! Am 26. gegen 9 Uhr Früh machte der Feind beinahe zu gleicher Zeit im Augarten, Praterstern, Franzens- und Sophienbrücke den Angriff; später in Erdberg und Nußdorf. Sein Feuer war äußerst heftig, wurde aber von den Unseren eben so lebhaft er

wiedert. Das Resultat des Angriffes war, daß die Rebellentruppen (?) den Augarten, den Nordbahnhof und die Dampfmühle beseßten. Die Sophienbrücke zu nehmen, war ihnen troß aller Anstrengungen unmöglich, denn dort stand zwar nur eine Compagnie des 3. Bataillons Mobilgarde, Oberst Wutschel, eine Abtheilung Brünner- und Landstraßer Nationalgarde, und eine Kanone, eben diese wehrte den Feind auf das Heldenmüthigste ab, nach zwei Stunden erst kam die 2. und 3. Compagnie desselben Bataillons zur Ablösung, und hielt eben so tapfer Stand; nachdem die eine Kanone durch eine ganze Batterie demontirt war, wurde die Brücke durch Kleingewehrfeuer vertheidigt. Besondere Erwähnung verdient der Adjutant Herr Popowiß, und der Vormeister der Kanone. Bald stand das nebenanliegende Holzlager, das Haus und Gärten in Flammen; die Zucker-Raffinerie, das Forsthaus und mehrere reiche Holzlager an der andern Seite wurden erbarmungslos von den Rebellentruppen (?) den Flammen preisgegeben. Wien hätte mit seinen Vorstädten ein Raub der Flammen werden können, wenn der Wind halbwegs ungünstig gewesen wäre. Die Sophienbrücke wurde von den Unsern theilweise zerstört. General Bem, m. p."

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„Befehl an alle Commandanten. Fürst Windisch gräß hat der Deputation des Gemeinderathes erklärt, er müsse bei seinen Bedingungen beharren, er verlange unbedingte Unterwerfung, und am Abende werde er die Feindseligkeiten eröffnen. Es haben demnach die Commandanten die Außenwerke und Barrikaden auf das Stärkste zu beseßen, die Unterstüßungen aufzustellen, und eben so alle Reserven unter Waffen treten zu lassen.

Jeder ohne Ausnahme hat von 6 Uhr Abends auf seinem Posten zu seyn, und denselben ohne bestimmte und ausdrückliche Erlaubniß des Commandanten auf keinen Fall zu verlassen. Mitbürger! Der Feldmarschall geht von der Anficht aus, in Wien herrsche eine kleine Fraction. Er wird an unserem Widerstande erfahren müssen, daß die gesammte Bevölkernng es als Ehrensache anfieht, auf solche Bedingungen nicht einzugehen. Es möge denn das Verhängniß eines Bruderkampfes walten.

Was immer an aufrichtigen Friedensmitteln versucht werden konnte, ohne Ehre und Freiheit der Willkühr einer Militärherrschaft zu überliefern, ist von allen Körperschaften ohne Ausnahme, dem hohen Reichstage, dem Gemeinderathe und der Nationalgarde zu wiederholten Malen versucht worden. Wir können den abgerissenen Faden der Unterhandlung nicht mehr aufnehmen, ohne das GottesUrtheil eines gerechten und heiligen Kampfes versucht zu haben. Commandanten und Wehrmänner! Wir find weder Verschwörer noch Aufrührer gegen die gehetligte Person Sr. Majestät des Kaisers, noch gegen die verfassungsmäßigen Rechte seines constitutionellen Thrones. Im Gegentheile, wir sind es, die (!) den constitutionellen Thron vertheidigen. Wir sind es, die der Anarchie entgegen.

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