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Nachmittags 2 Uhr war auf der Universität mit Bestimmtheit (die Lüge) angezeigt, daß die Ungarn Jellačič bereits im Rücken angegriffen haben.

Ein Zug Palatinal-Husaren wollte zu uns übergehen. Sie wurden am jenseitigen Ufer der Donau von Dragonern zurückgehalten. Diese Lüge dürfte ein Offizier, welcher mehrmal in Uniform von diesem Husaren-Regimente beim Ober-Commando war, gebracht haben.

Fünf Wagen mit Heu und zwei Wagen Hafer, welche in das Lager im Belvedere geführt werden sollten, sind angehalten und genommen worden.

Das Ober-Commando gab den Befehl, gemäß Reichstags-Beschluß diese Wagen in das Belvedere zu befördern; es wurde ein Plazoffizier sogleich beordert, mit gehöriger Assistenz diesen Befehl in Vollzug zu sehen. Zweimal wurden dieselben glücklich bis zur Wieden gebracht, von den Garden und der neu bewaffne ten Volkswehr aber immer wieder zurückgehalten. Erst das dritte Mal gelang es mit vieler Mühe und auf umwegen diese Stroh- und Heuwagen an den Ort der Bestimmung zu bringen, und auf solche Weise diesen Befehl vollziehen zu können.

Dem Mangel an Munition, hieß es in den Zeitungen, dürfte bald abgeholfen seyn, es wurden eben 3 Pulverfässer, enthaltend 45,000 fertige scharfe Patronen aus dem Zeughause auf die Universität gebracht. Es sollen noch 39 Fässer nachfolgen.

Ein Mann in Civilkleidern wurde arretirt, als er eben die deutschen Grenadiere überreden wollte in die Kasernen zurückzukehren. Vor einer Stunde wurde auch ein Gemeiner von Nassau, der über den Hof ging, festgenommen.

Ein Soldat vom Regiment Nassau wurde in Ottakring angehalten. Er ging mit Depeschen von Auersperg nach der Türkenschanze. Da die Depeschen nichts Verfängliches enthielten, ließ man ihn ungehindert weiter gehen.

Wieder tamen einige Mann Militär mit Sack und Pack auf die Aula; sie wurden mit Jubel empfangen. Briefe an Auersperg wurden aufgefangen, und dem Studenten-Comitee überbracht. Dasselbe sendete dieselben unerbrochen dem Reichstags-Ausschusse zu.

Im Reichstage ging das lügenhafte Gerücht, daß Windischgräg Truppenverstärkungen aus Wien erwarte, weil die deutschen Gegenden in Böhmen im vollen Aufstande sehen.

Am 11. erschien der Deputirte Gold mark im Bureau des provisorischen Ober-Commandanten Braun, und kündigte ihm an, daß die Errichtung eines Generalstabes für die Nationalgarde nach der Ansicht der Reichstags-Permanenz dringend nothwendig sey. Bei dieser Gelegenheit stellte Goldmark zugleich Haug und Jellovicki, legteren als polnischen Obersten mit dem Bemerlen vor, daß diesen distinguirten Militärs die Generalstabs-Geschäfte übertragen find, daher fie der Ober-Commandant auf alle mögliche Weise unterstügen möge,

wozu auch zwei gerade anwesende Offiziere des Nationalgarde-Ober-Commando aufgefordert wurden. Haug äußerte sich, daß bei den ungeheueren Kräften, welche der Stadt Wien zu Gebote stehen, sich jedenfalls ein günstiger Erfolg für die gute Sache erwarten lasse, und erbath sich die Mittheilung der Standes-Listen und die Eintheilung der National-Garde, damit er in den Stand geseßt werde, die Pläne zur Vertheidigung auszuarbeiten.

An demselben Tage noch stellte sich Haug einer Versammlung von Ober: Commando-Offizieren als Chef des Generalstabes vor, und erklärte mit eben so vieler Gewandtheit als Beredsamkeit, daß er bereit sey, alle seine Kräfte der Erringung der Freiheit zu widmen.

Bei dieser Gelegenheit zeigte sich unter den anwesenden Offizieren einige Unzufriedenheit, worauf Haug gleich sehr gewandt äußerte, daß man ihn nicht mit dem als Republikaner bekannten Schriftsteller und Mitarbeiter an der Zeitschrift Constitution" verwechseln möge, indem er derselbe nicht sey, ihn wohl kenne, aber seine Gesinnungen nicht theile. Haug's Aeußerung und sein einnehmendes Benehmen beruhigte einigen Theils, und derselbe begann sogleich seine Wirksamkeit mit Jellovicki, welch Leßterer nach wenigen Tagen das Artillerie-Ober-Commando übernahm.

Im f. f. Militär-Trankports-Sammelhause waren ungefähr 150 Mann zur Transportirung bestimmt, unter welchen auch jene aus dem t. f. Staabstockhause wegen minderen Vergehen freigelassene, dahin abgeführte Militärs sich befunden haben.

Emissäre der Garde und der Legion versuchten die im Hause befindliche Transports-Mannschaft zum Treubruche, und zum Uebertritte zu bewegen, jedoch mit geringem Erfolge; im Gegentheil bekamen sie von den Soldaten manche bittere Wahrheit zu hören, und nur unter denen, von dem Staabsstockhause dahin gebrachten Militärs fanden die Vorspiegelungen und Verheißungen Anflang, und diese verblendeten Soldaten zogen auch wirklich mit den Legionären ab. Ob leßtere innländische Studenten waren, ist zu bezweifeln.

Auch wurden im k. k. Militär-Transports-Sammelhause gleiche Eingriffe, gleiche Verlegungen und Verschleppungen ausgeübt wie in den anderen Kasernen; man suchte nach Waffen, nach Munition, nach Koßen u. a. m., auf welche Weise auch ungefähr 200 Stück Gewehre, welche sich dort vorfanden, vom X. Bezirk requirirt, und gegen Empfangs - Bestätigung weggeführt wurden.

In Folge der Abdankung Hornbostels war noch vom Ministerrathe Krauß in Wien, und Wessenberg beim Kaiser als Minister übrig geblieben.

In den Straßen Wiens sah es recht kriegerisch aus. In allgemeiner Bestürzung wurden zahllose Lügen geglaubt. Es hieß: Jellačič sey bereits im

Prater eingedrungen, und beseße die Vorstädte; es erwies sich aber als blin der Lärm. Das Lärmmachen war ebenfalls in Permanenz.

Erpressungen von Seite der Bewaffneten kamen vor, wie z. B. nachstehendes Plakat nachweiset:

,,Mit größter Entrüstung vernehmen wir, daß sich ein verworfenes Individuum in akademischer Uniform in die Häuser gedrängt und mit Plünderung gedroht habe, im Falle ihm die verlangten Beträge verweigert würden." ,,Wir ersuchen dringend Jedermann derlei Verbrecher sogleich an die Stadthauptmannschaft zu überliefern. Bom Studenten-Ausschuße."

Die von der Anhöhe des Schwarzenberg-Gartens gegen die Stadt, vornehmlich gegen die Aula gerichteten Kanonen wurden mit Angst beobachtet. Die Bewohner flüchteten bei allen Linien aus Wien, darunter sehr viele Beamte. Hierüber waren Gut und lebelgesinnte erbittert.

Gestern sind 69 Kisten mit Gewehren ins bürgerliche Zeughaus eingebracht worden. Solche waren Eigenthum des ungarischen Ministeriums. Die Studenten machten jenen Fang in der Vorausseßung, solche wären für Jellačič bestimmt gewesen. Die Gewehre find vom Bolke genommen worden.

Ein schwer beladener Wagen mit Hafer, der am heutigen Tage um 3 Uhr Nachmittag entlang der der Leopoldstadt gegenüberliegenden Stadtmauer fuhr, wurde von Legionären angehalten und in die Stadt gebracht.

Eingegangenen Nachrichten zu Folge sollen die Bauern sehr flau gewesen seyn, als sie die Aufforderung zum Landsturm erhielten, namentlich die in der Gegend von Gänserndorf, welche eine größere Entschädigung für die an die Eisenbahn verkauften Felder beanspruchten.

Die Bauern benüßten die Gelegenheit, der bedrängten Stadt ihre Feldfrüchte theuer zu verkaufen. Dieß war der Dank für die Befreiung von Robot, Zehent 2c. - Hilf dem Bauer auf's Pferd, und es holt ihn kein Teufel mehr ein - sagt ein altes Sprichwort.

Die Truppen des Ban haben sich mit jenen des Grafen Auersperg mittelst Cavallerie vereinigt.

Das Studenten - Comitee erklärte durch ein Plakat das Gerücht, als wolle die akad. Legion die Armee - angreifen, für unwahr. Hiebei muß bemerkt werden, daß wenn man bedenkt, wie schwach die Zahl der in Wien gebliebenen Legionäre unter Waffen war, die Erklärung eine große Armee angreifen zu wollen, unterbleiben konnte.

Ein Plakat wegen Verpflegung der Bewaffneten :

Note. Damit die Approvisionirung der Stadt Wien keine Störung erleide, hat der Gemeinderath beschlossen, das löbl. Nationalgarde-OberCommando zu ersuchen, die Bäcker durch Tagsbefehle vom Dienste zu enthe

ben, und zwar so lange, als die Verproviantirung der gegenwärtig unverhältnißmäßig angewachsenen Volksmenge *) die Verwendung aller disponiblen Arbeitskräfte zur Broterzeugung nothwendig macht.

Wien, am 11. Oct. 1848."

Für den Alterspräsidenten: Stacell m. p. Gemeinderath."

Ein Plakat wegen Hülfe-Aufforderung der Magyaren:

,,Der Gemeinderath der Stadt Wien, von mehreren Seiten aufgefordert, den Anmarsch der ungarischen Truppen anzuordnen, hat erklärt, daß er sich zur Ergreifung dieser Maßregel ohne Befehl des permanenten ReichstagsAusschußes nicht ermächtiget halte, und hat daher in steter Besorgniß für das Wohl der Stadt sich allsogleich in corpore zum permanenten ReichstagsAusschuße begeben, und auf seine bezügliche Anfrage und dringendes Ersuchen folgenden Erlaß erhalten, den er sich beeilt seinen Mitbürgern kundzugeben;. daß das Ministerium im Vereine mit dem Reichstags - Ausschuße über eine foeben vom commandirenden General Grafen Auersperg eingelangte Depesche, betreffend die Stellung Jellačičs sich in Berathung befindet, so wird der löbl. Gemeinde-Ausschuß höflichst ersucht, wegen Beantwortung seiner Wünsche sich bis zum Schluße der Berathung zu gedulden. Wien, am 11. Oct. 1848. Vom Reichstags-Ausschuße. Dr. Fischhof, m. p. Obmann.“ Ein an allen Ecken angeschlagen gewesenes Plakat des Aufruhrs: ,,Auf! Polen - Legion! Bewährte Freiheitskämpfer! Schaart Euch um uns, da auch wir für unsere junge Freiheit siegen oder fallen wollen. Wien, den 11. October 1848."

Bom Polen-Ausschuße. Sammelplaß unter den Tuchlauben."

Ein Plakat der Humanität:

,,Von der Wiener med. Facultät. Der Gemeinder ath der Stadt Wien hat die medicinische Facultät ersucht jene Herren Aerzte, welche für wundärztliche Behandlung geeignet sind, bei ihrer Ehre und Pflicht aufzufordern, im Falle eines Conflictes der bewaffneten Körperschaften mit den nöthigen Verbands-Requisiten versehen — mit allem Eifer und Hingebung ihren Pflichten nachzukommen. Die Aerzte Wiens haben ihre Hingebung für das gemeinsame Wohl jederzeit bewiesen, und unsere Mitbrüder können sich der beruhigenden Ueberzeugung überlassen, daß jedes Facultätsmitglied mit Eifer und Aufopferung seiner Pflicht sich weihen werde, wo das Vaterland ruft, und wo immer dem Leben eines Mitbürgers Gefahr droht. Es wollen demnach diejenigen Herren Aerzte Wiens, welche der National-Garde als Aerzte bisher noch nicht eingereiht sind, in die prov. Facultätskanzlei (Stadt, Bauernmarkt *) Die Volksmenge ift vermindert worden; aber die Menge der auf Kosten der Come mune zehrenden Individuen wuchs übermäßig an. Dr.

Nr. 589) fich verfügen, um bei etwaigen Anforderungen zu wundärztlichen Hülfeleistungen im obbezeichneten Falle an diejenigen Orte entsendet werden zu können, wo ihre Hülfe nothwendig ist. Wien, den 11. October 1848."

Dr. Lerch, Decan.
Dr. Köd, Pronotar.“

Nachstehende Proklamation sollte dem gefährlichen Vagiren des bewaffneten Proletariats steuern :

,,Aufruf! Alle gutgesinnten Bewohner Wiens, welche in den jüngsten Tagen Waffen erhalten haben und nicht in die Nationalgarde eingereiht find, werden aufgefordert, sich bei ihrem Bezirks-Commando zur Anreihung an die betreffenden Compagnien zu melden, und dann bei jedem Allarmzeichen sich am Sammelplaße des Bezirkes einzufinden, zur Verfügung des Commandanten zu stellen, und so desto zweckmäßigere Dienste leisten zu können. Zugleich ergeht an die gesammte Bevölkerung Wiens das dringende Ersuchen, bei jedem Allarm, und namentlich zur Nachtzeit, Kinder und andere zum Waffendienste nicht geeig nete Personen strenge bei Hause zu halten, damit durch sie keine Verwirrung veranlaßt, und dadurch die Ausführung der angeordneten Maßregeln nicht behindert werde. Bien, am 11. October 1848.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien, im Einvernehmen mit dem

Nationalgarde-Ober-Commando."

Nachstehende Ermahnung erließ der Gemeinderath an die heißblütigen, bewaffneten Volkssouveräne :

,,Mitbürger! Im Interesse der öffentlichen Sicherheit der Stadt Wien sieht sich der Gemeinderath verpflichtet, alle Bewaffneten und nicht Bewaffneten Bewohner dieser Stadt, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die daraus entstände, wenn von Seite derselben, ohne höhere Anordnung der dießfalls sie zu ermächtigten, und geseßlichen Autorität, auf das innerhalb dem Weichbilde der Stadt sich befindende Militär irgend ein Angriff Statt fände, da es höchst dringend ist, jeden Zusammenstoß zwischen Civil- und Militär, sowie jeden Anlaß zu Reibungen streng zu vermeiden, weil ein eigenmächtiger Angriff auf das Militär von Seite unserer Bevölkerung die traurigsten Folgen für Wien hervorbringen könnte. Wien, am 11. October 1848.

Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.“ Diese Proklamation verdient den Dank aller Wiener Bewohner - auch jener, die bereits entflohen waren.

Aus dem Studenten-Ausschuße.

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Der auf der Universität in Verwahrung befindliche ungarische Ministerpräsident Baron Recsey hat im Studentenausschuße folgende Erklärungen abge= gegeben, welche wir wörtlich zu geben nicht unterlassen dürfen ; und zwar :

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