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oder mit denselben fallen. Unter den ungeheuren Mengen, die größtentheils zur niederen Classe gehörten, und heute vollständig mit Gewehr und Schießbedarf versehen wurden, wurde durchgängig keine Aeußerung der Rohheit, der Geseglosigkeit vernommen. Sie fügten sich alle freudig und bereitwillig jedem noch so gefährlichen Commando, das fie, nach ihrer Ansicht zur Vertheidigung der geseglichen Errungenschaften berechtigte.

Auf der Aula herrschte fortwährend das regste, bewegteste Leben. Bewaffnung, Verproviantirung, Munition, Alles wurde von dort begehrt und größtentheils auch gewährt. Die Gefangenen, worunter Geißeln von Bedeutung, wurden in der Adjutantur der akademischen Legion auf's Sorgfältigste bewacht und gut behandelt. Lobend müssen wir erwähnen, daß Excesse von Seiten des Militärs gegen Bewohner und Patrouillen in den Vorstädten Wieden und Land, straße nicht weiter vorgekommen sind. Der panische Schrecken in der heutigen Nacht, der Allarmirungen durch Trommel und Sturmglocke zur Folge hatte, war durch einen grundlosen Lärm herbeigerufen. Eine Patrouille Nationalgarde stieß in einer entfernten Vorstadt auf eine Patrouille Soldaten. Dieß gab Veranlassung zu Gerüchten, die mit Blißesschnelle verbreitet und vergrößert, desto mehr geglaubt wurden, je unwahrscheinlicher sie waren. Bald follen Jellačič's Truppen schon in Mariahilf stehen, bald sollen Vorposten-Truppen sich auf den Höhen von Dornbach gezeigt haben, bald sollen Pulverkarren erobert worden seyn. Alles wurde geglaubt, die Sturmglocke (ob mit oder ohne Befehl, können wir nicht sagen) wurde geläutet, Raketen als Signale vom Stephandthurm aus geworfen, `um ohne moralische Wirkung in der Luft zu zerplagen. Als sich endlich das Grundlose der Gerüchte kund gab, trat nach und nach wieder eine tiefe Stille ein, nur unterbrochen durch das unzweckmäßige Abfeuern von Gewehren, welches hie und da wieder Schrecken hervorrief.

Dem Vernehmen nach standen zahlreiche, wohlorganisirte Haufen des ungarischen Landsturmes in der Umgegend von Bruck. Sie sollen erklärt haben, daß sie die Erlaubniß des ungarischen Reichstages stündlich erwarten, und dann ohne weiteres Zögern Jellačić angreifen werden.

Nachstehender aufreizender Aufruf der Demokraten war in deren Blättern

zu lesen:

„Ihr lieben. Wiener! Vernehmt, wie es in Steyermark zugeht!

,,Als die Kunde von Eurem heldenmüthigen Kampfe am 6. October nach Graz tam, veranstaltete der dortige demokratische Verein die alsogleiche Abfahrt eines Theils seiner Mitglieder nach Wien, um Euch seine innigen Sympathien zu bezeugen, und Euch des Beistandes weiterer Hilfe zu versichern, falls Ihr dessen noch bedürfet."

„Die zurückgebliebenen Vereins-Mitglieder erfüllten unterdessen ihre heilige

Pflicht, indem sie durch Proklamationen das Stadt- und Landvolk auf die Euch und uns selbst drohenden Gefahren aufmerksam machten."

„Der Gouverneur Graf Wickenburg, ein offenbarer Anhänger Jellačič's, ließ aber nicht nur durch seine Schergen unsere unten folgende Proklamation konfisciren, sondern täuscht auch durch falsche telegraphische Berichte meine Landsleute, als ob in Wien schon wieder Alles in voller Ordnung und Ruhe, und gar keine Gefahr mehr vorhanden wäre; er seßte ein Comitee aus Männern zusammen von anerkannt reaktionärer Gesinnung, und erklärte die Beschlüsse des hohen Reichstages nicht weiter bindend.“

Obgleich auf die energischen Protestationen des demokratischen Vereins die Sistirung der eingeseßten provisorischen Regierung und Anerkennung der geseg gebenden und exekutiven Gewalt des hohen Reichstages durchgesezt wurde, so konnte doch die Aufhebung der Beschlagnahme unserer Proklamation troß wiederholten Vorstellungen nicht erreicht werden, und die kostbare Zeit ging verloren."

„Die Aufforderung an das Volk, alsogleich die Waffen zu ergreifen, um Euch Wienern zu Hilfe zu eilen, erklärte Graf Wickenburg für Aufruhr predigen!!!"

Wiener! Bei diesen Gesinnungen, bei diesem Verfahren unsers Gouverneurs, der in der Provinz über eine bedeutende Truppenmacht verfügt, durch den Telegraphen in immerwährender Verbindung mit dem Grafen Auersperg steht, und vermittelst der Eisenbahn die an der steyrischen Gränze stehenden Kroaten in kürzester Zeit nach Wien senden kann, find wir außer Stande, im Falle der Noth Euch die versprochene Hilfe zu leisten.“

„Wir haben daher dem aus dem hohen Reichstage hervorgegangenen Sicherheits-Ausschusse und dem Herrn Minister Krauß unsere Bitte um alsogleiche Abberufung unseres Gouverneurs vorgebracht. Wird sie nicht gewährt, und Euch naht von Steyermarks Bergen statt Hilfe Verrath, so klaget nicht die steyermärkischen Demokraten an, die mit Freuden mit Euch kämpfen, fiegen oder sterben werden!" Josef Leopold Stiger,

Vorsiger des Grazer demokratischen Vereines.“ Brüder! Beim Schlagen der Vergatterung versammelt Euch beim demokratischen Vereine im Gasthofe zum wilden Mann in der Schmidgasse."

„Die Wiener haben in den März und Maitagen für unsere Freiheit Alles, ihr und ihrer Angehörigen Gut und Blut bereitwillig eingeseßt, und kämpfen jest abermals für unsere Freiheit."

„Steyermärker! Ihr habt den Wienern bei unseren Verbrüderungen versprochen, ihnen im Falle der Noth Hilfe zu leisten. Gedenket Eures Wortes. Gestern ist bereits eine Schaar von 60 unerschrockenen Männern vorausgeeilt, um den braven Wienern zu verkünden, daß wir sie nicht verlassen werden."

Sehd daher auf den ersten Ruf bereit, ihnen zu folgen, denn in Wien wird jeßt unser Schicksal entschieden, ob wir freie Mäuner bleiben sollen oder wieder Sklaven (?) werden. Wir kämpfen also nicht sowohl für ihre, als für unsere eigene Freiheit."

„Brüder! Jeßt gilt es! Die Gefahr ist dringend!"

„Schon naht heran mit seinen Horden der von der Kamarilla besoldete I ellačič, den Ihr in der Hofloge des hiesigen Theaters gesehen habt, um die freiheitsmuthigen Wiener zu morden und zu plündern.“

„Freiheit oder Knechtschaft! — Wählt!”

Graz, am 8. October 1848.

Vom demokratischen Vereine." Nachstehende Proklamation gibt einen Begriff von der Ueberschäßung der magyarischen Kräfte, dann von dem schmählichen Bombaft der Magyarenführer überhaupt :

„Die ungarische) Nation, im heiligen Kampfe für ihre Freiheit, und ihr gutes Recht, gegen den in der Weltgeschichte unerhörten Berrath der reaktionären Kamarilla, und ihrer eidbrüchigen Söldlinge *) begriffen,ist von dem wärmsten Dankgefühle durchdrungen für die heldenmüthige Aufopferung *) der edlen Bewohner Wiens, womit selbe die Verstärkung der Armee des Verräthers) Jellačič zu verhindern sich so glorreich *) erhoben haben. Die ungarische Nation') erklärt vor Gott und der Welt, ) daß sie die Freiheit Oesterreichs ihrer eigenen Freiheit gleich achten, und zu deren Aufrechthaltung gemäß den Wünschen der österreichischen Nationen nach Kräften beizutragen, stets zu ihrer heiligsten Pflicht rechnen wird. *) Die Gefahr ist gemeinschaftlich, da die Freiheit beider Nationen bedroht ist.) Ungarn weiset entschieden von sich jeden Traktat mit der Kamarilla und ihren eidbrüchigen ") Söldnern, und bekennt sich aber vor Gott und

1) Soll heißen: die magharische Kossuth'sche Partei.

a) Soll heißen: gegen die Gleichstellung aller ungarischen Völker.

) Wer riß sich von der Monarchie los?

) Ja wohl, Aufopferung!

) Wenn die Verräther alle so handeln wie Jellačič, dann soll sie Gott lange zum Wohle des Staates erhalten.

•) Die Geschichte wird ven keiner Glorie erzählen, und die Wiener werden derlei glorreiche Thaten wie der 6. Oktober, ohne Zweifel von sich weisen.

7) Magharischer Bombast, und soll heißen: die magharische Kossuth'sche-Parthet. *) Die österreichischen Nationen verdanken ihre Freiheit Ferdinand dem Gütigen, und keine Sylbe ist zurückgenommen.

») Von und durch wen?

10) Wir wissen, wer dem gesalbten Könige den Eid der Treue gebrochen.

11) Lamberg! Latour!

12) !!

Dem Reichstag!

Der Minorität des Reichstages?

der Welt) zu tiefverpflichtetem Freunde, treuen Bunde sgenossen und Bru der der österreichischen Nationen, und erklärt sich unwandelbar bereit, die gegenseitigen Interessen zu beiderseitiger Zufriedenheit auf der breitesten Basis des Rechtes, der Billigkeit ") und der treuen Bruderliebe, ) regeln zu wollen, und bietet hiezu ihre treue "o) Bruderhand. Ungarn ') erklärt zugleich seinen wärmften Dank dem hohen Reichstag für die kräftigen Maßregeln zur Verhinderung ") des Abmarsches einer reaktionären Soldateska, bestimmt die räuberischen Hor den) Jellačičs zu unterstüßen, findet sich aber zugleich veranlaßt, die hohe Reichsversammlung zu benachrichtigen, daß die ungarische Regierung Kunde bekommen habe, daß troß der vorbemerkten Maßregeln es dem Empörer ") Jellacić doch gelungen sey, gegen 13,000 Mann Verstärkung aus Desterreich an sich zu ziehen, und daß unser armes, verrathenes Baterland ") auch von dem in Gallizien stationirten Militär eine Invasion bedroht. Die ungarische Nation ersucht die edlen Vertreter Desterreichs, hiergegen kräftig einschreiten zu wollen. Und so wie wir jeden Ungar für einen Landesverräther erklären, der seine unheilige Hand gegen die Freiheit Oesterreichs ) erhebt, eben so ist jeder Unterthan der österreichischen Monarchie für einen Landesverräther zu erklären, der dem Empörer Jellačič, dem eidbrüchigen Werkzeuge, das sich die Kamarilla zur Unterdrückung der Freiheit Ungarns und Desterreichs ") auserlesen, die mindeste Unterstüßung gewähren würde. Der Empörer Jellačič treibt seine Horden mit Kartätschen in den Kampf gegen die Freiheit. ") Es ist höchst wahrscheinlich, daß er von unseren tapfern Truppen gedrängt seine räuberischen Horden auf das Gebiet Desterreichs wirft, und wo möglich Wien selbst zu bedrohen beabsichtigt. - Die ungarische Nation ist fest überzeugt, daß er in diesem Falle unter dem Racheschwerte der Freiheitssöhne Desterreichs unrettbar fallen ") wird; daher hält es die ungarische Nation für ihre heiligste Pflicht der Dankbarkeit gegen Wien und Oesterreich, in diesem Falle Jellačić nachzujagen und in dem Werke seiner wohlverdienten Vernichtung das edle Volk Desterreichs zu unterstüßen. Darum haben die Repräsentanten der ungarischen Nation den Befehl an die

13) Die Kroaten haben keine Kirchen geschändet und beraubt, auch weder Lamberg noch Latour ermordet, noch weniger Venedig preisgegeben.

14) Kossuths und seiner Anhänger wohlerworbener Titel.

11) Von Euch verrathen und wahrlich sehr zu beklagen!

16) Nicht nöthig. Man denke an Italien, an die Staatsschuld, an die verheißene Armee gegen Karl Albert 2c.

1) Leerer Bombast und hohle Verleumdungen.

18) Solch' schändliche Lügen haben Männer unterschrieben!

1) Experientia docet!

ungarische Armee ertheilt, Jellačič zu verfolgen, wohin er sich wenden möge.') Doch betheuert die ungarische Nation vor Gott und der Welt, daß, wenn ihre Truppen den fliehenden Feind nach Desterreich zu verfolgen bemüßigt wären, hiermit nicht nur keine Gebietsverleßung Oesterreichs beabsichtigt werde, sondern daß in diesem Falle die ungarische Nation auch dem Triebe der Dankbarkeit folgt, welche ihr es zur Ehrenpflicht macht, die edeln Bewohner Wiens nicht ohne Unterstüßung *) zu lassen gegen den gemeinschaftlichen Feind. Möge die hohe Reichsversammlung diese aufrichtig gemeinte Erklärung mit gleicher Bruderliebe entgegen nehmen. Die ungarische Nation erklärt, daß ihre Truppen in dem Augenblicke Halt machen, und sich nach Ungarn zurückwenden werden, wo die edeln Vertreter des tapfern Desterreichs dem commandirenden General der ungarischen Armee die Weisung zukommen lassen, daß die Entwaffnung des gemeinsamen Feindes durch eigene Kraft bewirkt, und die Mitwirkung der ungarischen Truppen zum Siege der gemeinschaftlichen Freiheit nicht mehr nöthig sey. Die ungarische Regierung hat die strengsten Befehle erlassen, daß im Falle die ungarische Armee vorrückt, ihre Verpflegung selbst auf dem uns heiligen österreichischen Boden von Ungarn aus verabfolgt, und dem edeln Volle Desterreichs nicht die mindeste Last aufgebürdet werde. Gruß, Hochachtung und Bruderliebe. *) Pesth, 10. Oktober 1848.

Des ungarischen Reichstags-Oberhauses: Vicepräsident Sigm. Perenyi.
Des Unterhauses: Erster Vicepräsident Johann Palffy." ^)

Diese Proklamation war in Wien an allen Straßenecken ohne Angabe des Monatstages mit der Aufschrift: „Proklamation der Ungarn (?) an den hohen constituirenden Reichstag in Wien, und die gesammte (?) Bevölkerung Desterreichs" angeschlagen. *)

Ueber den Inhalt haben die Ereignisse bereits das Urtheil gefällt und dargethan, wer an der österreichischen Monarchie zum Verräther geworden. — In Folge der Ereignisse bewilligte das Justiz-Ministerium durch folgenden Beschluß ein Moratorium :

Ueber Ansuchen der f. t. priv. Großhändler und des bürgerl. Handelsstandes in Wien, findet das Justiz-Ministerium hiermit zu erklären, daß Wechsel,

1) Kossuth denkt, Gott lenkt. Man vergleiche den 30. October u. s. f.

=) Wien brauchte leine bewaffneten Magyaren, wohl war es aber umgekehrt der Fall. ») Wien denkt an die Märztage, an das,,Bruder küsse mir" dann an die verrätherischen Verbindungen mit dem Feinde in Italien ic. ic.

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⚫) Eine interessante Proklamation der beiden lieben Herren! Der Ban muß die Unverschämtheit derselben nur verachten.

*) Der Verfasser besißt sowohl diese als die übrigen in dieser Denkschrift angezogenen Proklamationen.

Dr.

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