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Plane einer weitverzweigten Verschwörung“ verfolgte, über deren wirklichen Bestand, nach den Versicherungen der obersten Landesbehörden, kein Zweifel möglich war. Schon im Vorhinein standen die Vertreter aller deutschen Länder Desterreichs als compakte Masse den Böhmen gegenüber, und die aus deutschböhmischen Bezirken als Führer oder Koriphäen der Linken" waren in den durch die Schwäche und Gesinnungslosigkeit des frühern Ministeriums gelockerten Staatsverband Kraft und Einheit zu bringen, wenigstens redlich bemüht. Dieser Majorität der Kammer, vereint mit dem kräftiger auftretenden, neuen Ministerium gegenüber, bildete sich die Opposition der Linken" aus einer Partei, hinter welcher die beiden slawenfeindlichen Elemente, die jeßt nun ultradeutschen und die magyarischen Centralisten standen. Die letteren waren jedoch von nun an die Tonangeber, und entwickelten zur Erreichung ihrer Zwecke eine Thätigkeit und einen materiellen Kraftaufwand, wie sie die nahe bevorstehende Alternative, Alles zu gewinnen, oder Alles zu verlieren, nur irgend erheischen konnte. Wer stark genug war, sich durch die Phrasen dieser herrschsüchtigen, unduldsamen, durch stets geschmeichelte Eitelkeit keck gewordenen, durch und durch aristokratischen Partei in seiner liberzeugung nicht irre machen zu lassen, der konnte darüber nie im Zweifel bleiben, daß ihr Freiheit und Demokratie nur der Schild war, unter welchem sie gegen die Nationalität und Freiheit von mehr als 2/3 Theilen der Bewohner der ungarischen Länder, und zugleich gegen den Fortbestand Desterreichs zu Felde zog, um in Ungarn fortan allein zu herrschen und Oesterreich zu zwingen, bei dem Verluste oder einem sehr lockeren und prekären Ansichhalten der italienischen und polnischen Provinzen, mit dem Uiberreste im neuen Deutschland aufzugehen. Daher die neuen magyarischen Sympathien für das Polenthum, und das mit dem früheren Benehmen gegen die Deutschen in Ungarn im schroffsten Gegensaße stehende Anerbieten zu einem Bündnisse mit Deutschland.

Die nüchterne Majorität im Reichstage, und das von dieser Majorität gehaltene Ministerium, waren gewaltige Hindernisse gegen diese Plane, und sollten nun um jeden Preis gesprengt werden.

In der Kammer wurde dahin gearbeitet, die Majorität auf jede mögliche Weisse als unpopulär, ja als reaktionär hinzustellen und für die „Linke“ den Schein der Freifinnigkeit und Volksthümlichkeit zu retten. Kudlichs naiver Antrag, der mit zwei Zeilen die Befreiung des Bauernstandes von der Unterthänigkeit und die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesißes hervorzaubern wollte; Borrosch's perfides Manöver, die Entschädigung, als sie im Princip durchgefeßt wurde, zur Genüge dem Staate aufzubürden; Brestl's, Pillersdorf's u. A. Anträge, den Wiener Freiheitshelden 2 Millionen Gulden aus dem Staatsschaße zu schenken, während doch derselbe mit der nothdürftigsten Bestreitung der dringendsten öffentlichen Bedürfnisse auflag; — Bioland's

Andringen auf die Wiedereinseßung des weiland souveränen Sicherheitsausschußes; Brest l's weiterer Antrag auf augenblickliche Errichtung eines Centralcomités für die internationalen Angelegenheiten der am Reichstage nicht vertretenen öfterreichischen Länder; - das permanente Losziehen Löhner's gegen alle Provinziallandtage; dieß waren neben unzähligen andern von minderer Bedeutung die Hauptangriffe, um die Majorität der Kammer in die Lage zu bringen, sich entweder von dem Sturmschritte der Linken“ mit fortreißen zu lassen, oder aber sich den Massen des Publikums gegenüber, welches dem radikalen Treiben nicht auf den Grund zu sehen vermochte, als reaktionär entgegenzustellen. Die ,,Linke" selbst war niemals so kurzfichtig, um zu glauben, es seyen die meisten ihrer entschiedensten Gegner weniger freifinnig und volksthümlich gesinnt, als einer irgend ihrer Koriphäen. Dennoch wurde bei jeder Abstimmung, wo ihre Anträge zwar nicht im Princip, aber deßhalb angefochten wurden, weil sie, wie 1. B. Kudlich's Antrag unzeitig und in seiner Art unpraktisch oder wie der von Borrosch für wichtige Verfassungsfragen präjudizirlich, oder aber offenbar perfid waren, stets auf Namensaufruf gedrungen, und die Namen der Nichtbeistimmenden wurden von der zum Dienste der,,Linken" ganz anheimgefallenen,,radikalen Preffe“ zur förmlichen Proscription der Contravotanten mißbraucht. Auch das Mittel wurde beliebt, die Majorität der Kammer unpopulär zu machen, daß man ihr, da die Plane der,,Linken" nicht direkt gedeihen wollten, mit steten, oft eitlen, ja selbst albernen Formfragen alle Möglichkeit benahm, zur Lösung practischer Staatsfragen zu schreiten, welche auch den Irregeleiteten hätten überzeugen müssen, daß nicht die Linke, wenigstens nicht sie allein, das heil und Wohl der Völker will.

Das Ministerium, obwohl nach dem Wunsche jener Partei zusammengesegt, die sich im Reichstage zur „Linken“ bildete, konnte ihr unmöglich auf die Dauer entsprechen, als sich im Reichstag eine Majorität zusammenfand, die die anscheinlich heterogensten Elemente in sich vereinigte, um im Gegensaße zu der destruktiven Demokratie der „Linken“ die Einheit und Unabhängigkeit Desterreichs fest im Auge hielt. Ein festes Programm über seine Politik konnte das Ministerium jener Zeit überhaupt noch nicht haben, und bestand auch nicht durchgehends aus Männern von gleich liberaler und zugleich entschiedener politischer Gesinnung; war aber das Ministerium nur halbweg ehrlich und klug, so mußte es für die Erhaltung der Einheit Desterreichs, daher für jenes Grundprinzip seyn, in welchem sich zuerst die Mojorität der Kammer vereinigte, es mußte daher so wie diese angegriffen und bis zum Sturze verfolgt werden.

Wer die von der Linken ohne Unterlaß auf das Ministerium losstürmenden Interpellationen in ihrer Tendenz, und selbst in der formellen Art und Weise aufmerksam verfolgt hat, wird zugestehen, daß fie nie oder nur selten im Intereffe

der Aufgabe des Reichstages geschahen, vielmehr stets nur dazu mißbraucht worden sind, um dem Ministerium Verlegenheiten zu bereiten, und die Regierungsgewalt in einer Uebergangsperiode, wo ihr kräftiges Auftreten zu wünschen war, zu schwächen. -- Zugleich bekämpfte man im Ministerium indirekt die Majorität der Kammer, welche das Ministerium hielt. Bei einem Ministerium, das noch nicht nach einer Majorität der Kammer gebildet werden konnte, das ohne ein mögliches festes Programm sich nur durch politischen Takt, auf einem Boden behaupten mußte, welcher mehr durch das charakterlose Schwanken des früheren Ministeriums, als durch den Wellenschlag der Ereignisse und politischen Meinungen abgespült war, ergab sich täglich eine erwünschte Gelegenheit, ihm die Daumschrauben anzulegen, und nicht zu läugnen ist es, daß das Ministe rium selbst sich mehr Blößen gab, als es gerecht und nothwendig war.

Nicht jene Blößen allein waren es, welche der plögliche Sprung von einem festgeregelten büreaukratischen Despotismus zur Freiheit, die fieben Monatlang ohne alle Organisation blieb, nothwendig schuf, es waren auch solche, die das neue Ministerium, theils weil es aus Mitgliedern des vorigen bestand, theils weil es leßteres überhaupt schonen wollte, unnöthiger Weise auf sich nahm.

Die Sanktionsfrage, gleich in der Natur und Absicht der Maiconcessionen gelegen, nur absichtlich verschwiegen, die magere,,Staatsschrift“ über Ungarn, auch ein Stück diplomatischen Machwerkes aus der Vorzeit, die Politik in Italien und gegen Deutschland waren insgesammt wunde Stellen von dieser Art, und Latour starb den Märtyrertod weniger durch eigene, als durch die Mißgriffe jener, die die bewaffnete Macht dort festhielten, wo sie ganz entbehrlich war, während sie anderwärts den Feind der Monarchie schon vernichtet haben, und Wien bei Besinnung erhalten konnte.

Als es durch rein parlamentarische Kunstgriffe nicht gelingen wollte, die Majorität zu sprengen, und das Ministerium zu stürzen, um durch ein neues die Linke zur Gewalt kommen zu lassen, bearbeitete man außer der Kammer das Volk, Garden und Studenten, um Conflikte hervorzurufen, und beim ersten besten Ausbruch eines solchen den Reichstag zu zwingen, unter dem Einfluffe einer gereizten Menge die Executivgewalt zu ergreifen, und entweder mit sich selbst oder mit dem Ministerium in Widerspruch zu gerathen. Der erste Versuch am 23. August mißlang gänzlich, der zweite am 13. September theilweise.

Zwei Ereignisse forderten die Umsturzpartei zur verdoppelten Thätigkeit auf. Im Innern der Stadt Wien fing die Masse der loyalgesinnten Bürger an sich zu consolidiren, und von Außen segte sich der Ban an der Spiße einer Kernarmee der kampfgeübten Kroaten gegen die rebellischen Magyaren in Marsch. Nun schrie man über ein „reaktionäres Schwarzgelbthum“ im Innern, und über das Bedrohen der Freiheit von Außen; man errichtete ein Central-Comité „für

die mit der Studenten-Legion sympathisirenden Garden“, man warb Bauern für einen großartigen Fackelzug dem Bauernbefreier Kudlich, und lud die exaltirten Führer der Magyaren ein, um den Reichstag durch feurige Reden zu stürmen, und ihn entweder zum Sturze des Bans und des Ministeriums zu nöthigen, oder eine Revolution in Wien zum Ausbruche zu bringen. Doch scheiterte auch dieses Mittel an einer zwar zufällig nationalen, im Grunde aber nur im strengsten Rechte beruhenden Opposition, für welche sich eine unerwartet starke Majorität ergab. Jezt galt es der Umsturzpartei, das Aeußerste zu wagen. Pulszky und Konsorten arbeiteten aus allen Kräften auf ihr Ziel los, und wie weit sie es am 6. Oktober brachten, mit welchen Mitteln und durch wessen Hände weiß nun die Welt. (De. C.)

So weit hat sich der geniale Abgeordnete Brauner ausgesprochen.

Der konstituirende Reichstag als oberste Staatsgewalt, ein Konterfei der Pariser-Deputirten-Kammer vor dem Beginne der Pariser Februar-Revolution, bafirte sich auf eine, von der thatkräftigen Minorität terrorisirte Majorität, verschwendete seine Zeit mit dem Punkte ob dem i, statt die Constitutions-Urkunde zu verfassen, zu welcher er einberufen wurde, statt mindestens ein prov. Preßgeset festzustellen, um der Zügellosigkeit der Journalistik einen Damm zu seßen, statt das Organisirungsgeseß für die Nationalgarde zu berathen, und leßtere dadurch als Schuß und Schirm des konstitutionellen Lebens zu erstarken.

So trug der Reichstag selbst bei, die schwierigen Verhältnissse noch schwieriger zu machen, viele Deputirte vergeudeten die kostbare Zeit mit leerem Phrasengeschwäße, mit unaufhörlichen Interpellationen das Ministerium neckend, er= müdend und herabseßend, durch Verwerfung der Entschädigung bei Ablösung der Urbarialrechte das Eigenthum und die ganze sociale Ordnung in Frage stellend, und nach dem Beifalle einer Faktion und Befriedigung ihres Ehrgeizes haschend, statt auf praktischem Wege das Wohl des Staates zu fördern. Dieser Reichstag war als oberste Staatsgewalt der Lenker der Ereignisse, und einzelne Mitglieder sogar Lenker der Oktober-Revolution, ehe selbe ausgebrochen, während die von diesem beherrschten Regierungsorgane, mit den Mitteln mäkelten, mit welchen der frechen, demoralisirten und demoralisirenden Presse, durch eine tüchtige, und dem Volke durch Billigkeit zugängliche Journalistik entgegen gewirkt werden konnte, mit den Mitteln mäckelten, mit welchen den mit magyarischen und anderem Gelde unterstüßten demokratischen Vereinen, der eben so mächtige, gemäßigte dynastisch-konstitutionelle Verein entgegen gesezt werden konnte. Kurz die auf diese Weise beherrschten Regierungsorgane gruben den wohlberechneten Minen der Umsturzpartei durchaus keine Gegenminen, und stellten der rastlosen Thätigkeit dieser Partei nichts entgegen, als das gegebene Wort des Kaisers: von seinen ertheilten Zugeständnissen und Zusicherungen nichts zu schmälern. Die in

Ungarn rebellirenden Magyaren masten sich die Suprematie über die weit zahl reicheren übrigen Völkerschaften des Königreichs an, sagten sich faktisch vom österreichischen Staatenverbande los, geberdeten sich als ein unabhängiger, selbstständiger Staat, schickten ohne Erlaubniß des rechtmäßigen Königs Gesandtschaften in fremde Staaten, emittirten Massen Papiergeldes u. v. A., endlich ermordeten sie den vom Könige abgesendeten Kommissär und Pacifikator Lamberg auf eine barbarische Art.

Zu dem Allen kamen auch die Kriegs-Ereignisse in Ungarn. Die Ereignisse in Ungarn, besonders aber die Ermordung des Grafen Lamberg in Pesth waren Vorboten jener in Wien.

Ein in Pesth lebender Deutscher erzählt die Vorgänge am 28. September in der ungarischen Hauptstadt folgendermassen:

Der Beschluß des Repräsentantenhauses vom 27. September Nachts, den föniglichen Commissär Grafen Lamberg als ungeseßlich und ungültig an= zuschen, und jeden als Hochverräther zu hängen, der den Befehlen des Kaisers nachkomme, war am 28. Früh an allen Ecken Pesth's in magyarischer Sprache zu lesen. Nur in magyarischer Sprache, ungeachtet in Pesth-Ofen 70,000 Deutsche (?) leben, die aber von den Magyaren als gar nicht existirend betrachtet zu werden scheinen.

Eine Aufregung, größer als in den Märztagen, gab sich in Folge dessen kund. Niemand arbeitete; die Straffen wogten von Menschen. Die Magyaren sagten am Morgen, der königliche Commissär müsse gehängt werden, sobald er eintreffe. Sie bearbeiteten die ganze Volksmasse, belegten den König mit den empörendsten Schimpfnamen, und forderten jeden auf, ferner nicht mehr dessen Befehlen nachzukommen. Sie brauchten keinen König, und wenn sie einen haben wollten, würden sie Kossuth dazu erwählen. So riefen die Verräther!

Ungeachtet dieser Zusammenrottungen, ungeachter der bewaffneten Haufen, welche durch die Stadt zogen, wurden von Seite der magyarischen Behörden gar keine Vorkehrungen getroffen, die Ruhe aufrecht zu erhalten, und die als Gesandter völkerrechtlich heilige Person des Grafen Lamberg vor Beleidigung zu schüßen, den man jeden Augenblick erwartete.

Dazu kam das Gerücht, eine Estaffete habe die Nachricht gebracht, die Schlacht bei Stuhlweissenburg daure seit 3 Uhr Morgens, um 7 Uhr sey schon der linke Flügel des Bans gänzlich vernichtet worden. Das goß Oel ins Feuer; der Uebermuth kannte keine Grenzen mehr. Um 1 Uhr wollte ich auf den Blocksberg gehen, da behauptet wurde, man höre von dort den Donner der Kanonen. Als ich an die Wache der Donaubrücke kam, stürzten athemlos ein Paar Magyaren herbei und verlangten einen Tambour zum Allarmschlagen. Lamberg sey in Ofen, sagten sie, man müsse ihn fangen und aufknüpfen. Es

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