Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

pfangen. Mit wie viel Angstschweiß derlei Freudenthränen später bezahlt werden, wußten die Verblendeten nicht!

Bis zum 9ten 10 Uhr Vormittags find nach den Berichten der f. k. Kranfenhaus-Direktion 61 Verwundete, wovon mittlerweile einer gestorben war, und bis dahin 110 Todte überbracht worden. Im Spitale der barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt befanden sich 28 Todte und 88 Verwundete, welche in das allgemeine Krankenhaus überbracht wurden.

Der Gemeinderath versorgte bisher das bei dem Schwarzenbergschen Palais gelagerte Militär mit Brod, und die akademische Legion besorgte die Befördederung desselben.

Der Wiener-Studenten-Ausschuß erklärte in einer Eingabe an den Reichstag, den Beschlüßen desselben pünktliche Folge zu leisten und die Unverleßlichkeit aller Abgeordneten, von welcher Nation und von welcher politischen Meinung immer, mit ihrem Leben zu schüßen, und in einer zweiten, worin derselbe Ausschuß dem Gerüchte feierlichst widerspricht, als ob der Studenten-Ausschuß ́die Nachricht vom Morde Latours mit Beifall aufgenommen hätte.

In einer Eingabe an den Reichstag spricht der Gemeinderath der Stadt Wien seine aufrichtige Ergebenheit aus, und versichert, daß er unermüdlich die Erhaltung der geseglichen Zustände anstreben werde.

Der Plazoffizier Dunder berichtete beim Ober-Commando, daß Jellačič mit 30,000 Mann an der Grenze stehe.

An den permanenten Reichstags-Ausschuß gelangte die Nachricht, daß Jellačič mit 30,000 Mann in Bruck an der Leitha gelagert sey, und daß bei Wieselburg ein ungarisches Heer von 70,000 Mann stehen soll. Hievon wurde der Commandirende, Graf Auersperg, von Seite des Reichstags-Ausschußes benachrichtiget, und derselbe aufgefordert, seine Stellung um das Schwarzenbergsche Palais aufzugeben, und unter Vermittlung der Studenten-Legion und der Nationalgarde das Militär in seine früheren Standquartiere einrücken zu lassen.

An Se. Majestät wurde von Seite des Reichstags-Ausschußes ein Eilbote mit der Bitte abgesendet, dem F. M. L. Jellačič den Weitermarsch gegen Wien einzustellen. Der Deputirte Prato ist vom Ministerium ins Lager des Banus abgesendet worden.

Aus Graz langte eine Deputation der Studentenschaft an, welch' lettere sich unter die Befehle des Reichstages stellte, ebenso eine zahlreiche Deputation nied. österr. Bauern vom Marchfelde, mit einer Adresse an den Reichstag, in welcher dieselben ihre Hülfe anbothen.

Der Reichstag hat Nachstehendes beschlossen :

,,In Anbetracht des gegenwärtigen ausnahmsweisen Zustandes der Stadt Wien beschließt der Reichstag, unter voller Anerkennung des bisherigen ehren

werthen Verhaltens der Bevölkerung, in Bezug auf das Privateigenthum, daß alle öffentlichen Gebäude als National-Eigenthum unter den Schuß des Reichstages gestellt sind."

--

[ocr errors]

Der commandirende General, Graf Auersperg, über eine neuerliche Aufforderung des Reichstags-Ausschußes seine für die Bevölkerung beunruhigende Stellung aufzugeben, umsomehr, da der Ban Jellačič mit Truppen in Anmarsch sey - erwiederte, daß er durchaus keine feindseligen Maßregeln gegen die Bevölkerung, sondern bloß die Sicherung seiner Truppen beabsichtige, die vereinzelt noch immer gefährdet seyn dürften, und daß die Annäherung des Bans, von der ihm übrigens nichts Bestimmtes bekannt sey, umsomehr eine koncentrirte Stellung seinerseits erfordere. Ueber Aufforderung des Gemeinderathes erließ der permanente Reichstags - Ausschuß eine zweite dringende Aufforderung an Auersperg. Der von seiner Sendung zurückgekehrte Abgeordnete Prato erklärte, der Ban habe ihn freundlich empfangen und versichert, daß er stets den Befehlen Sr. Majestät gehorchen, und sich zu seiner Verfügung stellen werde.

Einer zahlreichen Deputation aus Prag gab der permanente ReichstagsAusschuß über das in Wien Vorgefallene mit der Aufforderung eine Erklärung, die Bevölkerung Prags zu beruhigen, und derselben zu versichern, daß die Reichstags-Abgeordneten aus Böhmen nichts für ihre persönliche Sicherheit zu befürchten hätten.

Eine Deputation der Nationalgarde Brünns erschien beim permanenten Reichstags-Ausschuße, um der Stadt Wien ihre kräftigste Mitwirkung zuzusagen.

Der Abgeordnete Schufelka berichtete im Reichstage, daß die permanente Reichstags-Commission keine Anstalt zur kräftigsten Vertheidigung Wiens verabsäumt, und neuerdings Munition und Feuerwaffen ausgetheilt habe.

Das Gerücht aus Graz wegen Einseßung einer prov. Regierung, bezeich nete der dortige Gouverneur durch den Telegraphen als falsch.

Das Ministerium des Innern wurde vom Reichstage ermächtiget, das Statut über die Dienst- und Disciplinar-Verhältnisse der Nationalgarde provisorisch zu promulgiren. Solches lautet:

Provisorisches Statut

über die Dienst- und Disciplinar-Verhältnisse der Bürgerwehr in Wien, sammt den zum StadthauptmannschaftsBezirke der Stadt gehörenden Ortschaften.

§. 1. Die Bestimmung der Bürgerwehr ist im Allgemeinen Schuß der constitutionellen Rechte des Thrones und des Volkes, und insbesondere Aufrechter= haltung des Gehorsams vor dem Geseße, Erhaltung und Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, für den Fall der Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Sicherheits-Organe.

§. 2. Der Dienst der Bürgerwehr besteht:

a) im ordentlichen Dienste im Innern der Gemeinde.

b) im außerordentlichen Dienste außer dem Bezirke der Gemeinde.

§. 3. Der ordentliche Dienst der Bürgerwehr umfaßt alle jene Dienstzweige, welche zur Erreichung der im S. 1 angeführten Zwecke inner den Marfen der Gemeinde nothwendig sind.

S. 4. Die Bürgerwehr kann sich mit Ausnahme des täglichen und gewöhnlichen Dienstes nur auf Aufforderung der competenten Civilbehörden, und über Befehl des Orts- oder Obercommando als Bürgerwehr versammeln.

In sehr dringenden Fällen kann sich die Civilbehörde auch an einen dem Orte der Gefahr nahe wohnenden Abtheilungs-Commandanten wenden, jedoch ift zugleich dem Ober-Commandanten hievon die Anzeige zu machen.

Der Bürgerwehr ist jedesmal der Zweck ihres Ausrückens auf den Sammelplägen bekannt zu geben, und sie hat dann die ihr in diesem gefeßlichen Wege zugekommenen Befehle zu erfüllen.

S. 5. Zeitliche Befreiungen vom Dienste (Urlaube) werden bis zur Dauer eines Monates vom Hauptmanne, bis zu zwei Monaten vom Bezirks-Chef oder Bataillons-Commandanten, bis zu drei Monaten und darüber vom Ober-Commandanten ertheilt, an den sich auch die höheren Offiziere vom Hauptmanne aufwärts dießfalls zu wenden haben.

S. 6. Der außerordentliche Dienst der Bürgerwehr außer dem Bereiche der Gemeinde findet Statt, um den benachbarten Gemeinden, in welchen die öffentliche Ruhe und Sicherheit entweder bedroht oder wirklich gestört ist, und durch die berufenen Organe nicht hergestellt werden kann, zur Handhabung der geseßlichen Ordnung Beistand zu leisten.

S. 7. Die Verpflichtung zu dem außerordentlichen Dienste außer dem Bezirke der Gemeinde trifft alle Bürgerwehrmänner in dem Alter vom 19. bis zum vollendeten 40. Jahre; es ist jedoch hiebei auf Familienväter schonende Rücksicht zu nehmen.

§. 8. Zu diesem außerordentlichen Dienste kann die Bürgerwehr in Wien nur auf die Aufforderung des Kreis- oder Landes-Chefs, oder des Ministeriums des Innern verwendet werden. In Fällen dringender Gefahr kann jedoch der Gemeinde-Vorsteher oder politische Amtsleiter der angrenzenden Gemeinde die Bürgerwehr um ihre Mitwirkung angehen, welche auch zu gewähren, und davon zugleich die Anzeige zu machen ist. Die Aufforderung hat auch die Bestimmung der Zahl der erforderlichen Wehrmänner zu enthalten.

S. 9. Sobald sich die Bürgerwehr im außerordentlichen Dienste über vier und zwanzig Stunden befindet, erhält sie einen für jeden Wehrmann ohne Rück

ficht auf Dienstgrade gleichen Unterhaltsbeitrag, welcher nach den eintretenden Umständen zu bestimmen ist.

S. 10. Wenn ein Mitglied der Bürgerwehr sich im oder außer dem Dienste gesezwidrige Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, welche in den bürgerlichen Strafgeseßen verpönt find, so hat die Amtshandlung des comp tenten Strafrichters ordnungsmäßig einzutreten. Dieser hat von dem Resultate der gepflogenen Untersuchung den Verwaltungsrath der Bürgerwehr jedesmal zu verständigen, wenn der Untersuchte einer entehrenden Handlung schuldig befunden worden ist.

S. 11. Die Vergehen der Bürgerwehr als solcher sind entweder Verlegungen der Standesehre eines Wehrmannes oder Verlegungen der Dienstpflicht. Die ersteren gehören vor das Ehrengericht, die leßteren als: Nichtbefolgung des erhaltenen Befehls, eigenmächtiges Verlassen der Posten, Widerseßlichkeit im Dienste, oder eine Ueberschreitung der Amtsgewalt von Seite des Vorgeseßten gegen den Untergeordneten u. dgl. vor ein Disciplinargericht.

Disciplinar - Vergehen ganzer Abtheilungen der Bürgerwehr werden von einer besonders zusammen zu seßenden Gerichts - Commission verhandelt und entschieden.

S. 12. Das Ehrengericht ist competent für die Entscheidung über Ehrenkränkungen, welche einem Wehrmanne in Rücksicht seiner Standesehre als Wehrmann von einem anderen Wehrmanne zugefügt werden, so wie über alle Handlungen eines Wehrmannes, welche die Ehre dieses Standes verleßen, und nicht durch bürgerliche Geseze geahndet werden, in so ferne nicht dießfalls durch das Friedensgericht eine Ausgleichung zu Stande gebracht werden konnte. (§. 36, 37.)

S. 13. Das Ehrengericht gründet sein Verfahren auf eine vorausgegangene Anklage. Das Verfahren selbst ist mündlich und in so ferne öffentlich, als dazu jedes Mitglied der Bürgerwehr freien Zutritt hat.

§. 14. Es wird zusammengesezt aus 8 Wehrmännern als Richtern nebst zwei rechtskundigen Wehrmännern als Leiter und Schriftführer, welch' Leßterer nicht stimmberechtiget ist.

S. 15. Behufs der Beseßung des Gerichtes werden Listen angefertiget. Jede Compagnie wählt aus ihrer Mitte durch absolute Stimmenmehrheit fünf und zwanzig Wehrmänner.

Die Gewählten werden mit Angabe der darunter befindlichen Rechtskundigen dem Verwaltungsrathe angezeigt, und von diesem werden sämmtliche CompagnieListen in eine alphabetische Liste gebracht.

S. 16. Das Ehrengericht wird über jede deßhalb an den Verwaltungsrath zu stellende Aufforderung von dem Vorstande desselben einberufen, indem er den Gerichtstag anberaumt, und hiezu außer den Parteien und Zeugen aus den von dem

Verwaltungsrathe geführten Listen nach alphabetischer Ordnung die dreifache Zahl der zu Richtern, Leitern und Schriftführern erforderlichen Wehrmänner vorladet.

S. 17. Die Namen der zu Richtern, zum Leiter and Schriftführer Berufenen sind vom Verwaltungsraths-Vorfißer dem Ankläger und Beschuldigten vorzulesen, deren jeder das Recht hat, ein Drittel der Genannten ohne Angabe eines Grundes zu verwerfen.

Begibt sich Einer oder der Andere dieses Rechtes ganz oder theilweise, so wird die erforderliche Anzahl aus den übrig Gebliebenen durch das Loos bestimmt. S. 18. Hiermit sind die Verrichtungen des Verwaltungsraths-Vorstandes beendet und die Gerichtsverhandlung beginnt, bei welcher der Leiter den Vorfiß führt.

§. 19. Der Leiter eröffnet die Verhandlung mit der Erinnerung, daß das Gericht bei seiner Ehrenhaftigkeit nach voller Ueberzeugung urtheilen wolle, vernimmt sodann den Ankläger, den Beschuldigten und die Zeugen. Er, so wie die Richter haben das Recht, Fragen an die Parteien und Zeugen zur Aufklärung thatsächlicher Verhältnisse zu stellen.

S. 20. Sobald der Sachverhalt hinlänglich aufgeklärt ist, wobei der Angeflagte das leßte Wort hat, schließt der Leiter die Verhandlung, gibt eine kurze Darstellung derselben und zieht sich mit den Richtern in das Berathungszimmer zurück, aus welchem sie sich nicht früher entfernen dürfen, bis sie den Spruch gefällt haben, bei welchem auch dem Leiter eine entscheidende Stimme zukömmt.

§. 21. Zur Verurtheilung des Angeklagten ist die Uebereinstimmung von zwei Drittel der neun Abstimmenden erforderlich.

Sollten die Richter nicht im Stande seyn, ein Urtheil zu fällen, weil sie noch nähere Aufklärung über den Sachverhalt nothwendig finden, so ist eine neuerliche Verhandlung einzuleiten oder dieselbe zu ergänzen.

§. 22. Im Falle der Verurtheilung haben die Richter zugleich die Strafe zu bestimmen.

S. 23. Haben die Richter (der Leiter mitbegriffen) ihren Spruch, welcher schriftlich aufzuzeichnen ist, gefällt, so kehren sie in die Gerichtsstube zurück und der Leiter veröffentlicht denselben.

S. 24. Gegen den Spruch steht keine Berufung offen, wohl aber kann der Kläger oder Beschuldigte, wegen offenbarer Incompetenz des Gerichtes oder verleßter Förmlichkeit des Verfahrens, die Cassation ergreifen, welche binnen drei Lage angemeldet werden muß, um den Vollzug des Spruches zu hemmen.

S. 25. Ueber die Verhandlung des Ehrengerichtes wird ein Schriftsaß (Protokoll) geführt. Derselbe enthält die Namen des Leiters, der Richter und des Schriftführers, die Beziehung auf den Anklage-Akt, die Namen der Parteien und Zeugen, so wie der Angabe der formellen Akte der Verhandlung und den Spruch. Der Schriftsaß wird von sämmtlichen Gerichtsmitgliedern unterfertiget.

« ZurückWeiter »