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gedachter Plaß-Offizier die erwähnten Abgeordneten vor Aufwieglern und mündlichen oder verfälschten schriftlichen Befehlen, welche verdächtige Aufwiegler wenn auch in Legions-Uniform, überbringen. Diese Leute waren über die ihnen gewordene Aufklärung zufrieden gestellt, und versprachen solche den benachbarten Ortschaften bekannt zu machen.

Der Abmarsch des Militärs aus der Alser-Kaserne zog die ganze Aufmerksamkeit der Garden des Bezirks auf sich. Dieß geschah ungefähr um jene Zeit als am Stock im Eisenplag der blutige Conflict erfolgte. Jede abmarschirende Militärabtheilung wurde von Seite der Garde des Bezirkes Alservorstadt, mit Ausnahme einer Anzahl Uibelgesinnter, mit oftmaligem Vivat begrüßt und dabei bedeutet, daß sich alle wie am 13. September an dasselbe anzuschließen gedenken. Auf die Anfrage des Bez. Adjutantèn Röthler beim Generalmajor Frank wegen weiteren Verhaltungsmaßregeln, wurde derselbe zum commandirenden Generalen Grafen Auersperg auf das Glacis geführt, und erhielt den Befehl, alle ärarischen Gebäude mit Nationalgarden beseßen und die Kasernwache mit einem Offizier und 31 Garden beschüßen zu lassen, was auch erfolgte.

Im Reichstage. Ein Viertel 4 Uhr. Hornbostel erschien im Reichstage und gab die Versicherung, daß Wessenberg und Latour bereits den Befehl unterschrieben haben, das Feuer einzustellen. „Sorgen Sie nur dafür,“ beschwor er die Reichsversammlung,,,daß vonSeite des Volkes keine weiteren Uebergriffe geschehen.“ Borrosch: Ich frage, ob das Leben der Minister gesichert ist?

Hornbostel: Nein!

Borrosch: So beantrage ich, zu ihrem Schuße gleich hinzugehen, weil ich nicht will, daß der Sieg des Volkes entweiht werde.

Borrosch, Smolka und Goldmark übernahmen diese heilige Pflicht, und eilten zum Kriegsministerium.

Bilinski: Man hat uns vor wenigen Stunden gesagt, die Geschäftsordnung erlaube nicht unsern Zusammentritt, man hat uns vorgeworfen, die Linke habe ihre Hand im Spiel. (Tumult)

Gegen halb 4 Uhr Nachmittag wurde der Plazoffizier von Hohenblum mit offener Ordre des pr. Ober-Commandanten Streffleur versehen, bei allen Batterien der Nationalgarde, insbesondere im bürgl. Zeughause, auf den Basteien, am Fischer- und Neuthore c. c. das Feuern in solange zu verbieten, bis die Nationalgarde nicht von Seite des Militärs angegriffen würde.

Dieser Befehl wurde sowohl im bürgl. Zeughause, wo man eben beschäftiget war die Kanonen heraus zu führen, da eine Compagnie Pioniere im Sturmschritt über den Hof herangerückt kam, als auch am Neuthore, wo bereits eine Batterie altbürgl. Artillerie aufgeführt war, wenn auch mit Widerwillen doch wenigstens befolgt.

Nicht so bei jener am Fischerthore aufgefahrenen Batterie, welche theils von Nationalgarden, Studenten und Volfe bedient war; dort wurde dem genannten Plaß-Offizier, nachdem er den Befehl kundgab, die offene Ordre aus den Händen gerissen, so daß ihm nur Siegel und Unterschrift erübrigte, er selbst aber unter dem Zurufe: der Ober-Commandant und sein ganzer Staab sehen Verräther, der Art bebroht, daß er nur durch die Beihülfe einiger besser Gesinnten, der Mißhandlung entging.

Der Plazoffizier v. Hohenblum kehrte mit dem Ueberreste der offenen Ordre zum Beweise in das Ober-Commando zurück, erstattete den Bericht, worauf der provisorische Ober-Commandant Streffleur erklärte, unter solchen Umständen keine weiteren Befehle mehr ertheilen zu können.

Vor 5 Uhr. Das Militär zog sich aus der Stadt zurück; Barrikaden wurden fortwährend gebaut.

Um dieselbe Zeit zog die in Folge der Ereignisse an den Taborbrücken dahin beorderte Truppenmacht — mit zwölf Kanonen durch die Praterstraße zurüc gegen die Stadt. Dieser Marsch war einer der traurigsten und furchtbarsten Schauspiele des Octobers. In der Mitte der weiten Straße zog die Masse, links und rechts an beiden Seiten, knapp an den Gebäuden, Plänkler. Die Mannschaft der legteren hielt die Gewehre fertig, den Hahn gespannt, die commandirenden Offiziere riefen: gegen die Fenster hinauf!" Der dumpfe, traurige Trommelschlag mit lang= samenTempos, die Angst derBewohner unbeschreiblich!— Auf den Basteien waren bereits Kanonen aufgefahren, und gegen die Brücke und die Praterstraße gerichtet. Als der Truppencommandant von Gutgesinnten darauf aufmerksam gemacht wurde, gab derselbe den Vorsag in die Stadt zu marschiren, auf, und ließ in die Praterstrasse umkehren, worauf die Truppen durch die Vorstädte in die Kasernen gelangten und Abends großentheils das Lager im Schwarzenbergischen Garten bezogen. Um Mitternacht 2 Uhr befand sich Militär noch in der Alserkaserne.

Im Zeughause. Während eines Zeitraumes von 2 Stunden, in welchem sich der Strassenkampf der Garden gegen Garden und Militär entspann, und sowohl Peloton- als Kanonenfeuer in die bedrohte Einsamkeit des Zeughauses herübertönte, wuchs auch der Haufen der Meuterer, und das Fordern um Einlaß bei den Thoren des Arsenals begann unter einer neuen Phraseologie der wildesten Art, wobei man nicht unversucht ließ, das Thor des Ober-Arsenals mit Eisenstangen und anderen, jedoch zu schwachen Werkzeugen, zu forciren.

41⁄2 Uhr Nachmittags. Mittlerweile bekam der Commandant des Zeughauses die Meldung aus dem Dachstübchen ober dem eben genannten Thore, worin sechs Kanoniere mit Gewehren postirt waren, daß man die unteren Fenster des Armatur-Zeughauses einschlage, und mit Feuerhacken den Versuch mache, reparaturfähige Gewehre bei den Griffbügeln zu fassen und herauszuziehen, was auch theilweise

gelang. Nach genommener Ueberzeugung der Thatsache, und daß man auch gleich zeitig unter dem 3. Fenster, vom Thore gerechnet, eine Untergrabung der Mauer beabsichtige, wurde plöglich das schwache Thor des Ober-Arsenals, welches abfichtlich nicht verrammelt wurde, geöffnet, und ein Zug von Deutschmeister-Grenadieren unter der muthigen Anführung des Herrn Oberlieutenants Paar, züchtigte die Meuterer durch Flintenschüsse, wobei 4 derselben erschossen und 2 gefangen wurden, die anderen aber in wilder Flucht zerstoben. Hauptmann Kastell riefdie Mannschaft zurück, und ließ neuerdings das Thor nur mit dem Schlüssel schließen.

Während dieser Zeit kam die im Reichstag gewählte zweite Commission, den gefährdeten Minister Latour im Kriegsgebäude zu retten, am Orte ihrer Bestimmung an. Zufälliger Weise trafen beide Commissionen, denen sich noch andere Deputirte, wie Skoda, Piencikowski und andere, anschlossen, am Wege zum Hofe zusammen. Borrosch bestieg ein Pferd, und an vielen Orten wurde von der aufgeregten Menge gerufen: „Borrosch soll leben! Die Linke soll leben!"

Am Hofe angelangt, hielt Borrosch eine Rede, worin er sonderbarer Weise, die Worte fallen ließ: „Ich fürchte nichts, mir haben achthundert Swornoster, sage Swornoster, nachgestellt! Ich bekomme Tag für Tag Drohbriefe — ich fürchte nichts und werde für das Volk arbeiten; aber das Volk, welches jezt gefiegt hat, soll in seinem Siege mäßig seyn. Freunde! nehmt lieber mein Leben, aber schont das Leben Latour's, der in Anklagestand verseßt wird." Diese volksaufwiegelnde Anspielung auf Swornost war wahrlich nicht nur nicht geeignet, die gegen die böhmischen Deputirten ereiferten Gemüther zu besänftigen, sondern wirkte offenbar dahin, die gegen Böhmen bestehende, von magyarischen und pangermanistischen Emissären erzeugte Aufregung noch zu erhöhen, zumal in Wien noch immer die längst widerlegte irrige und bedauerliche Ansicht spuckte, in der Pfingstwoche habe unter Anleitung des Nationalgarden-Corps Swor nost" in Prag ein Vernichtungskampf gegen die Deutschen gewüthet. Vorrosch's Wichtigkeitsthuerei war durch die erwähnte, aus der Luft gegriffene Swornost-Verfolgung, gelinde gesagt, höchst tadelnswerth, und eines VolksDeputirten einer größtentheils czechischen Stadt- unwürdig *).

Indessen versprachen Viele aus der am Hof versammelten Volksmenge mittelst eines durch Händeerhebung geleisteten Volksschwures, das Leben Latours zu schonen. Als aber die Mitglieder der ersten Frieden stiftenden Reichstags-Commission wegen des begonnenen Kampfes gegen den Stephansplaß fortzogen, hatte Borrosch unglücklicher Weise die ihm obgelegene Mission, den bedrohten Minister zu beschüßen, im Rausche des glorreichen Volkstribuns vergessen, oder irrigerweise für erfüllt erachtet, die Comödie des Händeaufhebens für ein Jurament

*) In Sachsen wohnen in der Lausiß die Wenden, ein slawischer Stamm, und Borrosch ist ein windischer Name, das Individuum aber ein Wiener?

haltend, und zog reitend durch die Gassen weiter auf den Stephansplaß mit, empfing allenthalben Huldigungen, und sprach leider nicht vom Reichstage oder sonst von einer heilsamen Wirksamkeit irgend Jemands, sondern stets nur von sich selbst. Indessen ist aber dennoch zum Schuße Latour's, Smolka und Sierakowski, beide polnische Deputirte, am Hof zurück geblieben; Vorrosch aber zog zu Pferde, begleitet von mehreren Reichstagsmitgliedern zu Fuß, und umgeben von mehreren berittenen Rationalgarden, durch die Gassen der Kaiserstadt weiter.

Während dieser Vorgänge, gerade als Vorrosch vor dem Reichstagsgebäude vorbeiritt, und die Volksmenge „Hoch lebe Borrosch! Hoch lebe der Reichstag! Hoch lebe die Linke!" rief, kam der Abgeordnete Hawelka in das Reichstagsgebäude, und hörte vom Abgeordneten Klaudy, in Gegenwart des Abgeordneten Haimerl,' der gute Strobach sollte lieber das Weite suchen, indem die Linke gegen ihn furchtbar aufgebracht und das Schlimmste zu befürchten sey. Abgeordneter Hawelka ging in die Sizungsvorhalle, hörte mit dem Abgeordneten Hein aus Schlesien, daß sich Bewaffnete auf die Journalistenbank verfügten.

In der Reichstags-Vorhalle kam gleichzeitig Hauptmann Niewiadomski, Adjutant des Kriegsministers an, heftig bittend, es möchten einige Reichstags= glieder in's Kriegsgebäude gehen, indem der Kriegsminister Latour in Gefahr sey, aufgehängt zu werden.

Latours Tod.

Um dieses furchtbare und folgenreiche Ereigniß gehörig darstellen zu können, ist es nöthig, den bereits geschilderten Kampf am Stephansplaße in seiner Fortsebung bis zum Kriegsgebäude zu verfolgen, und Einzelnes ausführlicher zu wiederholen.

Um halb 2 Uhr war der Hof ungewöhnlich leer, die ganze Bevölkerung noch ganz entsegt über die fürchterlichen Ereignisse des Tages, und nicht ahnend, was der Tag noch weiter gebären werde, suchte in den Häusern ihre Zuflucht. Eine kleine Gruppe bürgerlicher Grenadiere, mit einigen aus dem Volke, be= trachteten neugierig die 3 Compagnien Pioniere, welche Gewehr bei Fuß, mit dem Rücken gegen die Kirche (zu den 12 Chören der Engel) schon seit 12 Uhr aufgestellt waren, in banger Erwartung harrend, wie der Conflict der Stadtgarden mit den Vorstadtgarden auf dem Steppansplage enden werde.

Im Kriegsgebäude, woselbst rückwärts im zweiten Stockwerke noch immer der ganze Ministerrath versammelt war, brachten die mit jeder Viertelstunde einlangenden beunruhigenderen Berichte eine große Sensation hervor. Es kamen von 10 zu 10 Minuten über die Vorfälle auf dem Stephansplaße Berichte an.

Der Kriegsminister Graf Latour wurde dringend angegangen, den auf dem Stephansplaße hart bedrängten Garden des Kärnthnerviertels eine Militär

Assistenz zu senden, dessen er sich jedoch immer standhaft weigerte, und der Ordonanz-Offizier Pizziggelli, der 1. Comp. des 1. Bezirkes, wurde fofort beauftragt, fich genau von der Sachlage zu überzeugen.

Um beiläufig dreiviertel auf zwey Uhr kehrte Pizzighelli in das Kriegsministerium zurück mit der Nachricht, daß die Stadtgarden in die Kirche zu St. Stephan hineingedrängt worden seyen, in der Kirche selbst das Gefecht fortdauere, und wenn den Stadtgarden nicht eine schleunige Hilfe werde, seyen fie verloren. Der Kriegsminister, in Folge dieser Nachricht neuerdings gedrängt, denselben Hilfe zukommen zu lassen, gab ungern den Bitten nach, und ertheilte dem Obersten Anton Schön von Monte Cerro den Befehl, mit 2 Kompagnien Pionieren, welche am Hofe aufgestellt waren, und mit zwei Kanonen gegen den Stephansplaß zu marschiren, um denselben zu räumen. Punkt 2 Uhr marschirte diese Truppe ab, der Ordenanz-Offizier Gitulewicz, vom 1. Bezirk, erhielt den Auftrag, dieselbe zu begleiten, und den Erfolg dem Ministerium mitzutheilen. Diese Truppe blieb am Anfange des Stock im Eisenplages in Colonen stehen, und Oberst Schön bemühte sich, die ihm entgegenströmenden Garden, Arbeiter und Volk durch Zureden zu bewegen, Ordnung und Ruhe aufrecht zu erhalten, welches, so versicherte er, allein auch nur sein Zweck sey. Am Anfang der Bischofgasse wurde schon kräftig an einer Barrikade gebaut, und von einem Haufen Arbeiter, mit Spießen bewaffnet, angegriffen und gedrängt, sah sich Oberst Schön veranlaßt, ernstliche Maßregeln eintreten zu lassen. Kaum ins Kriegsgebäude zurückgekehrt, enthob der Donner des Geschüßes, und das Peloton des Kleingewehr - Feuers den Ordonanz-Offizier Gitulewics jeder weiteren Meldung von dem Zusammenstoß des Volkes und der Garde mit dem Militär.

Im Kriegsgebäude wurde sogleich die vor demselben aufgestellte Hauptwache und zwei mit Kartätschen geladene Kanonen, in den Hofraum gezogen, das Thor geschlossen, und die Mannschaft folgender Massen vertheilt:

Wenn man vom Plag am Hof ins Gebäude tritt, links im Hofe, neben der großen Hauptstiege, wurde die in das Gebäude hineingezogene Hauptwache, mit einem Hauptmann und einem Lieutenant, und rechts, diesen gegenüber, eine Compagnie Deutschmeister-Grenadiere unter Commando des Hauptmanns Josef Brandmayer, wovon auch ein Theil die Stiegen besett hatte, aufgestellt, die Cavallerie-Ordonanzen saßen in der Mitte des Hofes zu Pferde; die eine Kanone hingegen in Mitte des Hofes außer der Schutzlinie mit der Mündung auf das vordere Thor gerichtet, postirt. Beide Thore waren geschlossen; es war halb drei Uhr vorüber. Das Feuer wurde immer heftiger und zog sich vom Stephansplaße und Graben immer näher gegen den Plaß am Hof zu.

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