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Geschrei1). Im Tao-te-king findet sich hwěn noch C. 25, vom Tao gesagt, mit dem Sinn „unerforschlich“ (Julien nach Ko-tshang-keng: confus, ce qu'il est impossible de distinguer clairement). Unter diesen Umständen mufs die Straufs'sche Fassung des fraglichen Satzes in Uebersetzung und Deutung entschieden angefochten werden. Nicht von einem Zusammensprechen der drei Silben oder (richtiger) Wörter i, hi und wei ist die Rede, wodurch dieselben zu Einem Wort und Namen würden, das Tao also den einheitlichen, allumfassenden Namen I-hi-wei erhielte, sondern Julien) behält Recht, wenn er mit Anlehnung an die Erklärung des Liu-kie-fu übersetzt: ces trois qualités ne peuvent être scrutées-", die Worte ts'è san tshè also auf die im vorhergehenden genannten Eigenschaften des Tao bezieht und fortfährt : c'est pourquoi on les confond en une seule“, somit den Verfasser von einer nothwendigen Vermengung der Eigenschaften des höchsten Wesens reden läfst, wie dies auch die Ansicht einer ganzen Reihe bedeutender chinesischer Erklärer ist. Der Sinn der Stelle kann im allgemeinen nur etwa der sein: das Tao ist unsichtbar, unhörbar und ungreifbar, kürzer gesagt: übersinnlich; nach den angegebenen drei negativen Eigenschaften wird es ī, hī und wei geheissen. Diese drei Eigenschaften können nicht auf ihren Grund erforscht werden, d. h. es entsprechen ihnen nicht drei positiv verschiedene Wesens bestimmtheiten des Tao, wonach dieses definirbar wäre. So bleibt nichts übrig, als jene Eigenschaften zu vermengen, so dafs sie Eines sind, d. i. sie als nicht isolirbar in ihrer gegenseitigen Durchdringung zu belassen und als wesentlich gleichbedeutende Prädikate des Einen, unterschiedslosen Tao zu betrachten. Treffend sagt Sie

1) S. Medhurst, Chinese English dictionary s. v.

3) Lao tseu tao te king, le livre de la voie el de la vertu traduit et publié, Paris 1842, p. 47.

hoei: „Sicherlich unterscheidet sich das Unsichtbare nicht von dem Unhörbaren und Unfafsbaren. Darum können diese drei nicht gesondert noch von einander unterschieden werden. Man verbindet und vereinigt sie zu Einem, weil sie gesondert und zusammen den Gedanken des Körperlosen und Immateriellen geben" (Straufs S. 31. Julien a. a. O. p. 48). Lao-tse will also in unserer Stelle einfach die Immaterialität, die Uebersinnlichkeit und Geistigkeit des höchsten Wesens darthun, indem er das Ungenügende und Widersprechende jeder Benennung, Beschreibung oder Definition nachweist, wie dies z. B. Yuen-tse richtig darlegt, wenn er bemerkt: „diese drei Eigenschaften sind im Grund nur ein und dieselbe Sache (in ihrer Vereinigung stellen sie die Immaterialität des Tao dar). Nothgedrungen bedienen sich die Menschen dieser Namen, um zu sagen, dafs das Tao sich dem Gesichts-, Gehörs- und Tastsinne entziehe, mittelst deren sie es suchen wollen" (vgl. Julien a. a. O.).

Dieses Ergebnifs wird auch durch die Untersuchung der drei Namen I, Hi und Wei nicht umgestofsen, sondern vielmehr bestätigt. Wenn man sich freilich begnügt, die für die drei fraglichen Wörter z. B. in Basilius de Glemona's (Deguignes') Wörterbuch verzeichneten Bedeutungen u. z. pêle-mêle, wie sie sich darbieten, aufzuzählen, so wird damit für das Verständnifs des Sinnes jener Wörter im vorliegenden Zusammenhang lediglich nichts geleistet, der Leser vielmehr nur dem Vorurtheil zugänglich gemacht, dafs wie Rémusat meinte die drei gebrauchten Schriftzeichen hier keinen Sinn haben, dafs sie lediglich Bezeichnungen von Lauten seien, die der chinesischen Sprache fremd sind, spreche man sie als Ganzes aus (Ihw), oder nehme man die Initialen getrennt (vgl. v. Strauss a. a. O. S. 29). Wenn man aber von der sonst gebräuchlichen Voraussetzung ausgeht, dafs der Schriftsteller mit den Wörtern, deren er sich bedient, um der Reihe nach

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gewisse Begriffe oder Vorstellungen zu benennen, auch einen Sinn, eine wirkliche Bedeutung verknüpft habe (— es handelt sich ja gerade hier nicht um einen erschöpfenden Namen für das in Wirklichkeit unnennbare [wū ming C. 32] Wesen, sondern nur um Bestimmung einzelner Relationen), wenn man aufserdem davon ausgeht, dafs auch auf dem Gebiet der so unvergleichlich verwaschenen, einer wissenschaftlichen Etymologie auf's äufserste widerstrebenden chinesischen Sprache die Aufgabe bleibt, den Wurzelbegriffen der einzelnen Wörter nachzuspüren, und dafs die Vergleichung der mannigfachen Bedeutungen in vielen Fällen mindestens zu einem ziemlich wahrscheinlichen Resultat führt, so stellt sich auch in unserem Fall der Sachverhalt wesentlich anders dar, namentlich wenn man sich noch vergegenwärtigt, dass der philosophische Schriftsteller in China so gut, wie seine Collegen im Occident, bei schwer zu definirenden Dingen gelegentlich sich eigenthümlicher, sei es selbstgeschaffener, sei es schulmäfsig überlieferter Ausdrücke bedienen kann. Die erste Benennung des Tao, welche zur Unsichtbarkeit desselben in Beziehung stehen soll, ist ī. Dafs dies Wort sonst nicht unsichtbar" bedeutet, steht fest, aber es ist denkbar, dafs es einen Begriff ausdrückt, der mit jenem verwandt ist. Dies scheint uns der Fall zu sein. Ueberblicken wir die von Wells Williams (syllabic dictionary of the Chinese language. Shanghai 1874) beigebrachten Bedeutungen: 1) kauern, hocken, 2) eben, flach, 3) regelmässig, ordentlich, 4) gleich machen, ordnen, 5) sich behaglich fühlen, 6) verwunden, 7) tödten, zerstören, ausrotten, 8) ausschlagen, hervorsprossen, 9) abschneiden (z. B. Gras), 10) nach Klassen (Sorten u. s. w.) ordnen, 11) Wohlleben, 12) unbeengt, befriedigt, beruhigt, 13) farblos (nach den Taoisten Attribut der Vernunft) 1),

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1) Von den weiteren Angaben kann abgesehen werden, da sie in's Gebiet der nomina propria führen.

so können wir eine nähere Zusammengehörigkeit von Nr. 1-5 und 10-12 kaum verkennen. Sämmtliche hierher zu ziehende Bedeutungen schliefsen sich ungezwungen an den Grundbegriff des Ebenen, Ebenmässigen, Gleichmässigen an, wie er unmittelbar in Nr. 2 hervortritt. Mit der Vorstellung der ebenen Fläche hängt Nr. 1 zusammen: zu ebener Erde, kauernd sitzen. Andererseits ergiebt sich aus dem Begriff des Ebenen, Gleichmässigen leicht der des Regelmässigen, Geordneten (Nr. 3. 4. 10), wie der des Ungehemmten, Ungestörten, Unbeengten (Nr. 5. 11. 12). Wie dasselbe Wort bzw. Zeichen daneben den Begriff: sprossen enthalten kann, mufs dahingestellt bleiben, die aufgezeigte Phalanx wird hierdurch nicht umgestofsen. Bei Nr. 7 (womit möglicherweise Nr. 6 zusammengehört) kann es sich fragen, ob nicht die Vorstellung des dem Boden Gleich-Machens (dagico) zu Grund liegt, womit wir zum oben angenommenen Grundbegriff zurückkämen. Ein ähnlicher Zusammenhang könnte bei Nr. 9 vorliegen. Es sei hierbei nachdrücklich auf das vollständigste Synonymon von i phing (51, 2) und die augenscheinlich parallele Entwicklung der Bedeutungen dieses letztern hingewiesen. Von den bei Williams noch weiter angegebenen Beispielen für den Sprachgebrauch von I stellt sich I szĩ und nài ī kiu zu Nr. 1, tả tào shín i zu Nr. 2, kuéi tsién tăng i zu Nr. 4, yūn hū pŭ ī zu Nr. 5, lĩng i und ī kiù ts ŭ zu Nr. 7. Die oben in Zusammenhang gebrachten Bedeutungen von I (mit Ausschlufs der anderweitigen) zeigt dieses Wort im Shi-king und Shu-king, sowie in den Analekten Khung-tse's'). Den Grundbegriff: eben (= phing) giebt Shik. IV, 1, 1, 5 (von einem Weg). Damit hängt unmittelbar zusammen die Bedeutung: was sich von selbst giebt, natürlich (= í easy) Shik. IV, 1, (2), 9, sowie :

1) Vgl. die Indices von James Legge, the Chinese classics, vol. I-IV.

was nicht vom andern sich abhebt, hervorragt, also gewöhnlich, ordinär Shuk. V, 1, 2, 6 (von Menschen ohne besondere Begabung = phing chhang), oder was recht und schlicht, gerecht ist Shik. II, 4, 7, 4. 5, was geordnet ist oder wird Shik. III, 3, 11, 2 (ein Land und Volk), im Gleichgewicht befindlich und daher ruhig Shik. I, 2, 3, 3. 7, 16, 1 (das Herz) oder friedlich (opp. aufrührerisch luán) Shik. II, 4, 7, 8. III, 3, 3, 2 (eine Bevölkerung), bzw. befriedigt, vergnügt Shik. IV, 3, 1. Shuk. I, 6 (= sich wohl fühlen nach Ts'ai tshin). Daneben führt die Vorstellung des Ebenens zum Begriff des Unterwerfens, Botmässigmachens Shik. II, 1, 8, 6. Aufserdem begegnet uns das Wort auch in dem Sinn kauern Shuk. V, 1, 1, 6. Conf.

Anal. 14, 46. Meng-tse bietet neben der Bedeutung : ebenmässig, richtig, unparteiisch (vom Prüfen gesagt) VII, 2, 36, 6, und feststehende Regel (= 1 Kl. 58, 15) noch den Sinn verwunden, Aergernifs geben IV, 1, 18, 2 (vgl. oben zu W. Williams Nr. 6). Lao-tse selbst gebraucht das Wort im Sinn von „eben" (ein Weg) C. 53 und von gleich, allgemein" (opp. was einer besonderen Art oder Klasse angehört lúi) C. 41.

Nach dem Gezeigten sind wir berechtigt, auch beim I des Lao-tse vom Begriff des Ebenmässigen, Gleichmässigen auszugehen, sei es nun, dafs der Ausdruck zunächst auf die Erscheinung, sei es, dafs er auf das Wesen des Gegenstandes zu beziehen ist. Im ersteren Fall könnte das Prädikat immerhin das Vorhandensein eines Farbenunterschieds, oder der Farbe schlechthin negiren. Die Deutung des Ho-schang-kung, wonach i = wũ sẽ d. i. farblos wäre, entbehrt also nicht jeder Grundlage. Die Unsichtbarkeit des Tao könnte aus seiner Farblosigkeit erklärt sein, wie z. B. die Unsichtbarkeit der Luft mit der Farblosigkeit derselben populär erklärt wird. Es liegt aber vielmehr in dem Worte der tiefere und allgemeinere Gedanke der schlechthinigen Einfachheit und Gleichartigkeit des Wesens,

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