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Zerstörung. Antiochus IV. erscheint als ein Horn des letzten der Ungeheuer. Dies Horn hat Augen und einen frech redenden Mund, es führt Krieg mit den Heiligen, es stürzt Sterne des Himmels zu Boden, es hebt das tagtägliche Opfer auf u. dergl. mehr. Nebenbei bemerkt, sind das Erscheinungen, die wie wenig andere die ganze geistige Eigenthümlichkeit des Semiten illustriren. Die Stärke dieser Schilderungen ist dagegen die sinnvolle Einzelheit und die Erhabenheit des feierlichen Moments (Dan. 12).

Aber in Bezug auf die höchsten Güter der Zukunft kann die bildliche Vorstellung schliefslich nicht genügen. Das zukünftige Jerusalem, die zukünftige Gemeinde und namentlich der König der Zukunft, der Messias, sind vielmehr im Himmel gegenwärtig schon vorhanden. Darin gipfelt die Gewissheit des Glaubens an die endliche Realisirung der Ideale. Schon lange vor der Sündfluth sieht der alte Henoch im Himmel alle diese Dinge mit Augen. Auch auf Erden hatte der Glaube gewisse Realitäten. Hier sah man den Tempelberg vor sich, wo einst der Stuhl Gottes zum Gericht stehen sollte; dort lag im Süden der Stadt das Thal Hinnom, wo sich einst der Feuerpfuhl aufthun sollte, der für die abtrünnigen Juden bestimmt war. Aber die ganze Welt der Hoffnung war im Himmel thatsächlich jetzt schon vorhanden, ja sie hatte dort schon von Ewigkeit her präexistirt, und einst sollte sie mit einem Schlage auf die Erde herabkommen. Schon im Buche Daniel wird die Präexistenz des Messias im Himmel als bekannt vorausgesetzt, auf den Wolken des Himmels kommt er hernieder, um die Weltherrschaft des heiligen Volkes aufzurichten. Das ist das Ende aller Dinge, es spielt auf der Erde. Einen Himmel im christlichen Sinne kennen die Juden nicht.

Ich bin zu Ende. Ich wollte das Wesen der jüdischen Apocalyptik aufzeigen, deshalb musste ich mich an ihren

mafsgebenden Vertreter, an das Buch Daniel halten. Die weitere Entwicklung dieser Literatur ist grofsentheils Entartung, fast ausschliesslich ist sie von specifisch fachwissenschaftlichem Interesse.

Fragen wir nun zum Schlufs noch nach der eigenthümlichen Grundidee des Buches Daniel, so tritt uns dieselbe sofort an der Schwelle des Buches in dem Traumgesicht Nebukadnezars entgegen. Jene Riesengestalt aus Gold und Silber, Erz, Eisen und Thon repräsentirt das Weltreich. Das Weltreich nämlich, das immer wieder in der Geschichte auftaucht und von einem Volke zum anderen übergeht, ist im Grunde eine einzige, gottwidrige Macht. Mögen seine Träger Chaldäer, Meder, Perser oder Griechen sein, es ist und bleibt dieselbe gottfeindliche Potenz, die allein Herr und zuletzt allein Gott sein will in der Welt und die eben deshalb das Volk des wahren Gottes und den Namen des wahren Gottes austilgen will. Zuletzt aber mufs dieser Kolofs auf thönernen Füssen einmal zu Fall kommen, das Weltreich wird gestürzt und das Gottesreich tritt an seine Stelle, so wahr Gott Gott ist. Das Gottesreich ist aber die ewige Herrschaft des heiligen Volkes. Der Stein, der das Bild an den Füssen trifft und dann zu einem grofsen, alle Welt erfüllenden Berge wird, ist der Berg Zion. Allein das Volk Gottes kann die Herrschaft Gottes auf Erden repräsentiren. Dies ist der älteste Ausdruck der Idee vom Reiche Gottes. Es ist eine grossartige Anschauung, in die sich so der Glaube des Buches Daniel zusammenfasst, und gerade in der makkabäischen Noth hat sie ihr gutes Recht gehabt. Niemals ist der jüdische Glaube so ächt gewesen, wie in dem Kreise, aus dem das Buch Daniel stammt, niemals haben für das Judenthum die Sache Gottes und die Sache der Welt so rein und so scharf gegenübergestanden wie eben damals. Wir verstehen es, wenn hier die Sache der Gemeinde ohne weiteres als die Sache Gottes erscheint. Wir

empfinden auch die Ansprüche der Gemeinde wenig, wenn wir auf ihre beispiellose Noth, die Geduld und Entsagung der Frommen sehen. Die Grofsartigkeit jener Idee des Buches Daniel wird deshalb auf unbefangene Gemüther niemals ihres Eindrucks verfehlen. Ueberhaupt aber wird die wundersame Energie des Glaubens und Hoffens, die das altjüdische Volk in so einzigartiger Weise characterisirt, immer wieder das höchste Erstaunen hervorrufen, sie giebt auch da noch genug zu denken, wo sie in trüber Entartung als ein wilder Wahn sich äussert. Ueberalledem aber darf nicht vergessen werden, dafs das Evangelium der Idee des Gottesreiches einen viel höheren Inhalt und Werth gegeben hat. Für das Judenthum ist das Gottesreich zukünftig, für das Evangelium ist es auch schon gegenwärtig auf Erden. Für die jüdische Gemeinde ist die zukünftige Herrlichkeit des Gottesreichs wesentlich der Lohn für eine Arbeit und zwar ein Lohn, der mit der Arbeit innerlich nichts zu thun hat. Denn die Arbeit ist der Gehorsam gegen das geoffenbarte und von den Schriftgelehrten tradirte Gesetz, der Lohn ist die Herrschaft über die Heiden. Das Beides steht in keiner inneren Beziehung zu einander und keins von beiden nimmt mit sachlicher Nothwendigkeit das Beste des Menschen in Anspruch. Für den Christen ist das Gottesreich dagegen unmittelbarer Gegenstand der Arbeit, die das ganze Leben ausmacht, und mitarbeiten dürfen soll seinen Lohn in sich selbst tragen, unbeschadet der Hoffnung auf eine letzte Zukunft. Zur Orientirung alles menschlichen Strebens stellt auch das Evangelium den Gegensatz von Gottes Sache und Sache der Welt auf, aber es versteht diesen Gegensatz total anders. Das Evangelium erlaubt keiner sichtbaren Gemeinschaft, sich als die privilegirte Vertreterin der Sache Gottes zu fühlen. Man kann in Kirche und Staat, in Secte und Gesellschaft diesen Anspruch nicht erheben, ohne vom Evangelium ins Judenthum

zurückzufallen. Nach dem Evangelium besteht der Gegensatz und der Kampf von Gottes Sache und Welt in den Individuen, in jedem einzelnen Herzen, als der Gegensatz von Gut und Böse, von Glauben und Unglauben. Nur dafs auch in dieser völlig anderen Gestalt jener Gegensatz von uns ebenso lebhaft empfunden werden sollte wie von den alten Juden. Und von da aus und von da aus allein isollte der endliche Sieg der Sache Gottes uns ebenso gewifs sein, wie jenem Schriftgelehrten, der in der makkabäischen Noth das Buch Daniel schrieb.

Die älteste Darstellung in Richt. 6, 11-24 und 13, 2-24 und ihre Verwandtschaft mit der Jahveurkunde des Pentateuch.

Von Gymnasiallehrer W. Böhme in Stolp, Pommern.

Dafs es der Erzählung Richt. 6, 11-24 an Einheitlichkeit mangelt, hat die Kritik unserer Tage richtig erkannt. Nach der bestimmten Aeufserung V. 16 „ich werde mit dir sein" (14 habe ich dich nicht gesandt?") kann Gideon nicht zweifeln, dafs er mit Jahve oder mit dem Engel Jahves spricht; wie soll man da die Angabe 22 'n i 27"), vgl. 13, 21 DIN, verstehn? Die ursprüngliche Darstellung wird die Reden Jahves, in denen allein (über Theile von 17 und 18 siehe nachher) jener Hinweis auf die göttliche Berufung Gideons vorkommt, nicht enthalten, sondern ungefähr folgendermalsen gelautet haben. Der Engel begrüfst den Gideon: „Jahve mit dir, du streitbarer Held!" Der Angeredete, an den Grufs anknüpfend, erklärt freimüthig, das Unglück, welches Israel betroffen habe, nicht zu begreifen, wenn wirklich Jahve

mit (ihm und) seinem Volke sei. Ohne auf diese Einrede Rücksicht zu nehmen, verlangt der Engel Jahves nachdrücklich, dafs Gideon selbst hingehe in dieser seiner Kraft", und verheisst ihm, dafs er Israel erlösen werde. Erfreut über diese Mittheilung trifft der Held, der in dem Redenden nur einen gottgesandten Menschen, wohl einen Propheten sieht, Anstalt, seinen Gast zu bewirthen, gelangt aber durch den übernatürlichen Verlauf der Dinge zu der Erkenntnifs, dafs er mit einer himmlischen Erscheinung zu thun gehabt hat. — Unmöglich kann nun der originale Bericht hinter 22 a aufgehört haben. Wir verlangen zu wissen, welchen Eindruck die erwähnte Wahrnehmung auf Gideon hervorbrachte. Dafs sie Furcht und Schrecken erzeugte, erscheint auf alttestamentlichem Standpunkt natürlich. Gideon bedarf also der Beruhigung, die ihm denn auch durch Jahve persönlich zu Theil wird. Der Verfasser mochte es, wenn er überhaupt hieran gedacht hat, für unpassend halten, den eben in göttlichem Glanze zum Himmel emporgestiegenen Engel zur Erde zurückzuführen. Vor allem kam es ihm gewifs darauf an, den Namen des Altars Jahve Schalom" zu begründen. Auf diesen Abschlufs steuert die ganze Erzählung hin, nicht darauf, die Heiligkeit etwa des Baumes oder des Steines zu Ophra zu erklären. Das Wörtchen o, öfter als Zuspruch des Trostes an Fürchtende gebraucht, erweckte einer lebhaften Phantasie die Vorstellung, dafs der Held Gideon, der für den Gründer des altberühmten Altars galt 1), vor der Errichtung desselben Furcht gehegt habe (die erst durch Jahve gehoben sei). Letztere Empfindung aber wurde dadurch motivirt, dafs Gideon den ihm in menschlicher Gestalt erschienenen Engel Jahves nicht er

1) Vermuthlich hiefs derselbe ursprünglich El Schalom und war als Altar des Heilsgottes schon der vorisraelitischen Bevölkerung von Ophra heilig.

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