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ersehnt hatte. Brachte die Nacht keine andere Hilfe, so konnte er diese gebrauchen. Er stand in der Finsterniß und horchte. auf jedes Geräusch, das von außen kam.

Nicht lange, so vernahm er wieder Tritte und sah einen Lichtstrahl, der Riegel rasselte und der Mönch Eggo winkte ihm zu folgen. Leise gingen beide die Stufen hinauf; ein großer Raum, in den sie traten, war undeutlich erhellt durch die glimmenden Holzkloben im Kamin. Auf Bänken an der Wand und auf dem Boden lagen Reisige des Abtes in tiefem Schlaf. Wieder mahnte ein Zeichen des Mönchs zur Vorsicht, er öffnete eine eisenbeschlagene niedrige Thür und führte eine Wendeltreppe hinauf. Als Immo aus der Tiefe emportauchte, befand er sich in einem kleinen Zimmer, dessen Wände zierlich mit dunklem Holz getäfelt waren.

Auf dem Tisch stand eine metallene Lampe, deren röthliche Flamme im Luftzuge flackerte und rauchte; Eggo trug eine Wolldecke herzu, legte sie auf den Boden und flüsterte: „Rühre dich nicht und schlafe wenn du vermagst." Gehorsam sette sich Immo auf die Dielen und als er zur Seite blickte, sah er den Mönch wie einen Schatten an der Wand dahingleiten. und hinter einem Teppich verschwinden. Er starrte in den dämmrigen Raum, auf die dunklen Breterwände, an denen die Hirschgeweihe sich im lodernden Lichte bewegten, und auf die Waffen in den Ecken, deren Metall bald hell erglänzte, bald in Finsterniß schwand. Aber das Herz war ihm leicht geworden, denn er erkannte wohl, daß Herr Bernheri ihn nicht für die Nache des Tutilo aufbewahren wollte; er schloß die müden Augen und entschlief.

So mochte er lange gelegen haben, da erwachte er von einer leisen Berührung, er fuhr auf und blickte erstaunt um sich. Noch war es Nacht, die Lampe brannte trüber, über den Waldhügeln lag der graue Dämmerschein des nahen Morgens, und an seinem Lager erkannte er eine dunkle Gestalt. Erschrocken hob er den Leib und stützte sich auf die abgewandte

Hand. Neben ihm saß der fremde Mönch, der als Lehrer in das Kloster gekommen war. Immo wollte aufspringen, aber Reinhard drängte ihn durch eine Bewegung zurück. „Size an meiner Seite, Immo, und öffne dein Ohr, damit eine leise Mahnung in deine Seele falle. Höre mich mit Vertrauen, wenn ich dir auch noch fremd bin, denn nicht als dein Kerkermeister, sondern wie ein Freund will ich zu dir reden und von deiner Heimat will ich dir Gutes verkünden. Frau Edith sendet dir ihren Muttersegen: Sage meinem Sohn, sprach sie, jeden Abend und jeden Morgen flehe ich zu den Heiligen, daß sie ihm das Siegesthor öffnen. Schwer wird der Mutter das Angesicht des Sohnes zu missen, auch darum hoffe ich, daß die Himmlischen das Opfer gnädig annehmen.“

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Immo senkte das Haupt, erweicht durch den Gedanken an die Heimat. Reinhard fuhr fort: Schon in der nächsten Zukunft hätte sich dir die Pforte des Klosters geöffnet, damit du unter den Kindern der Welt dem Herrn dienest. Aber dein frecher Muth hat dich schuldig gemacht, schwerer Strafe bist du verfallen. Darum komme ich, um mit dir zu erwägen, wie du dich rettest."

Immo neigte sich über die Hand des Lehrers und sprach demüthig: „Kannst du mir helfen, Vater, so flehe ich, verlaß mich nicht."

„Eine Rettung weiß ich," erwiederte Neinhard, „die seligste von allen: demüthige dich selbst, Immo, vor dem Altar und trage geduldig die Folgen deiner Unthat. Ein Weltgeistlicher solltest du werden, wähle das Mönchsgewand und gelobe dich dem heiligen Wigbert. Das ist die Buße, welche dir alle hohen Fürsten des Himmels geneigt macht und ebenso die Herzen der Brüder im Kloster.“

Immo sprang auf, seine Hände ballten sich und zornig rief er: Meinst du, daß ich als büßender Mönch vor dem Altar liegen und daß Tutilo die Geißel über mir schwingen soll, wie ich sie heut über ihm schwang?"

„Fürchtest du die Geißel des Tutilo, dann denke lieber daran, daß du jetzt unter seiner Faust stehst und daß ihm morgen die Brüder die Rache geben werden, die er an deinem Leibe zu fordern hat."

,,Nimmer schwingt er die Peitsche über mir, während ich athme," schrie Immo. Wenn sie mich zur Verzweiflung treiben, so sollen sie einen Verzweifelten finden. Vor dem Altar töte ich ihn und Jeden, der mich anzugreifen wagt; von der Klostermauer springe ich, vom Thurm stürze ich mich und Feuer lege ich in das Haus der Mönche. Wenig liegt mir an dem Leben eines Hundes und ich werfe es von mir, wie ich dieses Gewand von mir schleudere, wenn ich ein anderes auf meinem Wege finde."

„Wie ein Heilloser schreist du,“ verseßte Reinhard, „Tutilo sprach nicht unrecht, als er dich mit einer wilden Kaze verglich.“

„That er das,“ rief Immo, „so freut's mich, daß er die Krallen gefühlt hat."

Dennoch rathe ich dir, mein Sohn, daß du dich noch einmal an meine Seite setzest, wenn du deine Wuth zu bändigen vermagst. Wehre mir nicht dir zu rathen, weil dies Eine, die dir lieb ist, von mir erbat."

Immo ging langsam zu seinem Lager zurück, ließ sich zu den Füßen des Mönchs nieder und stüßte sein heißes Haupt in die Hand.

„Wundre dich nicht, Immo, wenn ich dich einlade zu werden, was ich selbst bin. Denn auch ich habe mich von Vater und Mutter geschieden und ich habe die Rosse und Hufen, die mein Erbtheil sein sollten, den Heiligen dargebracht, weil ich um meiner Seele Heil bebte und lieber die Gnade des Herrn wählte als die vergänglichen Freuden dieser Welt. Auch ich entsage und gehorche und wandre wie ein Fremdling durch die Welt. Ob der Frost den Leib bedrängt, der Hunger quält und Gefahren drohen, gleichgiltig und verächtlich ist mir das

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den Helden ehrt, schaffen die ich im Herzen trage,

alles in den Stunden seliger Freude. Nicht Liebe des Weibes, nicht das Lied des Sängers, welches solches Glück wie die Heiterkeit ist, wenn ich zu den Füßen des Herrn liege, dem ich mich als Knecht gelobt habe. Darum möchte ich deine Seele und die Seelen Aller, welche mir vertraut werden, den Greueln der Welt entreißen und den Handgriffen des üblen Teufels.“

Immo schwieg nachdenkend. „Vater," sprach er, „beantworte mir eine Frage, die ich unwissend thue. Wenn es dir und andern frommen Männern nun gelänge, alle Christen auf deinen Weg zu leiten und wenn Alle zu Mönchen und Nonnen würden, verzeih, Vater, aber ich meine, dann wird es an Kindern fehlen."

„Ob du arglos sprichst oder ob du mich durch gewundene Rede versuchen willst, du sollst die Verkündigung hören,“ versezte Reinhard feierlich. „Käme diese selige Zeit, die, wie du selbst weißt, noch weit entfernt ist, dann wird sich der Himmel aufthun und der Herr wird mit den himmlischen Heerschaaren heranziehen zum Gericht; aus der alten Welt des Jammers und der Sünde wird eine neue erstehen, in welcher die Seligen im Lichtglanz dahin wandeln.“

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Immo sah bei dem röthlichen Schein der Lampe wie das Auge des Mönchs leuchtete und seine Hände sich unwillkürlich zum Gebet schlossen. Du selbst weißt, mein Vater," begann. er bittend, „daß der gute Gott den Vögeln ungleichen Gesang gegeben hat. So hat er auch den Menschen verschiedene Gaben ausgetheilt, als er in den Erdgarten kam, um die Kinder durch seine Geschenke zu ehren. Ich aber möchte den Gaben vertrauen, die ich an mir erkenne.“

,,Mit guten Sinnen sprichst du, Immo," sagte Reinhard, ,,und verwundert höre ich, wie klug du die Worte seyest. Auch dies ist eine Gabe, die der Herr Solchen verliehen hat, die er für seinen Dienst bestimmt."

„Nicht zum erstenmal füge ich die Worte in dieser Sache,"

versicherte Immo, „denn oft haben Väter des Klosters, die mir günstig waren, ähnlich zu mir gesprochen wie du. Wisse, Vater, da du so gutherzig mit mir redest, zu lange weile ich schon im Kloster und ich bin seiner herzlich müde. Wenn ich auf dem Roß sprenge, bin ich glücklicher als zu Fuß und, Vater, als ich gegen die Reiter des Grafen ritt, um den Hugbald herauszuziehen, da war mir so fröhlich zu Muth, wie nach deinen Worten dir bei dem Altare. Daran erkenne ich, daß ich nicht gemacht bin, Mönch zu werden."

„Und doch Immo," erwiederte Reinhard, „sollen alle Menschen in jenem Leben theilhaftig werden der Gemeinschaft der Heiligen."

„Und meinst du, Vater, daß man in der großen Halle des himmlischen Königs nur Ehre erlangen kann, wenn man den Freuden dieser Welt gänzlich entsagt und als Mönch oder Nonne betet?"

„Wie magst du zweifeln," entgegnete Reinhard eifrig, „da es verkündet ist. Weißt du nicht, daß geschrieben steht: wer sich erniedrigt, der soll erhöhet werden? Wer lebt demüthiger als der Mönch? Schwer ist's in den Freuden der Welt dem Herrn wohlgefällig zu bleiben und die liebsten Genossen des Himmelsherrn werden nur die sein, welche hier entsagen und büßen."

„Wahrlich, Vater," rief Immo, „wenn es in der Himmelsburg so ist wie du verkündest, daß die Mönche und Nonnen vor den andern an der Herrenbank sigen, dann will ich in den Pferdestall, wo die Rosse des Engels Michael stehen und anderer schneller Boten, denn lieber will ich dort die Pferde striegeln und die Steigbügel halten, als ewig den Kopf neigen und in das Ohr wispern und nach der Miene des Präpositus und der Dekane sehen, wie hier die Mönche thun."

Dem Mönch empörte sich das Herz, aber er antwortete ruhig: „Zuchtlose Worte vernehme ich in den Mauern des Klosters; sonst hört man sie nur auf den Burgen der Ge

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