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Finster wies ihn Tutilo mit einer Handbewegung zur Seite, Immo aber eilte zu seinen Genossen, welche vor Allem froh waren, daß sie heut nicht durch den neuen Lehrer in die Schule gerufen wurden. Von ihnen umdrängt berichtete Immo seine Fahrt und führte die Willigen vor das Rüsthaus, wo die Aelteren gewappnet wurden, um mit den Knechten die Mauer und die Umgegend des Klosters zu bewachen. Eggo aber verkündete den Mönchen, daß Herr Bernheri am nächsten Morgen herabkommen werde, um die Brüder im großen Convent zu versammeln. Mit düsteren Mienen vernahmen die Meisten die Botschaft.

Der ganze Tag verging im Getümmel; trotz der Nachricht, welche Immo gebracht hatte, sorgten die Mönche, daß der Graf einen Anlauf gegen das Kloster wagen oder daß seine Dienstmannen in Hürden und Dörfer einbrechen würden. Bis zum Abend kamen von allen Seiten Flüchtlinge mit ihrer werthvollsten Habe, auch das Herdenvieh wurde herangetrieben. von Anger und Weide, zuletzt kam noch der Sauhirt mit seinen Borstenträgern, und die Brüder hatten Noth, die Menge der Menschen und Thiere in den Höfen zu bergen. Als die Sonne unterging, war in dem Kloster, das sonst am Feierabend so still in der Landschaft stand, ein wirres Getöse und Geschrei, die Rinder brüllten, die Schweine grunzten, die Schmiede schlugen auf die Speereisen und die Zimmerleute hieben Balken und Breter für die Verschanzung.

3.

Der letzte Tag im Kloster.

Im Chor der Kirche sammelte sich der Convent; hastiger als sonst drängten die Brüder herzu, heiß die Köpfe, gefurcht die Stirnen; und ein Summen, das nichts Gutes bedeutete, ging durch die Gemeinde. Als Herr Bernheri mit seinen Begleitern in den Chor trat, blieben die Nacken der Mönche ungebeugt und aus dem Summen wurde ein mißtönendes Geschrei. Der Abt stand einen Augenblick überrascht bei seinem Siz und sah auf mehr als hundert und zwanzig Häupter seiner aufsässigen Kinder, aber da er von Natur ein muthiger Mann war, wenn auch ermüdet durch Müßiggang und Wohlleben, so zog er seine Augenbrauen zusammen, blickte aus seinem großen Haupt herausfordernd über den Haufen und setzte sich steif in den Abtstuhl. Die Hora begann und der Abt selbst erhob die Stimme: „Deus in adjutorium", aber unordentlich tönte der Gesang der Brüder und der Lector eilte so sehr er konnte, versprach sich und mengte die Zeilen. Als die letzten Klänge verrauscht waren, begann wieder das unzufriedene Brummen. Da erhob sich Herr Bernheri von seinem Stuhl und stand auf seinen Krückstock gelehnt gewichtig vor den Brüdern. Er eröffnete den Convent durch den lateinischen Gruß und fuhr mit lauter Stimme fort: „Mein ist das Recht zu befehlen und euer die Pflicht zu gehorchen. Dennoch habe ich heut, wie die Regel erlaubt, die ganze Gemeinde zur Berathung versammelt; sorgt dafür, daß es mir nicht leid thue und daß

es euch bei den Heiligen nicht zum Schaden gereiche, wenn ihr mir unbändig widersteht. Gutes und Uebles habe ich euch zu verkünden. Das Gute ist von unserm Herrn, dem König Heinrich gekommen, denn er hat uns den großen Bannwald bei St. Peter, den wir uns längst ersehnten, mildthätig geschenkt." Der Abt hielt an, aber keinerlei Beifall dankte für die Begabung, und der Abt sezte die Rede unzufrieden fort: „Das Ueble aber kommt von dem Grafen Gerhard. Sehr gröblich hat dieser das Kloster geschädigt, durch den Schüler Immo hat er unpassende Worte hierher gesandt, nämlich, daß er ein Recht auf die Waldwiesen erhalten habe, weil sein Vater im Höllenfeuer stöhne.“

Aufs Neue erhob der Convent zorniges Gebrumm; Herr Bernheri schwenkte die Hand verächtlich gegen die Worte des Grafen: „Ich kenne seit lange den argen Wicht Gerhard und seine Gewohnheiten. Immer hat er üble Traumgesichte, wenn er den Frieden brechen will. Schon vor vielen Jahren träumte ihm etwas wegen unserer Hirschjagd, die er sich begehrte; er würde alle seine Väter und Mütter auf die heißeste Bank der Hölle sezen, wenn er dadurch für sich einen weltlichen Vortheil erreichen könnte. So viel gebe ich auf seine Träume," - er blies kräftig den Athem in die Luft. „Ich aber fürchte sehr, er selbst wird dafür in den Höllenrachen geworfen werden, obwohl er zuweilen beim Waidwerk und bei einem starken Trunk nicht schlechter war als Andere. Denn wenige kenne ich unter den weltlichen Fürsten und Herren, die nicht ebenso raubgierig sind. Alle trachten darnach, viele Dienstmannen mit Lehen zu begaben, damit diese ihnen bei ihren Fehden die reisigen Knechte zuführen. Die Dienstmannen greifen das Kleine im Wald und auf der Straße und ihre Herren das Große vom Könige und der Kirche; zum Kriege sind sie nöthig, aber den Frieden vermögen sie schwer zu bewahren, wenn nicht ein starker Herr sie zur Ruhe zwingt."

Der Abt holte Athem und auf's Neue tönte das dumpfe

Brausen der Menge, doch war es weniger feindselig. Und Herr Bernheri hob wiederum an: „Gekränkt bin ich wie ihr alle, und wären meine Beine gesund und mein Sinn weniger gewißigt, so würde ich vielleicht selbst den Streithengst besteigen; so aber mahnt mich die Erfahrung vieler Jahre und meine eigene Krankheit zur Vorsicht. Zuerst will ich euch verkünden, was unfehlbar geschehen wird, wenn wir gegen den Grafen rüsten. Dorfhäuser werden brennen und Männer erschlagen werden und das Ende wird sein, daß er außer dem. Raub, den er jetzt gepackt hat, sich noch größeren fordert wegen. der Mühe und Kosten seiner Rüstung, und daß er uns mehr schädigt als wir ihn, denn das Kloster bedarf zum Gedeihen den Frieden, er aber den Krieg, und er vermag uns von unsern Gütern in Thüringen zu scheiden. Vor dem König aber wird er Recht behalten und nicht wir, denn schwerlich hätte er seinen Vater in der Hölle geschaut, wenn er nicht wüßte, daß der König ihm bei den Wiesen gegen das Kloster helfen will. Darum, wie sehr ich den Grimm über seine Missethat fühle, bin ich dennoch gewillt ihm diesmal ein wenig nachzugeben, vielleicht, daß er sich begnügt das Land nur auf seine Lebenszeit zu behalten und bei seinem Tode dem Kloster zurückzugeben. Dies ist die Hoffnung, welche uns bleibt, denn er ist ein angefressener Stamm und mancher Wurm nagt in seinem Holze, auch ihn ängstigen zuweilen seine Missethaten jezt und noch mehr in der Zukunft."

Unter hellem Geschrei der Mönche sprang Tutilo auf und rief dem Abt mit harter Stimme entgegen: Sett erkennen die Brüder alle, in welchem Sinne du die Worte des Gebetes gerufen hast: „Erlaß uns unsere Verpflichtung, wie auch wir sie erlassen unsern Verpflichteten," du selbst hoffst, daß du für dein eigenes Unrecht ein mildes Urtheil empfangen wirst, weil du andere Verbrecher straflos dahin ziehen läßt. Aber du sollst auch verstehen was die Brüder gemeint haben, als sie laut riefen: „Befreie uns von dem Argen," denn damit meinten

sie nicht den Grafen Gerhard allein, sondern noch Jemanden. Niemals hätte der Graf gewagt, Klostergut anzugreifen, wenn er nicht wüßte, daß Solche, die zu Wächtern des Klosters gesetzt sind, selbst eigennützig mit dem Gut der Kirche schalten. Oft hast du das bewiesen; unter Anderm auch neulich, als der fremde Händler starb, den wir in seiner letten Krankheit ein Jahr lang gepflegt hatten. Denn bei seinem Tode verließ er dem heiligen Wigbert ein Kästchen mit edlen Steinen, die er aus Welschland gebracht hatte, und wir hofften, daß die Steine den Altären ein Schmuck werden sollten und außerdem vielleicht einmal jährlich den Brüdern ein frohes Liebesmahl verschaffen. Du aber hast die Steine an dich genommen und durch den Schmied in Becher schlagen lassen, die du selbst ge= brauchen wirst oder auch ein Anderer, wie es dir gefällt. Nicht als ein Vater, sondern als ein Tyrann herrschest du über die Gemeinde. Deinen Günstlingen gestattest du jede Unbill und dagegen versagst du den Brüdern auch die erlaubte Erquickung. So thatest du neulich, da du ein Verbot erließest, welches ich lächerlich und kindisch schelte, daß nämlich der Koch an den Fasttagen den Brüdern niemals Lebkuchen backen soll. Diese Speise war Vielen eine heilsame Ergöglichkeit, worauf sie sich durch die Woche freuten. Du aber hast dies aus Bosheit verwehrt, weil es ihnen lieb war. Antworte, wenn du vermagst, zuerst wegen der kleinen Dinge, denn noch Weiteres haben wir über dich zu klagen.“

Dieser Angriff wurde durch starkes Gebrumm der Brüder bekräftigt. Da ihnen manche Speise versagt war, so hatte das Erlaubte für die Meisten um so größern Werth und sie dachten und murmelten viel über Trunk und Kost. Und Tutilo wußte, daß sie wegen dem entzogenen Gebäck ihrem Abte stärker zürnten als wegen Aergerem.

Das Gesicht des Abtes röthete sich bei der Beschuldigung und er rief: Schweig mit deinen ungebührlichen Reden, sowohl aus Scham vor mir, als aus Furcht vor den Heiligen. Freytag, Werke. IX.

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