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Der Abt schüttelte unzufrieden das Haupt. „Ich kenne den Sinn unserer Brüder in Ordorf, sie sind gutwillig, aber unbesonnen und ihrem Glauben fehlt die Prüfung. Ich kenne auch alte Vetteln, welche von einer Stätte zur andern laufen und ihre Gebresten heilen lassen, damit man sie rühme, auf den Schultern trage und mit guter Kost füttere. Die in Ordorf mögen sich wahren, daß die Kinder der Welt uns nicht verspotten und daß nicht zulegt ein großes Scandalum aus dem Wunder werde."

„Es ist nicht begehrliches Volk allein, welches zuströmt, auch ehrbare Leute rühmen die Wunderkraft des seligen Befenners."

„Und vermagst auch du sie zu rühmen nach dem was du gesehen hast?" frug der Abt prüfend.

„Ich hatte, wie du weißt, nicht die Zeit und nicht das Amt, nach der Wahrheit zu forschen," erwiederte Reinhard.

„Ich aber meine,“ rief Tutilo, die Faust auf den Tisch setzend, „daß den Heiligen zu Herolfsfeld ein übler Dienst geschieht, wenn der selige Memmo zu Ordorf einen Zulauf als Wunderthäter erhält und am Ende gar zu Rom als Heiliger aufgenommen wird. Denn die Leute in den Waldlauben werden froh sein, wenn sie einen besonderen Fürbitter gewinnen, und die Edlen werden bei König und Papst bald darauf antragen, daß wir Ordorf aus unserer Klosterzucht entlassen und daß dort oder in der Nähe eine eigene Abtei gegründet wird, und Meginhard würde sich schnell als ein großer Räuber am Wigbert erweisen. Deshalb rathe ich, daß wir unsern Heiligen getreu bleiben und uns nach Kräften bemühen, die Wunder zu stillen und nicht landkundig zu machen.“

Der Abt nickte. „Er spricht das Richtige. Wenn ein Lichtschein dem Kloster helfen könnte, so vertraue ich, würden unsere Fürbitter es auch bei uns nicht daran fehlen lassen. Weißt du eine andere Hilfe, mein Bruder, wenn auch durch weltliche Mittel ?"

Reinhard antwortete demüthig: „Wenn ich das Schicksal deiner Herrschaft, Herr, erwäge, so finde ich, daß dieser zu sehr fehlt, was ihr Schuß und Sicherheit gewähren könnte. Durch ganz Thüringen liegen die Hufen und Höfe zerstreut in den Dorffluren und zwischen den Lehnsgütern der Grafen; aber klein ist die Zahl der Vögte und der Bewaffneten, welche für das Kloster Helm und Schwert tragen. Mächtiger ist der Abt von Fulda, um vieles reicher an Vasallen; am mächtigsten der Erzbischof von Mainz, denn seine Kriegsleute lagern sicher in der großen Stadt Erfurt. Die Mönche von Fulda und die Kanoniker in Erfurt aber sinnen Ungünstiges für dein Kloster und breiten sich aus, dir zum Schaden, auch in den Waldlauben an dem Rand der Berge, wo sonst deine Herrschaft fest gegründet war. Darum meine ich, dir thun vor Allem Burgen noth mit treuer Besatzung. Als ich von Erfurt nach Ordorf zog, sah ich in der Ebene, wo das Gebirge beginnt, einen Ring von Hügeln, auf denen Warten und Burgen stehen, sie schließen einen Weiher und Wiesen ein, schwer ist der Zugang, denn viele Teiche liegen am Saum der Hügel. Dort ragt im Hintergrunde die Wassenburg, welche dem Kloster gehört, doch sie ist halb verfallen. Der ganze übrige Bergwald aber und das Land darum gehört dem Geschlecht des Jünglings Immo, der in der Schule des Klosters gehalten wird. Dies Geschlecht beherrscht von den Bergen wie von einem großen Wall die Landstraße und die Umgegend. Und ich höre, es bringt gern seine Spenden zum Kloster."

„Gut hast du gesehen, mein Bruder," rief der Abt, „ich kenne die rothen Hügel und ich weiß, daß sie gewaltig sind, aber sie sind freies Erbe eines Geschlechtes, welches seit der Urzeit im Lande haust, und ich meine nicht, daß sie ihr Erbe dem Kloster gutwillig in die Hand geben werden."

,,Vielleicht würden sie selbst als Vögte ihre Burgen bewahren, wenn sie zum Heil ihrer Seele dieselben vorher den Heiligen in die Hand gegeben hätten,“ versette Reinhard.

„Wahrlich, Bruder," erklärte Tutilo, als ich zuerst von deiner Sendung hörte, war sie mir widerwärtig; was du aber hier kündest, ist dasselbe, was auch ich für eine gute Hilfe des Klosters halte, und ich muß deine Klugheit preisen.“

„Ich aber kenne unsern Schüler Immo und seine Sippe,“ warf der Abt ein, hochfahrend ist ihr Sinn."

Was die Kinder der Welt ungern thun, dazu zwingt sie oft die Angst vor der Hölle des üblen Teufels," sprach Reinhard. Dennoch würde ich nicht an diese Hilfe gedacht haben, wenn mir nicht Frau Edith, die Mutter des Immo, vertrauliche Botschaft an dich, meinen Herrn, aufgetragen hätte und zwar gerade wegen dieser Burgen. Denn sie fleht dich an, daß mir erlaubt sei, dem Sohn ihren Segen zu bringen und ihn mit einer guten Nachricht zu erfreuen. Das Geschlecht hat beschlossen, die Mühlburg als Angebinde an das Stift zu Erfurt zu geben, damit der Schüler Immo dort Kanonikus werde und durch den Erzbischof Willigis unserm Kloster enthoben. Seht selbst zu, meine Väter, ob unser Kloster dadurch Vortheil gewinnt. Sehr bereitwillig werden die Erzbischöflichen zu Erfurt sein die Burg zu empfangen, für uns aber scheint mir diese Wandlung verderblich.“

Lieber wollte ich den Wolf in meiner Lämmerherde schauen," rief Herr Bernheri.

„Nimmer darf der Knabe und sein festes Haus dem Wigbert entschlüpfen," drohte Tutilo.

„Ich weiß Einen, der das Seine gethan hat, durch Stirnrunzeln dem Jüngling Immo das Kloster zu verleiden,“ sagte Herr Bernheri strafend.

,,Wäre der Knabe besser in die Klosterzucht gewöhnt worden, er würde nicht zurück in die Welt begehren," entgegnete Tutilo, auch die Weide biegt sich nur, wenn eine feste Hand sie zusammendreht. Und ehe ich leide, daß die Burg den prahlerischen Schwelgern zu Erfurt geöffnet wird, zwinge ich den Schüler mit eigner Hand in die Klausur.“

,,Du wirst es schwer finden, ihn in der Büßerzelle zum Mönche zu schlagen, mein Bruder," verseßte der Abt. „In Vielem hast du meine Herde verleitet, aber schwerlich wird. sie dir folgen, wenn du das Kind aus dem Geschlecht unserer Gutthäter durch Zwang zurückhalten willst. Ich rathe dir, daß du lieber dem Bruder Reinhard vertrauest, denn nicht allein wegen seiner Grammatik und Dialectik gefiel es mir ihn hierher zu laden, sondern weil er die Kunst versteht, die Herzen der Jugend zu gewinnen und, damit ich metaphorice spreche, auch junge Stoßvögel an die Hand zu gewöhnen. Versuche du, mein Bruder, ob du die Neigung des Knaben für den Wigbert gewinnen kannst. Er ist ein Falk aus den thüringischen Bergen, diese ertragen schwer die Kappe, sind sie aber gebändigt, dann stoßen sie freudig. Und jetzt gefällt mir, daß wir uns erheben. Manches Andere will ich mit Bruder Reinhard allein verhandeln. Du aber, Tutilo, ziehe zurück und zähle die Heuwagen, bis es mir passend erscheint dich zu rufen oder bis ich selbst hinuntersteige und den Convent der Brüder versammle, welchen du Uebles gegen mich in das Ohr raunst.“

Das Gesicht Tutilos flammte in Zornesröthe als er sich erhob. „Du aber, Abt Bernheri, gedenke nicht, das Wichtigste den Brüdern zu verbergen und im Rücken des Klosters die Wahl zu treffen über den König, dem wir in Zukunft dienen. sollen. Kein Wort hat dein Bote berichtet von dem Kampf, der sich um die Krone erhebt, und doch ist dies die nächste Sorge, und eine größere als um Hufen und Burgen. Meine nicht, Bernheri, mich zu hintergehen. Wenn du auch Abt bist, du selbst würdest es schwer entgelten, denn mein ist die Sorge, daß das Heiligthum nicht durch dich mit Unehren beladen wird."

„Sorgft du so eifrig um den Vortheil der Brüderschaft," rief Herr Bernheri ebenfalls zornig, „so sorge auch, daß der Reiter, welcher dir die Botschaft des Markgrafen zugetragen hat und der verborgen im Gasthause liegt, spurlos verschwinde, bevor ihn meine Reisigen ergreifen. Dich selbst könnte ich Ver

räther nennen; ein Wink von mir, und du kehrst nur zum Gericht in das Kloster zurück. Aber seit vielen Jahren habe ich die Bosheit deines Wesens ertragen und auch jetzt gedenke ich, weil ich älter und klüger bin als du, dich zu behandeln wie einen Trunkenen, von dem geschrieben steht, er weiß nicht was er thut."

Tutilo verließ das Zimmer ohne Gruß, der Abt ging heftig auf und ab, endlich ergriff er die Kanne, setzte sie aber mit einem Seufzer wieder hin. Selbst der Wein schadet zornigem Gemüth und ich begehre nicht unwilliger auf ihn zu werden, als ich bereits bin."

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„Ich aber bringe dir,“ begann Reinhard, ein Pergament aus der Kutte ziehend, „den Gruß des Königs und seine Mahnung, daß du die Reisigen des Klosters ohne Verzug sammelst und durch die Wälder von Fulda zu seinem Heere sendest. Damit auch du seine Gnade erkennst, o Herr, sendet er dir, was du lange ersehnt und erbeten hast, die Schenkung des Bannwaldes um St. Peter, der bisher Königsgut war. Du mögest sorgen, mahnt der König, daß die Treue des Klosters sich ebenso bewähre wie des Königs Gnade."

Schnell griff Herr Bernheri nach der Urkunde: „Die besten Hirsche zwischen Fulda und Main halte ich in diesem Pergament," aber bald verdüsterte sich sein Blick. „Du hast gesehen, mein Bruder, wie jener unholde Mann gesinnt ist; nach allen Seiten murrt er den Leuten Arges in die Ohren und hat die Knechte Wigberts ganz vom König abgewandt, nicht weiß ich, ob ich noch Herr bin im Kloster und über meine Schildträger. Dennoch will ich thun was ich vermag, indem ich den Convent zusammenrufe. Du aber eile dem Tutilo nach und rühme unterdeß im Kloster die Schenkung, damit die Unzufriedenen mein Herrenwort williger anhören."

Während der Abt dem Mönche die letzten Befehle gab, erscholl auf den Feldwegen, die zum Kloster hinführten, Jauchzen und Gesang; die Brüder und Mannen auf dem Petersberg

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