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Auf dem Grunde lag der weiße Wasserdunst, darüber strahlten die Höhen wie abgelöst vom Erdboden und wie von eigener Glut durchleuchtet. An den waldlosen Stellen schimmerte das Erdreich hier rosenfarben und blau, dort blutig roth. „Schaut Alle," rief Baldhard, „gleich_rothem Golde glänzt Erde und Stein. Manches Mal sah ich den alten Götterschein an den Höhen, und Jedermann aus der Umgegend kennt das Gleißen, das man schwerlich an andern Bergen schaut. Aber niemals erblickte ich solches Feuer, und bekümmert fragen wir, was das blutige Licht dem alten Landgeschlecht bedeute, gegen welches heut der Richterstuhl gezimmert wird.“

Alle starrten mit scheuer Verwunderung nach den Hügeln. Und Ruodhard der Müller begann: „Die letzte Nacht war still und der Mond stand am wolkenlosen Himmel, dennoch hörte ich im Berge ein Dröhnen und Brechen; wie mit schweren Hämmern arbeiteten Riesenhände in dem Gestein und ich sah, daß die Grauwölfe heulend die Nasen hoben und in den Berg hineinfuhren."

Da rief eine rauhe Stimme: „Die in der Tiefe hausen, rüsten sich, um junge Helden zu empfangen, welche vom Tageslicht geschieden werden."

Brunico stöhnte und wandte sich ab.

„Beklagst du die Söhne Irmfrieds?" frug die Stimme neben ihm. Brunico sah auf eine riesige Gestalt in einem Rock von Wolfsfellen, das buschige Haar des Mannes starrte wild. um das Haupt, in dem Gurt steckte eine Art mit neuem. Stiel. Jammervoll ist dieser Tag, Eberhard," murmelte der Knappe.

„Du hattest dich einem von ihnen gelobt," versette der Hirt finster, ich aber war allen Sieben ein Knecht von den Vätern her. Darum bin ich neugierig zu sehen, wie meine Herren auf ihrem eigenen Grunde von einem Fremden geschlagen werden."

„Wisse, Eberhard, der König selbst ist gekommen zu richten." „Bis heut waren die Söhne Irmfrieds Könige des Waldes,

trifft ein fremder König die Sieben in den Nacken, wie mag ihr Knecht sich noch seinen Herrn suchen? Der Stiel ist neu und das Eisen ist scharf. Schwingt keiner der Herren die Axt in den Baum, so hebt der Knecht selbst die Axt zu einem Herrenwurf, und er wählt sich das Ziel. Von meinen Ebern bin ich entwichen, damit ich den fremden Richter schaue, weißt du mir ihn zu zeigen?“

„Du wirst ihn erkennen, wenn er auf dem Richterstuhl fißt,“ antwortete Brunico und wandte sich scheu von dem Wilden ab.

Der König ritt aus seinem Hofe auf das Feld hinaus. Die Leute sahen, daß er einen Hauptmann der Reisigen zu fich winkte, und daß dieser nach dem Lager der Königsmannen eilte. Gleich darauf tönten von dem Anger Hörner und das Getöse einer aufbrechenden Schaar.

Als der König herankam mit großem Gefolge von Geistlichen und Laien, klang der Heilruf nicht freudig wie wohl sonst, und der König merkte das und schaute düster über die Haufen. Die Leute vernahmen, wie der Rufer Stille gebot und des Königs Gericht nach den vier Winden ausrief, und sie drängten schweigend an die Schranken. Als darauf Immo zum Hügel geführt wurde zwischen entblößten Schwertern und nach ihm seine Brüder, da hörte man troß dem Gebot des Schweigens lautes Klagen und Jammern der Weiber, und Viele knieten nieder, hoben die gefalteten Hände und thaten Gelübde, damit die Heiligen sich der Angeklagten erbarmten.

Der König setzte sich auf den Richterstuhl und ergriff den weißen Stab, an welchem das goldene Königszeichen einer Lilie ähnlich glänzte. Erzbischof Willigis trat mit den Bischöfen und Edlen, welche der König zu Rathgebern gewählt hatte, vor den Stuhl und begann: „Da des Königs Würde selbst den Spruch thun will gegen den edlen Thüring Immo wegen Raubes einer Jungfrau und wegen Friedensbruchs, so ist uns das Vorrecht geworden, im Rath zu fizen über die That und die Rache. Denn so ist es Brauch, wenn der Spruch des Königs

gegen das Leben eines Edlen geht. Was wir befunden haben, verkündet jegt mein Mund dem Könige, wenn seine Hoheit es vernehmen will." Der König winkte und der Erzbischof fuhr fort: Gegen die ruchbare That des Helden Immo und seiner Brüder hat Graf Gerhard Klage erhoben wegen des nächtlichen Raubes seiner Tochter Hildegard aus dem Dach der Herberge, und daneben mein Vogt zu Erfurt wegen Friedensbruches und schwerer Verwundung seiner Reisigen. Darum möge die Gerechtigkeit des Königs erwägen, ob die schwere That verübt wurde gegen die Jungfrau selbst, gegen den Vater und gegen den Frieden der Stadt. Bekunden ehrliche Zeugen, daß der Mann 3mmo ein Räuber der Magd war, so büße er mit seinem Haupt und Leben. Hat er nur durch gezücktes Schwert den Frieden der Stadt geschädigt, so möge der König ihn strafen, nicht an seinem Leben, aber an seinen Gliedern, an seiner Freiheit, an Gut und Habe, wie es dem König gefällt. Seine Gesellen aber, weil sie als jüngere Brüder die Treue des Geschlechtes erwiesen haben, möge der König strafen oder verschonen."

Der König antwortete: „Ich rühme den Rath, den ihr Bischöfe und Herren gefunden, als gerecht und billig." Aber hart war der Ausdruck seines Angesichts, als er auf die Gefangenen hinsah.

„Sind hier alle Söhne des toten Irmfried versammelt? Von sieben Nestlingen hörte ich singen und sagen."

Gundomar trat heran. „Einer ist zurück, der jüngste Sohn Gottfried; schuldlos ist er, Herr, und hat keinen Theil an diesem Frevel seiner Brüder."

„Ist er schuldlos, warum wird er dem Auge des Königs entzogen?" frug Heinrich, „brachtest du ihn von der Burg, so führe ihn her."

Gundomar eilte aus dem Ring und Gottfried trat in die Schranken. Er trug das Panzerhemd, das ihm die Brüder geschenkt hatten, um das runde Gesicht ringelten sich die goldenen

Locken. In holder Scham stand er da; auf eine leise Mahnung seines Begleiters trat er näher, kniete vor dem König nieder und senkte sein Haupt.

Der König sah überrascht auf den Knaben. Im Kreise der Herren erhob sich ein beifälliges Gemurmel und aus dem gedrängten Volke klangen Heilrufe der Männer und Segenswünsche der Frauen. Der König erkannte, daß die Edlen und das Volk ihn rühmen würden, wenn er dem Unschuldigen seine Gnade erwiese. Und da ihm der Knabe gefiel, so gedachte er bei sich, das Geschlecht nicht ganz zu vernichten, sondern diesen zu bewahren, und er sprach gütig zu ihm: „Steh auf und sieh mir ins Gesicht."

Gottfried starrte aus seinen großen Augen so erstaunt den König an, daß dieser lächelte. „Tritt näher,“ gebot er, faßte den Knaben bei der Hand und strich ihm über die Wange. „In jungen Jahren trägst du das Eisenhemd, wer hat dich so früh mit dem Schwert gewappnet, du Singvogel? Noch ziemt dir nicht der wilde Flug. Danke den Heiligen, daß jene dich bei ihrem nächtlichen Ritt zurückließen.“

„Gern wäre ich mitgeritten," antwortete Gottfried arglos, ,,und mich reut gar sehr, daß ich's verschlafen habe."

Da lachten die Herren ringsum über die Kinderstimme und nickten einander zu. „Ich merke," sagte der König, wir sind hier in dem Lande, wo schon die Nestvöglein troßig singen, wenn auch ihre Stimme noch fein ist. Daß du den Ritt verschlafen hast, Knabe, war dir diesmal größeres Glück als die beste Heldenthat. Sich auf deine Brüder; der einzige bist du aus deinem Hofe, der ein Schwert trägt, obgleich es in deiner Hand noch schwerlich tiefe Wunden schlagen wird.“

Gottfried sah erschrocken auf seine Brüder, gürtete sich schnell das Schwert ab und legte es dem König zu Füßen. „Verzeiht mir, Herr König, ich will nicht anders gehalten sein als meine Brüder, laßt mich das Unglück, das sie trifft, auch theilen," und er lief von dem König zu den Gefangenen und

stellte sich als letter in ihre Reihe. Aber Gundomar ergriff ihn bei der Hand und führte ihn zum Stuhl des Königs zurück. „Hebe dein Schwert auf," befahl der König gnädig, damit ich dich selbst damit umgürte; als Kriegsmann sollen. dich, Gottfried, Sohn des Irmfried, von heut an meine Edlen ehren."

Da erhob sich ein Summen und Brausen in der versammelten Menge und es verstärkte sich zu einem donnernden Heilruf für den König, so daß dieser wieder befremdet über das Volk sah. Denn die Leute hofften, daß die Huld, welche der König dem Jüngsten erwies, eine gute Vorbedeutung sei für das Schicksal der anderen Brüder. Aber Solche, die den König zu kennen meinten, urtheilten anders.

Der König gebot: „Führt die Jungfrau herein.“

Gestüßt auf Edith trat Hildegard in die Schranken. Ein beifälliges Murmeln ging durch die Versammlung, als die Frauen vor den Königsstuhl traten. Würdig verneigte sich Edith und stand mit gehobenem Haupt in der Versammlung; und der König, welcher gedachte, daß sie sich stolz hielt, weil sie von den Ahnen her dem königlichen Stamme verwandt war, faßte mit der Hand an die Lehne seines Stuhls und hob sich ein wenig aus dem Sig, indem er sich gegen sie neigte, um die Abkunft zu ehren. Ediths Augen suchten die Söhne. Als sie Immo erkannte, das bleiche Antlig und die schmerzvollen Züge, da that sie einen Schritt auf ihn zu, aber sie bezwang sich und hob nur die Hand segnend gegen ihn. Neben ihr stand Hildegard, die Augen zum Boden gesenkt, ängstlich griff sie nach der Hand ihrer Begleiterin, um sich daran zu halten. ,,Dies ist deine Tochter Hildegard, Graf Gerhard?" frug der König, und als der Graf sich bejahend verneigte, fuhr er fort: „Wenig gleicht sie dir, doch auch vom knorrigen Stamme kommt süße Frucht. Wahrlich, mancher von meinen jungen Helden wird über die Missethat des Räubers nicht erstaunen. Fasse Muth, Jungfrau, denn der Richter, welcher jetzt frägt,

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