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Als Immo vor dem Hessenhofe nach seinem Roffe sprang, schrie aus dem Oberstock eine helle Frauenstimme: Raub, Zeter und Waffen. Die Schaarwächter stürmten heran, aus dem Hofthor drangen die Knechte, auch diese riefen Feuer und Rache. Im Nu erhob sich wilder Aufruhr und Waffengeklirr. Gegen Immo, der mit Mühe sein Roß gewonnen hatte, warfen sich die Schaarwächter, er wehrte den Führer mit dem Speer ab, und als der Mann stürzte und die Genossen sich um ihn sammelten, rieß Brunico das Pferd seines Herrn am Zügel und schrie: „Fort, die Bahn ist offen.“ Aber indem Immo sich wandte, klang in seinem Rücken auf's Neue Geschrei und Schwertschlag, und die Stimme Herimans rief flehend: „Verlaßt nicht euren Helfer, der für euch das Schwert hob." Da merkte Immo, daß die Stunde gekommen war, in welcher eine Lehre des Mönches Gehorsam forderte, und daß dieser Gehorsam ihn von Freiheit und Glück schied. Doch seiner Ehre gedenkend, rief er entgegen: Des Rosses letter Sprung sei für dich," und er warf sich zurück in den wüthenden Haufen, stach und schlug, bis er den Heriman herausgehauen hatte und dieser hinter dem Roß in der Dunkelheit verschwand. Jetzt wandte sich Immo auf's Neue zur Flucht und stob mit Brunico dem Thore zu. Aber die Stadt war geweckt, hinter ihnen stürmten mit lautem Hallo die Verfolger, aus aufgerissenen Fensterläden fiel hie und da ein Lichtschein auf die Flüchtigen, die Trinker sprangen mit gezückter Waffe aus den Schenken und warfen sich ihnen entgegen. Als sie das Thor vor sich sahen, erscholl auch von dort Alarmruf und Kampfgeschrei Bewaffneter, welche auf sie zurannten. Da bog Brunico in der Bedrängniß zur Seite in eine enge Gasse der gebrochenen Mauer zu, Immo folgte. Der größte Theil der Verfolger lief nach dem nächsten Thor, um die Flüchtigen dort abzuschneiden, die Gehezten gelangten bis zu den Mauertrümmern. Dort hielt Brunico. „Voran," befahl Immo. Keuchend klomm das Roß des Mannes hinab, dieser gelangte glücklich über den Breter

stieg, indem er unterwegs brummte: „Nicht umsonst habe ich dich zum Feierabend zurecht gelegt,“ und fuhr auf der andern Seite in die Höhe. Ihm folgte Immo. Er sah sich auf der wüsten Stätte um, noch waren die Verfolger zurück, aber sein verwundetes Roß hinkte; als er es hinabtrieb, brach es an dem Trümmerhaufen, welcher aus dem Wasser ragte, zusammen, warf den Reiter hart gegen die Steine und glitt in das Wasser, in dem es angstvoll stöhnte und um sich schlug. Immo erhob sich betäubt vom Fall, er merkte jetzt, daß er selbst schwer verwundet war; mühsam wankte er auf den Steg und wand sich an der andern Seite des Grabenrandes empor. Dort blieb er liegen.

„Fünf Jahre habe ich dich gezogen," klagte Brunico zu seinem Hengst, und jezt rinnt dir's heiß von der Hüfte und du ziehst auf dem Wege eine Spur gleich dem verendenden Wild. Einem ruhmlosen Tölpel gehörte der Speer, welcher auf das Roß zielte statt auf den Reiter." Hinter sich vernahm er einen leisen Ruf, er sprengte zurück. Unweit des Grabens lag ein Mann am Boden, Brunico sprang ab. „Der Schildarm ist getroffen," seufzte Immo, „und er hängt nach dem Sturz machtlos in der Achsel.“

„Ein wunder Mann und ein wundes Pferd sind einander jämmerliche Gesellen," rief Brunico. Dennoch helfe ich dir auf mein Thier, mich birgt die Nacht und der nächste Graben.“ Er hob den Wunden mit starker Anstrengung auf sein Roß, aber Immo schwankte wie betäubt. Halt aus, Brauner, bis zum nächsten Wald," ermunterte Brunico, „dort lade ich ihn auf meinen Rücken." Er schwang sich hinter dem Verwundeten auf, die Hinterbeine des Pferdes knickten unter der Last, Brunico trieb es mit den Sporen dem Saum des Gehölzes zu, welches in der Dunkelheit schwarz vor ihnen lag.

„Die Hunde werden im nächsten Augenblick hinter uns sein," brummte der Knappe nach rückwärts spähend, und unsere Kunst geht zu Ende." Er sprang wieder ab.

Freytag, Werke. IX.

17

„Birg mich seitwärts vom Wege und rette dich, vielleicht vermagst du Hilfe zu bringen," mahnte Immo.

,,Der Mond scheint über kahles Land, sie finden dich, bevor ich ein Pferd schaffe."

Vor ihnen knarrte ein Karren und knallte eine Peitsche. „Der Wagen fährt auf unsere Dörfer zu," sagte Brunico erfreut, ich meine, es ist ein Nachbar, der sich in der Stadt verspätet hat." Er rief den Wagen an und führte das Pferd zu ihm hin. He, Landgenoß, kennst du den Freien Balderich im Dorfe vor uns?"

,,Vielleicht kenne ich ihn," versette der Mann, mit der Peitsche knallend.

„Willst du helfen einen Verwundeten heimlich nach seinem Hofe zu schaffen, so soll dir ein guter Lohn werden.“ „Es kommt darauf an, wer der Wunde ist," antwortete der Mann auf dem Karren. Als aber Brunico ihm näher kam, wandte er sich heftig ab. „Dies Gesicht kenne ich, ich sah dich unter den Disteln, verflucht sei die Hand, die sich dir zur Hilfe rührt." Brunico zog sein Schwert.

„Laß den Mann in Frieden," befahl Immo, aber er selbst glitt kraftlos vom Roß in die Arme des Getreuen. Der Fuhrmann beugte sich über ihn. „Halt,“ rief er, „auch diese Stimme erkenne ich. Kann euch mein Wagen helfen, Herr, so hebe ich euch herauf. Es sind dieselben Räder, die ihr in meiner Noth aus dem Wasser hobt.“

Immo nickte schwach mit dem Haupt. „Ladet mich auf.“ Die beiden Männer hoben ihn auf den Wagen, der Fuhrmann Hunold breitete eine Decke und rückte die Strohbündel. „Euch schaffe ich in das Dorf, der Andere möge sich fern halten von meinem Messer."

Immo streckte die Hand über das Wagengeflecht. Fort mit dir, Gespiele." Der Knappe warf sich mit einem Seufzer auf das Pferd und trabte dem Holze zu, während der Fuhrmann ihm zornig nachsah.

Hinter dem Wagen klang schneller Hufschlag, Hunold sah sich um und zog die Decke über den Liegenden. Bewaffnete sprengten heran und frugen barsch nach Namen und Fahrt. Auf die Antwort des Führers, daß er ein Mann des großen Bischofs sei, klang die Gegenfrage, ob er Reiter gesehen habe.

„Sicher sah ich sie, kaum ein Viertel Weges zurück am Kreuze, zwei Männer auf einem Pferde," und er wies rachsüchtig dorthin, wo Brunico in der Dunkelheit verschwunden war. „Ihr mögt die Spur erkennen, denn sie liegt roth auf dem Wege.“ „Sie sind es,“ riefen die Reiter und stoben zurück bis zum Kreuzwege.

Aber sie erreichten weder Roß noch Reiter. Denn Brunico war, als er sich in der Dunkelheit allein sah, vom Hengst gesprungen und hatte das zitternde Thier mit einem Schlage vorwärts getrieben. „Hilf dir allein, wenn du kannst, ich denke, den Weg nach deinem alten Stalle kennst du. Ich laufe dem Karren nach Balderichs Hofe vor, damit der Alte und mein Mädchen über das Brautgeschenk, das ich ihnen sende, nicht allzu sehr erschrecken."

11.

Die Mutter auf der Burg.

Von den Mauern der Mühlburg spähten Immos Brüder die ganze Nacht sorgenvoll nach der Tiefe, immer wieder erwogen sie, ob er getötet sei, ob er in Erfurt gefangen liege, oder ob er sich auf einem Umweg in die Berge schlagen und zu ihnen kehren werde. Jedes Rauschen im Holz, jede Thierstimme im Walde dünkte ihnen ein Zeichen des Nahenden. Als der Morgen graute, sandten sie Läufer in die Dörfer, welche ihnen gehörten, und forderten heimlichen Zúzug ihrer Dienstmannen, und zwei von ihnen warfen sich mit den Knechten in das Gehölz, wo ein gedeckter Anritt zu den Bergen möglich war. Aber friedlich lag die Landschaft, auch von dem Thurm des vorderen Berges, der am weitesten die Ebene nach Erfurt überschaute, vermochten sie nichts zu erkennen, nur einzelne Reiter sahen sie hie und da auf den Feldwegen, und ihre spähenden Knaben verkündeten, daß es Reisige des Erzbischofs waren, welche vorsichtig bei den Bauern nach der flüchtigen Schaar forschten, aber den Rand des Gehölzes vermieden. Als die Sonne im Mittag stand, rief Ortwin: Nicht länger vermag ich die Unsicherheit zu ertragen, es bringt uns wenig Ehre hinter den Mauern zu harren, während der Bruder in Noth ist; ich sattle und reite nach dem Hofe der Mutter und weiter der Stadt zu, damit ich Bericht einhole, sei er böse oder gut." Ich widerrathe," versette Odo, daß du der Mutter unter die Augen trittst, denn besser ist es, daß sie völlig keinen Theil habe an unserm Handel und fortan ebenso wenig der Jüngling

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