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„Sage mir, was ich reden soll, damit ich mich aus der Noth löse."

Und Immo fuhr fort: „Wollt ihr Abbitte thun wegen aller kränkenden Worte und wollt ihr mit allen euren Helfern schwören, nichts von dem, was in dieser Nacht gegen euch gesagt und gethan worden ist, an uns oder an einem unserer Helfer zu rächen, sondern in Zukunft Frieden und guten Verkehr zu bewahren, so mögt ihr mit unsern Gefangenen, mit Waffen und Rossen, frei und ledig von hinnen reiten, sobald der erste Sonnenstrahl unsere Dächer bescheint."

Graf Gerhard sprang erfreut in die Höhe und rief: „Wahrlich, Immo, manchen Beweis deines guten Verstandes habe ich erhalten, aber diesen will ich dir niemals vergessen. Ich bin bereit zu Allem, was du von mir verlangst, zu Abbitte und Gelöbniß.“

Wohlan," gebot Immo,,,ladet Jeden in die Halle, der jezt im Hofe weilt, zuletzt die Gefangenen. Und mit diesen werdet ihr euch barhaupt und stehend demüthigen."

Ein Hornzeichen rief die Gäste und das ganze Gefinde zusammen und als Alle versammelt waren, führte Immo den jungen Gottfried auf den Ehrensitz und zu diesem sprach der Graf barhaupt die Abbitte: „Alles, was ich gegen Ehre und Ansehen deines Geschlechtes jemals gesagt und gethan habe, das sei ungesagt und ungethan, alle edlen Rechte erkenne ich ihm zu und auch den Vorsitz und Vortrunk. Denn wisset, ihr Herren, wenn ich auch manchmal im Aerger anders sprach, immer habe ich das Geschlecht Irmfrieds vor andern hochgeschätzt. Und ich bin bereit, nachdem ich Vergangenes abgebeten habe, alles Gute für die Zukunft zu geloben, nicht nur weil ich in Noth bin, sondern auch weil ich merke, daß dies in Wahrheit meines Herzens Wunsch ist."

Als der Graf dies nach Gebühr vollendet hatte und seine Worte durch die andern Gefangenen bestätigt waren, wurde er mit ihnen in die kleine Kapelle vor den Altar geführt, dort Freytag, Werke. IX.

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gelobten die Helden für alle Zukunft jedem Nachegedanken zu entsagen. Darauf ward der Graf auf den Ehrensiß in der Halle geleitet, und jezt trat Gottfried vor und bot ihm den Friedensbecher. Gerhard that einen tiefen Trunk und seufzte, aber er wurde mild und froh, ja er lachte ein wenig über sein Unglück und sprach allerlei Vertrauliches zu Immo.

Beim Aufgang der Sonne wurden die Roffe der Gäste vorgeführt und Immo geleitete den Grafen selbst in den Hof. Als dieser aufsteigen wollte, sah er die beladenen Wagen und mit einem sehnsüchtigen Blick sprach er zu Immo: „Hätte ich diese in ehrlicher Fehde gewonnen, so würde ich fortan meinen Meth aus goldenem Becher trinken."

Da antwortete Immo: „Eifrig habt ihr darum geworben und als ein Held euer Leben dafür gewagt. Wisset, ihr habt gefochten wie der alte Hildebrand, um wollene Decken, welche die Sachsen mit guter Kunst verfertigen, und zumeist um den gesalzenen Seefisch, welchen die Leute den Hering nennen.“

Als die Entledigten abgezogen waren, dankte Immo mit freundlichen Worten die Landleute ab, welche als freiwillige Helfer herangeritten waren. „Da die Gefangenen gegen den Gebrauch kein Lösegeld gezahlt haben und auf ihren Roffen davon reiten, sø nehmt dafür mit meinem Dank einen Theil der Waaren aus dem Sachsenland, welche ihr wieder gewonnen habt; nicht als Entgelt, sondern zur Verehrung." Das waren die Nachbarn wohl zufrieden und Immo gebot dem Brunico, einen billigen Antheil auszuscheiden. Diesen luden sie vergnügt auf einen Karren und schieden mit Heilruf zu ihren Dörfern.

10.

Die Entführung.

In der Halle standen die Brüder zum Aufbruch gerüstet, als Immo ihnen entgegen trat. „Den großen Goldschag der Räuber hat der fahrende Mann mir angelogen, doch brachte ich reiche Beute und die Gastgeschenke der Sachsen heim; nicht die Wasserrosse führten meinen Kampfgewinn der Mühlburg zu, sondern die Packpferde, welche Brunico leitete. Für euch, Söhne Irmfrieds, sind die Ballen geöffnet, damit ihr daraus wählet, was jedem von euch gefällt, und ich bitte euch, diese Gabe anzunehmen anstatt der Schaßung, die ich den Gefangenen erließ, ohne euch zu fragen.“

„Solches Angebot ist gebührlich gegen Fremde, nicht gegen die Genossen des eigenen Geschlechts," antwortete Odo finster, und Ortwin rief: „Du thust uns weh, wenn du uns Gold bietest, wo wir brüderlichen Gruß erwarten."

Da flog helle Freude über Immos gramvolles Angesicht. „Wollt ihr freundlich zu mir reden und brüderlich gegen mich handeln, so wißt, meine Brüder, daß mein Herz sich viele Jahre nach eurer Liebe gesehnt hat. Schon im Kloster fühlte ich traurig unter Fremden die Einsamkeit und gedachte mich täglich heim in eure Mitte, und auch jezt unter den Gastfreunden vermochte ich nicht die frohen Spiele ihrer Knaben zu sehen, ohne daß sich mir das Herz in Gram zusammenzog. Denn wie ein Ausgestoßener lebte ich, weil mir eure Freundschaft fehlte. Begehrt ihr, liebe Knaben, daß ich euch brüderlich_be

grüße, so springt heran wie einst, denn die Arme des Bruders sind geöffnet, euch zu empfangen.“

Ortwin warf sich um seinen Hals und küßte ihn und wie er thaten die Jüngeren, nur Odo stand zur Seite. Gottfried aber ergriff Immos Hand und legte sie in die Hand des Andern. Odo drückte sie und begann: „Der Zorn ist geschwunden mit dem grünen Laub dieses Sommers, beide wollen wir vertrauen, daß in dem neuen Lenz unter uns sieben sich die Treue bewähre." Und auf Gottfried weisend fuhr er fort: „Du siehst, wir haben ihn gewappnet und da du zu uns zurückgekehrt bist, vermögen wir jetzt in Frieden das Erbe zu theilen. Vor einem Jahre widerstand ich dir, als du das Recht des Aeltesten fordertest, fortan bin ich gleich meinen Brüdern bereit, dir zu folgen, wenn du uns führst.“

Aber Immo rief mit ausbrechender Leidenschaft: „Leite du die Brüder und bewahre du die Ehre des Geschlechtes, denn ich kehre nicht zurück, um in Frieden unter euch zu leben. Ein großes Leid berge ich in meinem Herzen und mein Leben muß ich wagen in wilder That, noch bevor die nächste Sonne aufgeht. Wisset, der Tochter des feindlichen Mannes, den wir heute demüthigten, habe ich heimlich mein Leben gelobt, der König aber will sie schleiern, ob es ihr und dem Vater lieb oder leid sei. Bevor sie morgen früh zu Erfurt die Klosterschwelle betritt, hole ich sie auf die Mühlburg, was mir auch darum geschehe. Dem Zorn des Königs troze ich und dem Rechte des Landes widerstehe ich, um sie zu erwerben, denn ohne sie ist mir mein Leben verhaßt."

ዘለ

Die Brüder sahen betroffen einander an. „Zu früh habt ihr mich brüderlich begrüßt, ihr Söhne Irmfrieds," fuhr Immo heftig fort, mich wundert nicht, wenn ihr euch von mir abwendet, wie von einem Kranken, dessen Berührung Unheil bringt. Meint auch nicht, daß ich euch mahnen will an die Hand, die ihr mir jetzt gereicht habt, und an den brüderlichen Kuß. Denn eure Hilfe bei der That fordere ich nicht, den

Raub wage ich wohl allein mit denen, die sich mir gelobt haben. Euch aber sage ich vorher, was ich thun werde, damit ihr mir tröstlich seid, soweit ihr es vermögt, ohne euch zu verderben. Doch nein, liebe Brüder," unterbrach er sich selbst, „aus Klugheit und Vorsicht hätte ich's euch nimmer bekannt, aber eure Freundlichkeit hat mir die Seele weich gemacht. Denn Sommer und Winter habe ich die Last allein getragen. Selig macht der Gedanke an das geliebte Weib, aber furchtbar quält die Angst sie zu verlieren, und manche Nacht habe ich in der Fremde auf meinem Lager die Faust geballt, oder kindisch geweint, wie mir jetzt geschieht." Er wandte sich ab, hielt die Hände vor das Angesicht und sein starker Leib bebte im Krampf.

Es war totenstill in der Halle. Endlich sagte Odo: ,,Wenn unsere Eltern einen Rath hielten, der ihr Wohl und Wehe anging, so saßen sie vertraulich neben einander am Herdfeuer nieder. Führe auch du uns zum Herde der Burg, an dem unsere Vorfahren berathen haben, damit wir die Flamme aufzünden. Dort erzähle du uns von dem Weibe, welches dir lieb wurde, und wie Alles gekommen ist bis heut, damit wir es wissen, denn auch das ist ein Recht der Deinen."

Da führte Immo die Brüder über den Hof zu dem Flur des Saales, worin der Herd stand, er entzündete das Feuer und schloß die Thür. Die sieben Brüder lagerten am Herde und Immo begann leise seinen Bericht, zuerst, wie Hildegard unter den Buchen sein Geselle wurde, und wie er ganz plözlich sich glückselig fühlte, und darnach alles Andere. Und er zeigte ihnen auch das Pergament mit den Goldfäden, welches Alle betrachteten, während er es in seiner Hand hielt, bis er es wieder im Gewande barg. Die stolzen Knaben Irmfrieds vernahmen vorgebeugt mit leuchtenden Augen die Kunde, welche auch ihr Leben nahe anging, und Gottfried saß zu den Füßen des Bruders, hielt die Hände über dem Knie desselben gefaltet und blickte ihm unverwandt in das bewegte Antlitz, während

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