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„Das besorge nicht," sagte Heinrich trocken. „Zudem magst du wissen, daß Held Gundomar seine Feinde lieber ins Antlig schlägt als hinterrücks angreift; und soll ich dir Gutes rathen, so meide seine Nähe, wenn er die Brauen grimmig zusammenzieht, wie er manchmal thut. Doch ein anderer Held hat dir, wie ich vernahm, besseres Lob gespendet." Er wies nach dem Wege, auf welchem Graf Ernst zwischen den Wächtern ging. Gräme dich nicht, daß du den Spielleuten ihren Helden genommen hast; denn er ist einer von den Recken, welche durch das Lied müßiger Gesellen gefeiert werden, selten aber durch das Lob bedächtiger Männer. Sie werfen ihren Handschuh hierhin und dorthin und kämpfen wie Bären um eine hohle Nuß, unbekümmert, ob Land und Leute darüber zu Grunde gehen. Darum gleicht auch ihr Ruhm der lodernden Schindel, welche beim Hausbrande fliegt, wie gerade der Wind sie treibt, bis sie am Boden flackert und in Finsterniß verlöscht.“

,,Verzeiht, Herr," versezte Immo demüthig, wer unter dem Helme reitet, wie mag der den Stolz auf große Thaten entbehren?"

,,Der Weise aber nennt eine That nicht darum groß, weil sie mit schwerer Lanze und starkem Arm vollbracht wird, sondern weil sie großen Nugen bereitet. Vieles, was leise ins Ohr geraunt wurde, schuf besseren Segen, als der wildeste Sprung über die Haide."

„Dennoch verzeihe mir der König, wenn ich sage, Wenige werden freudig das Schwert schwingen und in den Feind reiten, wenn ihnen nicht die Ehre, die sie gewinnen, der liebste Schat auf Erden sein darf.“

,,Du denkst ganz wie die Laien," schalt der König, ich traute dir bessere Einsicht zu. Da du im Kloster warst, solltest du gelernt haben, daß es höhere Siege gibt, als mit Schild und Schwert, indem man die Seelen der Helden und der anderen begehrlichen Menschen bezwingt, damit man ein Herr wird über sie."

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Das ist das Amt des Königs," antwortete Immo. „Ich habe gehört, daß der große Kaiser Karl, der König Ezel und andere gewaltige Herren, von denen die Sage kündet, sich ausdachten, was ihnen nüßen könnte, und dann ihre Helden sandten, damit sie es vollbrächten, zu dem einen Werk die Klugen, zu dem andern die Starken; und daß sie Jeden zu gebrauchen wußten, wozu er diente. Ich aber bin nur einer, der dem König mit seinem Schwerte dienen will Und ich begehre die Ehre eines Helden, welche mir gebietet, meine Genossen lieb zu haben und mich an meinen Feinden blutig zu rächen. Ob die Nache auch zum Amt eines Königs gehört, das weiß ich nicht.“

Heinrich sah ihn mit großen Augen an. „Immo tu es scolaris. Du bist weit schlauer, als ich dachte. Was willst du mir zu verstehen geben? Fahr fort."

„Herr," sprach Immo kühn, „als ich den Grafen Ernst abwärts führen sah, da fiel mir auf's Herz, ein hochgesinnter Held wie dieser vermöchte dem König wohl noch seine Treue durch gute Dienste zu erweisen. Denn sie sagen, daß er nur deshalb in Empörung und Unglück gekommen ist, weil er dem Hezilo als Anverwandter die Treue gehalten hat.“

,,Dem König aber hat er die Treue gebrochen," rief Heinrich. „In Zukunft könnte er wohl dem König allein nüßen, denn des Königs Würde versteht, wie man die Seelen der Helden und der anderen begehrlichen Menschen zwingt, damit sie ge= horsam dienen."

„Hat St. Wigbert dir so gut die Zunge gelöst," frug der König, daß du sie gegen mich für einen Verräther zu gebrauchen wagst?"

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Immo beugte das Knie. „Mit dem Schülergruß wurde ich angerufen; habe ich zu dreist gesprochen, so möge die Gnade des Königs mir verzeihen."

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Der König nickte. Du hast Recht und ich werde mich hüten, dir noch einmal das Fingerkreuz zu zeigen, damit du mir nicht wieder eine Lection hersagst." Und als Immo ihn

hittend anfah, fuhr er mit Königsmiene fort: Sei ruhig, Hauptmann, ich zürne dir nicht."

Reisige sprengten herauf, im Lager erhob sich Geschrei und Getümmel, ein donnernder Jubelruf wälzte sich von Haufen zu Haufen durch das ganze Heer. Unter dem Geleit einer reisigen Schaar wurde ein langer Zug von Heerwagen und beladenen Lastthteren durch das Lager geführt und nahe dem Bach, den Belagerten sichtbar rund um die Festung bis zu der Höhe des Königs. Das war der Schat, den der Held des Markgrafen gefangen und den der König zurückgewonnen hatte, nachdem er die Burg des Magano eingenommen. Jezt wurde der Schaß im Triumph durch das Lager geführt, die Krieger zu trösten und die Feinde zu entmuthigen. Die Augen des Königs leuchteten, als sie dem Zuge der Wagen folgten, und sich noch einmal zu Immo wendend, schloß er: „Suchst du gleich Ehre und nicht Gold, ich hoffe doch, es soll auch für dich etwas Glänzendes herausgehoben werden, wenn der König seine Treuen belohnt." Er ging dem Erzbischof entgegen, welcher dem Zelte des Königs zuschritt.

Als die Sonne sank, zog eine Schaar breitschultriger Baiern mit Stiernacken und großen Häuptern heran, die Königswache zu halten. Immo wechselte mit dem Führer den Gruß, löste seine Knaben von ihren Pläßen und führte sie zu der Stelle des Lagers, wo sie sich aus Fichtenzweigen die leichten Hütten erbaut hatten. Während die Thüringe das Feuer anzündeten, um ihr Mahl zu bereiten, warf er selbst einen dunklen Mantel über, den Goldschmuck seiner Rüstung zu verdecken, vertauschte seinen Helm mit der leichten Eisenkappe eines Gefährten und eilte ins Freie. Rings um die Festung brannten die Lagerfeuer, zwischen den röthlichen Flammen und den weißen Rauchsäulen schritten die Krieger wie dunkle Schatten hin und her. Auch über der Festung schwebte eine rothe Dampfwolke, welche verrieth, daß die Belagerten nach den Gefahren des Tages für die ermüdeten Leiber sorgten.

Immo durchschritt die leßten Lagerreihen der Königsmannen, beantwortete den Ruf der Wachen und trat in das offene Land, welches dunkel und still vor ihm lag. Nur an einer Stelle wirbelte weit abseit vom Lager ein feuriger Dampf, dessen Flamme in der Tiefe verborgen war. Dorthin eilte Immo. Von der Höhe blickte er über eine Erdsenkung, in welcher eine Anzahl Laubhütten und Zelte unordentlich durcheinander stand. Saitenspiel und Gesang und das Geschrei Trunkener tönten zu ihm herauf, Männer und Frauen glitten an den Feuern vorüber und schlüpften von einer Hütte in die andere. Dort war das Lager der fahrenden Leute, welche als Sänger und Fiedler, als Tänzer und Gaukler dem Heere folgten, um die Krieger in den müßigen Stunden zu ergößen und ihren Antheil an der Beute zu gewinnen. Uebel berüchtigt war die Stelle, denn die Wanderer, welche dort hausten, waren aller Ehre bar und wurden durch kein Recht geschüßt, nur durch die Gunst mächtiger Helden, welche sie zu gewinnen wußten. Als Immo in das Gewirr der Hütten und Feuerstellen eindrang, wurde der Lärm und das Gewühl lästig und er zog seinen Mantel dichter zusammen. Bezechte Krieger schrien ihn an, buntgekleidete Weiber boten ihm lustigen Gruß, ein riesiger Bär, der an einen Pfahl gebunden war, zerrte brüllend an seiner Kette, die Fiedel klang und das Sackrohr brummte; in einer Hütte schwang sich, umdrängt von einem Haufen Gewappneter, eine zierliche Dirne in hohen Sprüngen durch die Luft; in einer andern saß ein Spielmann, sang mit melodischem Tonfall ein Lied von den Thaten vergangener Helden und riß dabei kräftig die Saiten der kleinen Harfe; neben einem großen Feuer sprang ein schlauäugiger Gesell umher, welcher schnurrige Lügengeschichten erzählte, und wenn die Zuhörer laut auflachten, mit dem Becher herum lief, damit man ihm Silberblech spende. Endlich kam Immo zu einem Zelt, welches inmitten der andern recht ansehnlich stand, mehre gute Rosse waren daneben angepflöckt und darüber

wehte ein Banner, auf dessen Tuch zwei gekreuzte Pfeile sichtbar wurden.

In der Zeltthür saß Wizzelin, ein kräftiger Mann von mittleren Jahren mit klugem Gesicht, er trug ein zierliches Gewand von zweierlei Tuch, die eine Hälfte roth, die andere grün, um den Hals eine Goldkette, am Armgelenk einen dicken Goldring. Er gebot dem Lager als Hauptmann und schlichtete gerade einen Streit zweier Genossen, welche zu beiden Seiten eines Esels standen. „Frei lief der Esel,“ entschied er lustig, „und zu gleicher Zeit packte ihn Gozzo am Schwanz und Bezzo am Ohr, und jeder meint, daß darum der Esel ihm gehöre. Beide habt ihr Unrecht geübt, denn ihr habt einander ärgerlich gescholten, der Fahrende aber gewinnt nur durch Lachen. sein Recht und seine Beute. Dem Esel vollends habt ihr die Ehre gekränkt, denn da er als Freier lief, hat er das Recht, sich seinen Herrn zu wählen.“ Er wies auf einen Distelstrauch zur Seite. Jeder von euch nehme eine Blüthe des wehrhaften Krautes in die Hand, dann haltet Beide die Fäuste vor den Helden: wessen Kraut er frißt, dem will er sich angeloben." Die Männer lachten und nickten, und Gozzo führte siegreich den Esel zu seiner Hütte.

Jezt erst erhob sich Wizzelin, der seither Immo nur durch cinen Seitenblick begrüßt hatte; mit tiefer Verneigung führte er ihn in das Zelt, zündete einen langen Kienspan an, den er in den Boden steckte, und schloß den Eingang durch eine vorgezogene Decke. Sprecht leise," sagte er, denn meine Kinder sind treu, aber neugierig. Viele Augen sehen nach dem stattlichen Helden und suchen die Geldtasche unter seinem Mantel.“ ,,Sie öffnet sich gern für dich," versezte Immo darnach greifend.

„Laßt noch,“ rieth Wizzelin, „ich will die Gabe erst verdienen. Auch für euch ersehne ich den Tag, wo die Kriegsbeute ausgetheilt wird und die Schaaren der Helden heimwärts ziehen. Ich selbst werde froh sein, wenn ich wieder in die

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