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,,Mein Vater starb an seiner Wunde in fernem Land und der Sohn vermochte nicht ihn zu rächen. In den Kerker bin ich gesteckt. Unselig ist die Hand, die das Rauchfaß schwingt statt des Eisens."

„Mehr hilft deiner Seligkeit der Rauch am Altar als die wilden Worte," mahnte der Mönch.

,,Du freilich trägst geduldig die braune Schafwolle, die sie dir gesponnen haben."

„Mich hat meine Mutter, da ich ein Kindlein war, dem Heiligen auf den Altar gelegt, weil sie das Liebste dem Himmel weihen wollte, und meine Heimat ist seitdem im Gotteshause.“

,,Auch mich haben sie, da ich noch ein Knabe war, zum Dienst des Altars bestimmt, obgleich ich das erstgeborne Kind war und ein Recht hatte, das Banner meines Vaters zu führen. Aber dem Vater wurde der Vorsatz leid, denn du weißt ja wohl, meine Fäuste sind nicht gemacht Feder und Gebetbuch zu halten, sondern Schildrand und Rosseszügel. Zu einem Kriegsmann wurde ich erzogen, obgleich der Mutter Böses ahnte, bis mein Vater mit dem jungen Kaiser Otto nach Italien zog und in die Gefangenschaft der treulosen Griechen gerieth. Da kam die Angst in unsern Hof, schöne Hufen mußte die Mutter dem Kloster verkaufen, um das Lösegeld für den Vater zu finden, und nicht die Hufen allein, auch den Sohn riethen die frommen Väter zu spenden, damit die erzürnten Heiligen sich des Vaters wieder erbarmten. Ich trug damals mein erstes Panzerhemd, jezt trage ich dies mißfarbige Kleid eines dienenden Schülers und fahre in dieser großen Mausefalle wie eine gefangene Ratte längs den Bretern dahin. Den Vater haben die Heiligen doch nicht heimgeleitet, ich aber bin gefesselt."

„Wie mochten sie ein Opfer gnädig empfangen," antwortete der Mönch traurig, „das so unwillig sich gegen den Altar sträubte."

„Zu Rosse wäre ich für sie geritten bis an das Ende der

Welt, aber auf den Knien gleiten über den glatten Stein, das kann ich nicht. Denn meine Ahnen dachten hoch und ich stamme. aus einem Geschlecht von Kriegern."

,,Und doch sollte deine Dienstbarkeit mild sein, du Begehrlicher, der immer an die Freuden der Welt denkt. Nicht Mönch solltest du werden, sondern ein üppiger Kanonikus, der seidenes Gewand trägt, hoch zu Roffe figt und mit den Frauen kost wie ein Anderer."

Warum trage ich nicht das weiße Gewand?" frug 3mmo zornig,,,Andere, die noch jünger sind in der Klosterschule, werden dadurch doch ein wenig getröstet. Doch ich weiß wohl, theuer ist solche Gunst und Niemand von den Meinen zahlt einem Bischof den Preis für die weiße Leinwand. Aber hätte ich auch was du für mich ersehust, du weißt, die Fledermaus ist ein unholdes Thier, sie ist nicht Mans, nicht Vogel; und ich bin von dem Geschlecht, welches bei Sonnenschein sich über die Flur schwingt. Was sahst du nech, Rigbert, in unserer Halle?"

„Von dem Söller wies Frau Edith meinem Reiseherrn die Kapellen der Umgegend; und als die lecken hier und da läuteten, weil die Sonne im Mittag stand, brach aus dem Gehölz eine Schaar Reiter, alle auf helten Roffen."

„Das waren meine Brüder," rief 3mmo, das ist unsere Sucht."

Der Mönch nickte bestätigend: Frau Edith sprach freudig. zu dem Priester: Sich, Reinhard, das sind meine sechs Neftlinge. Sie kommen, das Futter zu picken. 3st's nicht ein fräftiger Flug?"

„Und die Dohle sigt hier im Thurmloch," rief 3mmo dazwischen.

„Sie rauschten heran wie durch die Lust getragen, sechs feurige Reiter, wild slog ihr Haar durch die Vust; waren sie mit Vögeln zu vergleichen, so waren sie doch nicht als Waldfänger zu erkennen, denn scharf stachen ihre Augen."

Freytag, Werte. IX

Immo lachte erfreut. „Mich verdrießt's nicht, wenn du die Männer meines Geschlechtes mit Habichten vergleichst; ich hoffe, die Knaben werden ihre Fänge erweisen. Sahest du das Roß, auf dem mein jüngster Bruder ritt, der kleine Gottfried, den wir Friedel nennen? Ein Knabe war Friedel, da ich vor sechs Jahren von Hause scheiden mußte, er schlang die kleinen Arme um meinen Hals und weinte bitterlich, und als ich von der Schwelle wich, rannte er mir schluchzend nach und zog an meinem Gewand, mich festzuhalten. Ich hob ihn auf das Roß, das mir gehörte, gab den Zügel in seine Hand und raunte dem Hengste zu, daß er dem Kleinen zugethan sei. Niemand hat mir gesagt, wie das Roß ihm dient. Du mußt es gesehen haben, Rigbert, wenn du auch ein Mönch bist. Es ist ein sächsisches Pferd aus der Zucht des Königshofes, die Farbe ist ganz weiß und Mähne und Schweif glänzen wie Silber. Sahst du das Roß, Rigbert, so sprich."

„Wohl sah ich das seltene Thier.“

„Zwölfjährig ist es jest," fuhr 3mmo eifrig fort, „und es mag meinen Friedel noch tragen, wenn er das erstemal in die Schlacht reitet; denn ein altes Roß und ein junger Held, sagt das Sprichwort, gehören zusammen. Wie saß das Kind auf meinem Roffe?"

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Sah ich recht, so trug das Roß den ältesten deiner Brüder, den sie Odo nennen.“

Immo sprang wie ein wildes Thier aus der Luke hinab auf die Stiege und packte den Mönch. „Odo, sagtest du, der jezt Erbe ist an meiner Statt. Mir nahm er die Hufen und die Herrschaft im Lande, jezt entwendet er auch dem Bruder mein letztes Geschenk. Vergessen bin ich und verachtet ist mein Gedächtniß und im Knechtdienst lebe ich wie einer, den sie im Kriege gefangen haben.“ Er warf seinen Leib dröhnend gegen die Holzwand, ein krampfhaftes Schluchzen erschütterte ihm die Glieder.

„Ganz thöricht geberdest du dich, Immo. Wie darfst du

den Bruder schelten? nicht er hat dich zu uns gebracht und ein Zufall kann gewesen sein, daß er das Pferd tauschte.“

Immo aber antwortete nicht und der Mönch harrte schweigend, bis der heftige Anfall vorüber war. Endlich richtete sich Immo auf und frug ruhiger: „Bringst du mir Botschaft von der Mutter?"

,,Den Segen deiner Mutter trägt dir Vater Reinhard zu, wenn der Herr Abt es gestattet. Achte darauf, Immo, daß du dem Fremden gefällst, denn wisse, als Meister der Schule ist er in dies Kloster gesendet und von morgen ist er dein Herr."

„Er wird widerwillige Diener finden in der äußern Schule. Ist er ein Geselle wie der arge Tutilo?"

Der Mönch sah unruhig um sich. „Du sprichst lauter als in Klosterwänden geziemt," und bittend fuhr er fort: „Immo, du haft mir Güte erwiesen, seit du unter den Dächern des Heiligen Wigbert umherfährst, und du hast mir erlaubt dein Geselle zu sein, soweit ich aus der Klausur dir die Hand durch den Zaun zureichen durfte; laß dich jetzt mahnen an unsere Treue in der Schule. Liebst du dein Leben und dein Glück und wünschest du Gutes für die Tage deiner Zukunft, so füge dich dem neuen Lehrer; denn soweit ich ihn erkenne, ist er von mildem Herzen aber von der strengen Zucht, und ich meine, es kommt eine andere Zeit auch für die Höfe des heiligen Wigbert. Vieles hörte ich flüstern in den Zellen der Brüder, als wenn wir alle hier zu wenig nach der Regel lebten."

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Immo lachte. Sage das den Vätern. Ich sah vorhin durch das Schallloch, wie sie um die Heuhaufen im Reigen sprangen, und sie hielten die Mägde des Dorfes an der Hand." „Schweig," raunte der Mönch, war das Thun nicht gut, darüber im Kloster zu sprechen ist Frevel, nicht uns allein steht Fasten und Ruthenschlag bevor; mit den Scholastikern werden sie anfangen.“

Unsere Fleischfost ist mager," spottete 3mmo, wollen sie

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uns gebieten zu fasten, so müssen wir den alten Katerweg über die Dächer wandeln, du kennst ihn ja wohl?“ Der Mönch bekreuzigte sich. Dann laufen wir zur Nacht in den Wald und beschleichen das Wild. Manchen Bock haben wir im Holze gebraten und du kennst ein Loch im Zaune, durch welches gute Bissen auch in die Klausur gereicht wurden."

Flehend sah der Mönch den Spottenden an: „Ich habe es gebeichtet und gebüßt."

„Ich hoffe, die Pönitenz war nicht hart, Bruder Rigbert," lachte Immo, doch herzlicher fuhr er fort: „Ich weiß, daß du mir in guter Meinung räthst, und will mich wahren, so sehr ich kann. Doch jetzt erzähle, Landsmann, von deinem eigenen Vaterhause im freien Moor, das sie Friemar nennen. Wie lebt Baldhard der alte, dein Vater, und Sunihild, deine Mutter? Manchen Trunk Milch bot sie mir, so oft ich durch das Dorf ritt und an ihrem Zaune hielt, und manch warnendes Wort sprach dein Vater, das ich ungern vernahm, obwohl er Recht hatte. Aber ich mußte ihn mit Ehrfurcht hören, wegen seines weißen Haars und weil er meinem Vater werth war. Wenn er in unsern Hof kam, erhielt er immer den besten Herdsiß; denn es ist, wie du weißt, von alter Zeit gutes Vertrauen zwischen dem Edelhof und dem Freihof.“

„Ich sah das Dach meiner Eltern ragen, Vater und Mutter sah ich nicht," klagte Rigbert leise; Immo starrte ihn erstaunt an. Für mich war geschrieben: du sollst Vater und Mutter verlassen; ich wandte das Gesicht ab, als ich das Haus zwischen den Linden erkannte, damit den Heiligen meine Entsagung. gefalle und mein Gebet für die Eltern Erhörung finde."

Immo fuhr wieder mit einem Sage von dem Gefährten weg auf den Balken der Thurmluke und starrte schweigend ins Freie. Als er sich nach einer Weile umwandte, bemerkte er mißfällig das gesenkte Haupt und die gefalteten Hände des Mönches, und begann ungeduldig: „Merke wohl, Rigbert, dürftig ist die Kunde, die du mir aus der Heimat zuträgst.“

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