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Hart ist die Mutter," klagte Immo, seine Augen in der Hand verbergend.

„Und Frau Edith sprach weiter: Sage dem Kriegsmanu, daß die Treue einer Mutter nicht verloren geht, wenn auch der Sohn statt des Vaterhauses sich die finstere Nacht erwählte. Solange ich lebe werde ich harren, daß er zu den Heiligen zurückkehrt. An dem Tage werden ihm meine Arme geöffnet sein und der Ehrensiß im Saal seiner Väter bereitet."

„Vergebens wird sie diesen Tag erwarten," rief Immo. „Beide seid ihr feurig," fuhr Gertrud begütigend fort, ,,wenn auch die Mutter ihre Hast besser zu bergen weiß, als du. Denn ganz ruhig sprach sie zu mir, aber ich weiß wohl, wie ihr zu Muthe war. Euch beiden kommt wohl die Ueberlegung, daß eins dem andern sich fügt. Unterdeß gebot mir Frau Edith, daß ich auf dem Berge bei dir bleibe, mein Sohn, damit dir in der Einsamkeit die Pflege nicht fehle."

Immo reichte der Alten die Hand. „Du wirst nicht lange für mich sorgen, denn ich gedenke von hinnen zu reiten."

Am nächsten Tage sprengte der Knabe Gottfried in den Hof. „Heimlich habe ich mich aufgemacht,“ begann er schüchtern, ich komme dich zu bitten, mein Bruder, daß du meiner in Liebe denkst."

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Immo drückte den Treuen fest an sich. Sprich auch, wenn ich nicht da bin, freundlich von mir zu der Mutter.“

„Auch sie gedenkt deiner," versette Gottfried zutraulich, „denn wisse, zum Mittagsmahl trägt sie selbst deinen Stuhl an ihre Seite und setzt deinen Teller und deinen Becher auf den leeren Platz."

,,Vergeblich ist die Sorge der Mutter, der Sig wird leer bleiben," rief Immo finster.

6.

Auf der Reise.

Hügel und Thal lagen im Sonnenlicht und der Bergwind wehte kräftig vom Walde her, als eine Schaar junger Thüringe von der Höhe in das Thal des Idisbachs hinabzog. An ihrer Spite ritt Immo im eisernen Kettenhemd, den Stahlhelm am Sattelgurt, den Holzschild um den Hals ge= hängt, einen starken Speer in der Hand, neben ihm Brunico in ähnlicher Rüstung. Ihnen folgten zu Fuß wohl dreißig rüftige Jünglinge in kurzem Eisenhemd und leichter Helmkappe, mit hohen Lederstrümpfen und nackten Knieen, auf dem Rücken den runden Schild mit eisernem Buckel, darunter den Köcher mit Pfeilen, in der Hand den Kampfbogen und zwei Wurfspeere. Mitten in der Schaar führten zwei Heerwagen, mit starken Rossen bespannt, den Kriegsbedarf: Waffen, Wollmäntel und Säcke mit Lebensmitteln. Mit behendem Fuß schritten die Knaben des Waldes und mancher hob unnöthig die Beine, um ein wenig den Reigen zu springen, welchen der Rufer des Haufens vorsang. In der Nähe eines Gehölzes hielt der Zug. Die Späher eilten voran, auf die Zeichen, welche sie zurückgaben, tauchte der ganze Haufe in den Busch. Immo sprang zur Erde, stellte die Wächter und die Jünglinge bereiteten sich und den Rossen das Mittagsmahl. Nur Brunico ritt vorwärts, begleitet von einem leichtfüßigen Genossen. Nicht lange, und er kehrte eilig zurück: „Eine reisige Schaar liegt vor uns auf dem Wege, gerade unter der Idis

burg. Sie sorgen wenig um Wache und Ausguck. Das Banner, welches sie führen, gehört, wenn wir recht erkennen, dem Grafen Gerhard. Es sind mehr als hundertzwanzig Rosse, die Reisigen bereiten das Mahl am Bache und hausen übel im Dorfe unter der Burg; ich sah sie Garben und Geräth aus den Höfen herzuschleppen und die Landleute liefen ihnen nach und schrien.“

,,Ob uns die Begegnung lieb oder leid ist," entschied Immo, „wir vermögen sie schwerlich zu vermeiden. Denn da auch Graf Gerhard dem König zuzieht, so ziemt uns nicht gleich Wölfen heimlich hinter ihm herzutraben. Folge mir zu seinem Lager, ihr andern aber bergt euch im Versteck." Und er besprach mit dem Hauptmann seiner Knaben, was die Vorsicht gebot.

Die beiden Reiter mieden den geraden Weg zum Lager des Grafen, um die Richtung ihrer Raststelle nicht zu verrathen, über einen Hügel ritten sie im Trabe dem Banner zu. Brunico stieß in das Horn, das er am Halse trug, und sie harrten der Antwort. Im Lager entstand eine Bewegung, zwei Gewappnete kamen ihnen entgegen, Ruf und Gegenruf wurden getauscht, die Gräflichen fuhren rückwärts zu ihrem Herrn und brachten eine höfliche Einladung.

„Sei gegrüßt im Kriegskleide, du Flüchtling aus Wigberts Stall," rief der Graf lachend dem Ankommenden zu. „Auch meine Helden werden dich als Reisegenossen willkommen heißen. Denn nur bis zum Main ist unser Weg frei, von da müssen wir uns länger als eine Tagfahrt an den Burgen des Hezilo vorbeiwinden, und wir sorgen, ob er uns die Straße verhauen wird. Mit geringem Gefolge kommst du, hoffst du allein beim König Ansehn zu gewinnen ?“

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Meine Knaben blieben zurück, sie schreiten auf ihren eigenen Beinen," erwiederte Immo.

„Mit Fußläufern ziehst du heran," spottete der Graf. „Doch ihr in den Waldlauben übt alten Bauernbrauch. Mich

wundert, Immo, daß du nicht besser für dich gesorgt hast. Geringe Ehre wird dir die unritterliche Schaar erwerben, denn an solchem Troß fehlt es dem Könige nicht."

„Ihr werdet anders von ihnen denken, wenn ihr erst ihre Schläge geprüft habt," versette Immo.

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,,Wohlan, Jeder versuche sein Bestes," fuhr der Graf fort und Immo glaubte ein ehrliches Wohlwollen in seinem Gesicht zu erkennen. Andere Arbeit beginnt jetzt, als unser Hader mit den Mönchen war. Sehe dich neben mich, heut biete ich dir mit gutem Willen den Trinkkrug, da du zu uns gehörst. Der lateinischen Reden bist du ledig, obgleich meine Tochter Hildegard deine Stimme wohl vernehmen würde, wenn du ein Mönchsgeschrei erheben wolltest, denn sie begleitet unsern Zug und rastet nicht gar weit von meinen wilden Knaben."

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Immo hatte Mühe, die freudige Ueberraschung zu verbergen. Warum führt ihr die Tochter in das Heerlager?" Der Graf lachte schlau. „Die Königin hat sie nach Regensburg geladen, die hohe Frau Kunigund hat, wie der Bote rühmt, Gutes von dem Kinde gehört und will der Mutterlosen eine Beschüterin sein. Verstehst du wohl, Immo, was diese Huld bedeutet ?"

Immo bekannte seine Unwissenheit.

„Die Händler haben den Brauch, wenn sie ein Geschäft für die Zukunft bereden, so geben sie einander ein Unterpfand für treue Erfüllung. Du hast bereits etwas von den Waldwiesen vernommen. Diese halte ich, der König aber begehrt dagegen die Jungfrau. Und gern führe ich sie ihm zu, denn ich vertraue auf das Glück und die Klugheit des Königs. Ihm ist bisher Vieles gelungen, und ich hoffe, daß auch mir dieser Krieg Land und Leute mehren soll, denn meine Wälder grenzen an die Mark des Hezilo. Und darum bringe ich mein ganzes Heergefolge dem Könige, wahrlich mit großen Kosten. Sieh, Immo, auch meine Kampfhähne führe ich mit mir," cr

wies auf die beiden Fechter, welche in neuem, buntem Gewande zu unterst auf dem Rasen saßen und mit ihren riesigen Armen große Trinkkrüge schwenkten. „Denn König Heinrich achtet wenig auf die fahrenden Leute und vor andern sind ihm die schweifenden Frauen verhaßt, welche sich im Tanze vor den Helden drehen und dabei ihres Gewandes entledigen. Ja man sagt, daß ihm alles Weibervolk verleidet ist. Doch die Kämpfer schaut er gern, wenn sie herzhaft gegen einander schlagen. Und dies sage ich euch, Hahn Ringrank und Hahn Sladenkop, wenn ich euch zum Ergößen des Königs gegen einander kämpfen lasse, so begehre ich andere Wunden als die einzölligen, die ihr im Vertrauen auf meine Gutherzigkeit einander anzumessen pflegt. Denn dergleichen schwache Rize kann der König bei jeder Kirchweih sehen. Herrenwunden verlange ich diesmal, dreizöllig, und wenn ihr den König ehren wollt, noch tiefer und länger und zwar mit spißem Eisen und nicht auf die Arme, sondern auf die Brust.“

Die Fechter sahen bekümmert einander an und Ringrank antwortete sich erhebend: „Drei Zolle auf der Brust mögen unsern Brotherrn um zwei Kämpfer ärmer machen. Fordert der Herr großen Dienst, so ersehnt sich der Mann großen Lohn. Sorgt wenigstens, daß wir beide gegen einander kämpfen und nicht gegen die Kämpfer, welche der König mit sich führt, denn diese sind ungerecht bei dem Messen der Wunden, um ihren eigenen Ruhm gegen Andere zu erhöhen."

Die Herren lachten und saßen in guter Laune beim Mahl, tranken und riefen Heil, wie unter Helden Brauch ist.

Da nahte in gestrecktem Lauf Egbert, der Dienstmann, und trat staubbedeckt, mit heißem Antlitz vor den Grafen. „Durch wilden Ritt holte ich Kunde, die Manchem sorgenvoll wird," rief er. Dem König ist sein ganzer Schatz genommen. Held Magano, der Diener des Babenbergers, hat den Schatz auf der Reise gefangen, ich selbst sah den Mann des Markgrafen und ich sah die lange Reihe der Saumrosse und Karren in seine feste Burg treiben."

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