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Pflock, trug es zu seinem Sig, zog es aus der Scheide, prüfte seine Schärfe und legte es neben sich. Odo stand schweigend auf, nahm die Waffe weg und schritt zu dem Nagel, um sie aufzuhängen. Da fuhr Immo empor, riß dem Bruder das Schwert aus der Hand und rief: „Unheil bringe dir der Griff nach meiner Waffe, denn dies Erbstück des Geschlechtes fällt nach dem Brauch dem ältesten zu.“

„Vielleicht dem ältesten Kriegsmann,“ verseßte Odo, „der aber bist du nicht. Besseres hat das gute Eisen verdient als an der Seite eines Pfaffen zu hängen, der das Schwert nur trägt, wenn er seines geschorenen Haares vergißt."

„Versuche es zu nehmen,“ drohte Immo, „so sollst du selbst erfahren, ob meine Hand es zu schwingen vermag.“

Gertrud, die zu den Füßen der Herrin saß, that einen gellenden Schrei. Edith erhob sich aus ihren Gedanken und als sie die Brüder kampfluftig gegen einander sah, wurde ihr Antlig totenbleich und sie stürzte zwischen die Hadernden: „Gib mir die Waffe, Immo,“ rief sie und faßte die Scheide, „Unheil hängt an dem Eisen.“ Sie löste die Waffe aus der Hand des Sohnes. Wisset, ihr Zornigen, euer Vater selbst mied das Schwert, denn er trug es an einem Tage, der ihn oft gereut hat. Und als ein Unglückszeichen hängt es seitdem ungebraucht an der Wand. Harret der Zeit, wo das Loos geworfen wird über diese und andere Habe, ich meine, keiner von euch wird dann noch lüstern sein, die Waffe an sich zu reißen." Sie hing das Schwert an den Pflock und trat zu ihrem Sit zurück, während die Söhne von einander abgewandt gegen ihren Unwillen rangen.

Die Mutter, in deren Antlig noch der Schrecken zuckte, gebot von der Höhe: „Thöricht war euer Streit. Den Frieden des Hauses habt ihr gebrochen, gleich unbändigen Knaben widerstrebt ihr einander. Reichet euch die Hand zur Versöhnung, damit auch ich euren Frevel vergesse.“ Und da die Söhne unbeweglich standen, rief sie mit flammenden Augen: „Du zuerst,

Immo, ich befehle es." Widerwillig streckte Immo die Hand aus, die Odo ebenso ergriff. Ein langes unbehagliches Schweigen folgte, endlich begann Edith:,,Sage mir, Immo, wie kommt es doch, daß du zu deiner Mutter so gar nicht von dem Kloster sprichst und von deiner Lehrzeit."

„Du selbst weißt, Mutter, daß es nicht ziemt, die Geheimnisse des Klosters kund zu thun."

„Ist denn Alles geheim, was ein Schüler dort erfährt?” frug die Mutter. Ich meine, nur die Mönche sind gebunden." ,,Auch mich bindet ein Gelöbniß, das ich vor Herrn Bernheri gethan," erwiederte Immo.

Dann lobe ich dein Schweigen," fuhr Edith fort, „doch laß die Mutter noch eine Frage thun, wie kommt es doch, daß du die frommen Väter zu Ordorf nicht begrüßt hast, da du doch sonst jeden Tag durch die Flur reitest? Mancher von ihnen kennt dich aus dem Kloster und von früher her und mehr als einer will dir wohl. Und daß ich dir Alles sage, der Magister war heut in unserm Hofe, deinetwegen kam er hierher und er klagte, daß die Väter und die Scholastiker in seiner Zelle sich beschwert fühlen, weil du dich von ihnen fern hältst, obgleich du doch auf der Wassenburg mit den Dienstmannen verkehrt hast."

„Gute Kundschaft haben die Mönche," entgegnete Immo bitter, und neugierig schleichen sie hin und her.“

„Du hast Unrecht," versette Edith, „guten Leumund haben sie im Lande." Da Immo schwieg, fuhr sie fort: „Der Magister klagte, daß ein Bruder, der von dem großen Mann Tutilo gesandt ist, schwere Kunde aus dem Kloster gebracht habe. Von hartem Zwist der Mönche sprach er und daß viele aus dem Kloster scheiden wollten. Auch dem Boten des Tutilo lag es sehr am Herzen, daß du in die Zelle nach Ordorf kämest.“

,,Wenn ein Bote Tutilos mich ladet,“ rief Immo, „so wird er vergeblich harren. Er mag seine Botschaft, wenn er es wagt, hierher zu meinem Ohr tragen." Immo schritt aus

der Halle in Mißbehagen und Sorge. Er gedachte einer guten Lehre des Bertram, die er nicht befolgt hatte. Weil er der Mutter und den Brüdern am ersten Tag seinen Willen verborgen hatte, fand er sich in Widerwärtigkeiten verstrickt. Auf den Beifall der Brüder durfte er nicht mehr hoffen und das Herzeleid der Mutter ängstigte ihn jezt viel mehr als auf der Reise. Dennoch erkannte er, daß er seinen kriegerischen Sinn nicht länger bergen durfte, und er beschloß, am nächsten Tage sich zuerst den Brüdern mit versöhnlichem Gemüth zu eröffnen und darauf der lieben Mutter. Als er aber nach wortkargem Abend in seinem Schlafgemach wieder den Weihrauch roch und die Kerze und die gestickte Herrendecke sah, da bedrängte ihn die Ehre schwer, und auch am andern Morgen machten ihm die zwitschernden Vögel und der pfeifende Knabe das gepreßte Herz nicht leichter.

Auf einem Vorsprunge des Mühlbergs waren die streitbaren Söhne Irmfrieds versammelt, dazu die Dienstmannen, welche die Burg und die Wartthürme der nächsten Höhen besezt hielten. Hinter den Männern erhob sich die starke Burgmauer, welche die beiden Thürme und das hohe Dach eines Herrensaals umschloß, seitwärts ragten die Gipfel und Bergleiten des langgezogenen Ringwalls. Gerade unter dem Vorsprung war der Ring gegen das Thal geöffnet, gegenüber dem. Mühlberg stand ein hoher Vorberg, gekrönt mit festem Thurme, die beiden Höhen beschützten gleich Schanzen den Zugang. Durch die Thalöffnung dazwischen warf die Abendsonne ihr Licht in die umschlossene Tiefe, auf Ackerstücke und Wiesen, und auf den großen mit hohem Rohr bewachsenen Teich, über welchem dichte Schwärme von Staaren und Wasservögeln auf und niederflogen in unaufhörlichem Schwazen und Zanken. Hoch aber über ihnen zogen zwei Bergadler ihre Kreise, bis sie in die Wolken der flatternden Vögel hinabstießen ihre Beute zu holen, dann schrie und rauschte der ungeheure Schwarm. und stob in wildem Getümmel auseinander.

Immo stand seinen Brüdern gegenüber. Er sagte ihnen, daß er für die Tage seiner Zukunft den Schwertgurt gewählt habe statt der Stola, und er bat sie mit herzlichen Worten, ihn als Bruder in ihre Genossenschaft zu nehmen und ihm als sein Recht die Ehren des ältesten zu gewähren und seinen Antheil am Erbe. Er gestand ihnen auch, daß er dem König zuziehen wolle, und daß seine Ehre nicht gestatte, als Landloser unter den andern Edlen zu reiten.

Als er seinen Willen verkündete, ein Kriegsmann zu werden, riefen ihm die Dienstmannen Heil und schlugen ihre Waffen zusammen, die Brüder aber standen mit umwölkter Stirn und waren nicht willig ihm nachzugeben. Endlich begann Odo: „Hat sich dein Sinn so gewandelt, daß du gegen den Willen der Eltern ein Kriegsmann werden willst, so siehe zu, wie du dich vor unserer Mutter entschuldigst. Darüber mit dir zu rechten, steht uns Brüdern nicht zu. Die Theilung des Vatererbes aber vollbringen wir erst in Jahr und Tag, wenn das Kind Gottfried sein Schwert trägt und bei der Theilung als Jüngster sein Recht ausüben darf, vorweg zu wählen. Denn so ist es beschlossen und wir alle haben uns seither in der Gemeinschaft wohl befunden. Die Mühlburg hatten wir widerwillig auf das Bitten der Mutter von dem Erbtheil ausgeschieden, doch nur für den Fall, daß du die Pflicht der Weihen über dich nimmst, welche das Geschlecht dir aufgelegt hat. Weigerst du dich dein Haupt zu scheren, so bestehen wir andern darauf, daß die Burg uns allen gemeinsam bleibe bis zur Theilung. Die Herrschaft aber im Geschlechte, über Dienstmannen und Höfe gestehen wir dir nicht. zu, obgleich du an Jahren der älteste bist, denn aus dem Kloster kommst du, fremd dem Lande und fremd kriegerischer Sitte, und wir vermögen Keinem, der von der Schülerbank entlief, die Sorge um unser Wohl und Wehe zu übergeben. Ziehe du dem Heere des Königs zu, wenn dich der Wunsch übermächtig treibt, versuche, ob du dort als Aeltester Ehre ge

winnst. Im Walde aber und im Thale der Heimat behaupte ich bis zur Theilung mein Recht, die Brüder und Mannen zu führen."

Immos Hand ballte sich und das Blut schoß ihm zum Haupte, aber Berthold, der alte Dienstmann, welcher in der Mühlburg gebot, trat schnell in den Ring und begann gegen Odo: Traurig ist dieser Tag für einen Alten, der euch beide auf dem Arme hielt, als ihr noch lachende Kinder wart. Euch Herrensöhnen steht wohl an, heiß nach Ehre und Macht zu streben, doch hörte ich den Mann noch höher rühmen, der sich friedlich mit seinem Geschlecht verträgt. Aber deiner Rede, Herr Odo, muß ich widerstehen. Denn nicht zwischen euch allein schwebt der Streit, auch uns verdirbt er das Leben. Das Erbe des Vaters mögt ihr theilen, wann es euch gefällt, über die Ehre des Aeltesten aber müßt ihr euch zur Stelle entscheiden. Das fordern wir, die wir euch dienen, als unser Recht. Ihr ladet uns und gebietet, daß wir auf die Kampfhaide ziehen und gegen Jeden streiten, der euer Feind ist, und Jeden ehren, den ihr ehrt. Dem Geschlecht Irmfrieds haben wir Treue geschworen und wir folgen, solange das Erbe ungetheilt ist, dem Aeltesten. Bisher warst du, Odo, uns der älteste. Jetzt aber steht ein Bruder, der an Jahren dir voraus ist, im Schwertgurt gegen dich und begehrt sein Geburtsrecht. Euch beiden zugleich vermag keiner von uns zu gehorchen, wenn ihr uneinig seid. Und ich sage dir, wir Dienstmannen müssen, bevor die Sonne untergeht, den Herrn erkennen, welchem wir fortan folgen. Darum vertragt euch zur Stelle gütlich, was ich herzlich wünsche, oder entscheidet. euren Streit wie Helden geziemt, indem ihr ein Urtheil sucht vom Himmel oder von der Erde oder von eurem Schwert.“

Gut spricht der Alte," rief Immo. Ich biete dir die Hand zur Versöhnung, mein Bruder, behalte du bis zur Theilung das Recht der Erstgeburt in allen Höfen, ja auch unter den Nachbarn, welche uns freiwillig ehren; mir laßt die Burg

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