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Wolfsblut roth ist. Denn du, Immo, warst der einzige, der dem alten Knechte die Hand gereicht hat, wie dein Vater that. Tritt an den Stamm und zucke dreimal, dann weiche zurück.“

Immo trat herzu und rückte gewaltig am Holzgriff. Beim dritten Zuge brach der Stiel, Immo aber riß das Eisen aus dem Baume, daß es auf den Grund fiel. Da hob der Alte das Eisen auf und betrachtete es kopfschüttelnd: „Eine Vorbedeutung erkenne ich für dich selbst, Immo; fest ist dein Griff, mit dem du die Herrschaft erwirbst, doch hüte dich, daß sie dir nicht bei hastiger That entgleite. Ich aber bewahre die Art bis zu dem Tage, an dem sich der Knecht seinen Herrn sucht."

Der Alte kehrte zu dem Wolfsbalg zurück, die Brüder schwangen sich auf die Roffe. Aus der Markung ihrer eigenen Dörfer führte Ortwin die Schaar auf fremden Grund.

Wenige Wegstunden nordwärts umgab der Nessebach mit Teichen und fumpfigem Moor wie ein großer Wallgraben andere Höhen, an welchen fruchtbares Ackerland unter lichtem Laubwald lag. Auch dort waren alte Wohnstätten der Thüringe, während hinter ihnen im Norden viele angesiedelte Franken saßen, welchen der Graf von Tonna gebot; die Bauern vom Moor der Nesse aber hielten sich gern zu ihren Landgenossen am Walde. Sie waren stolz auf ihre Freiheit und wurden von den Dienstmannen des Grafen als altväterisch in Bräuchen und Bewaffnung verspottet. Denn sie zogen ungern zu Rosse ins Feld, auch wenn sie es vermochten. Aber sie waren auch als trogige Gesellen in der ganzen Gegend gefürchtet und man wußte, daß sie in Kriegsfahrten starke Fäuste bewährt hatten.

Seit alter Zeit bestand zwischen ihnen und dem Geschlecht des Irmfried, welches um die rothen Berge wohnte, ein gutes Vernehmen. Niemand wußte zu sagen, woher das Bündniß kam, es war seit je gewesen und die Weisen sagten, daß es schon lange bestanden hatte, bevor die Ungarn ins Land brachen. Und es war ein alter Brauch, daß das Geschlecht Irmfrieds

bei allen Fehden, welche die Dörfer mit den Nachbarn hatten, und auch bei Missethaten, über welche das Geschrei erhoben wurde, im Eisenhemd herzuritt und mit den Freien dort gemeinsam die Abwehr und Rache betrieb; dafür zog auch die Jugend der Dörfer dem Geschlecht mit Speer und Bogen zu Hilfe, wenn dieses mit Andern verfeindet war. Diese gute Nachbarschaft war den Grafen und den geistlichen Herren unlieb. Denn die Landleute wehrten sich trotziger gegen jede neue Last, welche die Grafen auflegen wollten, und man sagte ihnen nach, daß sie auch heimlich abseit von dem Grafenstuhl unter einander Urtheil fänden gegen ihresgleichen in schweren Fällen.

Als die Reiter dem ersten Dorfe nahten, erhob Ortwin den Horngesang und sie fanden an Thor und Brücke die Alten des Dorfes aufgestellt. Odo ritt vor und wechselte mit ihnen alte Sprüche, welche den Freien am Walde eigen waren und Anderen ungebräuchlich. „Im Sonnenschein, beim Wandel des Mondes, unter glitzerndem und fallendem Stern kommen wir zu euch wegen Recht und Rache." Worauf die Bauern. antworteten: „So grüße euch die Sonne, der Mond und der lichte Morgenstern, seid willkommen in unserer Burg." Und als die Reiter abgestiegen waren, wurde ihnen ein Trunk gereicht und den Rossen Hafer in kleinen Krippen, dabei sagte ein alter Bauer: „Freiwillig reitet ihr und freiwillig schütten wir den Hafer," worauf Odo antwortete: „Und wenn wir nicht ritten, dann würdet ihr reiten und wir würden euch den Hafer schütten." Darauf besprach sich Odo heimlich mit den Alten und die Schaar brach zum nächsten Dorfe auf.

Als sie aus einem Gehölz herab kamen, um den Bach zu durchreiten, sahen sie vor sich eine hohe Rauchwolke aus niedergebranntem Hause aufsteigen. Ortwin hielt und rückwärts gewandt sah er seinen Bruder Odo bedeutungsvoll an, dieser nickte und die andern Brüder tauschten leise Worte. Als sie nun weiter hinunterkamen zum Rand des Baches, fanden sie

die Furt durch einen Wagen gesperrt, Hausrath, Leinwand und Kleider lagen unordentlich und halbverbrannt darauf. Ein bleiches, vergrämtes Weib hockte auf dem Siz und hielt ein schreiendes Kind in den Armen, während der Mann mit verstörtem Gesicht und geschwärzten Händen vergebens auf sein Pferd schlug, damit das kraftlose Thier aus dem strudelnden Wasser die Höhe gewinne. Der Mann grüßte die Reiter mit scheuem Blick, aber gleich darauf rief er kläglich um Hilfe. Doch Odo wandte das Pferd ab und die Brüder sprengten aufwärts zu einer andern Stelle des Bachs, ohne den Gruß des Mannes zu erwiedern und seine Noth zu beachten. Immo, der im Kloster gewöhnt war, den Armen und Nothleidenden Mitleid zu erweisen, sprach den Brüdern zu: „Schmählich ist es, wegzureiten, während der Arme mit Weib und Kind im Wasser ringt." Odo rief herrisch zurück: „Soll ich dir Gutes rathen, so folge uns, ohne diesen anzureden.“

„Pfui über euch,“ rief Immo wieder, „daß ihr ein Weib und Kind in der Angst zurücklaßt.“ Er sprang ab, band sein Pferd an einen Baum und watete in das tiefe Wasser. „Treibe noch einmal," rieth er dem Manne und griff selbst mit voller Kraft in die Räder, die Peitsche knallte, der Mann schrie und mit der Hilfe des Starken gelang es, den Karren aus dem Bach heraufzuführen. „Wer bist du?" frug Immo, „und warum entfährst du hilflos der Feuerstätte ?"

„Hunold bin ich genannt, wir gehören dem großen Bischof zu Erfurt. Sein Vogt hat mich auf neuer Rodung angesiedelt, im Frühjahr haben seine Leute mir geholfen, die Hütte zu bauen. In dieser Nacht wurde sie mir niedergesengt und als der Hund in der Stube bellte und ich erwachte, war die Thür von außen verschlagen. Mit der Art mußte ich sie unter loderndem Feuer aufbrechen, um diese zu retten. Einsam blieb ich während des Mordbrandes, kein Nothschrei führte mir einen Helfer zu."

,,Und wo willst du hin, Unglücklicher ?" Freytag, Werte. IX.

Hinweg von hier, die Flur ist unheimlich für Fremde; den Herrn Vogt will ich anflehen, daß er mich ansiedle, wo es auch sei, nur weit von hier. Beschwerlich ist ein Lager unter den Disteln.“ Das Weib heulte und das Kind schrie, Immo griff in den Beutel, den ihm der Abt geschenkt hatte, und legte der Frau eine Handvoll runden Silberblechs in den Schoß. Aus dem Kloster seid ihr blanken, und in Klosterweise streue ich euch aus," sagte er gutherzig. Er schüttelte sich das Wasser aus dem triefenden Gewande, sprang in den Sattel und ritt den Brüdern in gestrecktem Laufe nach. Als er ihre Schaar erreichte, warfen die Andern finstere Blicke auf ihn und wandten die Gesichter ab.

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„Seit wann beschützen die Söhne Irmfrieds den nächtlichen Mordbrand?" frug Immo zu Odo reitend verächtlich.

„Nicht wir haben das Feuer entzündet," erwiederte Odo. „Kränkt dich, daß wir von einem Vogelfreien abwärts ritten, so kränkt uns deine hilfreiche Hand.“

„Galt euch der Mann als vogelfrei, so lobe ich den Brauch nicht, ihm Weib und Kind zu sengen.“

„Führt der Hahn sein Volk in die Burg des Fuchses, so büßt es Henne und Huhn. Ich rieth dir nicht, unserm Ritt zu folgen.“ „Unwillkommen ist der Mahner,“ rief Ortwin, „der unsere Bräuche nicht kennt."

Und Erwin: „Dünkst du dich klüger als deine Landsleute, so wärst du besser bei den Mönchen geblieben.“

,,kommst du uns Mönchslehre zu geben," spottete Adalmar, so wirst du hier eine demüthige Gemeinde nicht finden."

„Wie die Eule schreist du deinen Warnungsruf und dein Gesang klingt widerwärtig im Lande,“ höhnte auch der junge Arnfried.

„Daß ich der älteste unter euch bin," versetzte Immo sich hoch im Sattel aufrichtend, „das will ich euch, ihr zuchtlosen Knaben, bewähren durch meine Lehre, die ihr mit Achtung hören mögt, und durch die Faust, mit der ich die Ungehorsamen

strafe." Sein Roß setzte im Sprunge zwischen die Schreier und so gebieterisch war seine Haltung, daß die Jüngeren verstummten.

„Du irrst, Immo,“ begann Odo, „nicht du bist der erste im Hofe und auf unserer Flur, und nicht dir kommt es zu, die Knaben zu ziehen, sondern mir. Denn ich bin, da der Oheim uns verfeindet ist, der älteste des Geschlechts, welcher ein Schwert trägt und auf Heldenwerk denkt, du aber wirst ein betender Pfaffe.“

„Ob ich dereinst ein geistliches Gewand tragen werde oder nicht, jetzt führe ich mein Schwert wie ihr, und die Ehre des Aeltesten fordere ich als mein Recht, das nicht du und kein Anderer mir nehmen soll.“

„Nicht die Jahre allein zählen wir, auch die Thaten des Mannes," antwortete Odo. „Während du auf der Schülerbank saßest, zog ich mit deinen Brüdern zum Kampf. Viermal hielt ich die Schildfeffel im Grenzkriege gegen die Slaven, auch deine jüngeren Brüder sind mehr als einmal auf die Kampfhaide geritten. Wo sind die Heldenthaten, deren du dich rühmen kannst?“

„Ihr sahet zu, wenn Häuser brannten und Weiber in der Noth ihre Arme hoben. Wenig vermag ich eure Kriegsthaten zu loben," rief Immo. Fahret dahin auf eurem Wege, ich finde den meinen allein." Er wendete zornig sein Roß und ritt seitwärts über die Flur.

Als Immo in beschwertem Muthe dahin fuhr, hörte er aus der Ferne kunstvollen Peitschenknall, einen Gruß, den er wohl kannte. Er sprengte über das Brachfeld zu dem Acker, den Brunico, der Bruder des Mönches Rigbert, mit den Ochsen des Vaters pflügte. Der junge Landmann hielt an, Immo streckte schon von weitem die Hand aus, den Jugendgespielen zu begrüßen. „Denkst du der Reden," sprach Immo, „die wir einst in unserm Hofe tauschten; daß wir mit einander im Eisenhemd reiten wollten?"

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