Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

einer begeisterten Seherin gleich, noch niemals hatte er sie so gehört; er lauschte hingerissen auf den Klang ihrer bewegten Stimme und doch empfand er geheimen Schmerz bei den liebevollen Worten.

Die Söhne traten nach der Reihe vor die Mutter und boten den Nachtgruß, jedem legte sie die Hand auf. Als letzter kam Immo, da stand die Mutter auf und als er sich neigte, den Segen zu empfangen, umschlang sie sein Haupt und streichelte ihm Haar und Wange, die Freudenthränen in den Augen. „Führe du ihn zu seinem Lager," gebot sie der alten Gertrud, ,,denn du warst vor Zeiten seine Wärterin."

„Wohin leitest du mich, Mutter?" frug Immo lächelnd, „ich kenne den Breterverschlag hinter der Halle, in dem ich sonst schlief."

„Der würde dir jetzt wenig ziemen," versezte die Alte, „denn Frau Edith hat dir selbst das Lager bereitet." Sie führte durch den Hof zu einem stattlichen Bau, der wie eine große Laube aus Stein und Holz errichtet war und zwei Gemächer neben einander enthielt; die Wände des kleineren Raumes waren mit Teppichen bekleidet, der Boden mit grünen Binsen bestreut, auf dem Lager weiche Kissen und eine prachtvolle Decke, über welcher Greifen und andere gestickte Fabelthiere einherschritten, an der Wand hing ein großes Kreuz, davor war ein Betpult, eine große Wachskerze erhellte den Raum. Immo stand betroffen in der Thür. „Ich rieche die Kirche," rief er, denn ein Duft von heiligem Räucherwerk erfüllte den Raum.

Der hochwürdige Herr von Magdeburg hat hier vor Kurzem geruht," antwortete Gertrud, die Knie beugend.

„Im Gastgemach des Hofes stehe ich, das den vornehmen Fremden bereitet wird," rief Immo traurig, „ich meinte in das Haus meiner Väter zu kommen.“

,,Du dienst ja dem Himmelsgott schon hier auf Erden,“ wiederholte Gertrud die Worte der Herrin. „Unter uns

andern Menschen bist du ja nichts weiter als ein Gast, du armes Kind."

Immo. winkte der Dienerin die Entlassung und als sie sich mit Segenswünschen entfernt hatte, sezte er sich nieder und barg sein Gesicht in den Händen, denn die Worte der Alten schnitten ihm in das Herz; er merkte, daß sie Recht hatte und daß er nur ein Gast im Vaterhause war.

Als er am Morgen erwachte, hörte er draußen an der Wand das Schwalbenvolk schwagen und singen, gerade wie in der Schule, und er wartete, daß die kleine Glocke am Michael läuten werde. Draußen aber pfiff ein junger Knecht geschickt eine lustige Weise, die Immo in seiner Kinderzeit oft gehört hatte. Da erkannte Immo wieder die Heimat und er dachte vergnügt, daß der Knabe wohl einer Magd des Hofes, die ihm lieb war, seinen Morgengruß zugerufen habe, was in dem Kloster niemals geschah. Als er die Augen aufschlug, sah er, daß die Lichtöffnungen seiner Fensterläden nicht in Kreuzesform geschnitten waren, wie im Kloster, sondern als runde Herzen, und ein großes Herz voll Licht lag golden auf dem Fußboden. Da lachte er und sprang auf, und während er sich anzog, nahm er sich vor geduldig zu sein und auch Schmerzliches zu ertragen, bis er das Vertrauen der Brüder gewonnen und bis er die Mutter mit seinen weltlichen Gedanken versöhnt hätte. Und er fürchtete, daß dies ein schwerer Kampf sein werde.

Nach dem gemeinsamen Frühmahl schürzte Frau Edith ihr Gewand, um in der Wirthschaft nach dem Rechten zu sehen, und Immo gedachte des vertrauten Briefes, den ihm Herr Bernheri für den Dienstmann auf der Wassenburg übergeben hatte. Als er der Mutter bekannte, daß er dorthin reiten werde, sahen die Brüder einander bedeutsam an und tauschten leise Worte. Darum begann Immo freundlich zu Odo: „Ueberall sorgen die Leute, daß ein großer Krieg bevorsteht, sage mir, mein Bruder, seid ihr für König Heinrich oder Hezilo?"

„Noch ist die Kriegsfahne nicht aufgesteckt," versette Odo vorsichtig, wir aber hören aus der Ostmark, daß die Slavenherzöge rüsten, und diese sind für uns die nächste Sorge."

„Unter den Mönchen vernahm ich, daß die Böhmen sich dem Hezilo verbündet haben, sicher weißt du, ob die Grafen der thüringischen und sächsischen Mark den Böhmen widerstehen wollen."

,,Wir vermuthen," antwortete Odo, „daß ihr Wille ist, ein Heer zum Schuße der Grenze zu sammeln; dann hoffe ich, werden auch wir reiten."

„Sonst zog unser Wald zu dem Banner, welches der Vogt des Königs in Erfurt aufsteckte,“ warf Immo ein.

„Ich aber meine,“ entgegnete Odo, ,,daß der Königsvogt sich nicht beeilen wird, seine Burg zu verlassen und nach Süden zu ziehen, wenn an der nahen Grenze der Kriegslärm erhoben wird. Bei uns denkt Jeder daran, sich im Hause zu wahren, denn Einer mißtraut dem Andern."

Immo schwieg gekränkt, denn er sah, daß die Brüder auch ihm mißtrauten. Er rief deshalb den Knaben Gottfried und erbat von der Mutter, daß dieser mit ihm reite. Auf dem Wege erzählte ihm der Harmlose, was er bereits ahnte, daß die Mutter für König Heinrich war, die Brüder aber für den Babenberger. Und noch mehr erfuhr er. Auch seinetwegen war ein langer Kampf zwischen Mutter und Brüdern gewesen, denn die Brüder hatten sich dagegen gesträubt, dem ältesten die Mühlburg vor der Theilung zu überlassen, damit sie dem Stift des Erzbischofs zufalle, und nur widerwillig hatten sie dem Ansehn der Mutter nachgegeben. „Die Brüder hatten Recht," rief Immo dem verwunderten Gottfried zu. Auf der Wassenburg wußte der alte Dienstmann wenig vom Laufe der Welt, doch freute er sich des Briefes und besserte auf Hugbalds Rath an den Mauern. Auch in Arnstadt, der dritten Burg, welche das Kloster am Walde besetzt hielt, vermochte Immo nicht viel zu erfahren. Da ritt er nach Erfurt

zu dem Vogt des Königs, der seinem Vater vertraut gewesen war; dort wurde er freundlich empfangen und vernahm Vieles, was dem Abt werthvoll sein mußte. Auch das Pergament zum Briefe kaufte er in der Stadt und den Dienstmann Hugbald brachte er als Gast nach dem Hofe, nachdem er ihm einen Wink gegeben hatte, über die letzten Tage im Kloster zu schweigen.

So vergingen die ersten Tage in der Heimat unter der Arbeit, die er für Herrn Bernheri übernommen hatte. Er war wenig mit den Hofgenossen zusammen, und Frau Edith erfreute sich an dem Eifer, den Immo für seinen Abt bewies. Und als sie merkte, daß er in der Kemenate über dem Pergament saß, ging sie selbst in den Hof und scheuchte die Mägde und den Kranich mit seinem Hühnervolke in die entfernteste Ecke, damit kein Geräusch die seltene Arbeit störe.

5.

Die Trennung.

Immo trat zu seinen Brüdern, welche gewappnet, in der Eisenhaube die Rosse sattelten. Das Herz lachte ihm, als die hochgewachsenen Knaben sich so geschwind mit den Pferden tummelten. Da sah er, daß Odo den weißen Sachsenhengst herausführte, und ihm schoß das Blut nach dem Haupte, aber er bewältigte die Erregung in Mönchsweise, indem er schnell ein Vaterunser sprach; dann ging er an das Roß und sprach ihm leise zu, das Thier spizte die Ohren und wieherte. „Einst gehörte das Pferd mir,“ sagte er zu Odo, „und als ich schied, schenkte ich es unserm Bruder Gottfried.“

„Das thatest du,“ bestätigte Odo gleichmüthig, „aber da es das beste Pferd im Hofe ist und für die Zucht werthvoll, so reite ich es lieber selbst; denn der Knabe ist unvorsichtig und tummelt sich wild, wo der Hengst zu Schaden kommen könnte."

Immo schwieg, führte das Roß, welches ihm Herr Bernheri zur Reise geschenkt hatte, aus dem Stall, sattelte es neben den andern und begann: „Gefällt es euch, so reite ich mit."

Die Brüder sahen einander an, und Immo merkte, daß eine stille Abweisung in ihren Blicken lag, endlich sprach Odo zu den andern: „Da er als unser Bruder im Hofe weilt, so mögen wir es nicht wehren. Doch nicht müßig reiten wir über das Feld, Immo, und für einen Gast aus der lateinischen Schule wird es ein langer Ritt, denn wir streifen über die Fluren wegen Sicherheit der Dörfer, sowohl in unserem Erbe als auch auf dem Lande der Nachbarn nach altem Brauch."

« ZurückWeiter »