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6.

So hat es sich nach manchem Schwanken endlich entschieden, daß die Politik der großen katholischen Weltmächte, der beiden Häupter und Führer der Christenheit endlich in die Wege nicht nur eines festen und systematischen Widerstandes, nein, auch eines entschlossenen Vorgehens gegen die Tendenzen des Pretestantismus eingehen sollte: während die katholische Kirche in der Vertretung ihrer Glieder unter der Leitung ihres Hauptes die geistige Trennung von den Doctrinen und Grundsägen der neuen Lehre des Protestantismus besiegelt, erhebt sich der Kaiser, die Protestanten selbst unter dies alte System des Glaubens und Denkens wieder zu beugen und die Einheit der Kirche, an deren Idee allenthalben die Geister noch festhielten, wieder zur Wahrheit zu machen.

Und die Protestanten, wie werden sie diesem Angriffe begegnen? Haben sie Entschlossenheit und Muth zu dem Kampfe auch mit den Waffen des Krieges, wie sie dem Streite der Geister sich niemals entzogen? Haben sie Macht und Mittel, dem Sturme erfolgreich zu widerstehen, der eben jezt gegen sie aufsteht?

Es sei gestattet, einen Blick auch auf diese Stellung der Protestanten im deutschen Reiche zu werfen.

Damals, als Luther seine Stimme gegen die bestehende Kirche erhoben, war man allgemein in Deutschland in diesen Ruf eingefallen; und es hatte eine Zeit lang wirklich den Anschein gehabt, als ob eine Reinigung der deutschen Kirche vorgenommen werden, und als ob man unter allgemeiner Zustimmung der Nation eine national-deutsche Kirche, einig in Dogmen und Verfassung und fest in sich zusammengeschlossen, aufrichten könne. Es ist nicht dazu gekommen: die Lehrmeinungen

Luther's und seiner Freunde haben nicht überall in der Nation Fuß zu fassen und nicht überall im Kampf sich zu behaupten vermocht. Schon wenige Jahre nach dem ersten Aufschwung der religiösen Bewegung, in den Tagen des Regensburger Conventes vom Sommer 1524, wurde die kirchliche Einheit in der deutschen Nation zerrissen. Während der Eine Theil von da ab in eifriger Strenge der überlieferten Kirchenlehre wieder nachging, verfolgte der Andere, in ebenso lebendiger Religiösität Bahnen, die immer weiter von der Kirche des Mittelalters abführten. Und in dieser Trennung der kirchlichen Richtungen gelangte man auf dem Speierer Tage zu dem Auswege, daß man den einzelnen Landesherren im Reiche das Recht ertheilte, bis zu dem allgemeinen Conzile die religiösen Angelegenheiten für sich so zu ordnen, wie ein Jeder es für gut halte. Die Territorialität, die in dem Staatswesen Deutschlands schon lange Platz gegriffen und die Reichseinheit zertrümmert hatte, sie war das Prinzip, das auch in der Kirche und der Religion sich jetzt Geltung verschaffte: nach diesen Grundsäßen territorialer Selbständigkeit haben sich dann auch die religiösen Zustände in einem jeden Gebiete von Deutschland besonders gestaltet.

Aber wenn wir die Länder überschauen, in welchen die reformatorische Richtung zum Siege zu gelangen und sich endgültig zu behaupten vermochte, so müssen wir es anerkennen, daß bei allen Verschieden heiten im Einzelnen es doch ein gemeinsamer Boden Einer und derselben Grundanschauung ist, auf dem die einzelnen Landeskirchen erwachsen: in allen einzelnen Erscheinungen waltet doch das allgemeine Lebensprinzip des Protestantismus.

Wie nun der Kaiser von Spanien aus Miene machte, wieder in die deutschen Angelegenheiten selbstkräftig einzugreifen, und wie der Reichstag von 1529 sich anschickte, der neuen Entwicklung der Landeskirchen den Rechtsboden wieder zu entziehen, da rafften sich sechs Fürsten und vierzehn Städte von Deutschland auf, gegen diesen Eingriff in die Errungenschaften der vergangenen Jahre zu protestiren. Und diesen bedrohten Städten und Fürsten blieb die 3dee nicht fremd, ein allgemeines Bündniß aller protestirenden Stände zu errichten, um den Rechtsboden von 1526 gegen jedwede Verkürzung und Bedrohung sicher zu stellen; eine Idee, die in der That den eigenen Urhebern sofort wieder Bedenken erregte. Gab es doch unter den Fürsten und Theologen dieser Protestanten so manche scharf ausgesprochenen und hartnäckig behaupteten Differenzen. Wenn man da durch eine allge= meine Vereinigung den bedrohten Zustand schüßen wollte, so hätte man

entweder nur auf die Gemeinsamkeit der protestantischen Grundanschauung sehen müssen, oder man hätte den Versuch einer Vereinigung, einer Ausgleichung der Gegensäte anstellen sollen. Aber den ersten Weg wollte man nicht betreten, und auf dem zweiten konnte man nicht zum Ziele gelangen.

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Und noch ein anderes Bedenken erhob sich in diesen Protestanten: sie hatten zu dem Proteste am Reichstage sich ermannt; aber was gab ihnen das Recht, der Reichsobrigkeit, wenn sie an den Protest sich nicht tehre, ferneren Widerstand zu leisten? In der That, die Fürsten sowohl als die Theologen waren eine Zeit lang unschlüssig, ob es erlaubt sei, dem von Gott gesetzten Kaiser sich zu widersetzen, ja, man hat in jenem Augenblick an den meisten Stellen diese Frage verneint. Erst nachdem auf dem Augsburger Reichstage man einen Einblick in die Natur der Lage und der Gegensäße gethan, erst da entschieden sich die Protestanten, die Frage zu bejahen; erst da wurde es ihnen klar, daß dieser kaiserlichen Politik entgegen die Vertheidigung der errungenen Religion erlaubt, ja geboten sei.

Wir sahen, daß die Verhandlungen in Augsburg im Rathe des Kaisers zu dem Schlusse hingeführt, daß der Widerspruch der Protestanten gegen die Einheit der Kirche mit Gewalt beseitigt werden müsse, und daß auf kaiserlicher und katholischer Seite damals die Mittel zu diesem Gewaltschritte in Bereitschaft gesetzt wurden. Diesen drohenden Gefahren gegenüber ließen auch die Protestanten die theoreti schen Erörterungen fallen und schlossen in Schmalkalden das Bündniß zur Vertheidigung ihres Glaubens. Wie der Angriff, den sie zu befahren hatten, sowohl auf rechtlichem Wege, als in kriegerischen Maßregeln drohte, so vereinten sich auch die Protestanten zu einem Widerstand in den Rechtsverhandlungen des Kammergerichtes und zugleich zu bewaffneter Bereitschaft gegen einen jeden Versuch, und wenn er auch vom Kaiser ausgehen sollte, einen der protestantischen Stände in seiner Religion zu verlegen.

Es war ein gewaltiger Schritt, dieses protestantische Bündniß, und ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Hier hatte sich in festen Formen eine Partei konstituirt, die entschlossen es aussprach, daß sie gegen jeden Angriff fest an ihrem Standpunkt halten werde; hier war ein Punkt gegeben, um den sich alle Elemente der Opposition gegen die kaiserliche Macht ansehen konnten; hier war ein Grund gelegt, auf den sich jede Feindschaft, jede europäische Rivalität gegen der spanischen Habsburger weltumfassende Pläne stüyen fonnte.

Und aller reichsrechtlichen Bedenken waren die protestantischen Bundesfürsten jezt ledig. Sobald sie als Partei sich fest organisirt hatten, traten sie auch in die auswärtige Politik ein. Sie nahmen bald an Allianzen im Auslande keinen Anstand und suchten in den Combinationen der europäischen Politik ihren Rückhalt.

Schon wenige Monate nach der Gründung des Bundes sezten sie sich mit dem Könige Franz von Frankreich in Verbindung und gewannen in dem französischen Bunde die Aussicht, alle kaiserlichen Angriffe, alle Ideen eines kaiserlichen Religionskrieges verschwinden zu sehen. Zunächst gegen die Königswahl Ferdinand's von Desterreich kam eine Allianz zu Stande zwischen dem französischeu Rivalen und dem protestantischen Bunde und den streng katholischen Herzogen von Bayern.

In diesen Verhältnissen gewurzelt dehnte der Schmalkaldner Bund seine Macht und seinen Einfluß über Deutschland unablässig aus. Wenn nach und nach auch aus den süddeutschen Städten, die dem Protestantismus sich ergeben, immer mehr Mitglieder dem protestantischen Bunde zuwuchsen, und wenn in den politschen Verhältnissen der europäischen Opposition gegen Habsburg seine Stellung sich immer mehr sicherte, so schienen in der That bei den Verhandlungen, die zwischen Regensburg und Nürnberg im Sommer 1532 hin und her gingen, die Rollen getauscht: hier waren es nicht mehr die protestantischen Stände, die den Kaiser um gnädige Zugeständnisse anflehen, hier war es der Kaiser, der von der protestantischen Opposition Bewilligungen und Zuzug zu erbitten gezwungen ist. Die Protestanten, die zu einer festen Partei sich geeinigt, standen hier fest bei ihrer Confession, sie wiesen hier religiöse Verhandlungen ab, wie sie in Augsburg gepflogen waren, und der Kaiser konnte doch nicht anders, als diesem festen Willen seiner Gegner nachgeben. Der Religionsfrieden von Nürnberg bestimmte, daß alle Prozesse, die am Kammergericht wegen der Religionssache angestrengt waren, stille gestellt, und daß zu Gunsten aller der protestantischen Stände, die jenem Bunde von Schmalkalden angehörten, Frieden bestehen solle. Damit aber, meine ich, ist von Reichswegen und durch des Kaisers Autorität das protestantische Prinzip des Speierer Tages von 1526 auf's Neue zur Geltung gebracht. In diesem Frieden ist die Rechtsgültigkeit dieses Prinzipes vollständig zu Gunsten der pretestantischen Opposition, die kühn auf ihren Grundsäßen verharrt hatte, anerkannt worden.

Und wie hätte der Bund, der allerdings zunächst nur auf die Vertheidigung gegebener Zustände gestellt war, lange in jenen Schran

ken zu verharren vermocht! Oder welchen prinzipiellen Grund gab cs, der die Vortheile des Religionsfriedens dauernd allein den Mitgliedern des Schmalkaldner Bundes zugesprochen? Es lag doch im Wesen der Sache selbst, daß der Bund sich zu erweitern und alle die Stände in sich aufzunehmen suchte, die seine Religion vertretend, die Augsburger Confession zu ihrem Bekenntniß anerkannten.

Schon bald nach dem Frieden unternahmen es die Häupter des Bundes, in Uebereinstimmung mit Bayern und auf Frankreichs Schuß rechnend, die habsburgische Herrschaft aus Würtemberg zu beseitigen. Des hessischen Landgrafen kühner Kriegszug setzte den vertriebenen Herzog von Würtemberg in seine Lande wieder ein und errang im Frieden von Kadan dem Herzog das Recht, auch Würtemberg der Reformation zu eröffnen. Wie gewaltig war da dieser deutschen Reichsfürsten Bündniß in Aufnahme, als sie die Schranken des Nürnberger Friedens durch diese kühne That durchbrachen!

Es galt das, was hier im einzelnen Falle durchgekrungen, als allgemeines Princip zur Geltung zu bringen.

In Folge jenes Friedens von Kadan hatten sich auch König Ferdinand und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der Erste unter den protestantischen Fürsten, einander genähert. In persönlicher Begegnung in Wien sagte Ferdinand jetzt in ganz allgemeiner Weise Beilegung aller Anfechtungen der protestantischen Zustände zu: indem er dabei die protestantischen Stände im Einzelnen zu bezeichnen unterließ, fügte er sich in die Macht der Thatsachen, welche die Schranken des Nürnberger Friedens schon erweitert hatten1). Und auf Grund dieses Zugeständnisses nahm die Bundesversammlung zu Schmalkalden im Dezember 1535 neue Stände in sich auf. Den französischen König, der damals zu seinem erneuerten Kriege gegen den Kaiser des Bundes Hülfe zu erlangen wünschte, wiesen freilich die Stände zurück: sie gingen nicht in seine Ideen einer religiösen Ausgleichung und eines gemeinschaftlichen Kriegsbundes ein; ja, in jenem italienischen Kriege blieben. fie völlig neutral und ließen sich nur vom Kaiser die erneuerte Versicherung seiner friedlichen Haltung und Beobachtung des Friedstandes ertheilen.

Während also die politische Verbindung aller Protestanten zum Schutz ihrer Kirche immer neue Anerkennung und immer weitere Ausdehnung gewann, arbeitete man auch an der inneren Einigung der re

1) Vgl. die treffende Bemerkung Ranke's D. G. IV. 63.

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