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lichen Miene sei; sie ahnten oder sie glaubten Nichts von den verborgeneren Absichten dieses Kaisers und ließen sich in die alten, schon abgesprochenen Erörterungen auf's Neue verwickeln. Wenn der Kaiser stets vor einem Angriff der Protestanten sich gefürchtet, wenn er be sorgte, sie würden seine Meinung durchschauen, so durfte er jegt nur ruhig und ungestört seine Waffen schärfen und seine Kräfte sammeln! Weit gefährlicher war ihm das Verhalten der italienischen Kirchenpolitiker.

Den Aufschub des Krieges und die Motive desselben ließ er durch einen Hausbeamten dem Papste vortragen; und den zwingenden Gründen dieser Sendung konnte auch der Papst sich nicht verschließen. Wenn er auch über des Kaisers Schwanken zu murren, und wenn auch des Kaisers Säumniß in der Bewilligung der italienischen Fürstenthümer ihm unheimlich zu werden begann, so konnte doch die Aussicht auf ein frohes Familienereigniß, zu dem jener Kämmerer den Glückwunsch des Kaisers überbrachte, die Bande der allgemeinen Allianz nur enger und dauerhafter befestigen. Wie erwünscht wäre es da gewesen, wenn der Papst die Belehnung mit Parma und Piacenza auf Ottavio und dessen eben erwarteten Sprößling hätte ausstellen wollen! Aber bei tem Papste war Pierluigi's Einfluß so überwiegend, daß er allen Vorstellungen entgegen und dem Proteste der kaiserlichen Agenten zum Troge den Sohn und nicht den Enkel zum Her,eg von Parma erhob 15). Pierluigi machte dann allerdings Versuche, das Geschehene am Hofe des Kaisers rechtfertigen und von dem Kaiser billigen zu lassen, aber es blieb eine Mißstimmung und ein Aerger in der Seele des Kaisers gegen das eigenmächtige Vorgehen des Papstes und seiner Nepoten zurück.

Die neue Liga der beiden Häupter trat damals auch darin zu Tage, daß endlich von beiden Seiten man mit der Eröffnung des Conziles einverstanden war. Mit Ernst und mit Entschlossenheit verfolgten die Fürsten die Zwecke der allgemeinen Kirchenversammlung, die Aufgabe der dogmatischen Festsetzung und der kirchlichen Reformation. Während in Trident gezeigt wurde, daß und wie Spanien und sein Kaiser die Restauration der allgemeinen Kirche durchzusehen gewillt waren, bereitete des Kaisers Politik unter der Maske friedlicher Verhandlung die Waffen vor, dies Conzil von Italienern und Spaniern zu

15) Diese Vorgänge in Rom in der ersten Hälfte des August 1545 sind aus den Briefen der betheiligten Personen sehr eingehend geschildert bei Affò p. 75–85.

einem allgemeinen der Christenheit zu erheben. Da konnte es nicht mehr bezweifelt werden, daß wirklich des spanischen Herrschers von Deutschland Politik die Tendenzen des Katholicismus zu verwirklichen strebte.

Mit dem Franzosenkönige verbündet, erlangte er von dem alten Freunde Frankreichs, dem türkischen Sultan, einen Waffenstillstand, der das Abendland vor Angriffen von Außen und vor Störungen durch die Anfälle des Islam auf eine Weile sicher stellte. Was aber das Verhältniß zu König Franz selbst betraf, so war es reiflich erwogen worden, welches der angedeuteten Zugeständnisse schließlich gewählt werden sollte. Von der schwierigen Wahl und dem harten Entschlusse, eines seiner Lande den allgemeinen Interessen zu Liebe dem Herzog von Orleans zu opfern, hatte der Kaiser das Glück, durch Orleans' Tod befreit zu werden 16).

Wenn es nicht allzusehr im Interesse des Kaisers gelegen, und wenn er nicht allzuviele Bemühungen machte, auch zwischen England und Frankreich den Frieden zu vermitteln, so war im englischen Reiche selbst seine Staatskunst so sehr vom Erfolge gekrönt, daß die regierende Partei am Hofe Heinrich's VIII. nach und nach die englischen Schismatiker in den Scheos der Kirche zurückzuführen Aussicht gab 17).

Nach allen Seiten hin sehen wir so den Kaiser bemüht, seine Aufgabe zu lösen. An allen Stellen hat er die günstigen Verhältnisse, wie sie sich entwickelten, geschickt zu benußen und selbst die günstigste Lage überall herbeizuführen gewußt, die seiner Absicht in Deutschland am besten entsprach. Aus dem Friedensschluß mit Frankreich, der wenigstens Franz' Neutralität ihm sicherte, hat er den türkischen Stillstand entwickelt und die Liga mit dem Papste bereitet. Und so hat er es möglich gemacht, den deutschen Krieg im Jahre 1546 zu beginnen.

16) Der Herzog von Orleans starb am 9. September 1545, unvermuthet. 17) In den stets schwankenden Parteistellungen am Hofe und in der Regierung Heinrich's VIII. war Gardiner jetzt mächtig geworden: wie er schon lange dem Papstthum sich hold gezeigt (vgl. Froude History of England. Bd. III. p. 273 der Leipziger Ausgabe, und Granvella's Aeußerung bei Lämmers p. 355) so hieß es jetzt, daß er an der Herstellung desselben arbeite. Froude IV. p. 315 vgl. Paget's Aeußerung bei Seckendorf III. 569.

5.

Im Sommer dieses Jahres 1545 ist des Kaisers Politik in eine neue Bahn eingetreten, aber in eine Bahn, die durchaus ihrem innersten Wesen entsprach, und die sie lange schon aufgesucht hatte.

Während der politische Meister damals im Bunde mit dem Papste seine Vorbereitungen zum Kriege gegen die Protestanten traf, trat auch das Conzil der Kirche in's Leben, das man von allen Seiten in Europa stürmisch herbeigerufen hatte.

In der That, es war für den Katholicismus ein recht dringendes Bedürfniß, dieses Conzil. Die Waffen des Kaisers allein reichten nicht aus, den religiösen Zwiespalt zu beseitigen; es mußten auch in der Kirche selbst von Innen heraus die Schäden geheilt werden, ehe die Vereinigung und Unterwerfung der Abgefallenen den Verbündeten wirklich gelingen konnte. In dieser Anschauung begegneten sich endlich die einsichtigen Diplomaten der Curie und die nachdenkenden Räthe des Kaisers, und da setten sie inmitten aller kriegerischen Rüstungen auch die Eröffnung dieses Conzites in's Werk.

Als zuerst Luther in Deutschland ein Conzil angerufen, und als dann die Stimme des gesammten Reiches dasselbe gefordert hatte, da hat es wohl Niemanden gegeben, der den Ruf der deutschen Nation um Hülfe und Rettung aus den verfahrenen Zuständen der Kirche als einen unberechtigten hätte bezeichnen wollen. Und auch Papst Hadrian wies diese Forderung des deutschen Reiches nach einem allgemeinen Conzile der Christenheit nicht geradezu von sich. Wie aber das Verlangen des Reiches in stets lauterer, dringenderer, ungestümerer Weise sich äußerte, nahm der Nachfolger, Papst Clemens, der auf der Deutschen Wünsche einzugehen seine Bedenken hatte, zu einem System des Ausweichens und der Ausflüchte seine Zuflucht.

Die Idee, daß die als nöthig erkannten Reformen in der abend= ländischen Kirche am einfachsten und zweckmäßigsten durch ein allgemeines Conzil des ganzen Abendlandes vorgenommen werden sollten, diese Idee fand in der spanischen Geistlichkeit bald Anklang; und der spanische Kaiser, das weltliche Haupt des Abendlandes, stellte bald bei dem Papste den Antrag auf Versammlung eines solchen Conziles. In Bologna erhielt er das erwünschte Versprechen. Aber Papst Clemens wußte mit Geschicklichkeit sich den Folgen dieser Verabredungen wieder zu entziehen, und erst von dem Nachfolger, Paul III., wird uns die beglaubigte Kunde, daß er mit Ernst auf den Ruf Europa's nach einem Conzile zu hören die Absicht hatte. Er berief das Conzil zuerst nach Mantua und dann nach Vincenza.

Aber wenn auch das Papstthum damals auf die Forderungen der Zeit einzugehen Miene machte - und wir haben kaum einen Grund, an dem Ernste dieser Haltung zu zweifeln so ergab sich sofort, daß die Verwirklichung dieser Idee doch noch mannigfache Schwierigkeiten zu überwinden haben würde. Zunächst haben die protestantischen Stände von Deutschland, auf die zunächst das Conzil berechnet war, das vom Papst gebotene Conzil abgewiesen. Und wie hätten sie sich einem Conzil unterwerfen können, das ganz in den Formen der von ihnen befehdeten mittelalterlichen Kirche berufen, das unter der Leitung des Papstes durchaus in den Händen der römischen Curie gestanden, das geradezu zur Ausrottung der lutherischen Ketzerei angesagt war! Und dann machte der mit erneuerter Heftigkeit ausgebrochene kaiserlichfranzösische Krieg den Zusammentritt des Conzils unmöglich. Und als hier eine augenblickliche Verständigung der Gegner erzielt war, schoben die Religionsverhandlungen und Religionsgespräche, wie wir sahen, das Conzil für den Augenblick zurück. Erst 1542, als man sich von der Nutlosigkeit aller diplomatischen Experimente in religiösen Fragen überzeugt hatte, erst da ward wieder das Verlangen nach dem allgemeinen Conzile als der höchsten Instanz und der letzten Autorität für die Christenheit mit erneuerter Stärke lebendig: in demselben Augenblicke, in welchem den römischen Hof die strengeren und entschlosseneren Tendenzen einer neuen Kirchlichkeit zu bewegen anfingen, in welchem man aus dem allgemeineren religiösen Gefühlsdrange wieder bei den bestimmteren Formen der althergebrachten katholischen Kirche angelangt war, in demselben Augenblicke drangen die lebenserfahrenen Freunde der römischen Kirche mit allem Nachdruck auf das Conzil. Die Kirche fand ja begabte und rührige Diener in den Jüngern Loyola's, dem neu

gegründeten Orden der Jesuiten; ihr gab ein wirksames und sicher treffendes Werkzeug gegen ihre Feinde die römische Inquisition

und da sollte auch das allgemeine Conzil durch seine Reformation der ge= sammten Geistlichkeit in jene Formen einen neuen Inhalt, einen neuen Geist gießen.

Es sei gestattet, hier noch einmal darauf hinzuweisen, wie der Diplomat Rom's, der mit unermüdlichem Eifer in den deutschen Dingen gearbeitet hatte, Morone, mit immer steigender Dringlichkeit auf dies Conzil als den alleinigen Ausweg aus der traurigen Lage der Religion und Kirche hinwies, wie er dann auch die Besserung der deutschen Geistlichkeit immer dringender empfahl und zuletzt nur von einer Verbindung der verschiedenen Mittel- des allgemeinen Conziles, der Reformation der deutschen Geistlichkeit und der festen Liga der katholischen Stände für Deutschland das angestrebte Heil erwarten wollte 1).

Von solchen Erwägungen gedrängt und dem Wunsche des Kaisers entsprechend, berief da Papst Paul III. das Conzil endlich nach Trident 2) auf den November des Jahres 1542. Aber die Spannung, in die er jegt immer mehr mit Kaiser Karl gerieth, und der neue Krieg des Kaisers mit Frankreich machten noch einmal den Zusammentritt der Geistlichen unmöglich, und der Papst war noch einmal zum Aufschub genöthigt3). Als endlich der Friede von Cresph geschlossen und der Christenheit die Aussicht auf einen etwas dauernderen Zustand geworden war, da erfolgte auch die erneuerte Berufung des Conziles auf den März 15454).

So begannen nach so vielen Verzögerungen und Hemmnissen endlich im März dieses Jahres 1545 die Geistlichen sich in Trident zu versammeln. Freilich, der alte Widerstand der Protestanten war auch jetzt nicht überwunden; auch jetzt wollten die Lehrer der neuen Kirche noch nicht die Wahrheit ihres Glaubens vor einer Versammlung erhärten, wie sie Kaiser und Papst zu Stande gebracht: sie erkannten das Conzil in Trident nicht als die Vertretung der gesammten abendländischen Kirche an.

Wir sahen, wie eben in jenen Monaten ein Einverständniß des

1) Es ist interessant, der allmäligen Entwickelung dieser Ansichten Moro ne's in seinen Briefen vom Dezember 1536 bis April 1542 zu folgen. Vgl. bei Lämmers z. B. p. 180, 189, 242, 256 ff. 267, 276, 399, 403 u. 413.

2) Bulle vom 22. Mai 1542.

3) Bulle vom 5. Juli 1543.

4) Bulle vom 30. November 1544.

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