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den Aufstand in den Niederlanden sofort zur Ruhe gebracht, ward im Frühjahr 1540 in Gent die allgemeine Lage der kaiserlichen Politik nach allen Seiten hin einer gründlichen Berathung unterzogen. Undda hat der Kaiser zunächst in der französischen Sache einen vorläufigen Entschluß gefaßt. Nicht Mailand und die italienischen Länder, sondern seine Erbstaaten der Niederlande, ein Königreich der Niederlande, und die Hand seiner Tochter Maria bot er dem Könige der Franzosen für seinen zweiten Sohn an, allerdings so wohl verklausulirt und mit solchen Garantien versehen, daß Franz nicht die friedliche Erledigung des alten Streites, wohl aber eine neue Beleidigung seiner französischen Ehre darin sehen konnte17). Durch diese Ablehnung seines Angebotes glaubte sich der Kaiser jezt von allen Verpflichtungen gegen Franz befreit: wie er in richtiger Erkenntniß der Lebensbedingungen für die spanische Großmacht das ganze Italien in spanischem Gehorsam zu halten immer fester entschlossen war, so sann er von nun an darauf, auch die Niederlande für denselben Herrscher, seinen Sohn, den künftigen König von Spanien und Italien zu sichern 18).

Gleichzeitig mit diesen Berathungen über die allgemeine Lage wurden auch die weiteren Schritte für die deutsche Politik vorbereitet. Am Hofe des Kaisers war, die Einheit von Kaiser und Papst zu erweisen, als päpstlicher Legat der eine der päpstlichen Enkel, der jugendliche Cardinal Alessandro Farnese, erschienen, von dem gebildeten und wohlgeschulten Theologen, seinem Erzieher, dem Bischof Cervino, begleitet. Denn noch hielt das Band, das der Kaiser um die Familie der Farneses und das väterliche Herz des alten Papstes geschlungen, auch die päpstliche Politik im kaiserlichen Bunde fest. Und wenn in den nächsten Monaten der eheliche Zwist zwischen dem Herzog von Camerino, dem talentlosen und rohen Ottavio Farnese, und der ihm angetrauten Lochter des Kaisers, der Herzogin Margarethe, in Rom und in Brüssel

der Grund zu dieser so auffälligen Reise des Kaisers gewesen. Die französischen Historiker lassen sich natürlich die Gelegenheit nicht entgehen, mit der Loyalität und Großmuth ihres ritterlichen Königs Franz I. zu prahlen. Die Akten der Geschichte aber zeigen, daß sofort nach der Begegnung in Aiguesmortes von einer neuen Zusammenkunft der beiden Monarchen die Rede war; und schon im Februar 1539 trug Granvella dem französischen Gesandten es vor, daß der Kaiser durch Frankreich nach Deutschland zu reisen wünsche. (9 (Ribier I. p. 368.)

17) Karl's Erklärung vom 24. März in P. d'ét. II. 562 ff. und Franz' Rückäußerung vom 24. April 1540 bei Ribier I. 509.

18) Vgl. Karl's Codicil vom 28. October 1540 in P. d'ét. II. 599.

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eine bedenkliche Verstimmung hervorrief, und wenn auch die Händel und Reibungen der kaiserlichen Beamten in Italien mit dem anspruchsvollen Auftreten päpstlicher Diener in Brüssel und in Rom gewaltiges Aergerniß gaben, so bewiesen für die allernächste Zeit doch die Staatsmänner der beiden Höfe Geschicklichkeit genug, den allgemeinen Fragen über diese kleinen Interessen das Uebergewicht zu verschaffen19). Nach einigem Sträuben und Schwanken gelang es doch, auch des Papstes und der römischen Theologen Beistand für die vom Kaiser gewollte Behandlung der deutschen Protestantenfrage zu erlangen. Fest und bestimmt hatte nun einmal der Kaiser, und hierin gewiß dem Rathe Granvella's folgend*), es sich zur Aufgabe gestellt, den Weg theologischer Erörterung mit den Protestanten zu betreten. Und daß man auch in protestantischen Kreisen den Wunsch einer durch gelehrte Verhandlungen herbeizuführenden Wiedervereinigung mit der alten Kirche deutlich ge= zeigt hatte, das konnte mehr und mehr in dem Kaiser die Idee befestigen, als lasse sich alle Differenz über Dogma und über Verfassung der Kirche bei redlichem Willen beider Theile durch eine freiwillige Uebereinkunft beseitigen.

So kam es nach einigen vorläufigen Berebungen in Hagenau endlich zu den denkwürdigen Religionsgesprächen (im Winter des Jahres 1540 und im Frühling 1541) in Worms und in Regensburg.

Die Politik des Kaisers hatte diese Religionsverhandlungen ermöglicht; den Theologen der beiden Parteien blieb es jezt überlassen, in Rede und Gegenrede, in Beweis und Gegenbeweis die Wahrheit ihrer religiösen Bekenntnisse zu erhärten. Dem Kaiser war es kein inneres Bedürfniß seines Herzens, daß dort eine Vereinigung der beiden Religionen oder die höhere Einheit, in welcher beide zusammenfallen, aufgefunden werde. Dem Kaiser war und blieb das Dogma und die Sagung der mittelalterlichen Kirche ein unerschütterlich fester Grund seines Glaubens. Mochten die Theologen beider Seiten in religiösem Gefühle, der weltgeschichtlichen Wichtigkeit dieses Momentes sich bewußt, ernstlich sich abmühen, durch Erörterungen und Debatten die christliche Wahrheit den beiden Religionsparteien als die Eine und Ewige zu erschließen, für den Kaiser war das allein das wünschenswerthe Resultat,

19) Vgl. über diesen drohenden Zwist die aktenmäßigen Mittheilungen bei Pallavicino IV. 10. und die Depesche des franzöfifchen Gesandten aus Rom vom 24. April bei Ribier I. 516 ff.

*) Vgl. Ranke D. G. IV. 148 j.

durch irgend eine Erklärung, in irgend einem Schriftstücke die protestantischen Theologen wieder an die alte Kirche zu binden und den protestantischen Ständen des deutschen Reiches so den Grund ihrer Sonderung zu nehmen: durch irgend eine theologische Einheitsformel wünschte er die politische Einigung aller Deutschen unter seinen Banner wieder möglich zu machen.

Das Eine hatte der Kaiser fest und deutlich betont, daß auch von päpstlicher Seite ein Legat mit unbeschränkter Vollmacht zu der Verhandlung entsendet werde; und dabei war auf Einen jener Kardinäle sein Augenmerk gerichtet, die durch Freiheit ihrer Gesinnung, durch allseitige Bildung und gründliche Gelehrsamkeit ausgezeichnet, die Zuneigung, das Vertrauen, die Sympathie aller Richtungen in Europa besaßen: nicht nur einen Diplomaten, sondern auch einen frommen und gebildeten Mann verlangte der Kaiser in Deutschland zu sehen. Aber obwohl endlich der Papst dem Kaiser den Kardinal Contarini als Legaten zugestanden, so hatte er ihn doch nicht mit unbeschränkter Vollmacht ausgestattet; freilich in sehr weiten Grenzen gab er ihm die Befugniß, mit den Protestanten verhandelnd, Unwesentliches Preis zu geben, wenn vor Allem nur das göttliche Recht der Kirche und in ihr die Stellung des Papstes gewahrt bleibe20).

Contarini, der wirklich die Seele der Verhandlungen in Regensburg geworden, war gewiß, wie sonst Keiner, geeignet zu diesem Versuch theologischer Ausgleichung. Er selbst, auf's Tiefste ergriffen von dem religiösen Strome der Zeit, aber in keinem Moment die Berechtigung der Einen, allgemeinen Kirchef bezweifelnd, hatte die Heilslehren der Kirche zu vertiefen, von dem äußerlichen Ceremonienprunk und Werkdienst hinweg auf die Heiligung und Veredelung des Innern die Seele hinzuwenden gesucht; in der Rechtfertigungslehre war er der protestantischen Theologie sehr nahe gekommen. Und wie er nun in Regensburg erschien, in mildem Sinne die Verhandlungen zu leiten, hat er wirklich einen Augenblick eine Einigungsformel für das katholische und protestantische Dogma von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott

20) Die Instruktion für Contarini vom 28. Januar 1541 theilt Quirini mit, III. praef. p. 286 ff. Das Material für die vorhergehenden Verhandlungen ist in den Werken von Quirini, Lämmers, Pallavicino zerstreut. Ich bemerke noch, daß in Rom die eifrige Partei (und auch in Deutschland wenigstens der Nuncius Morone) statt Contarini lieber den strengeren Cervino nach Deutschland gesendet hätte.

Maurenbrecher, Karl V.

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gefunden; einen Augenblick hat es wirklich den Anschein gehabt, als ob dort in Regensburg die deutsche Reformation jener italienischen Bewegung die Hand reichen, als ob des Kaisers politisches Streben die Einheit der allgemeinen Kirche zurückführen könne21).

Aber wie wenig kam es im Grunde darauf an, wie geringfügig. war doch im Grunde eine solche Einigung in einer dogmatischen Formel! Die tiefe Verschiedenheit der ganzen Lebensanschauungen, die der religiösen Parteiung zu Grunde gelegen, war doch in keinem Momente in eine einzelne Formel eingeschlossen!

Es dauerte in der That nicht lange, und von beiden Seiten, von dem römischen Papste und von dem sächsischen Mönche ward die Behauptung laut ausgesprochen, daß die vereinbarte Formel erst einer Interpretation bedürfe, che sich der Papst oder Luther ihr anschließen fönne22). Und inzwischen war in Regensburg selbst die Verhandlung an einer anderen wichtigen Frage auf nicht zu beseitigende Gegensäge gestoßen.

Das Regensburger Gespräch ist schließlich ohne bleibende Folgen gewesen.

Und dies Scheitern der Versöhnungsversuche in jenem Jahre 1541 ist beiden Theilen das Zeichen geworden, sich noch weiter von einander zu entfernen, den Bruch noch endgültiger, noch unheilbarer zu machen.

Ganz besonders in Italien beginnt hier eine neue Epoche in der kirchlichen Bewegung. Wenn bisher die Männer milder Versöhnung mit den Eiferern mittelalterlichen Geistes in der Erneuerung der Kirche Hand in Hand gegangen, so gewinnen jest die Freunde der Inquisition, die starken Geister eines herben Rigorismus, die unbeugsamen Verkämpfer firchlicher und päpstlicher Hoheit, die Alleinherrschaft in Rom. Diese Caraffa und Loyola, diese Schüler der mittelalterlichen Theologie, diese Anhänger unbeschränkter Hierarchie reißen die römische Kirche von jedem Versuche zurück, sich mit den neuen Vorstellungen und Ideen des Jahrhunderts auszugleichen; von dem starken Gefühle er

21) Außer den beiderseitigen Berichten über die Religionsverhandlungen in Regensburg hat uns Lämmers eine Reihe von Depeschen der römischen Diplomaten und Agenten mitgetheilt, die eine Fülle interessanter und lehrreicher Details über die Vorgänge sowohl als die Motive der Handelnden kennen lehren.

22) Die römischen Ablehnungen und Zurechtweisungen bei Cuirini III. praef. 231 und Lämmers 376: über den Eindruck der deutschen Nachrichten in Rom vgl. Quirini ib. p. 46.

füllt, daß allein die alte durch Jahrhunderte geheiligte Lehre der Kirche den Weg des Heiles zu öffnen vermöge, von ernster Gesinnung und hoher herber Strenge in ihrem eignen Wandel beleben sie die alte Kirche mit einem neuen und frischen Impulse: recht im Gegensatz zu dem Beginnen der deutschen Reformation arbeiten sie an der Restauration des Katholicismus. So hat bald nach dem Mißlingen der Regensburger Versuche die katholische Kirche in Rom den Versuch gemacht, zunächst die romanischen Nationen durch eine sittliche Wiedergeburt wieder fester in ihrem Schooße zu erhalten.

Und nun, nachdem die Versuche einer friedlichen Ausgleichung mit den Protestanten gescheitert waren, erhob sich für den Kaiser auf's Neue die Frage, wie er jezt den Protestanten gegenüber Stellung zu nehmeu habe. War es jetzt für ihn möglich, zu dem schon mehrfach beabsichtigten Gewaltstreich zu kommen, oder gab es zwingende Gründe, noch ferner in der abwartenden Haltung zu verharren? Die Unmöglichkeit, die kirchlichen Gegensätze aus sich selbst zu versöhnen, lag zweifellos klar zu Tage: wird die Politik es dem katholischen Kaiser gestatten, auf anderem Wege die Einigung der Deutschen jetzt zu erzwingen?

Der Abschied des Regensburger Reichstages wiederholte und erneuerte den einstweiligen Frieden, wie ihn der Kaiser schon 1532 hatte zugestehen und später erweitern und befestigen müssen; ja, die Bedingungen seiner Lage wiesen ihn so zwingend auf die Vermeidung jeglichen Bruches mit den Protestanten hin, daß er in einer noch neben dem officiellen Reichsschluß hergehenden Declaration für die protestantischen Stände alle zweifelhaften Punkte nach ihren Wünschen zu erledigen sich genöthigt sah. Und noch mehr als das: die errungene Stellung an der Spize des Reiches zu sichern, den gefährlichen Bewegungen der feindlichen Mächte zu begegnen, mußte sich der stolze Spanier herbeilassen, mit den mächtigeren der protestantischen Fürsten noch besondere Verhandlungen anzuknüpfen und besondere Abkommen zu treffen 23).

Aber damit war nicht das letzte Wort der kaiserlichen Meinung gesprochen. Alles, was er nachgiebt, gestattet, verspricht, Alles war nur eine Auskunft, für den Augenblick getroffen und nur auf augenblickliche Dauer berechnet.

Schon in den ersten Tagen seines Aufenthaltes in Regensburg hatte Karl den eifrigen Vorstellungen der bayerischen Herzoge, welche

23) Vgl. im Allgemeinen Ranke D. G. IV. 170 ff. u. 177 ff.

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