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Dem Papste Clemens VII., dem feingebildeten Humanisten, dem charakterlosen, ungeschickten und unglücklichen Politiker war im Herbste 1534 der Römer Alessandro Farnese gefolgt. Auch er war ein Freund Literarischer gelehrter Bildung, ein eleganter Lebemann, ein ehrgeiziger, vorwärts strebender Kopf. Er war schon ein alter Bewerber um die Ehre des Papstthums: schon mit Medici und Wolsey hatte er 1521 rivalisirt und damals durch des kaiserlichen Gesandten Vermittelung zu siegen versucht; im Conclave von 1523 hatte er dann einen Moment die gegründetste Hoffnung gehabt, seine Erhebung durchzusetzen, zulet aber doch vor dem mächtigeren Medici zurückstehen müssen. In Medici's Pontificat war es Farnese's Bestreben geblieben, sich in der Gunst der beiden großen Mächte zu erhalten, und es glückte ihm auch, wenigstens jede offen ausgesprochene Feindschaft zu vermeiden, wenn auch im Grunde die Franzosen ihn wohl unter ihre Cardinäle zählen konnten. Als er nun endlich 1534 das ersehnte Ziel erreicht hatte, legte er deutlich die Absicht an den Tag, daß der Papst Paul III. die neutrale Erscheinung des Cardinal Farnese fortsetzen wollte; wie er sofort durch die Erhebung allseitig gelehrter, gebildeter und frommer Männer zur Würde des Cardinalates sein Interesse für die allgemeinen Angelegenheiten der Christenheit zu beweisen Sorge trug, so bemühte er sich auch die Meinung auszubringen, er werde ein treuer allgemeiner Vater aller christlichen Fürsten sein, er werde Alles thun, den Frieden zwischen Karl und Franz zu erhalten. Aber diese Sache hatte auch noch eine andere verborgenere Seite. Wie Karl von Neapel nach Rom herauffam, war er unablässig bemüht, den Papst und die Farneses enger und enger an sich zu binden; die egoistische Begehrlichkeit dieser Italiener sollte die Fessel sein, die sie in des Kaisers Willen zwinge. Der Sohn des Papstes, Pier Luigi Farnese, war es, durch den die engere vertraulichere Verbindung, die geheime Liga von Kaiser und Papst vermittelt werden sollte. Ein wüster Soldat, ein liederlicher und brutaler Mensch hatte er früher im kaiserlichen Heer gedient, dann aber plötzlich aus demselben entlassen auf seinen Gütern gelebt: durch des Vaters Erhebung auf den Stuhl Petri ging auch ihm jetzt die Heffnung auf, eine politische Rolle zu spielen: wenn es sein Wunsch war, sich in Stalien ein Fürstenthum zu gründen, so verhieß ihm der Kaiser dazu wirksamen Beistand. Man verhandelte eben während dieses italienischen Aufenthaltes des Kaisers über Novara, über Montserrat, man dachte auch an größere Gebiete, Siena oder Parma und Piacenza, vielleicht sogar an Mailand; es kam aber doch noch nicht zum

Abschluß zwischen den Farneses und dem Kaiser, und es war vorläufig nur dem Papst gestattet, den Sohn als Gonfaloniere an die Spitze der militairischen Kräfte des Kirchenstaates zu stellen und ihn zum Herzoge von Castro zu erheben 28). Auf beiden Seiten aber bestand Wunsch und Absicht, auch weiter noch für die Größe der Farneses zu sorgen.

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Und von diesem Papste hatte Karl bei seiner Anwesenheit in Rom es erlangt, daß sofort ernstliche Anstalten getroffen werden sollten, die Wiedervereinigung des Abendlandes in Eine Kirche zu erleichtern: das Conzil wurde von dem Papste bewilligt, und die Bulle der Berufung nach den Wünschen der kaiserlichen Minister abgefaßt 29). So wurde mitten in den Vorbereitungen zum Kriege mit Frankreich die Entscheidung getroffen, daß man durch kirchliche Maßregeln der deutschen Spaltung abhelfen, daß man ihr abzuhelfen wenigstens den Versuch wagen wolle.

Und als nach manchen vergeblichen Schritten der päpstlichen Diplomatie, die den Frieden herzustellen sich geschäftig bemühte, man doch zum Kriege mit Frankreich kommen mußte, auch ohne dafür des Papstes thätige Allianz zu erlangen, da that die Politik des Kaisers, zu diesem Kriege aus Deutschland recht ausreichende Unterstützung zu gewinnen, noch einen weiteren Schritt 30): die Sendung Held's nach Deutschland hatte doch die Aufgabe, alle dem Kaiser verfügbaren Mittel aufzubieten, durch welche er einen Krieg der deutschen Nation gegen den französischen Friedensstörer erregen zu können glaubte, sie bezeich nete das äußerste Maß von Zugeständnissen, welches der Kaiser den Protestanten anbieten konnte. Die Einsicht hatte Karl gewonnen, so lange die religiöse Spaltung dauere, werde er auch nicht auf freudige Unterordnung und bereiten Gehorsam bei den Deutschen rechnen dürfen; aber wie sehr er auch es bedauerte, daß er nicht auf die früher gewollte Weise helfen könne, wie sehr er auch es betonte, daß an das alte geheiligte Dogma des Glaubens nicht gerührt werden dürfe, so entschloß er sich doch vorläufig zu einem neuen Verfahren : er hielt es jetzt für möglich, den Neuerern Einzelnes, wenn es nicht gerade die Dogmen der Kirche berühre, zuzugestehen; er war bereit den Pro

28) Vgl. über diese Dinge Affò vita di Pierluigi Farnese p. 18-23. und Pap. d'état II. 489 ff. sowie Charrière I. 319.

29) Granvella vom 23. April (P. det. II. 454) und Sanchez v. 7. Juli (Bucholz IX. 136.)

30) Instruktion für Held bei Lanz II. 268 ff.

Maurenbrecher, Karl V.

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testanten von seiner Seite eine genaue Beobachtung des Reichsfriedens zu versprechen und ihre Stellung vor jeder Gewaltthat zu sichern.

Aber wie anders sind die Folgen dieses Schrittes geworden!

Das Aufreten Held's unter den Fürsten zu Schmalkalden brachte nicht diese Botschaft des Friedens, es trieb direkt zum Bruche mit den Protestanten. Wir wissen nicht, wie Held zu solcher Thätigkeit sich berechtigt glauben konnte, aber das bietet keinen Zweifel: offen gegen seine Instruktion entzog er den Protestanten die Anerkennung ihres Bestehens und versuchte er in den Weg der Gewalt die kaiserliche Politik zurückzulenken 31). Wie man sich da auf protestantischer Seite nicht zur Annahme des von Papst und Kaiser gebotenen Conziles verstehen wollte, ging Held darauf aus, die katholischen Fürsten und Stände zu einem Bunde zu einigen, welcher dieser Opposition der Gegner Luft und Leben nehmen sollte. Was schon 1531 von dem Kaiser als das beste und geeignetste Mittel zur Erhaltung eines katholischen Deutschlands bezeichnet, was dann mehrfach einzurichten angesetzt und nie aus den Augen gelassen war, das gedieh jetzt zu offener Wirksamkeit: es gelang, dem protestantischen Bunde eine enge Vereinigung der treu gebliebenen katholischen Stände und Fürsten entgegenzustellen 32). Und so war Deutschland in zwei Bündnisse zerrissen, beide gewaffnet und beide entschlossen, dem andern bei der nächsten Gelegenheit mit Gewalt zu begegnen.

Da gewann es den Anschein, als ob ein Religionskrieg in der deutschen Nation, eine Fehde zwischen dem Schmalkaldener und Nürnberger Bunde nicht ausbleiben könne!

In dem Kriege zwischen Franz und Karl wurden auf keiner Seite große Erfolge errungen; nur der Alliirte des Königs, der türkische Corsar, machte stets Beute und Eroberungen: die Christenheit erfüllte sich mehr und mehr mit dem Rufe dieser Fortschritte des französischen Freundes über die christlichen Brüder, mehr und mehr verlangte man an allen Stellen einen Stillstand der inneren Kriege und Fehden unter den Christen: Karl's Sinn und Eifer belebte sich immer energischer in

31) Vgl. Ranke IV. 84 ff. und die Akten bei Lanz Staatspapiere 231 ff. Das ganze Verfahren ist doch wohl noch nicht hinlänglich aufgeklärt. Hat vielleicht Morone, der Nuncius, der in seinen Depeschen (bei Lämmers p. 177 ff.) sich jeglicher Concession feind zeigte und Held's Verfahren billigte, auch Einfluß auf ihn geübt? ich wage es nicht zu entscheiden. Jedenfalls den Abschluß eines katholischen Bundes in Deutschland hatte der Kaiser befohlen. (Bucholz IX. 377.)

32) Abgeschlossen zu Nürnberg am 12. Juni 1538 (Bucholt IX. 366.)

der Absicht, einen großen Streich gegen diese Barbaren zu führen: in Spanien faßte man immer ernstlicher den Plan eines großen Türkenfrieges.

Und inzwischen blieb auch Papst Paul nicht müßig, in Sendungen und Briefen den beiden Machthabern die Nothwendigkeit recht eindringlich vorzuhalten, daß sie einen Frieden zu schließen verpflichtet seien, daß die allgemeine Noth der Christenheit vor Türken und Kezern sie zu der Einstellung ihres Streites bewegen müsse. Als da die Erschöpfung der Niederlande zunächst im Juli 1537 zu einem localen Waffenstillstande geführt, als im November auch eine Waffenruhe für Italien sich angeschlossen hatte, da brachte im Winter der Papst eine vorläufige Annäherung der Gegner zu Stande. Endlich nach manchem fruchtlosen Schritte gelang es ihm, einen Friedenscongreß in Nizza zu veranstalten: indem er selbst hier als Vermittler von einer Partei zur andern ging, brachte er einen allgemeinen Waffenstillstand zum Abschluß, als Voraussetzung und Grundlage eines künftigen Friedens. Eine persönliche Zusammenkunft zwischen Karl und Franz und direkte Conferenzen ihrer vertrauten Minister waren darauf im Stande, allgemeinere und weiterreichende Verabredungen zu treffen, welche die öffentlichen Zustände des ganzen Europa angehen und eine neue Ordnung in Europa regeln sollten.

Die kaiserliche Politik ist im Sommer 1538 in eine neue Phase ihrer Entwickelung getreten.

3.

Schon Maximilian's Politik, die den Habsburgern ein Weltreich aufzurichten erstrebte, war in der Wahl ihrer Stellung nicht immer einem consequent festgehaltenen politischen Parteisysteme gefolgt; auch sie war von dem Bunde mit den rivalisirenden Valois zu einem radikalen Vernichtungskampf gegen das Frankenreich übergegangen und dann ebenso leicht wieder in Freundschaft und Allianzprojekte mit dem eben bestrittenen Rivalen zurückgefallen. In der Regierung des Enkels nehmen wir ein ähnliches Schwanken wahr. Zur Sicherung der Erbschaft hatten dem jungen Fürsten die Verträge von Noyon und von Cambrah gedient, des Nebenbuhlers Freundschaft zur Sicherung der eigenen Basis auszunuzen; dann, als Habsburgs geschicktes diplomatisches Spiel den Vorrang gewonnen vor dem unruhigen, hastigen Franzosen, war ein gewaltiger Krieg entbrannt, die Frage der Weltherrschaft zu entscheiden. Auf den Sieg Karl's folgte der Versuch des Friedens und der Freundschaft mit der besiegten Macht; aber es zeigte sich, daß dazu die Zeit noch nicht gekommen war. Und erst nach erneuertem Kriege, nach wiederholtem Siege machte die kaiserliche Staatskunst aufs Neue diesen Versuch, durch eine französische Allianz über Europa zu gebieten. Aber auch diesmal noch ohne Erfolg: nach langen Verhandlungen blieb dem Kaiser auch diesmal nur der Krieg mit Frankreich. Dann erst, als es sich herausgestellt, wie geringe militärische Erfolge die kaiserlichen Waffen zu erzielen im Stande waren, wie dringend das Verlangen nach Frieden bei dem Papste und in Stalien geworden, wie gewaltig des Türken Rüstungen dem Abendlande drohten, erst dann griff auch die Meinung im kaiserlichen Rathe wieder durch, daß ein neuer Versuch geschehen müsse, mit dem Gegner Friede zu schließen und durch französische Freundschaft das alte nie aufgegebene Ziel Habsburgs zu

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