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lichen Politik auf das Lebhafteste vertreten wurden, hoben vor Allem das als ihren Gesichtspunkt hervor, daß die Geistlichkeit selbst in ihren einzelnen Gliedern einen möglichst würdigen, frommen, religiösen Cha= rakter an sich tragen müsse; sie hatten daher früher schon auf der Residenzpflicht der Bischöfe bestanden; sie glaubten eine Gewähr für die Tüchtigkeit der einzelnen Geistlichen dadurch zu schaffen, daß die Bestellung geistlicher Aemter nicht in die Hand entfernter Behörden, sondern in die Befugniß der nahe gesessenen, der Bedürfnisse des einzelnen Falles kundigen Personen gestellt werde: es war daher ihre Meinung, die Ordination der Geistlichkeit vielleicht ganz in die Hand des Landesherrn zu legen, und weiter ging ihre Absicht dahin, jeglichen Einfluß Roms auf die Landeskirchen abzuschneiden. Diese Spanier erhoben laut ihre Stimme auch gegen die Mißbräuche an der römischen Kurie; auch hier wollten sie unerbittlich einschneiden, auch hier gesundere Zustände schaffen. Was ihnen in ihrer eigenen Landeskirche theils schon geglückt war, theils unablässig von ihnen erstrebt wurde, das sollte die Norm für die Ordnung der allgemeinen Kirche abgeben.

Es liegt auf der Hand, daß der Papst wenig Befriedigung über solche Vorschläge empfand, und daß der Legat nicht ruhig solche Dinge durchgehen ließ. Auch Crescenzio hat mit den Spaniern Toledo und Vargas recht heftige Scenen über diese Reformfrage durchgemacht. Auch er ist wohl gegen spanische Bischöfe mit dem Vorwurf der Ketzerei losgefahren, auch er ist hart an einen offenen Bruch mit dem kaiserlichen Gesandten gekommen?). Crescenzio war durchaus nicht gemeint, irgend einen Punkt der bestehenden Zustände, irgend ein Vorrecht der römischen Kurie fahren zu lassen. 3a, er ging so weit, in seine Ge genentwürfe ausdrücklich die Erklärung aufzunehmen, daß der Papst auch über das Conzil gesetzt sei: alle Zweifel daran galten ihm als Kezereis).

Und als diese Erörterungen immer hißiger und lebhafter wurden, kam die Erscheinung protestantischer Deputirten hinzu, die Lage noch. mehr zu verwickeln. Schon bei der Behandlung der Abendmahlslehre hatte der Kaiser die Forderung stellen lassen, daß man den controversen Punkt über den Laienkelch nicht in einem den Protestanten feindlichen Sinne vor der Ankunft derselben entscheide, sondern daß man sie selbst erst

7) Davon find Toledo's und Vargas' Briefe voll.

8) Crescenzio äußerte, wie Toledo berichtet, einmal geradezu: quien dudava de la superioridad del papa al concilio era herege. (leg. 877. fol. 219).

erwarte. Wie er in dieser Hinsicht für die deutsche Kirche durch das Interim eine Ausnahme aufgestellt hatte, so wünschte er, daß auch das Conzil auf die deutschen Bedürfnisse Rücksicht nehme. Laienkelch und Priesterehe seien ja, so meinte der Kaiser, die wichtigsten der noch streitigen Fragen; und wenn die Protestanten sich bei dem Interim in allem Uebrigen der katholischen Lehre gefügt hätten, so scheine es angemessen, diese beiden Fragen nicht rücksichtslos zu beeilen. Und noch in der letten Stunde drang diese Meinung in Trident durch: man verschob die Entscheidung über die Form des Abendmahlgenusses auf eine spätere Session, auf eine Zeit, in welcher man auch die Protestanten angehört haben würde").

Endlich erschienen wirklich die ersten der protestantischen Gesandten; sie zeigten an, daß protestantische Theologen ihnen nachfolgen würden, die vor dem Conzile eine Vertheidigung der gesammten protestantischen Anschauungen übernehmen sollten; sie verlangten in den vom Baseler Conzil gebrauchten Formeln Geleitsbriefe zur Sicherung ihrer Theologen. Und auch diese Frage des sicheren Geleites für die Protestanten gab den Gesandten und den Legaten Anlaß zu Meinungsverschiedenheit, zu Hader und Streit. Recht lange verhandelten die beiden Parteien darüber, ehe sie sich einigen konnten 10). Die kaiserlichen Gesandten gewannen dabei den Eindruck und befestigten sich immer mehr in dieser Meinung, daß den Päpstlichen Nichts unangenehmer sei, als die Erscheinung der Protestanten auf ihrem Conzile: die Schwierigkeiten, die Crescenzio dem Auftreten der Protestanten bei jeder Einzelheit in den Weg warf, nahmen ja kein Ende11). Und als am 24. Januar die Protestanten vor einer allgemeinen Congregation der versammelten Väter den Auftrag ihrer deutschen Fürsten auseinandersetzten, fuhr Schrecken, Bestürzung, Entrüstung in diese Italiener. Man fand die Sprache der Kezer gewaltig unverschämt: redeten sie doch von einer Wiederaufnahme der Debatten über jene Fundamentalartikel der beiden Kirchen; forderten

9) Vargas 7. October 1551: Der Kaiser motivirt sein wiederholtes Gesuch um Ausschub der Decrete über utraque und conjugio de los sacerdotes auf folgende Weise: pues en estos dos no ay priesa y son los principales que oy en dia estan en alteracion, señaladamente haviendo los estados del imperio con acceptar el interim convenido en todo lo demas con la orthodoxa doctrina. a lo menos hasta la determinacion que hara el concilio de las controversias. (Karl an f. Ges. 5. Januar 1552.)

10) Vargas 7. October. 7. Dezember. vgl. Anhang VIII. 5.

11) Toledo's Depeschen vom 11. 13. 19. Januar 1552.

sie doch, daß der Papst als Partei und nicht als Richter auf dem Conzile erscheine, daß er’alle Bischöfe ihres Treueides gegen Rom entlasse, daß das Conzil uneingeschränkt die höchste Autorität behaupte 12).

In der That, die Unterwerfung der Protestanten unter das Conzil, die der Kaiser zu Stande gebracht hatte, konnte jezt einen bedrohlichen Charakter annehmen. Wenn sich dieses Benehmen der Protestanten mit der antipäpstlichen Opposition der Spanier verband, welche Folgen hätte das für die Gestaltung der katholischen Kirche haben müssen! Aber wie wir schon wiederholt sahen, daß solche Combinationen wirklicher innerer Verbindung mit den Neueren der Seele des Kaisers fern ge= blieben sind, so finden wir auch an dieser Stelle, daß das Verhalten des Kaisers zu dem Auftreten der Pretestanten ein völlig korrektes gewesen ist.

Es war allerdings sein Wunsch, daß das Conzil die Protestanten ruhig anhöre: auch wenn sie in noch so lästerlichen Reden sich hier ergehen sollten, so möge man bedenken, daß die Sprache der Keter immer eine gottlose gewesen sei; man möge sich gegen etwaige protestantischen Deklamationen nicht in Zornesreden ereifern, sondern man möge sie kalten Blutes anhören und dann durch gewichtige Stimmen einsichtiger Theologen des Conziles widerlegen lassen13).

„Die wahre Autorität des Conziles“, ruft der Kaiser aus,,,besteht darin, daß man ihnen antwortet und sie mit den nöthigen Gründen widerlegt, in Milde und Mäßigung des Geistes."

Aber wenn auch die kaiserliche Anschauung weit entfernt war, in der Sache mit den Protestanten sich zu einigen, wenn sie nur aus Rücksicht auf Deutschland eine freie Aeußerung der Protestanten zuzulassen wünschte, so erregte es auf der Seite der päpstlichen Politiker doch schon ein gewaltiges Aergerniß, daß der Kaiser so viel von katholischen Geistlichen verlangte. Man sah es als eine Beleidigung an, den Protestanten überhaupt antworten zu sollen; man schwebte stets in der Besorgniß, es möge aus protestantischem Munde ein Schmähwort gegen den Papst fallen, das man ruhig anhören wüsse: man verabscheute es, sich überhaupt mit diesen Kezern einzulassen 14). So hatte das Conzil noch nicht viel mehr als drei Monate gesessen, und Kaiser und Papst waren in ihren Be= strebungen auf eine solche Differenz ihrer Anschauungen und ihrer Inter

12) Toledo am 28. Januar 1552. vgl. Pallavicino.

13) Anhang VIII. 10: es ist dieselbe Ansicht, wie sie Vargas am 7. Oktober 1551 dargelegt hatte.

14) Montesa (Mendozas Sekretair) 28. Januar 1552.

effen gestoßen, daß das Conzil in Trident noch einmal der Schauplag eines durchgreifenden Bruches der beiden Gewalten zu werden drohte. Die Lage ist im Januar 1552 in der That eine so bedenkliche gewor den, daß man an der glücklichen Beendigung der schwebenden Fragen zu verzweifeln und sich nur nach einem leidlichen Auswege umzusehen begann.

Der kaiserliche Gesandte Toledo selbst glaubte seinem Herrscher unverhüllt diese Lage der Dinge vorstellen zu müssen 15): wenn die dogmatischen Arbeiten in der allerkürzesten Frist beendigt werden konnten, und wenn unter den obwaltenden Umständen es eine Selbsttäuschung, eine unverantwortliche Chimäre war, eine ausreichende Reformation der Kirche von diesem Conzile zu erwarten, so sah Toledo ein, daß nur zweierlei übrig bleibe: entweder, und darauf arbeitete der Legat hin, das Conzil in den nächsten Wochen zu Ende gehen zu lassen, oder eine Suspension der Verhandlungen vorzunehmen. Toledo's Rath entschied sich für diese lettere Seite. Dadurch, meinte er, bleibe dem Kaiser Spielraum offen, mit den Deutschen in den unentschiedenen Fragen, vor Allem also, was Laienkelch und Priesterehe angehe, zu verhandeln; und die Erwartung einer neuen Zusammenkunft des Conziles enthalte auch eine gewichtige Unterstüßung der kaiserlichen Bestrebungen. Diese Vorstellungen Toledo's aber hatten nicht den Beifall des Doktor Vargas, und er fand in seinem Protektor Granvella das geeignete Organ, durch. das er gegen die Meinung seines vorgesetzten Gesandten seine Einwendungen an den Kaiser bringen konnte 16). Der Kaiser lehnte die Vorschläge Toledo's ab und erneuerte seine Anweisung, auf energische Fortsegung der Reformdebatten zu dringen 17). Karl wollte noch nicht von seiner Willensmeinung abgehen, durch dieses Conzil ebensowohl die allgemeine Reform der Kirche als die Beibringung der deutschen Kezer zu erreichen; und die Reformarbeiten seiner Spanier und die Verhandlungen des Conziles mit den unterworfenen Protestanten schienen ihm noch immer die geeigneten Mittel, seinen Willen durchzusetzen. Als aber der Zwiespalt am Conzile, der über beides entstanden war, immer heftigere Formen annahm und immer unaufhaltsamer auf den Bruch hindrängte, da entschloß sich Toledo noch einmal zu einem Schritte bei dem Kaiser. In der Session des 25. Januar 1552 hatte man es nach

15) Toledo 25. Dezember 1551 bei Döllinger 177 ff. Vgl. Anhang VIII. 6. 16) Vargas 29. Dezember 1551 (bei Levassor.)

17) Karl an Toledo 5. Januar 1552.

manchen Kämpfen von dem Legaten erlangt, daß das gewünschte Geleit den Protestanten zugesichert, und daß alle Entscheidung der vorliegenden Materien bis auf die Ankunft der Protestanten ausgesetzt wurde. Und nach der Session sandte Toledo den Doktor Vargas selbst an den kaiserlichen Hof, mündlich alle Schwierigkeiten der Lage darzuthun, Schwierigkeiten, aus denen Toledo auf ruhige Weise sich nicht zu retten wußte, die ihm unfehlbar einen neuen Bruch mit der päpstlichen Gewalt herbeizuführen schienen.

Noch von einer anderen Seite zeigte sich dies Scheitern des Conziles. Iene deutschen Kurfürsten, die hier als die Häupter der katholischen Kirche von Deutschland aufgetreten waren, erfaßte in dieser so aussichtslosen Lage Ungeduld und Mißmuth; sie wollten das Conzil ohne weiteres verlassen und alle Hoffnungen auf Ordnung der Kirche durch dieses Conzil als unnüße aufgeben 18). Es war in denselben Tagen, als auch in Deutschland allerwärts Unruhen und Bewegungen die Oberfläche des Reiches zu erregen anfingen, als vor Allem Kurfürst Moriß sich in neuem und gefährlichem Lichte zu zeigen begann. Und die Gerüchte, die man von dem Geschehenen und dem Bevorstehenden in Trident hörte, gaben den Kurfürsten einen Vorwand und Anlaß, ihren Wunsch nach sofortiger Rückkehr in ihre Staaten zu äußern. Aber ebensowohl der Legat des Papstes als der Gesandte des Kaisers faßten diesen Vorsatz der Kurfürsten höchst übel auf. Man fragte bei dem Kaiser an und erhielt von ihm, wie vorauszusehen, den Bescheid, daß die Kurfürsten noch ferner in Trident auszuharren hätten 19). Aber sie ließen ihre Absicht nicht fahren. Der Kurfürst von Mainz sprach es jezt unumwunden aus, daß nicht allein die Nachrichten aus Deutschland ihn wegriefen, sondern daß auch seine Ueberzeugung ihm nicht länger zu bleiben erlaube 20): da ja doch alle Arbeit in Trident zu Nichts führen wolle, da nur ein neuer Skandal für Deutschland aus allen diesen Tridentiner Vorgängen erwachsen werde, so wolle er nicht länger sich bei diesen nuglosen Debatten betheiligen. Und diese seine Meinung scheute sich der Kurfürst nicht auch dem Legaten und dem Präsidenten Pighino direct ins Gesicht zu äußern. Auch über diese Abreise der deutschen Kurfürsten stritten sich die Politiker eine Zeitlang. Man konnte sie endlich nicht verhindern, und der Kaiser war es

18) Anhang VIII. 4.

19) Karl 20. Dezember 1551. Toledo v. 18. und 20. Deze uber.
20) Anhang VIII. 7. 8. 9.

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