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Moritz zu schleudern berechtigt ist. Ich glaube, unsere Nation wird sich schwer für einen Fürsten begeistern lassen, der durch solche Mittel Deutschland aus den Händen spanisch-katholischen Joches befreit hat.

Aber ich meine doch, hier gerade ist der Punkt, an dem sich mit furchtbarer Schwere das Unheil fühlbar macht, das durch diese spani sche Regierung der Habsburger über Deutschland gebracht ist: es hat keine andere Möglichkeit gegeben, die antinationale Regierung dieses Kaisers von der Nation abzuwerfen, als eine schmähliche Vereinigung mit dem nationalen Feinde.

Die Revolution von 1552 ist nur die reife Frucht der habsbur gischen Kaiserregierung gewesen, wie sie die beiden Reichstage von Augsburg in Deutschland aufzurichten den Anfang gemacht haben.

17.

Und während also die Wogen der Opposition gegen den Kaiser in Deutschland immer höher gingen und die Grundlagen seiner Macht ernstlich zu erschüttern drohten, baute der mächtige Kaiser, im Gefühle seiner Siege schwelgend, weiter an den luftigen Traumgebilden seiner kaiserlichen Herrschaft. Den Sieg über die Protestanten bis zum Ende zu verfolgen, sollte das Conzil der allgemeinen Kirche jezt zur Wahrheit werden: in allen Fragen mit dem Papste aufs innigste verbündet, wie hätte Karl da noch an dem Conzile auf unbesiegliche Schwierigkeiten zu stoßen erwarten können? Nachdem die Einheit des Willens mit dem Papste besiegelt war, hatte es in der That alle Vermuthung für sich, daß jezt der früher durch manche Hindernisse aufgehaltene Gang der conziliaren Frage ein gleichmäßiger, ein sicherer, ein unge= fährlicher sein werde.

Papst Julius hatte an das Conzil als seinen Legaten den Kardinal Crescenzio gesendet, einen tüchtigen Legisten, einen unbescholtenen Priester, einen Kardinal, der zu den Anhängern des Kaisers gezählt wurde. Und neben ihn wurden nicht als Legaten, aber als Präsidenten der Versammlung zwei Geistliche gestellt, die gerade in den deutschen Verhandlungen ihre Probe bestanden hatten, Pighino und Lippomano. Man war von päpstlicher Seite bereit, am 1. Mai die Verhandlungen in Trident wieder zu beginnen, aber nach allseitiger Uebereinkunft verschob man zuletzt den eigentlichen Anfang des Conziles doch wieder auf den September dieses Jahres.

Da hatte in der That diese Versammlung der Geistlichen in Trident ein etwas anderes Aussehen gewonnen, als sie es vor vier Jahren ge

Maurenbrecher, Karl V.

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habt. Allerdings hatte die französische Kirche, wie es bei dem politischen Bruche zwischen König Heinrich und dem Papste nicht anders zu erwarten war, ihren Beitritt zu dieser Tridentiner Versammlung verweigert, und man bedurfte in Trident großer Mäßigung und Selbstbeherrschung, daß man nicht dem Hohne der Franzosen in schroffer Weise antwortete, daß man doch den förmlichen Bruch, das offene Schisma mit Frankreich vermied1). Aber an Stelle der Franzosen machte damals die deutsche Kirche ihre Erscheinung: in der Versammlung haben die geistlichen Kurfürsten des deutschen Reiches persönlich ihren Sitz genommen; und es läßt sich nicht läugnen, daß die Kölner Theologenschule ganz bedeutend in die Debatten eingegriffen hat. Wenn so die officielle Kirche von Deutschland an dem Leben der abenländischen Christenheit Theil genommen, so stand sogar noch ein Weiteres bevor. Von Anfang an wurde es verkündet, daß die Protestanten alle sich diesem Conzile unterworfen, und daß protestantische Anschauungen hier vertreten, ausgesprochen, vertheidigt werden würden. Kaiser Karl schien wirklich da den mächtigsten Einfluß auf die religiöse Gestaltung des Abendlandes ausüben zu sollen. Dem Conzile persönlich näher zu sein und ohne Weitläufigkeit dort seine Stimme vernehmen zu lassen, verlegte Karl im November seinen Hof nach Innsbruck. Die kaiserliche Anschauung in Trident selbst wurde durch den geistlichen Diplomaten vertreten, der schon neben Mendoza früher an dem Conzile thätig gewesen und der zu den wichtigeren Berathungen über kirchliche Dinge wiederholt herbeigezogen war: Francisco de Toledo, ein Vertrauter Albas, war die Seele der kaiser= lichen Gesandtschaft. Und neben ihm erschien der Graf von Montfort als Repräsentant des deutschen Reiches und ein burgundischer Geistlicher als Organ der niederländischen Kirche, und auch noch einen Spanier wollte man senden, der Spanien noch besonders vertreten sollte. Diesen verschiedenen Gesandten war Vargas, ein Mitglied des Rathes von Casti= lien, ein erprobter spanischer Canonist, beigegeben, mit seinem Urtheile und seinem Rathe den Gesandten zur Hand zu sein2). Die kaiserliche

1) Le Plat IV. 236-242. 249-258. Vgl. Pallavicino XI. 17. und XII. 9. 2) Vargas ist nicht eigentlicher Gesandter am Conzile gewesen, sondern nur ein Beistand, ein Agent zur Unterstützung der offiziellen Gesandschaft; ganz in derselben Weise wie er, Quintana und Velasco dies 1546 und 1547 schon waren. Zu den allgemein bekannten Akten und dem mehr vertraulichen Briefwechsel dieses Vargas mit Granvella, den Levassor edirt hat, (Lettres et mémoires de Fr. de Vargas) war es mir vergönnt noch die ganze amtliche Correspondenz Toledos mit dem Kaiser einzusehen. (leg. 646 und 877.)

Politik hat so alle Segel angesetzt, das Conzil nach ihrer Meinung zu führen.

Aber in den Verhandlungen jener Zeit trat die ganze Schwierigfeit der Aufgabe, die die spanische Politik auf sich genommen, am deutlichsten zu Tage: ihre Gesichtspunkte waren fest gefaßt, konsequent fest= gehalten, geschickt vertreten; und dennoch zeigte es sich bald, welche ungeheueren Hindernisse die Kirchenfrage in sich selbst barg, sogar dann, wenn der Papst des Kaisers Alliirter war. Es gelang keineswegs zu erreichen, was man beabsichtigt hatte: eine gründliche Reform im Bunde mit dem Papstthum und eine Unterwerfung der deutschen Ketzer unter die katholische Einheit brachte man auch diesmal nicht zu Stande.

Es lag doch in der Natur seiner Stellung selbst, daß jeder Papst wenig Neigung hatte, in größeren Verhandlungen die Angelegenheiten der Kirche debattiren zu lassen. Wer das Verhalten aller jener Päpste des jechszehnten Jahrhunderts zu der Conzilfrage überschaut, wird leicht zu der Meinung kommen können, daß es im Grunde keinem der Päpste genehm war, sich mit dem Conzile zu befassen. Auch Julius III., der im Conclave die Verpflichtung eingegangen, das Conzil und die Reform eifriger zu betreiben, und der mit dem Kaiser im besten Einvernehmen. lebte, auch dieser Julius III. hatte im Grunde, seines Herzens wenig. Gefallen an der großen Prälatenversammlung, deren oft unangenehmen. Charakter er übrigens als Kardinal aus eigener Erfahrung kennen gelernt hatte. Nun wollte er gewiß mit dem Kaiser] Eines Sinnes bleiben und sein gegebenes Wort nicht zurückziehen; aber er entschloß sich doch einmal dem Kaiser alle Schwierigkeiten direct ans Herz zu legen: die Franzosen widerstrebten, und die Deutschen hätten erst recht wenig Lust, und auch die Italiener seien so arm, und dann erst, wenn die Beschlüsse der Kirchenversammlung gefaßt seien, dann erst würden sich die wahren Schwierigkeiten erheben: die Conzilbeschlüsse müßten dann auch ausgeführt werden. Aber er wiederholte doch, daß er sich der Meinung des Kaisers unterwerfen wolle3). Und so fügte sich der Papst in die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Aber in Trident dauerte es nicht lange, und diese unlustige Gesinnung des Papstes und alle die sachlichen Schwierigkeiten gelangten zu praktischer Bedeutung.

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Kaiser und Papst waren darin einig, daß die früher gefaßterr Dekrete den wahren Glauben der Kirche enthielten; die Fundamentaldogmen der Kirche waren nach ihrer übereinstimmenden Meinung schon.

3) Anhang VIII. 3.

in der früheren Vereinigung des Conziles endgültig geordnet; und was etwa von dogmatischen Fragen noch unentschieden gelassen war, betraf nicht die wesentlichen Punkte des christlichen Glaubens, es waren nur unwesentliche Lehren von untergeordneter Bedeutung. Und da lag es der päpstlichen Anschauung sehr nahe, wenn sie hoffte, recht bald dem ganzen Conzile ein Ende zu machen, in wenigen Sessionen die übrig gebliebenen Punkte rasch zu erledigen. Aber das war keineswegs die Meinung des Kaisers: von Anbeginn an waren ja für ihn die dogmatischen Arbeiten der Tridentiner Versammlung nur Nebensache gewesen; denn für ihn waren die Dogmen schon durch die alten Conzile genügend festgestellt: die spanische Kirchenpolitik verlangte eine Reform der Kirche, verlangte eine neue Disciplin in der Geistlichkeit, verlangte eine besser geordnete Verfassung der Kirche1). Und wenn Karl sein Verhältniß zu Deutschland weiter berücksichtigen wollte, so konnte er sich auch der Wahrnehmung nicht verschließen, daß gerade die Mißbräuche im kirchlichen Leben hier zuerst die lutherische Bewegung hervorgerufen hatten; diese Quelle des Uebels verstopfend, durfte er demnach hoffen, auch die Keßerei selbst nach und nach zu beseitigen. So sehen wir denn auch, daß der Kaiser diesmal alle seine Mittel in Bewegung gesetzt hat, die beabsichtigten Reformen der allgemeinen Kirche ins Leben zu rufen. Es waren das dieselben Forderungen, die in den ersten Monaten des Jahres 1547 von den Spaniern erhoben und den damaligen Legaten Anlaß geworden waren, in aller Eile die Arbeiten des Conziles einhalten zu lassen. Es mußte sich jetzt zeigen, ob der Papst Monte eine neue Ansicht über diese Reform gewonnen, und ob die neuen Leiter des Conziles größere Neigung besaßen, die gewünschte Arbeit in Angriff zu nehmen. Und das, meine ich, ist auch diesmal wieder der Punkt gewesen, über den Kaiser und Papst sich nicht zu einigen vermochten: an dieser Frage haben sie sich aufs Neue von einander getrennt.

Nachdem man sich über die ausstehenden Dogmen mit großer Leichtigkeit geeinigt hatte), konnte man die Reformdebatten nicht mehr vermeiden. Die spanischen Reformtendenzen, die hier auch von der kaiser

4) Karl an Toledo vom 5. Januar 1552 spricht dieses Axiom der spanischen Conzilpolitik mit deutlichen Worten aus: Considerando que la principal causa porque se congrego el concilio no fue solo por lo tocante a las dogmas, que estas ya estavan determinadas por otros muchos concilios, sino porque se hiziesse una devida y tal reformacion que los protestantes no tuviesen ocasion de perseverar en sus errores fundados sobre los abusos.

5) Wir reden von der 12., 13. und 14. Session des Conziles.

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