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gebracht, daß man allgemein seinen Tod schon in den nächsten Monaten erwartete, ist selten in eine solche Stimmung von Unmuth und Unlust versett gewesen, wie sie ihn damals über des Bruders Verfahren erfaßte. Als er die Schwester herbeirief, schrieb er ihr, daß sie kommen müsse, ihm zu helfen und den Bruderzwist beizulegen, er selbst könne es nicht länger ertragen, es werde ihn dieser Aerger noch umbringen, seine Geduld mit dem Bruder sei zu Ende: er wollte es zeigen, wer Kaiser sei, ob Karl, ob Ferdinand.

Die Königin Maria erschien schon im Anfange des neuen Jahres; und so waren alle Habsburger vereinigt, den Beschluß zu fassen, den zu verschieben jezt nicht mehr möglich war. In den Verhandlungen, über deren Fortgang wir natürlich keine authentischen Aufzeichnungen besigen, zeigte sich vor Allem Max zäh und ausdauernd 43). Aber daß der Zwist in der Familie zu fortgesetzten Verstimmungen führte, zeigte sich auch im äußeren Auftreten. Die Belehnungsfeierlichkeiten, die man für Philipp beabsichtigt hatte, konuten nicht in der gewünschten Weise Statt finden. Und zulegt wurde diese Feier ohne Betheiligung der doch so nahe gegenwärtigen Verwandten vorgenommen.

In den Berathungen wurden von kaiserlicher Seite ausführlich alle Umstände dargelegt, sowohl die für Max als die für Philipp sprachen. Wir besigen heute noch das eingehende Memoire, auf Grund dessen man verhandelt hat 44). Natürlich der Schluß, den man aus Allem zog, war die Nothwendigkeit einer Vererbung der Kaiserkrone auf die Person des spanischen Königs. Und nach dem Schlusse des Reichstages setzten Karl und Philipp wirklich ihre Meinung gegen die Verwandten durch. Ferdinand und Max verpflichteten sich am 9. März für die Intentionen der kaiserlichen Politik zu arbeiten, Karl und Ferdinand vereinigten sich, sofort durch gemeinsame Verhandlung die Zustimmung der deutschen Kurfürsten zu ihrem Plane zu erwirken 45).

Es ist ein Doppeltes, zu dem sich die habsburgische Familie in Augsburg verbunden hat. Einmal, wie es zum Axiom der spanischkaiserlichen Politik geworden, auf jene Verbindung der spanischen Krone mit den italienischen Besitzungen die europäische Machtstellung zu gründen, so faßte man auch diese Seite zunächst bestimmter ins Auge:

43) Außer den französischen und englischen Mittheilungen ist wohl am sichersten noch das was Karlowiß schreibt (er nennt einmal seine Quelle, ein,,Königischer“) Langenn II. 320 f.

44) Lanz, Staatspapiere 450 ff.

45) Anhang VII. 1. 2. 3.

sofort nach dem Tode des Kaisers sollte Ferdinand als Kaiser dem spanischen König, der zu seinem Nachfolger gewählt wäre, die Regierung über Italien abtreten: Philipp sollte nach des Vaters Tode Reichsvikar von Italien werden. Und dann, wenn Philipp dereinst nach Ferdinands Tode römischer Kaiser geworden sei, so war er verpflichtet, sofort seinen Better Max zum römischen Könige erwählen zu lassen; und zwischen diesem Kaiser Philipp und dem Könige Max sollte dann ein ähnliches Verhältniß eintreten, wie es bis jezt zwischen Karl und Ferdinand bestanden: die eigentliche Verwaltung von Deutschland sollte ganz in die Hand des deutschen Habsburgers gelegt werden, Philipp blieben die Vortheile der Kaiserwürde für die europäische Stellung vorbehalten.

Wir sehen, auf eine Reihe von Jahren, auf mehrere Regierungent hin hatte die kaiserliche Politik der Habsburger ihre Bande um die deutsche Nation gelegt. Und in der That, nicht nur die Befriedigung eines persönlichen Ehrgeizes hat damit der Kaiser verfolgt, sondern der Gedanke seiner ganzen Politik hat ihn auch hierbei geleitet. Wie er damals die lutherische Keßerei, den Protestantismus in die Einheit der Kirche zurückgeführt zu haben glaubte, und wie er damals auf der Höhe seiner Macht in Eintracht mit dem Papste die Reform der abendländischen Kirche durch das Conzil durchzusetzen sich anschickte, so traf er auch diese Einrichtungen und Maßregeln, damit die deutsche Nation in der Bahn seiner allgemeinen Politik festgehalten werde. In den Verpflichtungen Ferdinands und Philipps war es klar ausgesprochen, daß auch zu der Erreichung jener allgemeinen Ideen des spanischen Kaisers dieser Familienpakt dienen follte.

In der That, der Weg, der zur Einheit der Christenheit, zu dem habsburgischen Universalreiche führte, war mit bewußter Entschiedenheit betreten. Der Widerstand, der sich einen Augenblick aus der Mitte der interessirten Herrscher erhoben, war jest überwunden: die habsburgische Familie hatte sich ihrem Chef unterworfen und hatte, unter der Leitung des Kaisers, die allgemeine Kirchenfrage des Abendlandes zu ordnen und Deutschland zu knechten unternommen. Und wenn auch der kränkelnde Kaiser selbst bald sterben sollte, so waren doch jezt die Vorkehrungen sicher getroffen, daß der Sohn, der zum Nachfolger erzogen und in die Idee des Vaters eingeführt war, dieselbe kaiserliche Politik fortsetzen konnte.

Am 25. Mai nahm Prinz Philipp von dem Vater Abschied, durch Italien nach Spanien zu gehen und dort für dieselben Zwecke zu ar

beiten. Als der Kaiser den Sohn ein Stück Weges vor die Stadt begleitete, ritten sie an dem gefangenen Herzog Johann Friedrich vorbei. Demüthig, bloßen Hauptes, sich tief verneigend, trat der Sachsenherzog zur Seite, Prinz Philipp lüftete seinen Hut, der Kaiser aber dankte nur mit einer gnädigen Handbewegung 46): fürwahr ein Schauspiel, das der deutschen Nation in recht greller Weise die Wohlthaten dieser spanischen Regierung über Deutschland zu zeigen im Stande war.

46) Nach der Erzählung des englischen Gesandten. (Calendar of Statepapers of the reign of Edward VI. p. 113.)

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16.

Auf diesem Augsburger Reichstag von 1550 hat die kaiserliche

Macht Karls V. ihre höchste Höhe erreicht. Wenn vor einem halben Jahrhunderte sich eine lebendige Bewegung der Nation bemächtigt hatte, die nationalen Kräfte Deutschlands in eine neue Verfassung zu bringen, so schien hier auch die Kaisergewalt einen Weg betreten zu haben, der zu einer solchen Neugestaltung Deutschlands hinführen konnte.

Unter allen den Herrlichkeiten und Fürstlichkeiten, die den Boden der Nation überwuchert und ihre Lebenskräfte bedrängt hatten, hat sich endlich einmal ein mächtiger Wille geltend gemacht, unter allen den Ständen von Deutschland ist hier endlich einmal ein Monarch aufgetreten, der befähigt und gesonnen war, den Willen der Anderen zu beugen und eine moderne Monarchie, eine einheitliche Staatsgewalt anzubahnen.

Aber dürfen wir in diesem spanischen Karl wirklich den nationalen Fürsten sehen, dessen monarchisches Auftreten der deutschen Nation das erwartete Heil gebracht hat? Die Geschichte Deutschlands hat mit vernichtender Kritik diese Frage beantwortet.

Auf den beiden Reichstagen von Augsburg hat Kaiser Karl, nachdem die ersten Versuche in dieser Richtung gescheitert, nicht eine neue Verfassung von Deutschland durchgesetzt. Die alten Formen der Reichsordnung blieben erhalten, auch die neue Monarchie arbeitete mit den alten Mitteln der Landfriedensordnung, des Kammergerichtes, der Matrikelumlagen weiter. Aber es hat Karl doch, für eine Zeitlang

wenigstens, in diese hergebrachten Formen einen neuen selbstherrlichen Geist gebracht. Einige Jahre hindurch hat unter dem Scheine der alten Herrschaft ein moderner Absolutismus über Deutschland gewaltet. Auch Karl hat sich beschieden, eine bleibende Ordnung für die Zukunft Deutschlands nicht herrichten zu können, er hat sich mit dermomentanen Machtentwickelung und Machtsteigerung begnügt.

Wenn wir genauer zusehen, was ist denn Karl's Herrschaft in jenen vier Jahren anders gewesen, als das ausgeprägteste Willkürregiment? An die menschlichen Leidenschaften hatte sich der Kaiser gewendet, durch alle Mittel einer kalten und wohlüberlegten Berechnung hatte er die Opposition nieder geschlagen. Und jezt, als er die Einen durch die Anderen besiegt, hat er Beiden mit dem gleichen Lohne gedankt.

Alle Parteien in Deutschland sind von dem siegreichen Kaiser mit derselben Willkür behandelt worden. Da hatte er doch die Bayern gewonnen durch die Aussicht auf die pfälzische Kur, aber jest konnten die Bayernherzoge Rechtsörterungen und Bittschriften an den Kaiser verschwenden, Karl zog es jetzt vor, den Kurfürsten zu erhalten. Da hatte er denselben Bayern das Herzogthum Neuburg zugesagt: allerdings dem armen Pfalzgrafen wurde es genommen, aber es sollte dem spanischen Feldherrn, dem Herzoge von Alba, als Belohnung seiner Kriegsdienste überliefert werden 1), und bis Alba selbst es antrat oder es an einen Dritten verkauft hatte, blieb es dem Schute spanischer Truppen unter der Verwaltung des Kaisers überlassen. Da hatte er auch den Herzogen von Würtemberg wegen ihres Anschlusses an die Schmalkaldener den Prozeß gemacht und dem Könige Ferdinand Aussicht auf dieses schwä bische Herzogthum eröffnet; und auch hier unterlag es keinem Zweifel, daß nur der Wille des Kaisers den Richterspruch bezeichnen werde: die Willkür des Kaisers hielt lange Zeit den Würtemberger in Besorgniß und den habsburgischen Bruder in begehrlicher Erwartung. Aber Alles das überbot doch das Verfahren gegen die Schmalkaldener Häupter. Das sächsische Land, so viel man davon den Söhnen Johann Friedrichs noch gelassen hatte, wurde von der spanischen Regierung des Kaisers in jeder Beziehung ausgeplündert und geknechtet. Und gar erst der Landgraf von Hessen, der sich doch unbesiegt dem Kaiser ergeben hatte, welche Behandlung mußte er über sich ergehen lassen? Alle Bitten und alle Verwendungen deutscher Fürsten und Stände

1) Der Kardinal Otto von Augsburg erzählt dies Faktum (Pap. d'état IV. 417) wie er überhaupt diese Uebergriffe kaiserlicher Willkür sehr scharf tadelt.

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