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aufs Neue zu schaffen. Es war ihr auch geglückt, Einzelne der süd deutschen Fürsten und Bischöfe zu einem Bunde zusammenzubringen, aber einem Bunde ohne viel Macht und Bedeutung 27). Jezt endlich nach den Siegen über die widerstrebenden Fürsten und Stände von Süddeutschland verlor man keinen Augenblick, eine solche Vereinigung herzustellen, die eines größeren Gewichtes fähig sei. Schon im Februar 1547 hat Karl bei der schwäbischen Ritterschaft und den schwäbischen Städten Versuche gemacht, sie um sich zur Bewaffnung eines Heeres und zur Leistung von Geldbeiträgen zu vereinen, Alles zur Erhaltung des Landfriedens28). Es ist damals Nichts erreicht worden. Aber im Sommer dieses Jahres 1547 brachte der Kaiser eine Versammlung der größeren Fürsten in Ulm zu Stande, die einen ausführlichen Plan eines solchen Bundes erörterte.

Auch am Reichstage nahm man diese Pläne wieder auf und verhandelte Monate lang über diese neue „Liga des Reiches". Hier war es der Wille des Kaisers, nicht nur einzelne süddeutsche oder einzelne norddeutsche Stände zu einem lokalen Bündniß zu sammeln, sondern das ganze deutsche Reich mit allen seinen Ständen und Theilen sollte an dieser kaiserlichen Liga Theil nehmen. Dieser Entwurf war ein weitreichender, er hätte die ganze deutsche Verfassung umgestaltet. Man war der Meinung, den Bund auf die Handhabung des Landfriedens, auf die Exekution eines jeden Urtheiles der Reichsgerichte, auf die Erhaltung des Statusque auch in den geistlichen Fürstenthümern und Ständen zu stellen. Man beabsichtigte ferner ein stehendes Heer von wenigstens 20,000 Mann auf Kosten dieser Liga zu erhalten, man wollte alle deutschen Territorien einschließen, auch der Kaiser sollte als Mitglied eintreten für die Niederlande, und Ferdinand als Mitglied für die österreichischen Herzogthümer: sonst wollte man das Reich in Kreise vertheilen, deren jeder Räthe zur Leitung des Bundes absende; und dem Kaiser blieb nur die Ernennung des Hauptmannes vorbehalten. Es war natürlich, daß bei dieser Bundesgestaltung, in der nicht in den Formen des Reichstages, sondern nach einfacher Stimmenmehrheit dem Ganzen die Richtung gegeben werden sollte, der Kaiser einen unermeßlichen Zuwachs thatsächlicher Macht im Reiche erlangen mußte29). 27) Vgl. Spieß, Geschichte des Kaiserlichen neunjährigen Bundes von 1535

-1544.

28) Lanz, Staatspapiere. 407 ff. und 414 ff.

29) Vgl. über diese Verhandlungen Bucholz VI. p. 269 ff. ff. und Ranke V. 13-16. VI. 430 ff. Stumpf p. 280–286. · die Karl der Sache beilegt, erhellt aus der Stelle im Anhang

Spieß p. 218 Die Wichtigkeit S. 57* u. 58*.

Auf allen Seiten, nicht allein in Deutschland, sondern auch im Auslande war man gespannt und voll banger Besorgniß über den Ausgang dieses Planes. Den italienischen Politikern insbesondere war es nicht zweifelhaft, daß bei einem Gelingen dieses Verfassungsentwurfes die Verfügung über Deutschlands Macht wieder in des Kaisers Hand kommen werde3o). Aber gerade deßhalb regte sich die Opposition der größeren Fürsten. Auch der Verbündete des Kaisers, Kurfürst Moriz, erklärte sich scharf gegen eine solche Liga, die alle alten Verträge unter den Staaten zu durchbrechen und aufzulösen drohte. In Augsburg haben sich die Verhandlungen darüber eine Zeitlang hingeschleppt, zulezt aber hat der Kaiser alle diese Pläne fallen gelassen31).

Es bot sich ihm die Möglichkeit, auch bei dem Reichstage und von den Reichsständen als solchen eine Förderung seiner Pläne in den wichtigsten Dingen zu erzielen.

Zunächst wußte er sich von den Reichsständen eine größere Geldbewilligung zu verschaffen, und dann sette er es durch, daß zur Friederhaltung ihm die Stände einen „Vorrath“ zusammenzuschießen verhießen, aus dem er ein Reichsheer bezahlen konnte 32). Auch durch diese Reichsmittel wurde er so in den Stand gesetzt, Deutschland mit Waffengewalt im Zaume zu halten, die noch Widerstand versuchenden Reichsglieder mit Heeresmacht zu bezwingen, manchem deutschen Plage die Wohlthat einer spanischen Besaßung zuzuwenden.

Während der Kaiser aber seinerseits sich faktisch das Recht nahm, nichtdeutsche Truppen in Deutschland zu verwenden, untersagte er es nach manchen scharfen Debatten dem Reiche, daß seine Glieder in auswärtigen Dienst zum Nachtheile des Kaisers treten dürften: die Kriegsleute, die im französischen Dienste gestanden, wurden noch jetzt scharf gestraft 33). Und gleichzeitig wurde auch Sorge getragen, die Gerichtsordnung und das Ansehen der Reichsobrigkeit wieder zu heben. Wie in allen Unterwerfungsverträgen dies schon bestimmt war, daß die Stände unbedingt sich dem Kammergerichte fügen sollten, so sezte jezt der Kaiser eine neue kräftige und strengere Ordnung dieses Gerichtes fest:

30) Vgl. Mendoza 14. Juli 1547. (Döllinger 89) und Anhang V. 15. 31) Stumpf. 284 f. und Ranke VI., 430 ff. Wir besitzen keine genaue Einsicht in diesen lezten Theil der Ligaverhandlungen: überhaupt ist über diese ganze Sache unsere Kenntniß eine sehr lückenhafte; es wäre gewiß lohnend, diesem Gegenstande einmal forgfältig im Detail nachzugehen.

32) Notizen bei Ranke V. 23 und 24.

33) Depesche Stroppiana's v. 28. Januar 1548. (S. 162). Maurenbrecher, Karl V.

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seinem Schute wurden aufs Neue alle zu Recht bestehenden Besitzverhältnisse untergeben, und dies auch in den geistlichen Gütern und Stiftern; der Kaiser endlich besetzte es diesmal selbst mit treuen, festen und gutkatholischen Richtern.

Auf diese Weise traten einige der Zwecke ins Leben, die Karl mit seinem Deutschen Bunde bezweckt hatte: der thatsächliche Einfluß, den der siegreiche Kaiser erlangt hatte, wußte sich in Allem geltend zu machen. Welch ein Schauspiel bot überhaupt diese Fürstenversammlung in Augsburg! Es beugten sich die stolzesten Häupter im Reiche vor dem schwächlich und kränklich auftretenden Kaiser: es bettelten und jammerten die fröhlichsten Blüthen deutschen Adels bei den ausländischen Räthen des spanischen Karl: es fügten sich die widerspänstigsten Köpfe Deutschlands den Launen dieser Ausländer34)!

Und in einer Sache, die des Kaisers eigenste Angelegenheit betraf, sezte er gleichfalls seinen Willen in sehr entschiedener Weise durch. Wenn zu jenem Projekte des deutschen Bundes den Kaiser das wesentlich bestimmt hatte, auch seinen eigenen Besit, die Niederlande, in ein solches Verhältniß zum Reiche zu sehen, welches ihnen den Schuß des Reiches gewähren konnte, ohne ihnen doch die Lasten desselben aufzu= laden, so ließ er auch jetzt nicht ab, diesen Plan unter veränderten Umständen zu verfolgen. Und daß er dies zu erreichen in der Lage war, hat vielleicht ihn bewogen, das Bundesprojekt fallen zu lassen.

Die Verhältnisse der Niederlande zum Reiche waren im Einzelnen vielfach verwickelt und von sehr verschiedenartiger Natur. Es mußte das Bedürfniß einer jeden modernen Staatsregierung sein, ebensowohl diese einzelnen Staaten durch gleichförmigere Gesetzgebung zu einem Staatsganzen zusammen zu schweißen, als auch sie in eine einfache und einheitliche Stellung zu Deutschland zu bringen. Und wann hätte ein solcher Plan mehr Aussicht auf Erfolg geboten, als in dem Augenblicke, in welchem der Herrscher der niederländischen Staaten über die deutschen Reichsstände zu gebieten schien! Der Gesichtspunkt, den bei diesen Einrichtungen der Kaiser festhielt, war vor Allem der einer Defensivund Offensiv- Verbindung der Niederlande mit dem Reiche; und die

34) Sastrowen theilt schon viel Charakteristisches mit; ich möchte dazu noch auf das „Tagebuch des Grafen Wolrad von Waldeck“ hinweisen (in den Publikationen des Stuttg. Literar. Vereins 1860) das uns die Jammergeschichte eines deutschen Fürsten recht beweglich schildert. Sonst verdient noch bemerkt zu werden, daß Moritz von Sachsen an einer katholischen Prozession Theil nehmen mußte (Stroppiana 5. Januar.)

Staaten, die einem französischen Eroberer als eine willkommene Beute ausgesetzt zu sein schienen, diese Staaten galt es, durch das ganze Deutschland gegen jeden Angriff schüßen zu lassen. Nur natürlich war es aber, daß diesen Anträgen die deutschen Stände mannichfache Bedenken entgegen stellten: vor Allem waren manche unter ihnen doch Theile des Reiches, welche der Kaiser nun dem Einflusse der Reichsobrigkeit zu entziehen suchte. Aber alle Einwendungen und alle Erörterungen fruchteten nichts gegen die feste Entschlossenheit und Zähigkeit des Kaisers. In vollkommenster Weise sezte er auf diesem Reichstage seinen Willen durch. Es wurden gewisse Verpflichtungen für die Niederlande anerkannt, zu Reichskriegen Contingente und Subsidien zu stellen, es wurden aber die Niederlande von der obrigkeitlichen Gewalt des Reiches frei gemacht und selbständig gestellt. Und dafür übernahm Deutschland die Aufgabe, jenes habsburgische Besitzthum auf immer zu vertheidigen 35).

Es gibt wenige Akte der kaiserlichen Regierung dieses Karl, die in so prägnanter Weise seine Stellung charakterisiren: wie er sich in keiner Weise als nationalen Herrscher von Deutschland fühlte, suchte er sein Kaiserthum von Deutschland zum Heile seiner außerdeutschen Stellungen auszunutzen.

Der in Augsburg geschlossene Vertrag mit den Niederlanden sollte Geltung haben für alle Zeit, auch wenn ein Nicht-Habsburger Kaiser sei. Allerdings lag es in der Absicht Karl's, das Reich in seiner Familie zu halten, aber immerhin war der niederländische Vertrag auf alle Fälle berechnet. In jener Zeit hat Karl auch einen Beschluß ge= faßt über die nächste Zukunft dieser Niederlande. Es war ja eine lange Reihe von Jahren als offene Frage behandelt worden, ob dieser Burgundische Besitz der Habsburger in die Hand des spanischen Thronerben übergehen, oder ob er als Ausstattung der ältesten Tochter des Kaisers, Maria, mitgegeben werden solle. Bei allen Verhandlungen mit König Franz, die sich um eine kaiserlich-französische Ehe bewegten, war doch immer die Alternative gestellt, Mailand oder die Niederlande zu opfern. Wir sahen nun, wie schon 1540 Karl den Entschluß gefaßt, als die Basis der spanischen Monarchie über Europa dem spanischen Thronerben Oberitalien zu erhalten, und es wurde demnach den

35) Vgl. Henne, Histoire du règne de Charles Quint en Belgique. VIII. 320-338. Ueber Karls Gesichtspunkt bei der Ordnung dieser niederländisch-deutschen Beziehungen siche die Aeußerung in P. d'Etat III. S. 275 und 276.

Franzosen die Aussicht auf den Erwerb der Niederlande gegeben 36). Aber gleichzeitig mit diesen französischen Allianzplänen wurde auch die Idee vom Kaiser festgehalten, die Prinzessin Maria mit einem ihrer Vetter zu vermählen. Ihre Ansprüche durften nicht in ein fremdes Herrscherhaus gebracht werden 37). Und auch für diesen Fall war von einer Mitgabe der Niederlande an Maria die Rede. Alle diese Dinge reiften jest in Augsburg ihrer Entscheidung entgegen. In einer persönlichen Besprechung mit König Ferdinand und mit Königin Maria, der Regentin der Niederlande, entschied Karl jetzt, daß ohne weiteren Verzug Ferdinands ältester Sohn, Erzherzog Maximilian, die Prinzessin Maria eheliche 38) und weiterhin, daß die Niederlande nicht diesem Paare gegeben werden sollten, nicht einmal die Statthalterschaft in den Niederlanden glaubte Karl ihnen anvertrauen zu dürfen, sondern daß Prinz Philipp von Spanien auch hier der Erbe seines Vaters werde 39). Ihn diesen Ländern vorzustellen und ihm huldigen zu lassen, ordnete Karl an, daß Philipp selbst von Spanien herüberkomme.

Und noch eine andere weit wichtigere Frage wurde in der Familie der Habsburger angeregt, die man damals noch nicht zu entscheiden wagte, an der in der That zuerst die Eintracht der habsburgischen Brüder zerschellen sollte.

Als die Frage der definitiven Gestaltung von Deutschland bei dem Ausbruche des Schmalkaldener Krieges zuerst aufgeworfen wurde, brachte Ferdinand bei dem Bruder auch das einmal in Anregung, wie gefährlich es für die Habsburger werden könne, wenn man die kaiserliche Macht allzusehr steigere: da Deutschland eine Wahlmonarchie war, konnte jeder folgende Kaiser die von Karl gesammelte kaiserliche Macht auch gegen die Habsburger benutzen. Allerdings es stand fest, daß nach Karl's Abgang Ferdinand Kaiser sein werde, aber die politischen Pläne mußten doch weit über den Tod der beiden Brüder hinausreichen. Ferdinand meinte, man folle sich von den Kurfürsten eine förmliche Verschreibung

36) Karl's Codicill vom 28. Oktober 1540. P. d'Etat II. p. 599. Karls Erklä= rung an Franz vom 24. März 1540. und vom Februar '1545. ib II. 562 und III 87.

37) Relation Justiniano's aus Frankreich von 1535 (Alberi Serie I. Bd. 1. S. 183). Schon im Testamente von 1535 hat Karl angeordnet, daß die Niederlande seinem zweiten Sohne oder in Ermangelung eines solchen, seiner ältesten Tochter mitgegeben würden und daß sie einen Sohn Ferdinands heirathe. Vgl. Codicial vom 5. November 1539 P. d'Etat II. 542.

38) Karl 25. Dezember 1547, Anhang IV, 20.

39) Karl, 18. Januar 1548. P. d'Etat III. S. 314–317.

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